Imagefilm für die neue Zentrale Landesbibliothek Berlin
Im ersten Moment dachte ich super, ein Film, warum Berlin eine Bibliothek auf dem Tempelhofer Feld benötigt und dass man dafür Berliner zu Wort kommen lässt, noch besser, besonders da die Diskussion und somit auch die Politik zunehmend Abstand von einem Neubau an dieser Stelle nehmen. Stichwort hier: kein Geld für Kultur oder übertriebene Baupläne. Natürlich hängt viel davon ab, die Berliner Bürger zu überzeugen, die am 25. Mai in einem Volksentscheid über die Bebauung des Tempelhofer Feldes entscheiden sollen. Jetzt, einen Augenblick, nachdem ich den Film gesehen und habe sacken lassen, bin ich weniger begeistert. Es handelt sich um einen Kinotrailer, der von der ZLB geschaltet wird, und er ist also auf ein großes Publikum ausgelegt.
In der Info zum Film heißt es:
Eine Bibliothek am Tempelhofer Feld – das wollen viele. Unser Film sagt, warum.
Was ist richtig. Man lässt die Nutzer sprechen. Es geht um Emotionen, wenn offensichtlich andere Argumente kein Pro für die Bibliothek schaffen können. Aber sind hier Emotionen genug? Ich habe den Film gesehen und fühlte mich vom Duktus an die Werbung für den Amazon Kindle Paperwhite erinnert. Ist es das, was man will? Bibliothek = Amazon Kindle-Feeling? Oder geht es um mehr?
Einmal fällt der Begriff: neuer Kulturort. Das hätte ich wichtiger gefunden, die Bibliothek als Kulturort schon jetzt erfahrbar zu machen, etwas das möglich werden wird, wenn der Neubau kommt, als ein lebendiger Raum und Treffpunkt. Dies geht unter bei den Statements der befragten Nutzer, die alle sehr stark nach gecasteten Models aussehen. Aber verschaffen Sie sich selbst einen Eindruck.
Wie glattgeschliffen und weniger ehrlich dieser Film jetzt wirkt, merkt man auch, wenn man sich die Version vom letzten Jahr ansieht. An dieser Stelle sei nochmal auf den kritischen Beitrag von Wolfgang hingewiesen, den dieser am 04.April 2013 hier im Blog veröffentlicht hat (mit entsprechenden Videos).
Mehr Filme der (Stiftung) ZLB zur Unterstützung eines Neubaus finden sich in ihrem YouTube-Kanal. Dort kommen viele prominente Befürworter zu Wort.
Mehr Informationen auch im Neubbaublog der ZLB
Hallo, guten Tag. Im Kinotrailer der ZLB sind keine gecasteten Modelle, sondern Nutzer_innen, die wir spontan hier in der Bibliothek gefragt haben, was sie über das Neubauprojekt denken. Daraus haben wir zwei Filmteile gemacht, die wir schon länger auf unserer Website haben. Für den Kinotrailer haben wir aus diesen Befragungen eine Auswahl getroffen. Wer mehr sehen will, man muss nicht auf Youtube suchen, sondern kann auch hier gucken: http://www.zlb.de/ueber-uns/bauprojekte/neubauprojekt/unsere-unterstuetzer.html.
Viele Grüße Anna
Hallo Anna,
danke für die rasche Antwort. Mit meiner Bemerkung wollte ich nur meinen Eindruck wiedergeben, aber um so besser, dass dies keine Modells sind. Vielleicht liegt es daran, dass nach der Überarbeitung und der neuen Zusammenschneidung der Beitrag sehr glatt wirkt, wenig noch von der Lebendigkeit zeigt, die in den älteren Teilen zu spüren ist. Das finde ich schade, weil so in meinen Augen jede Menge Charme verloren geht.
Und um nicht den falschen Eindruck aufkommen zu lassen: Ich bin für einen Neubau der ZLB. In meinen Augen reicht eine Erweiterung der Armerika-Gedenk-Bibliothek nicht aus, um allen Bedürfnissen einer modernen und ein Land repräsentierenden Bibliothek aus. Wir berichten hier immer mal wieder über die ZLB und ihren Neubau und sind gespannt, wie sich dies auch in Zukunft entwickeln wird. Hoffentlich so, dass eine spürbare Besserung für die Situation der Berliner Bibliotheken zu erkennen ist. 🙂
Liebe Grüße zurück in meine Studierstadt
Dörte
Hallo zusammen,
ich denke, dass ich verstehe, was Dörte gemeint haben könnte. Es sieht im Nachhinein so glatt und perfekt aus, aber in den Gegenden, in denen die ZLB und die AGB stehen, aber auch um das Tempelhofer Feld herum gibt es ja auch Menschen, die nicht so aussehen, wie in den Videos und dennoch dorthin gehen. Das ist zumindest mein erster Eindruck. Was die anderen Videos angeht, zieht wohl der Promifaktor in der Aufmerksamkeitsökonomie, in der wir leben, aber ich kann mir bis auf Walter Momper, der ja in Kreuzberg-Neukölln am Südstern wohnt, kaum einen Promi oder gar Politiker vorstellen, der die ZLB als Normalonutzer (regelmäßig) besuchen würde. Warum nicht auch Obdachlose, Flüchtlinge/Asylbewerber, bildungsferne Menschen oder Menschen mit Behinderung oder Senioren aus dem Kiezen um das Tempelhofer Feld interviewen? Vielleicht ist es ja auch nicht leicht, Menschen zu gewinnen, die später auf Youtube sichtbar werden und/oder in prekären Verhältnissen leben. Deshalb kann ich mir das schon vorstellen, dass viele zögerten. Ich habe selbst dort in der Gegend gewohnt und es gibt ja auch noch die Menschen, die arbeitssuchend sind bzw. die Langzeitarbeitslosen, als nur die Schönen und die gut Angezogenen. Eine Bibliothek wie die ZLB, welche am Temepelhofer Feld entstehen soll, sollte ja Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Milieus anziehen und das zeigen die Testimonials ja eher weniger. Es entsteht der Eindruck, dass die viel geforderte Vielfalt in den Videos, zumindest was die Milieus betrifft, kaum vorkommt. Ist es nicht ein Ziel ein Kulturort für alle zu sein? Insgesamt scheint es so, dass die meisten der interviewten Personen dem Mileu des Bildungsbürgertums entspringen (bzw. schon auf dem Weg dahin sind) und die angestammten Milieus vor Ort (auch eben Menschen mit niedrigem Einkommen) kaum vorkommen. Es gibt doch auch noch andere Promis, die wirklich dort in der Gegend wohnen wie Judith Holoferness, Alina Levshin (Tatort-Assistentin), Benjamin Kramme (Tatort-Kommissar), Gerhard Seyfried (Karikaturist), Irm Hermann (bekannt durch Faßbender-Filme, die dort wohl ganz in der Nähe wohnt), Zafer Senocak, Bernd Cailloux, Emine Sevgi Özdamar, Mark Terkessidis oder eben auch Kiezschriftsteller, die in der Nähe des Victoriaparks wohnen. Bei ihnen könnte ich mir vorstellen, dass sie die neue ZLB besuchen (würden). Das ist meine persönliche Meinung und das fiel mir eben besonders auf. Viele Grüße an mein wahres Zuhause Berlin und die ZLB, durch die ich innerhalb weniger Jahre mehr lernte und Neues entdeckte (Musik, Filme, Bücher und Menschen/Bekanntschaften) als jemals zuvor, Wolfgang