Meine persönliche Rückschau auf den BID-Kongress 2013 (Teil 1)

Von allen vier Bibliothekartagen, die ich bisher in Deutschland besuchte, war dies durchaus einer der facettenreichsten und intensivsten Kongresse. Es waren vor allem die interdisziplinär angehauchten Vorträge und Präsentationen, für welche ich mich besonders interesssierte. Zunächst einmal sei erwähnt, dass ich am Montag, den 11.03. erst am frühen Nachmittag auf dem Messegelände eintraf und nicht von Anfang an dem im Folgenden beschrieben Vortrag teilnehmen konnte.

Laut dem Demenzforscher und Soziologen Reimer Gronemeyer ist Demenz keine Krankheit. Er kritisiert die Ausgrenzung von Menschen mit Demenz, wie z.B. in den Niederlanden das “Demenzdorf” Hogeweye, in dem eine künstliche Realität für Menschen mit Demenz aufgebaut wurde, die abseits vom Rest der Bevölkerung leben. Das erinnert an die am 13.10.2010 angesprochenen sogenannten retirement villages, in denen Senioren fernab vom Rest der Bevölkerung abgeschottet leben.

Niemand kann sagen: Damit haben wir nicht gerechnet oder das haben wir nicht gewusst”. Heike von Lützau-Hohlbein

Es sollte mehr für Menschen mit Demenz getan werden, um ihnen “ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, so die Vorsitzende der deutschen Alzheimergesellschaft, Heike von Lützau-Hohlbein. Wer selbst schon Mitglieder in der Familie hat(te), die an Demenz erkrankt sind, wird leichter Verständnis und Empathie aufbringen dieses Thema zukünftig auch für die eigene Arbeit stärker in den Vordergrund zu rücken. Der erste Vortrag setzte an der an der Schnittstelle des Bibliothekswesens zur Geragogik, die auch als Gerontagogik oder Alterpädagogik bezeichnet wird, an. Zukünftig wird dies wohl ein Teilgebiet werden, das mindestens dieselbe Aufmerksamkeit erfahren dürfte wie die Kinder- und Jugendarbeit in Bibliotheken. So hielt Frau Susanne Brandt zusammen mit Herrn Oke Simons einen Vortrag zum Thema “Demenz als Thema für Bibliotheken? Überlegungen und praktische Beispiele für die Bedeutung von Erfahrungswissen und kultureller Teilhabe im Dialog der Generationen“. Darin wurden bereits vorhandene bibliothekarische Angebote, die das Leben von Menschen mit Demenz in besonderer Weise berücksichtigen vorgestellt, die es teilweise schon in Schleswig-Holstein gibt. Dabei wurden konkrete Bausteine angesprochen, die eine Umsetzung erleichtern. Es handelt sich unter anderem um sogenannte Medienboxen, die für den Aufbau einen zentralen Medienangebots genutzt werden können. Des Weiteren steht die Biografiearbeit im Vordergrund, indem z.B. Kamishibai-Fotoserien und Bilder zu vertrauten Märchen und Geschichten erstellt werden. In Schleswig-Holstein gibt es ein sogenanntes Kompetenzzentrum Demenz, über das pädagogische Materialien bezogen werden können.

In Deutschland leben derzeit etwa 1,4 Millionen Menschen, die an Demenz erkrankt sind, ab 2050 könnte sich diese Zahl verdoppelt haben. Die Referenten plädierten dafür nicht den Defizitansatz zu wählen, sondern durch Sensibilität und Wertschätzung wahrzunehmen, über welches sinnlich und emotionales Erfahrungswissen Demenzpatienten verfügen. An dieser Stelle wäre es interessant gewesen Bibliothekare und/oder Bibliothekarinnen gehabt zu haben, die konkret mit dieser Gruppe vor Ort arbeiten oder auch Altenpfleger/-innen oder Gerontologieforscher, die durch ihre Wissen und ihre Expertise zusätzlich wertvolle Tipps und Anregungen gegeben hätten. Leider waren die meisten Referenten auf dem “Bibliothekartag” zumeist Fachreferenten, Diplom-Bibliothekar(e)/-innen oder entsprachen den gängigen bibliotheksnahen Berufen. Es wäre nicht nur für das Thema Demenz zum Vortrag von Brandt & Simons interessant gewesen einen echten Anthropogogiker auf dem Bibliothekartag zu Gast zu haben. Bei der Anthropogogik handelt es sich um die Wissenschaft, welche genau beschreibt, als was sich viele Bibliotheken verstehen: als Orte des Lebenslangen Lernens. Dabei handelt es sich auch noch um einen genderneutralen Begriff, der die Teilbereiche Pädagogik, Andragogik (Erwachsenenbildung) und Geragogik miteinander vereint. Das Ehepaar Brändle definiert das Begriffskonzept wie folgt:

 “Die Anthropogogik erforscht, was beim Lernprozess förderlich ist und was hinderlich. Welche Methoden das Lernen unterstützen. Wie das Lernen Freude macht. Wie Blockaden vermieden werden können, oder überwunden, wenn sie schon aufgebaut wurden. Wie Menschen leichter, schneller und nachhaltig lernen. Ziel ist es, den Prozess des Lernens in allen Bereichen und Altersstufen respektvoll und empathisch nach „state of the art“ zu unterstützen.”

Inwiefern werden Studenten und Auszubildende in den Bibliotheks- und Informationsberufen auf diese wichtigen Tätigkeiten vorbereitet, um Lernprozesse richtig  begleiten zu lernen und Lerner_innen mit den geeigneten Methoden zu unterstützen? Natürlich findet im Lernort Bibliothek selbstgesteuertes Lernen statt, aber sind ein großer Teil Bibliothekare und Bibliothekarinnen hierzulande dazu wirklich in der Lage unterschiedliche Generationen (-Zielgruppen) leichter, schneller und nachhaltiger beim Lernen zu unterstützen?

In einem weiteren Vortrag stellte Miriam Schriefers vor, mit welchen EU-Projekten sich Netzwerke aufbauen lassen und wie Interkulturelle Kompetenzen von Mitarbeiter/-innen gefördert werden können. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift BuB finden sich auf den Seiten 170 bis 172 ähnliche Inhalte zum Thema, welche Schriefers vorstellte. Sie warb für länderübergreifende Partnerschaften, die den EU-weiten informations- und Erfahrungsaustausch vor. In einigen Projeken ging es darum, durch innovative und kreative Ideen entwickeln, um Menschen am Rande besser in die Gesellschaft zu integrieren. Dabei geht es darum, mithilfe von Projekten und des Austauschs “neue” Zielgruppen wie Bildungsbenachteiligte, Migranten, Flüchtlinge und Senioren zu gewinnen und zu lernen diesen z.B. mehr digitale Kompetenzen zu vermitteln. Bibliothekare und Bibliothekarinnen haben die Möglichkeit im Rahmen von Hospitationen, Besuche von Fachkonferenzen und länderübergreifenden Treffen Programme zum Lebenslangen Lernen, (GRUNDTVIG-) Lernpartnerschaften, Assistenzen und Weiterbildungsprogrammen, Fördergelder der EU nach erfolgreichen Projektanträgen zu erhalten.

 

Ein Imagevideo der Bibliothek der University Park Grundschule

UPK’s library is a welcoming environment which invites students, staff and families to enter and use its resources frequently. Our library promotes literature, encourages the use of technology and supports reading and research. UPK’s library is the heart of our school.” K. Aizstrauts

Zukunftswerkstatt lädt ein: Eli Neiburger im Februar 2013 in Deutschland

Wenn es Bibliotheken nicht bereits gäbe, würde man ihre Einrichtung heutzutage nicht mehr erlauben.” Eli Neiburger

Das Zitat stammt aus Neiburgers Vortrag “Libraries are screwed”, der in der deutschsprachigen Biblioblogosphäre mehrmas zitiert wurde.

Christoph Deeg verkündete letzten Donnerstag über mehrere Kanäle das diesjährige Weihnachtsgeschenk der Zukunftswerkstatt an die Bibliothekswelt in Deutschland:

“Im Februar 2013 werden wir den US-amerikanischen Bibliotheksexperten Eli Neiburger in Deutschland zu Gast haben.”

Auch dieses Jahr wird es eine Tournee geben. Neiburger ist Associate Director für  IT  und Production an der  Ann Arbor District Library. Sein Forschungsinteresse gilt der Weiterentwicklung von öffentlichen Bibliotheken. Er ist Experte zum Thema Gaming und beschäftigt sich mit möglichen Antworten auf die Frage, wie Gaming die Arbeit von öffentlichen Bibliotheken bereichern kann. In den USA hat sich inzwischen ein sogenannter “National Gaming Day” etabliert. Neben der US-Botschaft (in Berlin) ist auch die Organisation des Gaming-Days Kooperationspartner der Zukunftswerkstatt. Letztere plant den Aufbau einer Deutsch-Amerikanischen Gaming-Liga für Bibliotheken.

Neiburgers Forschungs- und Themenschwerpunkte gilt neben Gaming, noch eBooks und neue Raum- und Veranstaltungskonzepte. Neiburger ist, wie ich bereits am 22. Februar diesen Jahres hier postete,  Preisträger des “Movers and Shakers Awards” 2011 in der Kategorie “Tech Leader”.

An folgenden Orten sind Vorträge mit Eli Neiburger geplant:

Berlin: 11.02.2013
Karlsruhe: 13.02.2013
München: 14.02.2013
Köln: 15.02.2013

Was sicherlich besonders reizvoll ist, wäre Eli Neiburger nach dem offziellen Vorträgen zu treffen und ihm Fragen zu stellen, was im Rahmen eines Restaurantbesuchs ebenso möglich sein wird.

Zusätzlich wird die Zukunftswerkstatt die Vorträge aufzeichnen und sicherlich auf deren Blog  www.zukunftswerkstatt.org posten.

Für all jene, die aus zeitlichen Gründen oder aus Neugier nicht mehr so lange warten wollen bzw. können, poste ich an dieser Stelle einen Vortrag von Neiburger, der vermutlich sogar mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in Deutschland inhaltlich so ähnlich strukturiert sein wird: “Text, Tech, & Teens in This CenturyWeiterlesen

Digitale Straßenbibliotheken Teil I: Das Projekt Ingeborg als die ultimative virtuelle Stadtbibliothek Klagenfurt

Der textKaiser-Blog aus Österreich brachte auf den Punkt, was gesagt werden muss:

“Und während Politiker noch immer über Gründe nachdenken, wie man eine Stadtbibliothek “wegargumentieren” könnte, hat sie das digitale Zeitalter bereits längst überholt. Es braucht nicht viel um Statements zu setzen und selbst aktiv zu werden. Nur ein bisschen Kreativität und den Willen dazu.”

Erstaunlicherweise findet sich im Pressespiegel auf der Projektwebseite kein einziger Artikel aus Deutschland, dagegen sind sogar Meldungen über das Projekt aus Argentinien, USA, Taiwan, Italien, Frankreich und Russland sehr gut vertreten. Georg Schröder aus Essen berichtete als einer der wenigen Deutschen in seinem Blog padlive.com darüber und stellte am Ende die Frage, ob er die Stadt Essen ansprechen solle? Bitte Herr Schrörder sprechen Sie die finanziell klamme Stadt Essen an, die einen Neubau ihres Fußballstadions mitfinanzierte und stattdessen Zweigstellen schließt bzw. zusammenlegt.

Das Projekt, das hier vorgestellt wird, ist nach Ingeborg Bachmann benannt, der berühmtesten Tochter von Klagenfurt. An über 100 Stellen befinden sich in der Stadt gelbe Sticker (wie unten abgebildet). Ziel ist es Newcomer zu fördern, indem deren Musik und schrifstellerische Kostproben kostenfrei an unterschiedlichen Stellen in Klagenfurt und Umgebungverfügbar gemacht werden.

Die Idee des Projekts Ingeborg stammt von Georg Holzer & Bruno Hautzenberger. Die Idee entstand bei kühlen Bieren im Jazzkeller Kamot. Dabei existierte der Wunsch etwas mit der NFC-Funktechnik zu machen. Darüber hinaus sind auch andere Helfer, Unterstützer und Mitarbeiter zu nennen, welche nun engagiert an pingeb.org mitarbeiten: (Kerstin Rosenzopf, Iris Wedenig, Verena Artinger oder Daniel Gollner).
Im folgenden Video erklärt Georg Holzer das Projekt und vergleicht es mit einer digitalen Stadtbibliothek. Er plädiert für eine freiere Zugänglichmachung von digitalen Inhalten, als das bislang der Fall ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Hauptstadt von Kärnten, die einzige mitteleuropäische Stadt ohne eigene Stadtbibliothek ist.

Der Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb ist ja so etwas wie das kulturelle Aushängeschild der Stadt. Junge, zumeist unbekannte Autoren erhalten drei Tage die Möglichkeit ihre Texte Experten und einem breiten Fachpublikum zu präsentieren, was auch im Fernsehen (3Sat) übertragen wird. Am Ende wählt eine Fach-Jury die Preisträger aus. Dieser Preis zählt mit zu den wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum. Autoren wie Peter Glaser, Wolfgang Hilbig, Peter Wawerzinek, Emine Sevgi Özdamar oder Franzobel erhielten diesen Preis und wurden so einem breiteren Publikum bekannt. Eben dieser Preis und dessen Außenwirkung war auch der Entstehungsgrund für das von Holzer & Hautzenberger entwickelte Projekt Ingeborg. Mitte Juli gab es bereits 70 QR-Codes verteilt über die ganze Stadt. Inzwischen sind es schon über 100.

Mitmachen können nur Autoren oder Musiker aus dem Raum Klagenfurt. Die Promotion durch das Projekt pingeb.org kostet den Jungkünstlern keinen Cent. Ziel ist es Spannung auf einem geografisch eingeschränkten Raum zu erzeugen. Weiterlesen

Ein Werbespot der Berner Kornhausbibliotheken

Der folgende Werbespot stammt aus dem Jahr 2009. Zum 10-jährigen Jubiläum haben die Berner Kornhausbibliotheken einen Werbespot entwickelt. Neben einer Hauptbibliothek zählen insgesamt 20 weitere Bibliotheken in Stadteilen und umliegenden Gemeinden zum Berner Verbund. Besonders interessant hierbei ist, das auch die Bibliotheken im Inselspital und in der Psychiatrischen Klinik Waldau zum Zweigstellenverbund gehören.

“Book Places in the Digital Age” von Tony Sanfilippo

Rolf Hapel: “Rethinking the Public Library in the Networked Society”

Den folgenden Vortrag hielt der Direktor der Stadtbibliothek Aarhus Rolf Hapel, auf dem “International Future of Learning Summit: Mobility Shifts” am 14.11.2011 in New York.

Aus Deutschland waren unter anderem Torsten Meyer  & Konstanze Schuetze von der Universität Köln auf der Konferenz und sprachen zum Thema “MedienBildungsRaum: Media – Art – Space = Open Experimental Living Space”.

Rolf Hapel, Aarhus Public Libraries, Denmark from The Politics of Digital Culture on Vimeo.

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Vorstellung einer Bücherzelle in Horsley (Großbritannien)

“With the recent threat of library closures in the UK, what better way to restore these icons of England’s past with a rejuvenating revamp? With nothing planned on a Saturday, the idea came at about 10am. Past experience told me that projects like these can be forgotten in a flash if action isn’t immediately taken so, with lessons learned I set to work. […] Back at the Phonebox – kids watching closely – I got on with its installation and finished off by writing a message to encourage good use; and put a poster up on the local notice board.”

James Econs

James Econs, der das Video auf Vimeo einstellte, machte in einem längeren Statement deutlich, dass er kein sogenannter Bücherwurm ist. Es bedarf keines großen Aufwands eine ausgesonderte/ungenutzte Telefonzelle so umzugestalten, dass sie als Bücherzelle genutzt werden kann. Er nennt diese Art der Nutzbarmachung “Socially Beneficial Creative Vandalism”. Ähnlich wie Econs den Begriff des kreativen Vandalismus für die Bücherzelle in Horsley (Grafschaft Surrey)verwendet, betrachten Michael Clegg & Martin Guttmann offene Bücherschränke als Einrichtungen, welche einen soziale Wert für die Gemeinschaft haben:

Eine solche Bibliothek könnte als Institution zu einer Selbstdefinition der Gemeinschaft beitragen; sie würde ihre Lesegewohnheiten und intellektuellen Vorlieben widerspiegeln und wäre damit eine Art Porträt einer Gemeinschaft.”

The PhoneBoox book exchange from James Econs on Vimeo.

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