Das Schreiben “Libreka! ungeschminkt” wurde anonym veröffentlicht und erschien zu einem Zeitpunkt, bei dem sich die Buchbranche und vor allem die schöne heile E-Book-Welt sich von der glänzendsten Seite zeigen wollten. Genau zur Zeit der Frankfurter Buchmesse verbreitete es sich wie ein Lauffeuer. Dieses Schreiben wurde vom Verleger-Ausschuss in der heutigen Sitzung im Frankfurter Buchhändlerhaus zum Anlass genommen, intensiv über die Branchenplattform libreka! zu diskutieren.
Wohl erwartungs gemäß ist, dass MVB-Geschäftsführer Ronald Schild die Meinung vertritt, libreka! weise Erfolge vor und man hätte inzwischen auch bei den Endkunden einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht. Ich kann mir hierbei irgendwie nicht den Gedanken verkneifen, dass schlechte Publicity immer noch besser als keine Publicity ist und so die Etablierung eines Markennamen unterstütz. Lobbyfrontmann Matthias Ulmer (stellv. Vorsitzender des VA; Ulmer Verlag) kam natürlich beim Jonglieren der Zahlen bezüglich des Soll- und Ist-Standes des Projekts – wie kaum anders zu vermuten – zum Ergebnis, dass libreka! im Marktvergleich ziemlich gut dastehe. Die Frage dabei ist immer, mit wem man sich vergleicht.
Eine kritischere Stimme scheint hier Karl-Peter Winters (Vorsitzender des VA; Verlag Dr. Otto Schmidt) erhoben zu haben, der die Skepsis der eigenen Branche gegenüber libreka! beunruhigend findet. Man sei dem ursprünglichen Ziel, die beste Volltextsuche zu schaffen, bisher nicht gerecht worden. Nun vermutlich liegt das auch daran, dass kommerzielle Verlustängste dem doch erheblich entgegen standen. Statt Neugier zu wecken, kann man wohl sagen, hat es die Plattform geschafft, viele ihrer potentiellen Wiederholungstäter bei deren ersten Besuch dauerhaft abzuschrecken. Hinter den Kulissen scheint es eine mangelhafte Kommunikation zu geben und das wirkt sich eben auch auf den Service aus.
Die Qualität der Basisfunktionen von libreka! müsse verbessert, mit den Verlagen müsse stärker als bisher kommuniziert werden, so Winters. Der VA-Vorsitzende traf damit die Stimmung vieler Sitzungsteilnehmer.
Derzeit scheitert libreka! wohl auch ein der “vernünftige(n) Erwartungshaltung”, für die Ronald Schild plädierte. Dass die “Erwartungshaltung” vielleicht zu hoch war mit den vollmundigen Ankündigen, ist nicht zu verdenken. Google und Google Books ist durch (Todes- oder Über-)Mut zu einer entsprechenden Bekanntheit gelangt, da kann man sich denken, dass man mit der Zögerlichkeit deutscher Verlage nicht gleichen Erfolg in so kurzer Zeit erreichen kann. Gewiss ist die personelle und finanzielle Ausstattung der MVB nicht mit Google oder Amazon vergleichbar, aber eigene Wege zu beschreiten ist immer risikoreich. War man denn eigentlich dazu bereit, ein wirkliches Risiko auf sich zu nehmen oder hat man sich hier nicht im eigenen Elan durch zögerliche Bedenken selbst ausgebremst? Dieser Kritikpunkt ist sicherlich ehrlich, wirkt aber wie ein verzweifelter Verteidigungsschlag nach der eigenen positiven Bewertung seines Produkts:
Außerdem würden der MVB häufig digitale Versionen von Titeln geliefert, die mit erheblichem Aufwand nachbearbeitet werden müssten, um auf libreka! als E-Book verkauft werden zu können.
Die Kritik von Vittorio E. Klostermann (Vittorio Klostermann Verlag), Albrecht Hauff (Thieme) und Hans Freiwald (CW Niemeyer Buchverlage) wird hoffentlich ernst genommen, denn sonst kann man das Projekt libreka! als gescheitert abhakten. Sie stellten fest, dass zwischen der öffentlichen Wahrnehmung der Plattform und der Selbsteinschätzung des Verbands Welten liegen. Hierzu ist es wichtig, dem jetzt intensiv gegenzusteuern, um zu verhindern, dass Verlage das zu sinken drohende Schiff verlassen.
Bernd Weidmann (Die Werkstatt) plädierte dafür, das anonyme Papier nicht als bloße Schmähschrift abzutun und sich in die Situation der Kritiker zu versetzen.
Eine sachliche Bewertung der vorhandenen Unzulänglichkeiten bei libreka! wird schwer werden, zumal jetzt mehr und mehr Emotionen mitschwingen. Die Defizite in der Kommunikation abzustellen und die Missstimmung in der Branche besser wahrzunehmen ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte. Zudem sollte auf die Wahrnehmung der Kunden und der Konkurrenz (wenn man Bibliothekare dazu zählen möchte) frühzeitiger geachtet werden. Bereits 2007 wurde da an den Angeboten von libreka! nicht unbedingt ein gutes Haar gelassen.
Kommentar zu:
Diskussion um libreka! via Börsenblatt.net