Diversitätsorientierte Bibliotheksarbeit: Personalgewinnung und -entwicklung im Bibliothekssektor (Teil 2)

“Eine diverse und noch diverser werdende Stadtgesellschaft sollte sich auch unter den Mitarbeitenden widerspiegeln – nur so kann den Bedürfnissen aller Menschen entsprochen werden.” YouTube-Kanal der Stadtbibliothek Bremen

Am 24. und 25. September 2020 fand in der Stadtbibliothek Bremen der Fachtag zu diversitätsorientierter Personalgewinnung und –entwicklung im Bibliothekssektor statt. Ist das wirklich so, dass nur, wenn sich die Diversität der Stadtgesellschaft in der Mitarbeiterschaft widerspiegelt, nur dann kann den Bedürfnissen von Menschen entsprochen werden? Ich bin ja durchaus ein Befürworter von Diversität im Personal und bei der Ausbildung/im Studium künftiger Bibliothekar*innen, aber diese Aussage trifft aus meiner Sicht nicht den Kern und das Argument von der Notwendigkeit einer Erhöhung der Diversität in der Mitarbeiterschaft. Der Mehrwertbegriff wird immer wieder in den Vorträgen und in den Texten zu Diversität genannt. Er hat natürlich seine Berechtigung, aber es darf nicht so klingen, als ob alle Maßnahmen, Ideen, Veränderungen und Einstellungen (von Mitarbeiter*innen/Azubis) nur deshalb geschehen, weil es einen Mehrwert bringt. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein und der Normalfall.

Ich machte mir die Mühe im Nachhinein zwei Videos zu diesem Thema zu sichten. Leider ist die Akustik nicht so gut. Der erste Vortrag (00:14:45 bis 01:20:20) Fragen zum Vortrag von Nicola Byok lautete “Und jetzt auch noch Diversity? – Warum ein vielfältiges Kollegium einen Mehrwert für Ihre Organisation bietet” bot einen guten Überblick zu diesem Thema. Die Frage aus Vortragstitel wird zwar beantwortet, aber könnte für den Bibliothekskontext noch ausführlicher konkretisiert werden und kommt am Schluss fast zu kurz aus meiner Sicht. Der nächste Vortrag lautete “Die Irrungen & Wirrungen eines diversitätsorientierten Personalmanagements in der Stadtbibliothek Bremen” und stammte Nora Neuhaus de Laurel (Stadtbibliothek Bremen). Die Stadtbibliothek Bremen verfügt über eine Fehlerkultur, zeigt(e) Mut, Pragmatismus und Offenheit für Veränderungen, was Erneuerungen in Form vom Service & Dienstleistungen zum Thema Diversity angeht.

Als nächstes sprach Hendrikje Brüning vom Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg über das “Gedankenexperiment: Wie Stellen schaffen, die Vielfalt ermöglichen?” (02:00:05). Sie empfahl in ihrem Vortrag das Buch “Utopien für Realisten” von Rutger Bregman. Das Thema Partizipation und die kreative Herangehensweise es zu schaffen (künftige) Mitarbeiter*innen dazu zu bewegen ihr volles Potential von Diversität, über das sie verfügen auszuschöpfen, war Teil ihrer Präsentation.

Sylvia Linneberg von den Bücherhallen Hamburg stellte die Fortbildungsreihe für Interkulturelle Öffnung und diversitätssensibles Agieren (“Vielfalt@Bibliothek”) vor. Die Leitung der UB Erlangen (Konstanze Söllner) hielt anschließend einen Vortrag mit dem Titel “Das Gute liegt so nah – diversitätsorientierte Personalentwicklung von bibliothekarischen Allroundern”. Dabei ging es eher um die schlummendern/verborgenen Potentiale/Hobbys/Talente/Interessen/Motivationen von bereits bestehendem Personal für neue Aufgabengebiete der UB. Leyla Ercan sprach am Schluss über die Tücken und Hürden des Personalrecruiting in (hoch-)kulturellen Einrichtungen (“Ja, aber warum bewerben die sich denn nicht bei uns?”).

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Diversitätsorientierte Bibliotheksarbeit: Ein Fazit aus aktuellem Anlass (Teil 1)

Als in der Schwarzen US-amerikanischen Frauen- und Bürgerrechtsbewegung der Sechzigerjahre der Diversity-Begriff erstmals fiel, ging es nicht um den Ruf nach marktkonformer Repräsentanz vielfältiger Identitäten und Erfahrungen. Stattdessen ging es um die Forderung nach einer Institutionalisierung umfassender Antidiskriminierungsrechte. Dieser politische Gehalt hat sich im aktuellen Diversity-Diskurs verloren. Ellen Kollender

Das obengenannte Zitat verweist auf die Entpolitisierung von Diversity, ob nun bei Germany’s Next Topmodel oder in Unternehmen/Organisationen, welche die Charta der Vielfalt unterzeichneten. Geht es wirklich um Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe oder gar Antidiskriminierung in der Bibliotheksarbeit? Kollender liegt vollkommen richtig mit ihrer Einschätzung, dass der “politische Gehalt” im Diversity Diskurs verloren ging, leider auch im deutschsprachigen Diversity-Diskurs.

Am 18.05. fand der jährliche Diversity-Tag statt. Der Deutsche Bibliotheksverband gab hierzu sogar eine Pressemitteilung heraus. Der Titel lautete “Diversity 2021: Bibliotheken, Orte der kulturellen Vielfalt und Toleranz”. Bei der DBV-Kommission „Interkulturelle Bibliotheksarbeit” lag bisher der Fokus hauptsächlich auf die Mehrsprachigkeit von Beständen, Dienstleistungen und der Einstellung von mehrsprachigem Personal. Auf deren Webseite heißt es:

“Gegenwärtig fokussiert sich die Arbeit der Kommission insbesondere darauf, Interkulturelle Kompetenz und Diversität in Bibliotheksteams zu fördern. “

Ab Juli soll nun der neue Schwerpunkt “Bibliotheken und Diversität” sein. Alter Wein in neuen Schläuchen? Aus Riders wird jetzt Twixx? An dieser Stelle zitiere ich nur eine Frage aus einem Artikel der taz aus dem Jahr 2007: “Warum sehe ich hier nur weiße Gesichter?”

Die Zusammensetzung der Kommission ist nach wie vor auffällig weiblich und “weiß”. Bedingt durch eigene zahlreiche geknüpfte Kontakte, gelesene Abschlussarbeiten oder Kontakte ins benachbarte Ausland, gibt es durchaus Kandidat*innen, die nicht nur Expert*innen aufgrund ihrer (fachlichen) Qualifikationen oder Berufserfahrungen sind, sondern eben auch diverse Hintergründe, Erfahrungen, andere/neue Ideen und Herkünfte mitbringen. Ohne (sichtbare) Repräsentanz diverser Mitglieder in seiner solchen Kommission bzw. auch in den Bibliotheksverbänden, erscheint mir die Glaubwürdigkeit bzw. die viel gepriesene Vielfalt, nur bedingt authentisch, insbesondere, wenn nun wirklich echte Diversity-Arbeit geleistet werden will. Repräsentativität alleine ist keine Lösung, aber ohne Vielfalt im Verband und den Kommissionen, wirkt das Postulat von der Diversität und der Toleranz nur bedingt glaubwürdig. Den Berufsverbänden hierzulande würde es ebenso gutstehen, wenn man sich schon als tolerant und offent für Diversity “schmückt”. Im letzten Jahr verwies ich auf das Beispiel Schottland (über das CILIP BAME Network (CBN) in Bibliotheken und Rassismus, Teil 3):

Ferner gibt es ein sogenanntes BAME (Black, Asian, and minority ethnic) Network, das sich aus Angehörigen von Minderheiten des Berufsstandes zusammensetzt. Es bietet diesen Information Professionals die Möglichkeit des Austauschs und der Vernetzung untereinander, um sich gegenseitig zu unterstützen. Ziel ist es eine größere Vielfalt innerhalb der Profession, der Bibliotheksbestände des Wissens und der Informationen zu erreichen.”

In der Kommission sind auch keine Angehörigen des Berufsstandes vertreten, die im mittleren Dienst ihrer bibliothekarischen Tätigkeiten nachgehen oder eher Arbeiter*innen ohne bibliothekarische Ausbildung sind. Eine diverse Zusammensetzung ist ansatzweise nur schwer bzw. gar nicht erkennbar. Wie ist der Zugang zur Kommission? Kann man sich bewerben? Wer kann Mitglied werden? Wie exklusiv ist eine Mitgliedschaft? Schon damals, als ich einmal im Rahmen einer Reise “Gast” wurde, hätte ich diese Frage durchaus stellen sollen. Der Austausch mit den englischsprachigen Kolleg*innen schlief damals größtenteils ein. Dabei leben internationale und interkulturelle Kooperationen von einem Austausch, um sich weiter zu entwickeln. Doch für eine fruchtbare und nachhaltige Zusammenarbeit ist die Formulierung eines Statements, welches auf dem Bibliothekartag 2011 präsentiert wurde, eben nur eine Geste bzw. ein schöner Akt der Öffentlichkeitsarbeit. Papier ist geduldig bzw. vergänglich. Mehr aber nicht.

Doch was bedeutet eigentlich eine diversitätsorientierte Organisationsentwicklung?

Was sie nicht bedeutet ist Folgendes:

 “Die Mitglieder dieser Kommission werden Bibliotheken bundesweit dabei unterstützen, das Thema Vielfalt beim Aufbau ihrer Bestände, in ihrem Personal sowie in ihrer Veranstaltungsarbeit noch stärker zu fördern und umzusetzen. Damit setzt der dbv ein Zeichen für gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz in Bibliotheken.”

Im Kern ist das weiterhin eine interkulturelle Öffnung insbesondere bezogen auf die Diversity-Dimensionen Herkunft und Nationalität. Nichts Anderes. Daran gibt es keinen Zweifel. Ich kritisiere nicht diese Tatsache, sondern, dass versucht wurde mithilfe von einem neuen Wording etwas Neues zu präsentieren, was es aber faktisch nicht ist. Es änderte sich also nur die Bezeichnung, aber es wurde nicht berücksichtigt, dass die Definition des neuen Begriffs “diversitätsorientierte Organisationsentwicklung” eine andere Herangehensweise impliziert und Herkunft/Nationalität alleine keine Gradmesser für Diversität sein dürf(t)en.

Die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) e. V. definierten eine diversitätsorientierte Organisationsentwicklung im Gegensatz zur Interkulturellen Öffnung bzw. dem Diversity Management mit einem ganzheitlichen Verständnis von Diversität:

Während “Diversity Management” sich auf sechs Kerndimensionen (Alter, Behinderung, Ethnizität/Herkunft, Religion/Weltanschauung und sexuelle Orientierung) fokussiert und interkulturelle Öffnung sich mit nur einer Dimension (Herkunft und Nationalität) beschäftigt, geht die DO von mehrschichtigen Dimensionen aus, die miteinander verbunden sind, sich gegenseitig beeinflussen (Intersektionalität) und einer unterschiedlichen Gewichtung innerhalb der Gesellschaft unterliegen. Das Ziel der DO ist eine ganzheitlich-präventive Strategie zu entwickeln, um Diskriminierungen in allen Bereichen schon im Ansatz zu begegnen und Chancengleichheit in staatlichen Einrichtungen wie auch in Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen.

Es macht doch durchaus einen Unterschied, wenn Begrifflichkeiten, Definitionen und Bezeichnungen nicht durcheinander geworfen werden oder gar gleichgesetzt. Das floskelhafte Setzen auf Toleranz und gesellschaftliche Vielfalt wird als Errungenschaft gepriesen, aber warum denn auf diese phrasenhafte billige fast unglaubwürdige Weise? Es wäre nur allzu korrekt gewesen Interkulturelle Öffnung nicht mit Diversitätsorientierter Öffnung gleichzusetzen, denn das tat der Deutsche Bibliotheksverband leider. Ich dachte zuerst hier werden neue mehrschichtige Dimensionen berücksichtigt oder Intersektionalität in den Blick genommen. Leider ist das nicht der Fall. In einem weiteren Blogbeitrag werde ich mich dem Thema nochmals widmen, indem ich die diversitätsorientierte Personalgewinnung genauer in den Blick nehmen werde, die nun mit nahezu denselben Menschen und denselben Einrichtungen immer und immmer wieder neu beworben wird. Anscheinend sind nur die acht Bibliotheken, welche von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Programms „360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ finanziell bis 2023 unterstützt werden, professionell bei der Umsetzung von Diversity-Strategien beteiligt.

Warum Bibliotheken & Bibliothekar*innen in Deutschland dem Black History Month mehr Aufmerksamkeit schenken sollten

Mit dem “Black History Month” feiern Schwarze Menschen im Februar weltweit ihre Geschichte und Kultur. Entstanden ist die Initiative in den USA und Kanada. Aber auch in Deutschland werden mit verschiedenen Veranstaltungen afrodeutsche Geschichte und Persönlichkeiten gefeiert, und es wird auf Rassismus aufmerksam gemacht.

 RBB Kultur

Ja, der Monat Februar ist der Black History Month (BHM). Das Ziel hierzulande ist diesen Monat
als ein Symbol zu sehen für die Auseinandersetzung und Sichtbarmachung mit der Schwarzen Geschichte in Deutschland. Das Aufmerksammachen auf Rassismus erachte ich auch als einen sehr wichtigen Aspekt, dem mehr Bibliotheken Rechnung tragen könnten. Vor beinahe 9 Jahren, im November 2012 schrieb ich den Blogbeitrag mit dem Titel “Aufruf zur Online-Abstimmung zur Förderung der Each One Teach One Bibliothek in Berlin bis 2.12.”. Diese Bibliothek und ihr Verein etablierten sich inzwischen und sind ein wichtiges Schwarzes Community-basiertes Bildungs- und Empowerment-Projekt. Weitere Handlungsfelder und Aufgaben sind Expertisenvermittlung, Literatur- und Kulturvermittlung, schulische und außerschulische Bildung, Jugendarbeit, Antidiskriminierungsberatung und -monitoring, Interessensvertretung, Vernetzung und die internationale Zusammenarbeit Schwarzer Menschen

Vieles, was dieser Blogbeitrag damals beinhaltete, büßte bis heute nichts bzw. nur wenig an seiner Aktualität ein. Die meisten Bibliotheken in Deutschland, die einen öffentlichen Auftrag haben, die Vielfalt deutscher Geschichte nicht nur aus “weißer” Sicht zu repräsentieren, ignorieren diesen Tag nach wie vor bzw. thematisieren ihn so gut wie gar nicht. Vermutlich verleitet die englischsprachige Bezeichnung “Black History Month” zu dem Gedanken, dass dieses Gedenken nur etwas mit der afroamerikanischen Geschichte der USA etwas zu tun hat und nichts mit afrodeutscher Geschichte? Die Choreografin Joana Tischkau glaubte am 06.02.21 in Deutschlandfunk Kultur, dass sich dieser Monat nicht 1:1 auf Deutschland übertragen lässt. Ich gebe ihr Recht, aber ich denke ähnlich wie sie, dass…:

„Ich glaube aber, was man übertragen kann, ist der Wunsch und den Willen zu sagen: Man rückt marginalisierte Geschichte in den Fokus – man bewegt sich abseits des gängigen Kanons, der gängigen Erzählung und schaut, was dahinter liegt.“

Bis auf die Stadtbibliothek Heilbronn, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die Stadtteilbibliothek Berlin-Pankow fiel mir keine weitere öffentliche Bibliothek auf, die diesen Monat zum Anlass nahm, darauf in Form von Leselisten oder Büchertipps zumindest ein wenig darauf einzugehen. Die Stadtbibliothek Heilbronn thematisierte diesen BHM auf ihrer Facebookseite. Hier wird auf die Webseite https://afrokidsgermany.com/ verwiesen, wo Schwarze Kinder, Indigene Kinder und Kinder of Colour in der Kinderliteratur “zelebriert” werden. Ja sogar das Kulturkaufhaus Dussmann koopiert mit Each One Teach One e.V., ja es gibt sogar einen Podcast von Dussmann zur Thematik, in dem nicht nur die Geschäftsführerin zu Wort kommt, sondern es werden verschiedene Bücher vorgestellt bzw. es finden Gespräche statt. Dussmanns Literaturtipps nehme ich zum Anlass die Liste zu “#Rassismuslesen – Bücher gegen Rassismus: Ein Aufruf zum Mitmachen auf Twitter” weiter zu ergänzen und interessante Hinweise hinzuzufügen.

Das folgende Zitat wurde auch 2012 hier im Blog verwendet und aus aktuellem Anlass wird es hier erneut wieder angeführt:

“Verlauf und Ergebnisse dieser Auseinandersetzung führten dazu, dass sich der Begriff “Schwarze Deutsche” bis in die Gegenwart hinein für einen großen Teil der Öffentlichkeit als Oxymoron darstellt. Obwohl seit dem 15. Jahrhundert eine schwarze Minderheit in Deutschland lebt, groß genug zu einem “Studienobjekt” der ersten deutschen Rasseforscher zu werden, ist sie nie zu einen akzeptierten oder auch nur wahrgenommenen Teil der Bevölkerung geworden.” Fatima El-Tayeb in ihrem Buch “Schwarze Deutsche: Der Diskurs um Rasse und Nationale Identität (1890-1933)” aus dem Jahr 2001

Zum BHM gab der Bibliotheksleiter von “Each One Teach One”, der Schriftsteller Michael Götting, kürzlich dem RBB ein Interview. Der Buchbestand umfasst mittlerweile 8.000 Bücher. EOTO benannte diesen Monat übrigens in « in »Black OurStory Month« um: ” …um Hetero- und Cis-Normativität sprachlich wie konzeptuell auszuhebeln und den Februar zu einem besonderen Monat für wirklich ALLE Schwarzen afrikanischen und afrodiasporischen Communities zu machen.”

In dem Blogeintrag von 2012 stellte ich folgende Frage und gab anschließend folgende Anregungen:

“Was könn(t)en ganz “normale” Stadt(teil)bibliotheken beispielsweise von Each One Teach One e.V. und dessen Bibliothek lernen?”

“1.) => wie rassistische Schlagwörter und Sprachhandlungen insbesondere gegenüber (Schwarzen Deutschen) in Bibliothekskatalogen und in Bibliotheken als Teil des öffentlichen Raums zukünftig vermieden werden können

2.) => wie Veranstaltungen künftig dieses Thema mit einbeziehen (z.B. durch einen Black History Month) und welche Schwarze AutorInnen eingeladen werden könnten

3.) => wie die Vielfalt einer deutschen Gesellschaft auch im Bestand einer öffentlichen Bibliothek stärker zum Ausdruck kommen könnte, um Schwarze Menschen in alltäglichen Berufen, als WissenschaftlerInnen, ErfinderInnen, politische Persönlichkeiten oder KünstlerInnen zu zeigen

4.) => welche Art von Literatur rassistische Ausdrücke verwendet und Theorien gegenüber Schwarzen Menschen propagiert und somit ausgesondert werden müsste”/sollte/könnte

Der Toolbox-Blog der Freien Universität Berlin (Gender- und Diversity-Kompetenz in der Lehre) verweist auf seiner Seite auf 8 Podcasts über Schwarze Geschichte und Kultur. Am 18.02.2021 gibt es anläßlich des BHM eine Veranstaltung des Staatstheaters Nürnberg, die sich mit dem Thema afrodeutsche Geschichte und Gegenwart auseinandersetzt und über Webex übertragen wird. Der erste Teil der Veranstaltung (Podiumsdiskussion) wird auf YouTube gestreamt. Hierzu gibt es noch kostenfreie Tickets:

“Wir reden über das Theater und seine Rolle in der diversen Stadt, über Stücke und Themen des aktuellen Programms und drängende Themen unserer kulturell vielfältigen Gesellschaft!  Anlässlich des Black History Month sprechen in dieser Online-Ausgabe Vertreterinnen der Black Community Foundation Nürnberg, Tahir Della vom Bundesvorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, sowie die Historikerin, Dichterin und Aktivistin Katharina Oguntoye miteinander über die ebenso vielfältige wie ermutigende Gegenwart und lange Historie Schwarzer Menschen in einem nach wie vor von rassistischen Strukturen und Diskursen geprägten Deutschland. “

Gab es bereits derlei Veranstaltugen, welche Bibliotheken als Kultureinrichtungen mit der Schwarzen Geschichte Deutschlands in Bezug setzten?

Michael Dudley, eine Berlinerin mit afroamerikanischen Wurzeln, ging im Artikel “Schwarze Geschichte ist Menschheitsgeschichte” des Tagesspiegel vom 7. Februar der Frage nach, ob der BHM noch zeitgemäß ist. Sie plädierte unter anderem dafür die Disziplin Black Studies als eigenständigen Studiengang zu etablieren und dafür Black History/Schwarze Geschichte tagtäglich zu lehren, zu lernen und zu leben. Es wäre nach wie vor wünschenswert, wenn sich unterschiedliche Bibliotheken, Hochschulen und Ausbildungsbildungseinrichtungen für (angehende) Bibliothekar*innen/Archivar*innen mehr und intensiver mit dieser Thematik auseinandersetzen würden als das bisher der Fall ist. Das LIBREAS-Projektseminar am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin ist ein Anfang.

#Rassismuslesen – Bücher gegen Rassismus: Ein Aufruf zum Mitmachen auf Twitter

“Bibliotheken sind Orte der Dokumentation und Wissensaufbereitung, ihr Anspruch ist möglichst umfassendes Sammeln und freier Zugang für Alle. Mit der #BlackLivesMatter Bewegung erreicht die Debatte über Rassismus und Kolonialismus in unserer Gedenk- und Erinnerungskultur (Denkmäler, Straßenbezeichnungen etc.) zuletzt eine breite Öffentlichkeit. Auch wir Bibliothekar*innen sind als Akteur*innen von Kultur- und Bildungseinrichtungen gefordert, uns einer Auseinandersetzung mit strukturellen Rassismen in unseren Bibliotheken zu stellen. Ausgehend vom angloamerikanischen Raum, wo die professionelle Beschäftigung mit Rassismen in Bibliotheken bereits fortgeschritten ist, gibt es auch im deutschsprachigen Raum einzelne Initiativen und Forschungen dazu.” C3 – Centrum für Internationale Entwicklung Wien

Zu dem von Ferda Ataman ins Leben gerufenen Aufruf passt irgendwie auch ein Teil des Einleitungstextes der Online-Veranstaltung (Austauschtreffen) vom 27.01.2021 mit dem Titel “Decolonize the Library“. Zuletzt trendete am Do/Fr auf Twitter leider der Hashtag “Rassismus gegen Weiße”. Aus diesem Grunde erfand die Journalistin Ferda Ataman (https://twitter.com/FerdaAtaman) den Hashtag #Rassismuslesen. Bereits im Blogbeitrag “Bücher und Leselisten gegen Rassismus?” lautete der letzte Satz, dass solche Listen/Auflistungen/Buchtipps durchaus einen Versuch wert wären, nicht nur für ein mögliches Engagement von Bibliotheken gegen Rassismus. Dies ist nun der passende Anlass damit zu beginnen. Wer aber Zweifel hat, dass es vielleicht doch “Rassismus gegen Weiße” geben könnte, empfehle ich das neue Buch von Emilia Roig “Why we matter” bzw. die Diskussion darüber im Maxim Gorki Theater vom 13.02.21, welche ab Minute 19 diese Frage beantwortet. Ferner empfehle ich die Artikel von , Ciani-Sophia Hoeder, Christoph Giesa und Hannes Soltau. Im Folgenden werde ich ihre Leseempfehlungen, die von anderen, meine eigenen und die vom Bibchat (vom 5. Oktober 2020) in diesem Blogbeitrag in den nächsten Tagen ohne Garantie auf eine endgültige Vollständigkeit hinzufügen. Beim Online Austauschtreffen zum Thema “Decolonize the Library” wurde eine Literaturliste versendet, in der natürlich auch Bücher zum Thema Rassismus dabei waren. Das ein oder andere wird hierzu noch mit angefügt. Vorschläge von Seiten der Leser*innen dieses Blogbeitrags sind ebenso herzlich willkommen.

Atamans Aufruf sollte mehr Unterstützung erfahren und dies ist ein Beitrag dazu.

Zudem ist dies ein Aufruf an alle Bibliotheken, Bibliothekar*innen, Archivar*innen, Informationswissenschaftler*innen und alle sonstigen Antirassist*innen Beiträge zum Hashtag #Rassismuslesen auf Twitter zu posten!

1.) Ogette, Tupoka : exit RACISM – rassismuskritisch denken lernen

2.) Nduka-Agwu, Adibeli/Hornscheidt, Antje L. (Hg.) : Rassismus auf gut Deutsch – ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen

3.) Kendi, Ibram X. : How To Be an Antiracist

4.) Hund, Wulf D. : Wie die Deutschen weiß wurden – Kleine (Heimat)Geschichte des Rassismus

5.) Hasters, Alice : Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten

6.) Asiatische Deutsche : vietnamesische Diaspora and Beyond / Hrsg. Kien Nghi Ha. Berlin; Hamburg : Assoziation A, 2012. – S. 344 : Abb. ISBN 978-3-86241-409-3

7.) El-Tayeb, Fatima: Undeutsch. Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft. 22. September 2016, 256 Seiten. ISBN: 978-3-8376-3074-9

8.) Balibar, Étienne/Wallerstein, Immanuel: Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Argument Verlag, ISBN: 978-3-88619-386-9, Titel der französischen Originalausgabe: Race, Nation, Classe. Les identités ambiguës. Editions La Découverte, 1988

9.) Sow, Noah (2018): Deutschland Schwarz Weiß. BoD-Books, 344 Seiten, ISBN 978-3-7460-0681-9

(umfassend aktualisierte Neufassung)

10.) Terkessidis, Mark (2019): „Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute“. Hoffmann und Campe. Weitere Buchveröffentlichungen: http://terkessidis.de/person

11.) Steinke, Ronen (2020): Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und wie der Staat versagt. Eine Anklage. Piper

12.) Çevikkollu, Fatih: Der Moslem-TÜV. Deutschland, einig Fatihland. Der Reiseführer für Eingeborene. Rowohlt.

13.) Ha, Kien Nghi/Lauré al-Samarai, Nicola/Mysorekar, Sheila (2016): re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland. Unrast. ISBN 978-3-89771-458-8

14.) Aydemir, Fatma/Yaghoobifarah, Hengameh (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Ullstein. ISBN: 9783961010363

15.) Amjahid, Mohamed (2017): Unter Weißen. Was es heißt, privilegiert zu sein. Hanser. Berlin. ISBN 978-3-446-25472-5

16.) Şenocak, Zafer (2011): Deutschsein. Eine Aufklärungsschrift. Edition Körber (Hamburg) 2011. ISBN 978-3-89684-083-7 . Leseprobe

17.) Ben Jelloun, Tahar: Papa, was ist ein Fremder? Gespräch mit meiner Tochter. Rowohlt. Hamburg. ISBN 3-499-22750-9

18.) Roig, Emilia (2021): Why we matter. Das Ende der Unterdrückung. Aufbau. ISBN: 978-3-351-03847-2 . Verfügbar ab 15.02.2021. Leseprobe

19.) Fanon, Frantz (1981): Die Verdammten dieser Erde. Suhrkamp. ISBN: 978-3-518-37168-8

20.) Fanon, Frantz (2019): Schwarze Haut, weiße Masken. Turia+Kant. ISBN 978-3-85132-782-3

21.) hooks, bell (2020): Die Bedeutung von Klasse: Warum die Verhältnisse nicht auf Rassismu und Sexismus zu reduzieren sind. Unrast. ISBN: 978-3-89771-274-4

22.) Arndt, Susan (2017): Rassismus. Die 101 wichtigsten Fragen. 3. Aufl. München: Beck.

23.) Wiedemann, Charlotte (2020): Der lange Abschied von der weißen Dominanz. Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe ; Band 10546) oder dtv. Leseprobe

24.) Pitts, Johny (2020): Afropäisch – Eine Reise durch das schwarze Europa. Suhrkamp. Berlin. ISBN: 978-3-518-42941-9 . Leseprobe

25.) Mbembe, Achille (2016): Kritik der schwarzen Vernunft. Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe ; Band 1703) oder Suhrkamp

26.) Coates, Ta-Nehisi (2016): Zwischen mir und der Welt. Hanser. München. (auch verlegt bei der Bundeszentrale für politische Bildung, aber vergriffen) Leseprobe

27.) DiAngelo, Robin (2020): Wir müssen über Rassismus sprechen : Was es bedeutet, in unserer Gesellschaft weiß zu sein (New York Times-Bestseller – “White Fragility”). Hoffmann & Campe. 9783455008135

28.) Thomas, Angie (2020): Concrete Rose. Random House (erschienen am 25.01.2021). ISBN: 978-3-570-16605-5 (Jugendbuch)

29.) Wenzel, Olivia (2020): 1000 Serpentinen Angst.  Roman. S. Fischer. ISBN: 978-3-10-397406-5

30.) Cha, Steph (2020): Brandsätze. Ars Vivendi. Cadolzburg. ISBN 978-3-7472-0115-2

31.) Olujo, Ijeoima (2020):Schwarz sein in einer rassistischen Welt : Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche. Unrast. Münster. ISBN:  978-3-89771-275-1. Leseprobe

32.) Kelly, Natasha: https://natashaakelly.com/books/

33.) Chebu, Anne (2014): Anleitung zum Schwarz sein. Unrast. Münster. ISBN 978-3-89771-527-1

34.) Ayim, May (1995): Blues in Schwarz Weiß. Orlanda. Berlin.

35.) Arndt, Susan/Eggers, Maureen Maisha/Kilomba, Grada/Piesche, Peggy (Hg.) (2017): Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Unrast. Münster: ISBN: 978-3-89771-440-3

36.) Brokowski-Shekete, Florence (2020): Mist, die versteht mich ja! : aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen. Orlanda. Berlin. ISBN: 9783944666761: https://orlanda.de/post/florence-brokowski-shekete-auf-der-spiegel-bestsellerliste

37.) Thomae, Jackie (2020): Brüder. Hanser. Berlin. ISBN: 978-3-446-26415-1

38.) Amjahid, Mohamed (2021): Der weiße Fleck. Eine Anleitung zum antirassistischen Denken. Piper. Köln. ISBN: 978-3-492-06216-9 (Erscheint am 01.03.2021)

39.) Jewell, Tiffany/Durand, Aurélia (2020): Das Buch vom Antirassismus. Zuckersüß Verlag. Berlin. ISBN: 978398213793. (Für junge Erwachsene von 10-17 Jahren)

40.) Eddo-Lodge, Reni (2019): Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche. Klett-Cotta. Stuttgart. ISBN: 978-3-608-50419 . (Orig.: Why I‘m No Longer Talking To White People About Race). siehe auch: Reni Eddo-Lodge, Why I’m No Longer Talking to White People About Race, 22.2.2014, http://renieddolodge.co.uk/why-im-no-longer-talking-to-https://www.dtv.de/buch/theodor-michael-deutsch-sein-und-schwarz-dazu-34857/white-people-about-race«

41.) El-Tayeb, Fatima (2020): Schwarze Deutsche: Der Diskurs um Rasse und Nationale Identität. Campus. Frankfurt. ISBN: 9783593367255 (Books on Demand)

42.) Oluo, Ijeoma (2021): Das Land der weißen Männer. Eine Abrechnung mit Amerika. Hoffmann und Campe. Frankfurt. 978-3-455-01068-8

43.) Wonja, Theodor Michael (2014): Deutsch sein und schwarz sein dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen. dtv. München. ISBN: 978-3-423-34857-7 . Leseprobe

44.) Baldwin, James (2020): Nach der Flut das Feuer (The Fire Next Time). dtv. München. ISBN 978-3-423-14736-1. Leseprobe