Bibliothekartag #bibtag14 – Discovery als Abenteuer und Herausforderung
Ein großes Thema waren auf dem diesjährigen Bibliothekartag Discovery Systeme, fast schon Mainstream könnte man sagen, wenn man bedenkt, dass die Beiträge im Hanse-Saal, dem größten Saal des Bremer Kongresszentrums, stattfanden. Und genau dahinein waren Anja und ich mit unserem Beitrag “Discovery Systeme – Chance oder Risiko für Bibliotheken? – Eine Diskussion zum Für und Wider” gerutscht.
Wir haben uns auf das Wagnis eingelassen, keinen üblichen Beitrag zu halten, wo zwei Personen vorne stehen und einer das Für und die andere das Wider vorstellt, da für uns deutlich wurde, dass so einem Beitrag etwas Wichtiges verloren geht, nämlich die Zusammenhänge. Daher haben wir uns für ein Gespräch entschieden, das sicherlich in dieser oder jener Form, mehr oder weniger enthusiatisch bzw. skeptisch auch in einer Bibliothek geführt wird/wurde, in der es um das Abenteuer der Einführung eines Discovery Systems geht oder wo ein solches System gerade eingeführt wird/wurde. Anders ließe sich die Komplexität des Ganzen nicht widerspiegeln.
Wir haben dieses Gespräch oft geprobt, Anja in Hamburg, ich schon in Bonn. Vierhunderfünfzig Kilometer Enterfernung waren Dank Skype doch kein zu großes Hindernis, so dass dann die 4,50 Meter auf der Bühne keinen wirklichen Abstand mehr darstellten und vielleicht nur die gegenseitigen Positionen unterstrichen. 😉 Damit stellte die kleine Technik-Hürde – Pult-Mikrophone und Tischmikrophone mit kurzem Kabel – für uns beide zumindest nicht so ein wirkliches Problem mehr dar.
Hier nun unsere Folien zum Vortrag, die Anja natürlich nochmal auf den OPUS-Server des BIB hochladen wird.
Um auch den Zusammenhang des Gesprächs aufrecht zu erhalten, gibt es hier auch noch unseren Text dazu zum Nachlesen:
Discovery Systeme – Fluch oder Segen für BibliothekarInnen? by Anja Knoll, Dörte Böhner
Interessant waren auch die weiteren Vorträge der Session. Die Bremer Kollegen Claudia Bodem und Martin Blenkle fragten “Mission Possible? Erfahrungen & Empfehlungen zur Einführung von Discovery Systemen” und berichteten von ihren Erfahrungen mit der E-LIB Bremen. Auffallend ist, dass die Startseite der E-LIB sogar die Homepage der Bibliothek ersetzt. Ihr Kollege Elmar Haake zeigte die Schrauben des Rankings auf, an denen im Hintergrund eines Discovery Systems gedreht werden kann. Dabei zeigte er auch, wo Fallstricke des Ranking lauern.
Björn Marschall von der UB Leipzig sprach über personalisierte Suchräume, die zukünftig mit dem Projekt FINC für Discovery System-Lösungen umgesetzt werden sollen. Hier wird dem Nutzer die Entscheidung leicht gemacht, ob er nur den klassischen Bestand der Bibliothek, den Bestand + elektronische Medien oder über den Gesamtbestand der Bibliothek hinaus recherchieren möchte.
Leider verabschiedeten sich dann einige, weil das nächste Thema auf den ersten Blick wenig mit Discovery Systemen zu tun hatte, aber die Verbalisierung der Deutschsprachigen Dewey Dezimal Klassifikation hat gute Chancen, ein Problem bei der Facettenbildung Thema zu beheben. Da derzeit nur ein Bruchteil deutscher Metadaten mit ausreichend Schlagwörtern und inhaltlichen Beschreibungen versehen sind, könnte die Anreicherung dieser mit der verbalisierten Form der DDC hier hochwertigere Themeneinschränkungen ermöglichen. Vorarbeiten zu diesem Projekt stammen aus dem alten DFG-Projekt CrissCross. Danke an Christine Maibach der DNB, die darüber einen interessanten Vortrag hielt.
Ein wenig fremd und falsch wirkte da schon der Beitrag von Sebastian Böttger zu PUMA. Die einzige Verbindung zu Discovery Systemen ist vielleicht darin zu sehen, dass man bei VuFind ein PUMA-Plugin einspielen kann, welches die Merkliste ersetzt und die dort gespeicherten Metadaten in das System PUMA übernimmt.
Am Abend gab es dann einen netten Stammtischabend mit meinen neuen Kollegen des FIZBw und einen schönen Abschluss für den Bibliothekartag in Bremen.
Hallo,
vielen Dank für die (fast) treffende Zusammenfassung der Session. Was Ihre Einschätzung zu meinem Vortrag betrifft, liegen Sie meines Erachtens aber falsch. Das Themenspektrum war übertitelt mit “Suchen, finden, nutzen – Search and Discovery, Metadata, Social Networks: Regelwerke und -formate, Resource Discovery, Tagging, Blogging”. Da mein Vortrag zu einem Schnittstellen-Thema war, war das Einordnen für die Organisatoren nicht ganz leicht. Meinen Vortrag bei Resource Discovery Systemen anzusiedeln, war aber sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung.
Da ich vor zwei Jahren erst in der UB Kassel eingestellt wurde und vorher “nur” Nutzer von Bibliotheken war, ist mein Blick auf die Angebote von Bibliotheken relativ nutzernah. Insofern hat der Bibliothekartag 2014 meine vorhandenen Vorurteile nur bestätigt, dass viele Bibliothekare in ihrem abgeschlossenen, eigenen Kosmos denken, diskutieren und agieren. Dass überhaupt das Für und Wider über die Einführung von Discovery Services diskutiert werden muss, ist ein Beleg dafür. Die Bibliotheken sind mit der Einführung solcher Suchsysteme 10 Jahre zu spät dran. Diese Kritik betrifft nicht Sie persönlich, da es natürlich nicht Ihr Fehler ist, dass die Diskussion darüber 10 Jahre zu spät stattfindet.
Die Allgegenwärtigkeit des Internets und die alltägliche Nutzung von Google hat die Art und Weise des Suchens von Informationen völlig verändert und das nicht erst gestern, sondern eben schon vor über 10 Jahren. Die Bibliotheken müssen aus meiner Sicht, um dauerhaft bestehen zu können, Volltexte für ihre Nutzer online auffindbar und nutzbar machen und zwar jetzt. Darüber hinaus müssen Angebote gemacht werden, die ihre Nutzer bei der täglichen Arbeit mit Literatur unterstützen.
Mein Vortrag sollte eine Möglichkeit aufzeigen, wie Bibliotheken ihr Angebot für Ihre Nutzer erweitern können, zumal PUMA diverse Dienste verbindet und eben Angebote von Bibliotheken und Hochschulen als Ganzes sichtbar machen kann: Discovery Service, Open Access, eLearning, Websites, Forschungsinformationssystem und Publikationsmanagement. Die Metadaten von Medien, die der Nutzer an den unterschiedlichen Stellen und Systemen braucht, werden nur noch an einer Stelle zentral gespeichert und sind universell verfügbar.
Lieber Herr Böttger,
dann kann ich ja froh sein, dass ich vor zehn Jahren gerade noch im Studium steckte 😉 und nicht Schuld an dem seltsamen Kosmos der Bibliotheken bin. – Die Diskussionen zum Verschlafen von Chancen und zum zu spät Kommen, wie dies bei Suchwerkzeugen wie Discovery Systemen der Fall ist, kenne ich in der ein oder anderen Form – naja nach nun doch über 12 Jahren Tätigkeiten in Bibliotheken – recht gut. Dem ist wohl wie an vielen Stellen kaum etwas Widersprechendes hinzuzufügen.
Doch warum durfte Ihr Vortrag – in einem stark Discovery-geprägten Segment wie an diesem Donnerstag Nachmittag – nicht ein “wenig fremd und falsch” wirken? Vielleicht lag es daran, dass eine Einordnung Ihres Beitrags in das Ganze übergeordnete System ein wenig geholfen hätte, Rückschlüsse zu ziehen. Viele BibliothekarInnen sind extrem pragmatisch ausgerichtet. Daran muss man sich rasch gewöhnen.
Für PUMA sind Sie am Rande wohl auch ein wenig auf die Bibliotheken als Anwender und Werbepartner angewiesen. PUMA als Anwendungsklammer für verschiedene Bibliotheks- oder besser gesagt Informationsangebote (Search, Access, Storage) müsste von diesen, auch im Rahmen einer Forschungsarbeitsplatzumgebung mit praktischen Nutzen für die Forschenden, offensiv unterstützt werden. Dabei ist PUMA eines von vielen diversen Werkzeugen, die als zielbringend ansehbar sind, und gegen welche Ihr Angebot bestehen muss. Offensichtlich trauen Sie Bibliotheken aber an dieser Stelle die Expertise zu, Ihr Angebot als das Mittel der Wahl zu erkennen und sachgerecht als Hilfestellung an die Forschenden heranzutragen.
Und wenn Bibliotheken schon nicht innovativ sind, warum sollten Sie sich von Ihrem innovativen Angebot überzeugen lassen? Aber das am Rande.
Und nur noch so ein kleiner Gedanke: Mit Discovery Systemen kaufen Bibliotheken in vielen Punkten wohl eine zehn Jahre alte Suchmaschinentechnologie ein. Auch das ist ein Fakt, der dennoch Innovation heißt, weil man eben sich endlich vom Paradigma des Zettelkataloges löst, das ein paar Jahrzehnte mehr auf dem Buckel hat. Dieser, wie Frau Bodem in dieser Session aufzeigte, klassische Veränderungsprozess schmerzt, denn unsichtbar dahinter hängen viele tradierte Prozesse in Bibliotheken und oft auch von vorhandenen Verwaltungsstrukturen hinter den Bibliotheken. Die dabei einhergehend Unsicherheit, was nun aus tradierten Jobs wird, lähmt Innovationsprozesse leider erheblich.
Aber gerade vor dem Hintergrund von Google & Co ist es gut, dass Bibliotheken erkennen, dass sie ihre Innovationspotentiale anzapfen und ausschöpfen müssen. Da verweise ich frech mal auf die Entwicklungen im Bereich Information Retrieval am Institut für Bibliotheks- und Inforamtionswissenschaft der Humboldt-Universität, als ein laufender Prozess, wo Innovatives passiert. Und es ist nicht so, dass MitarbeiterInnen in Bibliotheken keine Potentiale erkennen oder sehen, aber da kommen wir dann auch zu ganz anderen strukturellen Problemen, beispielhaft genannt: Alterstruktur und
Finanzierung.
Vor der bestehenden Komplexität dieser Prozesse mag man Angst kriegen, aber es gibt dann doch viele Kollegen, die es eben im Kleinen angehen und Schritt für Schritt nach Abkürzungen suchen, um aufzuholen und mit den Großverdienern unter unseren Konkurrenten, vielleicht nicht gleichzuziehen, aber das beste für unsere Zielgruppe und unsere Aufgabenstellung herauszuholen. Und in diesem Zusammenhang sehe ich auch PUMA. Nichts weltbewegend revolutionär Neues, aber eine gute Kombination aus gegebenen Möglichkeiten. Ein Werkzeug für die Zielgruppe, die nun entscheiden muss, was sie erwartet, was sie annimmt und worin sie welches Potential für die Lösung ihrer Probleme sieht. Von einer “Marktdurchdringung” wie Google mit fast 90 Prozent im Mai können wir wohl alle nur träumen.
In diesem Sinne: Tun wir unser Bestes!
Frau Böhner, da haben Sei mich falsch verstanden. Ich wollte nicht ausdrücken, dass Sie zu jung sind, um Schuld an dem Verschlafen diverser Innovationen zu haben, sondern dass Sie als Einzelne nur wenig bewirken können. Ich wollte darlegen, dass sich das Selbstverständnis von den Bibliotheken insgesamt (schneller) wandeln muss. Aus meiner Sicht…
Was das sachgerechte Herantragen von PUMA an Forschende betrifft: Wer soll es denn sonst machen, außer Bibliotheken? Ich denke das ist die originäre Aufgabe der Bibliotheken. Um es bewusst verkürzt auszudrücken: Bibliotheken bieten Service “rund ums Buch”, als integraler und nicht ersetzbarer Bestandteil einer Hochschule.
Bei den anderen Punkten gebe ich Ihnen weitestgehend recht. Und sicherlich gilt auch hier “besser spät als nie”. Und auch wenn es spät kam, ist die Einführung des Discovery Systems in Kassel ein riesiger Fortschritt gewesen.
Und da bin ich ganz bei Ihnen: Tun wir weiterhin unser Bestes, damit es vorangeht.
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