
Ohne Erlaubnis der Eltern …
… dürfen Kinder in Zukunft vielleicht keine Bücher mehr in einer Öffentlichen Bibliothek ausleihen. Im Repräsentantenhaus ist die Entscheidung bereits gefallen, jetzt muss der Senat von Texas das Zünglein an der Waage spielen.
You MUST watch this exchange from today’s Tx House debate on anti-library HB3225. “This is about your desire to make sure that children have access to sexually explicit materials,” says the bill’s author. “Rep Alders, do you know what I have done for a living?” Says @voteannjohnson.bsky.social
— Frank Strong (@frankstrong.bsky.social) 10. Mai 2025 um 04:49
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Bitte den ganzen Thread lesen.
Aber jetzt mal kurz genauer geschaut, was da gerade passiert:
Es geht um Texas House OKs bill to limit minors‘ access to sexually explicit books in public libraries. Der republikanische Gesetzentwurf mit der Nr. 3225 ist eigentlich nur die konsequente Fortsetzung der Book Bans in den USA, nur wird jetzt nicht mehr auf die einzelne Bibliothek geschaut, sondern auf alle Öffentlichen Bibliotheken. Wird dieser Entwurf Gesetz, dann werden die Bibliotheken dazu verpflichtet, das Alter ihrer Lesenden zu überprüfen, um Minderjährige vom Lesen „sexuell eindeutiger“ Bücher abzuhalten. Genauer gesagt, würden Bibliothekar*innen dazu verpflichtet, sämtliches „sexuell explizites“ Material aus den Kinder- und Jugendabteilungen zu entfernen und bei der Ausleihe das Alter der Leser zu überprüfen.
Folgt man hier den bisherigen Book Bans, dann reicht es schon aus, das eine Person etwas Angenehmes fühlt, nur weil er in der Nähe einer Person ist oder Händchen hält. Queere Themen fallen grundsätzlich darunter.
„State Rep. Daniel Alders filed the bill to make parents “feel comfortable allowing their children to freely explore the books” in public libraries“.
Quelle: Texas House OKs bill to limit minors‘ access to sexually explicit books in public libraries, Austin American-Statesman
„Besorgte Eltern“, die ihre eigenen „Ängste“ formulieren und daher in Gutmenschenmanier versuchen, rücksichtslos Rechte junger Menschen zu beschneiden, sie von Wissen über Andere und Anderes fernzuhalten, was sie selbst nicht verstehen (wollen), schaffen so die Grundlage für Zensur im großen Rahmen und die Ausgrenzung von Minderheiten. Lesen von anderen schafft Empathie für diese Gruppen, denn man kennt sie zumindest vom Lesen her.
“Censoring books that deal with difficult, adolescent issues does not protect anybody. Quite the opposite. It leaves kids in the darkness and makes them vulnerable. Censorship is the child of fear and the father of ignorance. Our children cannot afford to have the truth of the world withheld from them” ― Laurie Halse Anderson
Das Gesetz könnte verfassungswidrig den Zugang zu Klassikern wie “Lord of the Flies,” “The Bluest Eye” und “Brave New World.” einschränken. Auch die Bibel wäre dann vermutlich nicht mehr jugendfrei, aber da macht man in dem gläubigen Land natürlich alle Augen zu. Nicht zu unterschätzen sind auch die Folgen, wenn jungen, unsicheren Mensch der Zugang zu Informationen über sexuelle Gesundheit, sexuelle Übergriffe und Pubertät verwehrt würden. Scham könnte dazu führen, dass Kinder und Jugendliche unnütz leiden, gegebenenfalls ganz unnütz traumatisiert werden. Jugendliche sind nicht sexuell enthaltsam, so sehr sich das ihre Eltern das auch wünschen, aber wenn sie über Verhütung nichts lesen können, dann sind deutlich mehr Folgen zu erwarten. Kinder und Jugendliche werden durch dieses Gesetz von gesicherten und kontrollierten Informationen ferngehalten. Stattdessen, denn auf den Kopf gefallen sind sie schließlich nicht, würden sie im Internet nach den Dingen suchen und diese können komplett falsch sein und großen Schaden anrichten.
“You are conflating sexually explicit or dangerous conduct with basic health information for puberty, which hits people in their early teen years,” Rep. Ann Johnson, D-Houston, said in opposition to the proposal.
Quelle: After a sometimes graphic debate, Texas House advances bill limiting kids’ access to sexually explicit books in libraries, Texas Tribune
Die Umsetzung in den Bibliotheken würde zudem hohe Kosten verursachen, denn die Umsetzung würde mit einem erheblichen Arbeitsaufwand versehen sein. Aber auch bei Nichtumsetzung würden hohe Kosten für die Bibliotheken zukommen, die sowieso nicht sonderlich gut finanziell abgesichert sind. HB 3225 würde den Generalstaatsanwalt von Texas ermächtigen, Städte und Landkreise zu verklagen, deren Bibliotheken gegen die Bestimmungen des Gesetzes verstoßen. Eine Bibliothek müsste pro Verstoß bis zu 10.000 Dollar an den Staat zahlen. Dazu kämen natürlich noch Anwaltskosten und weitere Gebühren.
Dieses Gesetz öffnet Tür und Tor für weitergehende Einschränkungen beim Zugang zu Literatur, so z.B. vielleicht für missliebige, aber wissenschaftlich belegte Informationen wie etwa der Evolutionstheorie, um der christlichen Schöpfungstheorie zu folgen, Zugang zu geschichtlichen Darstellungen, die den Machtinhabern nicht in den Kram passen, weil es nicht ihre Wahrheit. Minderheiten, wie queere Personen oder „persons of color“ werden bereits jetzt durch Book bans ins Visier genommen und werden vermutlich noch stärker ins Abseits gedrängt. Hier ist ist es nur noch eine Frage der Zeit, bevor auch ihre Worte und ihr Sein in Bibliotheken eingeschränkt werden.
Es ist zu hoffen, dass der Senat es schafft, dieses Gesetz noch abzuwenden. Wehret den Anfängen heißt es und leider sind wir hier weiter fortgeschrittener, als das man hier noch wegschauen darf.
Solche Forderungen und Androhungen sorgen oft auch für vorauseilenden Gehorsam und Selbstzensur, das heißt, Bibliotheken werden einmal öfter darüber nachdenken, ein Buch anzuschaffen, wenn sie es eh nicht zugänglich machen dürfen oder sie Gefahr laufen, dass der Erwerb am Ende Strafe kosten könnte. So werden diese Bücher gar nicht erst gekauft, die Autoren nicht unterstützt und sichtbar. Oder es werden Listen angelegt, um „gefährliche“ Bücher später schneller aus dem Bestand herausziehen zu können, wenn dann doch so ein Gesetz kommt. Damit wird die perfekte Grundlage für die „Entsorgung“ dieser Bücher geschaffen. Die Folgen solcher Listen haben wir mit großem Entsetzen das erste Mal am 10. Mai 1933 in Berlin erlebt, dem eine ganze Reihe weiterer Bücherverbrennungsaktionen folgten.
Quellen:
- Texas House OKs bill to limit minors‘ access to sexually explicit books in public libraries, Austin American-Statesman
- After a sometimes graphic debate, Texas House advances bill limiting kids’ access to sexually explicit books in libraries, Texas Tribune
- Bücherverbrennung 1933 in Deutschland, Wikipedia