Die Bezirke und die Landesregierung der Hauptstadt sperren sich gegen eine gesetzliche Regelung und damit auch indirekt gegen ein funktionierendes Bibliotheksnetz in Berlin. Zwanzig Jahre nach der Wende sind die beiden Stadthälften zusammengewachsen, aber von einem einheitlichen Bibliotheksnetz kann nicht die Rede sein.
Die bezirklichen Einrichtungen sind abhängig von der Finanzkraft der Bezirke, so das allgemein ein massiver Unterschied sowohl in der personellen als auch in der finanziellen Ausstattung festzustellen ist. Bibliotheksschließungen sind im Berlin des Jahres 2009 Alltag und besonders in Ostberlin ist von einem engmaschigen Netz nur noch ein Flickenteppich übrig geblieben. Die ZLB betreibt immer noch eine Landesbibliothek in zwei Häusern und kämpft doch schon seit der Wiedervereinigung im Dienste der Nutzer um ein gemeinsames Haus. Es kam Anfang des Jahres Bewegung in diese Entwicklung, doch dass die Pläne umgesetzt werden, daran mag vor allem der Nutzer nicht wirklich glauben, bevor er nicht die Räumlichkeiten betreten hat. Schon zu oft scheiterte in Berlin der gute Wille an der Finanzierung.
Wenn man die Öffentlichen Bibliotheken in Berlin betrachtet und ihre Stellung in der Stadt, hat man als Nutzer oft das Gefühl, sie fristen ein Dasein am Rande des Senatsinteresses. Es ist richtig, dass die Stadt am finanziellen Abgrund steht, aber während man um den Erhalt der Opern eine Medienwirksame Diskussion ausgetragen hat, verschwinden die Meldungen über die Schließungen und die Notlage vieler kleiner Bezirksbibliotheken im Zeitungsnirvana. Zu viele dieser kleinen Einrichtungen sind in den letzten zwanzig Jahren geschlossen worden und denen, die noch existieren, laufen die Nutzer aufgrund des veralteten Medienbestandes davon.
Kann ein Bibliotheksgesetz an dieser Lage etwas ändern?
Es kann sicher nicht als Allheilmittel betrachtet werden, aber es könnte helfen, eine Basis zum Wohle der Bibliothekskultur zu schaffen. Es könnte als Grundlage dienen, um wenigstens zu garantieren, dass es in allen Bezirken eine zentrale Bezirksbibliothek gibt und somit wenigstens eine Grundausstattung an Bildung und Kultur für die Einwohner dieser Stadt gesichert ist. Die Ausarbeitungen dieser gesetzlichen Grundlage kann natürlich nicht in wenigen Wochen erbracht werden und sollte in Zusammenarbeit mit den Bibliotheken geschehen, aber vielleicht ist genau dies das Problem. Vielleicht hat der Senat ja die Befürchtung, die Bibliothekare könnten Forderungen, besonders in finanzieller Hinsicht, stellen. Doch ohne Investitionen wird sich die Lage für die Bibliotheken nicht ändern und in Berlin wird es höchste Zeit, dass etwas passiert. Denn die Bibliotheken dieser Stadt stehen schon seit Jahren am Abgrund, weil ihnen der Senat die Luft zum atmen nimmt.
Quelle: Lautenschläger, Rolf: Ein Pakt gegen Lesekultur. In: taz 3.11.2009