[Adventskalender] 14.12.2019 – Ludwig Bechstein

Ludwig Bechstein (* 24. November 1801 in Weimar; † 14. Mai 1860 in Meiningen) gemeinfrei seit 1931.

Des Königs Weihnacht.

Ludwig Bechstein 1843, gemalt von Ferdinand Diez, via Wikimedia Commons

Wo jetzt der Dom zu Frankfurt steht, stand schon zu König Ludwig des Deutschen Zeiten eine Kapelle, die hieß der Rudtlint, wie auch später zu St. Salvator, und war der heiligen Jungfrau Maria und Karl dem Großen geweiht. Ludwig der Deutsche feierte das Weihnachtfest in seiner Pfalz zu Frankfurt am Main, und berief dorthin eine Reichsversammlung. Da geschah es, daß der Teufel in Gestalt eines Priesters und guten Geistes zu Ludwigs Sohne, Karl, trat, und zu ihm sagte: siehe, du bist der jüngste unter deinen Brüdern, und dein Vater will das Reich deinem Bruder Karlmann geben, das doch dir von Gott bestimmt ist, und will dich verderben, solches will Gott nicht leiden. Karl aber entsetzte sich vor der Versuchung und eilte in die Kapelle– indem er rief: hebe dich weg Versucher! Du bist kein Bote von oben!– Der Teufel aber folgte ihm in die Kirche nach und sprach: wäre ich nicht ein Bote von oben, wie dürft‘ ich mit dir eintreten in dieses Gotteshaus? Wie dürft‘ ich das Sakrament des Altars, das heilige Meßopfer vollziehen?– Und so bethörte er Karls Sinn mit dem Trug der Hölle und las die Messe, und reichte ihm die gebenedeite Hostie, und mit der Hostie fuhr er in ihn, und besaß ihn.

Da nun die Reichsversammlung war, redete Karl unsinnig in ihr, riß sich das Wehrgehenk von der Seite, schleuderte es sammt dem Schwerte mitten in den Saal, riß den Gürtel sich ab und die Gewande vom Leibe, und ward heftig hin und her gerüttelt, so daß alle Anwesenden sich entsetzten. Die Bischöfe aber ergriffen den vom bösen Feind Besessenen und führten ihn in die Kapelle, und der Erzbischof begann die Messe über ihn zu singen. Da begann Karl laut zu klagen und Weh über Weh zu schreien in einem fort bis die Messe zu Ende war, aber die Priester ließen nicht ab mit Gebet, bis der Feind wieder von dem Königssohne wich, und Karl durch Gottes Barmherzigkeit geheilt ward. Hielt also König Ludwig gar eine trübe Weihnacht zu Frankfurt. Aber was des Teufels Bosheit des Königs Sohn eingeflüstert, erfüllte sich später dennoch, denn Karlmann und Ludwig starben beide vor ihm, und Karl erhielt des deutschen Reiches Krone, wenn auch nur auf kurze Zeit, denn er fiel in Schwermuth, und gab sich ganz in die Hände der Pfaffen. Da entsetzten ihm die Fürsten des Reiches und gaben das an Arnulf, einen natürlichen Sohn seines Bruders Karlmann.

Quelle:

Bechstein, Ludwig: Deutsches Sagenbuch. – Leipzig: Wigand, 1853, S. 60-61 als Digitalisat der Österreichischen Nationalbibliothek