Zur Zukunft des Konzeptes Informationskompetenz in Bibliotheken – Teil 2

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Wir geben uns Mühe, Bibliothekssuchmaschinen immer besser zu gestalten, dem Nutzer dabei immer mehr Suchentscheidungen abzunehmen. Entmündigen wir ihn damit aber nicht und behalten wir ihn so nicht in seiner Unwissenheit, weil er gar nicht die Notwendigkeit hat, durch die Maschine getroffene Entscheidungen zu durchdenken und beurteilen? Oder ist eine suggestive Führung vielleicht doch ganz gut und verbessert aus Sicht des Nutzers den Service der Bibliothek, weil er bei seiner Recherche mehr Erfolgserlebnisse hat. Ist in dieser Hinsicht die Diversifizierung der Suchoberflächen vielleicht nicht sogar wünschenswert? Lassen sich durch suchmaschinenbasierte Rechercheoberflächen die in den Bibliotheken vorhandene Medien nicht sogar besser darstellen?

Bibliothekare bemühen sich in gewissen Grenzen bereits jetzt ihre Daten offenzulegen, aber das Verhalten der Datenbankanbieter geht in eine andere Richtung. Ihre Suchoberflächen können sich den Entwicklungen nicht entziehen, aber häufig versuchen sie zu viel auf ihren Oberflächen zu kombinieren. Durch Bibliothekssuchmaschinen (Metasuchmaschinen), die eben auch die Inhalte verschiedenster Kataloge und Datenbanken (wenn sie in einem gemeinsamen Index liegen) durchsuchen können, werden Bibliotheken und damit ihre Nutzer auch unabhängiger von den verschiedenen Datenbankoberflächen. Für Bibliothekare heißt das, sie müssen im Zweifelsfall eine Oberfläche schulen und können darüber Anreize zum Erwerb von Informationskompetenz geben.

Wir müssen davon ausgehen, dass die Navigation in der Informationslandschaft durch deren wachsende Komplexität immer schwierig bleiben wird. Der einfacheren Navigation in den Oberflächen steht die schiere Masse an Informationen gegenüber.

Informationskompetenz soll kritisch und mündiger machen. Sie hilft, sich selbstbestimmt in einem Informationsraum zu bewegen. Deshalb müssen unsere Bibliotheksnutzer eine entsprechende Kompetenz erwerben. Sie kann ihnen nicht vermittelt, sondern nur selbst entwickelt werden. Die Qualität unserer derzeitigen Werkzeuge hemmt Nutzer. Sie entmündigen den Nutzer, weil nur Experten mit den derzeitigen Systemen umgehen können. Das ist die eigentliche Entmündigung unserer Nutzer.

Zu Beginn dieses Argumentationsstranges wurde aber die These aufgestellt, dass Informationskompetenz nicht vermittelt, sondern nur erworben werden kann. Wie können wir dann Informationskompetenz vermitteln?
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Zur Zukunft des Konzeptes Informationskompetenz in Bibliotheken – Teil 1

Thomas Hapke und Lambert Heller haben in einer der letzten Veranstaltungen der 14. Verbundkonferenz eine Diskussion rund um Informationskompetenz angestoßen. Die Zuspitzungen ihrer Vorträge sollten die Basis einer guten Debatte bilden.

Hapke präsentierte ein Suchbeispiel, welches am 25.08.2010 im netbib weblog dokumentiert wurde. Nehmen Sie einen Bibliotheks-OPAC, z.B. Gesamtkatalog des GBV und suchen Sie  nach Wir sind doch nicht blöd. Geben Sie ruhig auch den Autor mit ein. Die Ergebnisse sind für den Suchenden enttäuschend. Suchen Sie dies bei TUBFind oder anderen suchmaschinenbasieren Online-Katalogen und Sie werden diesen Titel, sofern in der Bibliothek vorhanden, tatsächlich ganz oben gelistet finden… Warum? – Hand aufs Herz, selbst Sie als Recherche-Experte werden sicherlich nicht sofort daran denken, dass dieses „nicht“ im String vom OPAC als Boole’scher Operator gewertet wird und er daher alle Treffer anzeigt,  die vom Autor stammen, die Buchstabenkombination „blöd“ aber NICHT enthalten.

Wie soll man dies einem Nutzer vermitteln? Müssen wir ihm das überhaupt vermitteln oder sollten wir lieber zusehen, dass unsere Suchoberflächen solche Hürden umgeht und es dem Nutzer relativ einfach macht?

Auch weitere Fragen schließen sich daran an. Wie zeitgemäß ist es heute noch, sich vor eine Gruppe zu stellen, frontal die Vorträge zu halten oder eine Lehrveranstaltung anzubieten, die sich allein mit dem Thema Informationskompetenz beschäftigt? Erreichen wir mit unseren Veranstaltungen dabei nicht nur Leute, die man dazu zwingt und präsentieren wir uns selbst dabei nicht als etwas Abschreckendes?

“In diesen Tagen darf sich niemand auf das versteifen, was er kann. In der Improvisation liegt die Stärke, alle entscheidenden Schläge werden mit der linken Hand geführt werden.”

“These are the days when no one should rely on his ‚competence‘. Strength lies in inspiration. All the decisive blows are struck left-handed.”
Walter Benjamin, Einbahnstraße, 1928.

Anhand dieses Zitates von Walter Benjamin verdeutlichte Hapke, dass Kompetenzen zukünftig eine größere Rolle spielen werden, es nicht mehr in dem Maße darauf ankommen wird, welche Fakten wir mal gelernt haben oder wie wir mit einem bestimmten Programm umgehen. Was Bestand haben wird in einer Welt, die sich rasch ändert, ist das, was wir an Kompetenzen entwickeln.
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