[Adventskalender] 05.12.2019 – Hans Watzlik

Watzlik, Hans (* 16. Dezember 1879 in Unterhaid, Österreich-Ungarn; † 24. November 1948 in Tremmelhausen) gemeinfrei seit 2019

Heilige Nacht

Hans Watzlik, via Wikimedia Commons

Sankt Josef nimmt den Stab zur Hand.
„Wir müssen fort ins fremde Land!“
Der Winter saust um Hof und Haus,
sie müssen in die Nacht hinaus.
Der alte Mann sagt:“Kalt is s‘; huuu!“
Die Frau Maria weist die Kuh.
Sie stapfen bis zum Knie im Schnee.
Den Vater Josef friert die Zeh.
Die Sternlein still am Himmel stehn,
der Mond ist schon im Untergehn.
Die Welt ist groß, es schneit, es schneit.
Mein Gott, wie ist der Weg so weit!

Tief drin im dunklen Böhmerwald
ist ed vor Eis und Schnee gar kalt,
ein halbverfallner Stall dort steht.
Sankt Josef sagt:“Es ist schon spät.“
Er schürt ein lindes Feuerlein
und wärmt daran die Hände sein.
Und eh Maria sich besinnt,
da liegt vor ihr ein leuchtend Kind.
Vom Himmel her von Gott beschert,
das Kind liegt nackt auf bloßer Erd.
Sie fängt vor Freuden an zu schrein:
„Das ist mein kleines Jesulein!“

Das ganze Himmelreich wird wach,
ein Wunderstern scheint übers Dach.
Auf einem Silberleiterlein
steigen die Engel zur Welt herein
und geigen und singen Halleluja
und spielen die Mundharmonika,
und einer von dem himmlischen Pack,
der bläst sogar den Dudelsack.
Das Weihnachtskind gibt goldenen Schein,
und Vater und Mutter sind nimmer allein.

Der Vater zimmert schnell eine Wiegen,
das Kind soll wie ein Prinzlein liegen
Ach Gott, sie haben kein Linnen fein,
kein einziges Bettfederlein.
Die Mutter deckt das Kind zur Ruh
mit ihren gelben Haaren zu.
Die Kuh, sie haucht das Büblein dann
mit ihren warmen Atem an.
Und horch, der Kuckuck draußen schreit,
und ist doch harte Winterzeit.

Die Tiere treten aus dem Wald,
das Füchslein schlau, der Rabe alt,
die Spechte, schwarz und bunt und grün,
das feine weiße Hermelin,
der Hase hoppelt durch den Schnee,
scheu kommt heran das liebe Reh,
der Uhu und das Käuzchen grau,
die Eule ist die Schleierfrau,
bescheiden tritt die Maus hervor,
das Eichhorn spitzt das kluge Ohr,
der Dachs verlegen putzt den Bart,
ein winzig Vöglein zwitschert zart.
Der hohe Hirsch kniet fromm dabei,
trägt lauter Lichter am Geweih.

Jetzt tönt vom Dorf das Glöckel her,
so hell, als ob es Sonntag wär.
Die Hirten kommen froherschreckt,
ein Engel hat sie aufgeweckt,
„Grüß Gott, Herr Josef, Frau Marie!“
falln vor dem Kinde auf die Knie.
Die Bauernkinder stelln sich ein,
die Buben und die Mägdelein,
sie schauen ganz verwundert drein
auf das hellichte Jesulein.
Sie singen ihm:“Schlaf, Kindlein, Schlaf!“
und schenken ihm ein weißes Schaf
und Äpfel, Nüsse, Kletzenbrot,
sie schenken ihm ein Pelzlein rot,
zu schützen es vor Frostes Not.
Sie schenken einen Zappelmann,
auf dass es damit spielen kann.

Wer kommt daher im Sternenschein?
Die heiligen drei König reiten ein
mit Ross, Kamel und Elefant,
sie kommen aus dem Morgenland,
sind just ein und halbed Paar,
Kaspar, Melchior, Balthasar,
es brüllt das Kamel, das Rösslein schnaubt.
Sie tragen goldne Kronen am Haupt.
Der eine ist gar ein schwarzer Mohr.
Erschrick, o Jesus, nicht davor!
Sie bringen Weihrauch, bringen Gold,
sie bringen Myrrhen dem Kinde hold.

Die Königen reiten wieder fort,
der Stern bleibt an seinem Ort,
er bleibt mit seinem Himmelsschein
über dem armen Waldhäuslein.
Ganz still ist’s jetzt, das Kindlein
tut zu die Augen und schläft ein.
Sankt Josef schläft, Maria wacht.
Der Stern strahlt golden durch die Nacht.

Hoam!,1978, 12, in der Beilage Der Wanderstecken S. 45-46

Quelle: Watzlik, Hans – Kohoutikriz.org