Büchermenschen verbinden

Das folgende Video stammt von der Organisation “Reading Is Fundamental” (RIF). Sie fördert das Lesen für und mit Kindern. Außerdem arbeitet sie mit den Eltern, um diese dazu zu “erziehen” ihre Kinder frühzeitig beim Umgang mit Büchern (Vorlesen, lesen und Buchauswahl) zu coachen. Es sind insbesondere bildungsferne Kinder von der Geburt bis zum 8. Lebensjahr, für die sich diese Organisation einsetzt. Jährlich verschenkt sie mehrere Millionen Bücher an Kinder.

Musikproduzenten: The Roots mit gesanglicher Unterstützung von Jack Black, Chris Martin, John Legend, Regina Spektor, Jim James, Nate Ruess, Jason Schwartzman, Melanie Fiona, Levar Burton, Carrie Brownstein & Consequence

OpenBookCase.org – Wo ist der nächste öffentliche Bücherschrank?

OpenBookCase.org – Wo ist der nächste öffentliche Bücherschrank – Christian Nielebock from wmfra on Vimeo.

“OpenBookCase.org” heißt das Projekt von Christian Nielebock zum Suchen, Finden und Bewerten von Öffentlichen Bücherschränken. Auf Basis einer OpenStreetMap-Karte hat jeder die Möglichkeit, mit dem PC, Smartphone oder Tabletcomputer die Datenbank zu nutzen oder zu erweitern. Im Blog gibt es weitere Informationen…

Warum bücherlose Bibliotheken kein alleiniges Glücksversprechen für die Zukunft sind

“It’s not a replace­ment for the (city) library sys­tem, it’s an enhancement.” Nelson Wolff

Zukunft? Die bücherlose Bibliothek“, so lautete 2010 noch die Überschrift in einem Beitrag hier im Blog. Der Bürgermeister von San Antonio macht in dem oben genannten Zitat deutlich, dass es ihm bei BiblioTech um eine bereichernde Ergänzung des restlichen Bibliothekssystems seiner Stadt ging. Selten gab es im Vorfeld ein derartiges weltweites Medienecho, dass bereits mehr als ein Jahr vor Eröffnung einsetzte. Schließlich wurde die bücherlose “Bibliothek” BiblioTech im Herbst 2013 in SanAntonio (Texas) eröffnet. Von allen Kommentaren beeinduckte mich vor allem der von Umair Haque:

 

Er spielt dabei auf die typischen Phänomen der ideologischen Postmoderne an, wie sie Slavoj Žižek und Robert Pfaller vor allem in den westlichen Gesellschaften analysierten. Brüggemann brachte dies in einer Rezension zu Pfallers Buch “Wofür es sich zu leben lohnt” aus dem Jahr 2011 auf den Punkt:

Wie steht es um unsere vermeintlich hedonistische Kultur, die aus lauter “Non-isms” besteht, wie es der slowenische Philosoph Slavoj Žižek scharfzüngig formuliert hat? Kaffee ohne Koffein, Bier ohne Alkohol, Cola ohne Kalorien, Sahne ohne Fett, Sex ohne Körperkontakt. Das Paradoxe ist: mit den “Non-isms” wird ein Glücksversprechen verkauft.

Pfaller bezeichnete diese Tatsachen als Genuss- und Erlebnisarmut. Trifft das dann nicht auch auf Bücher aus Papier zu, die haptisch besser zu genießen sind? Welche ideologische Funktion eines vermeintlichen Glücksversprechen würde Žižek der Bibliothek ohne Papier zuschreiben? Fakt ist, dass auch die Nachricht und die Tatsache, dass es in Amsterdam oder San Antonio nun Bibliotheken ohne Bücher aus Papier gibt, uns ebenso Glücksversprechen suggeriert. Nun kann die ständige Verfügbarkeit von digitalen Inhalten auf alle Fälle eine technische Errungenschaft sein, die nicht abgestritten werden kann. Aber warum muss bei der Einrichtung einer neuen Bibliothek so derart radikal vorgegangen werden? Wieso können nicht in einer Bibliothek neben den Digitallesern weiterhin die Leser der Bücher aus Papier eine Existenzberechtigung haben und nebeneinander sitzen, stehen oder sich kommunikativ annähern? Diese Glücksversprechen sind laut Pfaller ein Trugbild der Makellosigkeit und Schönheit. In John Christophers Dystopie “Die Wächter” gelten Bücher (aus Papier) als „schmutzige, unhygienische Dinger“, als „Fallen für Bakterien“. Wenn Einrichtungen wie diese als nachzueifernder Endzustand zur Standardmeinung darstellen, werden dann irgendwann Bücher aus Papier ebenso verpönt sein und ideologisch als “unhygenisch” betrachtet werden? Sind Einrichtungen wie BiblioTech nun die sterile technische Vollendung und der von allen  nachzueifernder Standard? Ein weiterer Vorteil, der häufig genannt wurde, ist der des Einsparpotenzials. Die ideologische Mainstreammeinung scheint in den meisten Medien zu sein, dass diese Art von Bibliothek die Zukunft sein sollte. Die Aufmerksamkeit, welche BiblioTech nun in sehr vielen Medien zuteil wurde, ist meines Erachtens übertrieben und blendet die soziologischen Faktoren aus. Wie wird sich das Kommunikationsverhalten im sozial-öffentlichen Raum dadurch verändern, wenn es nur noch “electronic devices” gibt? Der Name BiblioTech klingt eher nach einem Science-Fiction-Film oder einer Technologiefirma, in der Maschinen die Geschmäcker und Wünsche der Menschen kanalisieren. Das Humane und die zwischenmenschliche Kommunikation in der Einrichtung Bibliothek kann einer solchen “Erneuerung” abhanden kommen, wenn nicht auch beides im Angebot bleibt und gefördert: Sowohl Bücher aus Papier als auch E-books.

Die Berliner Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf hatte damals und auch heute nicht zum ersten Mal vor den Gefahren des digitalen Lesens gewarnt. Auch Alwin Schönberger zitierte in einem Artikel “Wie das Lesen unser Gehirn verändert” aus dem Januar 2014 eine Studie, welche die Auswirkungen des Lesekonsums digital und analog untersuchte und kam zu folgenden Ergebnis:

Überdies scheinen Konzentration und Durchhaltevermögen beim Konsum elektronischer Literatur limitiert: Länger als drei bis zehn Minuten verweilt kaum jemand bei einem digitalen Text – jedenfalls im Web, spezifische Erhebungen zu E-Books stehen noch aus. Durchaus denkbar jedenfalls, dass die schier unendliche Fülle an Lesestoff, die ein digitales Gerät suggeriert, den Impuls entfacht, rasch weiterzugleiten, vielleicht gleich nebenan noch Spannendes zu finden. Geschickte Navigation und die rasche Bewältigung von Massen an Information werden dadurch nachweislich gefördert, doch die Aufmerksamkeitsspannen schrumpfen, wie eine weitere Untersuchung nahelegt: Bei dem Test ging es darum, stimmige von nicht stimmigen Begriffen zu unterscheiden. Menschen mit großer Neigung, die Freizeit am Bildschirm zu verbringen, hatten mit zunehmender Dauer des Tests Schwierigkeiten, die passende Antwort zu geben – sie ermüdeten, was gleichzeitig durchgeführte Hirnstrommessungen verrieten.

Die österreischische Germanistin Doris Schönbaß kam in Erhebungen zu dem Ergebnis, dass die traditionellen E-Book-Leser nicht jene sind, die bedrucktes Papier ablehnen. Es zeigte sich vor allem, dass diejenigen, welches das Lesen im Allgemeinen schätzen, beides nutzen. Wer Literatur für überflüssig und lästig hält, mag keines von beiden. Wie das Video aus Texas (siehe unten) noch zeigen wird, befindet sich Region von San Antonio, wo BiblioTech eröffnet wurde, wirtschaftlich gesehen in einer äußerst schlechten Verfassung. Hinzu kommt, dass 17 % der Menschen dort über keine ausreichende Lesefähigkeit verfügen. Schönbaß sieht das Ganze pragmatisch, denn solange jemand Literatur wertschätzt, sei es ihr egal, ob das nun digital oder analog ist. Ich befürworte eher eine gesunde Mischung, so dass jeder auch mit Literatur aus Papier und in elektronischer Form gleichermaßen sozialisiert werden kann. Der einzige Artikel, den ich fand, der sich tatsächlich auch kritisch mit der bücherlosen Bibliothek BiblioTech auseinanderssetzte, stammt aus dem Blog “The UBIQUITOUS LIBRARIAN” des Chronicle of Higher Education. Darin kritisiert Brian Matthews diesen Hype und entlarvt diese Strategie der Macher von BiblioTech als Marketingtrick. Zurecht stellte Mathews folgende Bedenken an und warf die Frage vom Wert einer Bibliothek auf:

My primary concern is that this might (or already has?) create false expectations of what “all libraries” should become. It’s setting a precedent. The key issue for me is funding. Why do we need a library anymore? Let’s just build computer labs– that’s what they are doing in Texas. […] The narrative they are pushing seems to be celebrating booklessness and I just don’t see that as a positive message. I’d rather see the national media writing about the impact and value of public libraries in the 21st century, rather than prescribing the future (for all libraries) based upon information formats.

Hat es mit einer Verunsicherung der eigenen Rolle in der Medien- und Informationslandschaft zu tun, in der sich Bibliotheken irgendwie verorten wollen und dafür (fast) alles ausprobieren um die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen? Letztlich ist es in sozial benachteiligten Regionen wichtig einen kostenfreien Internetzugang in einer Bibliothek zu erhalten, da die Menschen (San Antonio in Bexar County) von der digitalen Spaltung am meisten betroffen sind , aber dennoch sollte diesen Menschen der Zugang zum bedruckten Papier nicht vorenthalten bleiben.

[Infografik] Fakten zur Bedeutung des Lesens

Die folgende Infografik stammt aus Kanada und wurde dort von der National Reading Campaign und CBC Books erstellt. Hierzu gibt es noch eine ausführlichere Darstellung auf 6 Seiten im PDF-Format.

Quelle: Stephen’s Lighthouse

How to read a book in 2013 / Wie man ein Buch im Jahr 2013 liest

Hilary Comer erklärt in dem folgenden Videobeitrag, der im Rahmen des Seminars Visual Media an der Abilene Christian University entstand, welche Schritte beim Lesen eines Buches aus Papier zu beachten sind.

VolksLesen.tv – Bibliothek und Panoptikum des lesenden Volkes

“VolksLesen.tv – Bibliothek und Panoptikum des lesenden Volkes” heißt das Wanderprojekt von Martin Scharfe. In Filmaufnahmen werden Menschen einer Region kurz vorgestellt, die dann einen Auszug aus einem selbstgewählten Text vorlesen oder vortragen. Alle Filme sind auf der Internetplattform frei einsehbar. Gezielt kann in der Bibliothek nach den gelesenen Autoren oder den besuchten Regionen gesucht werden. Wählt man eine Region, erhält man einen Querschnitt des dortigen Lebens: Da gibt es Angestellte eines Radiosenders oder einer Stadtbücherei, aber auch Künstler und Pfarrer ebenso wie Naturfreunde oder Raucher:

VolksLesen ist ein Zeit- und Gesellschaftsbild. Jede Lesung ist eine Facette dieses Bildes. Mit jeder Woche und mit jeder Lesung wird das Bild vollständiger – und schöner.

VolksLesen ist …

Was die Textwahl anbelangt, gibt es einzig die Vorgabe, dass der Text den Vorlesenden in einer bestimmten Weise berührt haben soll. Zwei Beton-Experten beispielsweise wählten Texte über den Baustoff Beton: Einer der Texte handelte von der historischen Verwendung dieses Baustoffs, der andere von den Anforderungen, die Beton an den Gestalter stellt. Martin Scharfe ist wichtig, dass im Projekt ein breites Spektrum verschiedener Menschen vertreten ist.

Stellen Sie sich vor, es gäbe VolksLesen seit 30 Jahren. Dann könnte man einen Blick zurück in die 80er Jahre werfen. Man sähe, wie sich das Aussehen der Menschen und ihre Sprache verändert. Anhand der Bücher könnte man erfahren, was den Menschen wichtig war. Und so kann man sich im Jahr 2040 anhand von VolksLesen.tv ein Bild unserer Zeit machen. VolksLesen.tv ist ein Spiegel unserer kulturellen Identität.

VolksLesen ist …

Hier wird eine Parallele zu den Überlegungen des Künstlerduos Clegg & Guttmann deutlich: Mit ihren Öffentlichen Bücherschränken stellen sie offene Tauschplattformen zur Verfügung, an denen sich die Formen sozialen Handelns der sie tragenden Nutzergemeinschaften wie in einer Art Porträt manifestieren:

Eine solche Bibliothek könnte als Institution zu einer Selbstdefinition der Gemeinschaft beitragen; sie würde ihre Lesegewohnheiten und intellektuellen Vorlieben widerspiegeln und wäre damit eine Art Porträt einer Gemeinschaft.

Clegg & Guttmann: Entwurf für eine “Open-Air” Bibliothek, in: Durch 6/7, 1990, S. 136.

Für Bibliothek und Panoptikum sucht Martin Scharfe Sponsoren, Unterstützer und Mitstreiter – und natürlich Vorleser! Mit seinem Wanderprojekt möchte er weitere Regionen Deutschlands und anderer Länder erkunden. Außerdem sucht er nach geeigneten Formen der Präsentation des Gesamtkunstwerkes, denkbar wäre für ihn zum Beispiel eine Art interaktive Videowand.

Interessierte können sich melden unter: info@VolksLesen.tv

Herzlichen Dank an Dörte für die Idee zu diesem Beitrag und an Martin Scharfe für das anregende Telefonat!

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