Freibier für die Wissenschaft

Stellen digitale Formate und der Siegeszug des Internets wirklich das ganze Geschäftsmodell einer Branche mit Milliarden-Umsätzen und zweistelligen Gewinnspannen in Frage oder verschlafen hier nur einige träge gewordenen Monopolisten die neuen Möglichkeiten? Kein Wunder, wenn Politiker da unruhig werden, Nutzer sich organisieren und Unterschriften sammeln, mal ganz abgesehen von radikalen Konzepten auf diesem umkämpften Gebiet. Ist das, was da eine entschlossene Gruppe von Vordenkern propagiert – ein offener Zugang für alle und jeden auf der ganzen Welt – nicht nur denkbar sondern auch umsetzbar?
Übertragen wir auch einfach nur die Napster-Euphorie auf das Gebiet digitaler Texte? Immerhin geht es hier um wissenschaftliche Texte, um Grundlagen und weitergehende Forschung, die irgendwann in Produkten endet, die jedem von uns zugute kommen werden. Wie teuer darf Innovation eigentliche werden?

Schauen wir, wer da für einen offenen Zugang kämpft. Es sind die Wissenschaftler, die diese wissenschaftlichen Artikel schreiben, größtenteils, wie tausendmal vorher schon festgestellt, durch Steuergelder bezahlt werden.

„Wir stehen vor einer Revolution in der wissenschaftlichen Kommunikation. Die heutigen Geschäftsmodelle sind nicht haltbar und werden von einer Ära der wissenschaftlichen Mash-ups abgelöst werden“, sagt Tony Hey, Doktor der Physik und derzeit verantwortlich für den Bereich Technical Computing bei Microsoft Research.

Wissenschaftler wie er erleben immer wieder in welcher Zwickmühle sie sich tagtäglich befinden, wenn es um die Karriere geht: Publish or die! Möglichst in renommierten Journalen veröffentlicht werden wie „Nature“ oder „Science“ oder eben kleinen, aber sehr fachspezifisch wichtigen Titeln. Wer die dann lesen will, muss kräftig dafür zahlen und die Preise steigen, ob gedruckt oder elektronisch.

„Ich war regelmäßig in der Situation, dass ich nicht einsehen konnte, was die Mitglieder meiner eigenen Arbeitsgruppe geschrieben hatten, weil wir uns das Abonnement nicht leisten konnten“, erinnert sich Hey.

In rund 24.000 Fachzeitschriften werden ca. 2,5 Millionen peer reviewed Artikel veröffentlicht. Das ist ein gutes Geschäft für Verlage, die die Artikel von den meist staatlich finanzierten Wissenschaftlern erhalten und von deren genauso finanzierten Fachkollegen überprüfen lassen, um sie dann teuer für auch wieder meist staatliche Gelder an Bibliotheken verkaufen.

Verlage lassen sich das Dienstleistungsbündel aus Redigieren, Kommentieren und Veröffentlichen reichlich vergüten, obwohl sie weder den Autoren noch den Rezensenten Honorare zahlen.

Wenn das nicht nach einem Goldesel klingt, den man da kräftig abkassieren kann.

Dank Konsolidierung teilen sich die zehn größten Fachverlage im Bereich wissenschaftlicher, technischer und medizinischer (STM) Fachzeitschriften etwas weniger als die Hälfte eines Marktes, der 2005 weltweit für rund 19 Milliarden Dollar Umsatz gut war […].

Das ist Gewinn, der jedoch nicht zugunsten der Abnehmer umgelegt wird. Universitäten und auch Bibliotheken klagen über die astronomischen Subskriptionspreise.

Die Kostenzuwächse für Fachzeitschriften liegen seit Jahren deutlich über der Inflationsrate in allen Industrienationen – die Preise für Abonnements haben sich zwischen 1986 und 2000 verdoppelt und sind allein im vergangenen Jahr um knapp acht Prozent gestiegen.

Vielen – und damit sind auch die Politiker gemeint – scheinen nicht zu wissen, dass es hier nicht, wie bei Publikumszeitschriften, nur um ein paar Euro geht.

Das durchschnittliche Chemiejournal kostet im Jahresabo inzwischen umgerechnet 2522 Euro, ein Ingenieurblatt um die 1523 Euro, so eine aktuelle Erhebung des „Library Journal“. Dabei bewegen sich deutsche Fachzeitschriften mit jährlichen Abonnementkosten von 788 Euro recht genau im Durchschnitt, die Niederlande liegen mit 2473 Euro einsam an der Spitze. Bibliothekare sehen sich deshalb seit einiger Zeit gezwungen, Zeitschriften-Abos abzubestellen.

Jede abbestellte Zeitschrift bedeutet i.d.R. eine Erhöhung des Subskriptionspreises und damit weitere Abbestellungen. Damit Willkommen im Teufelskreis der so genannten Zeitschriftenkrise.

Die Antwort der Wissenschaftler hierauf: Open Access – wir stellen unsere Artikel frei ins Netz.

Weitere Informationen noch im Artikel von
Heuer, Steffan: Mash-ups für Professoren in Technology Review 07/2007