Diversitätsorientierte Bibliotheksarbeit: Tokenismus als Gefahr bei der Personalentwicklung im Bibliothekssektor (Teil 3)

Es reicht nicht, Menschen of Color einzustellen. Denn die werden oft als sogenannter „Token“ benutzt.” Melz Malayil

Im vorherigen Blogbeitrag (Teil 2) stellte die Leiterin der Stadtbibliothek Bremen bzw. ihre Mitarbeiterin insgesamt zwei Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin mit Zuwanderungshintergrund vor. Das ist eine relativ gute Quote im Vergleich mit anderen öffentlichen Bibliotheken, die häufig viel weniger Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund in ihren Reihen haben bzw. manchmal auch nur eine Person. Der Bibliothek gelang in verhältnismäßig kurzer Zeit, wobei andere Einrichtungen mehrere Jahre benötigen. In dem folgenden Video berichtet Tina Echterdiek von der Stadtbibliothek Bremen über das IQ Netzwerk Bremen, dessen Ziel es ist die Vielfalt in der Arbeitswelt im Bundesland Bremen zu erhöhen. Die Zielgruppen des Netzwerkes sind eingewanderte Fachkräfte, Unternehmen und der öffentliche Dienst.

Interkulturelle Öffnung und Diversity IQ Bremen: https://www.youtube.com/watch?v=Ju_rRUYHVZc

Doch worin können die Fallstricke liegen, wenn bestimmte “Vorzeigemigrant*innen” in “weißen” Räumen beispielsweise in Öffentlichen Bibliotheken eher “allein” “unter Weißen” sind? In dem obengenannten Zitat nennt die rassismuskritische Trainerin Melz Malayil den Begriff “Token“. Sie definiert diesen Begriff als “ein rassistisches Verhalten, bei dem Menschen aufgrund eines (zugeschriebenen) Merkmals eingestellt und als Aushängeschild benutzt werden, um das Image der Firma aufzupolieren.” Malayil glaubt, dass die Person eine bestimmt Gruppe bzw. eine Kategorie, welche ihr zugeschrieben wird, repräsentieren soll. Ein Ziel sei es deutlich zu machen kein “Rassismusproblem” zu haben. Sie warf in dem Interview Fragen auf, die auch für Bibliotheksverbände, Hochschulen (an denen angehende Bibliothekar*innen studieren) und Bibliotheken interessant sein könnten, um beispielsweise kritischer zu reflektieren, weshalb kaum Diversität hergestellt wird bzw. wie mit Rassismus in Organisationen umgegangen werden sollte:

Wen möchten wir mit Stellenausschreibungen erreichen? Wer verfasst sie? Macht man eine aktive Anwerbung von BIPoC? Oft haben die Ängste und fragen sich, ob sie in einer weißen Organisation arbeiten wollen. Außerdem muss man sich die Kommunikation im Team anschauen. Wie reagieren wir, wenn wir Rassismus reproduzieren? Wie sprechen wir Rassismus an? Welche Begriffe und Verhaltensweisen sind No Gos? Wie gehen wir mit Konflikten um? Denn Rassismus ist nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall. Wir alle sind in diesem System sozialisiert. Dafür können wir gar nichts, aber wir reproduzieren es deswegen auch unbewusst.”

Gayatri Chakravorty Spivak reflektierte als Autorin of Color diesen Begriff und kam zur Erkenntnis, dass “dominante Gruppen einige wenige Marginalisierte im Zentrum zulassen, diese jedoch nur akzeptieren, wenn sie die Ideologie der dominanten Gruppe bestätigen – also dieselbe Meinung vertreten wie diese.” Diese Gefahr besteht natürlich auch bei Bibliotheken als (potentielle) Arbeitgeber. Laut Sabrina Wijaya kommt es bei einer diversitätsorientierten Politik innerhalb einer Organisation, welche die Inklusion außer Acht lässt, zu Tokenismus. Sie benannte vier Risiken am Arbeitsplatz, welchen Menschen, die einer “Minderheit” im Sinne einer diversitätsorientierten Organisation angehören, ausgesetzt sein könnten. An dieser Stelle kürze ich das ab und paraphrasiere ich das auf möglichst verständliche Weise:

1.) Gibt es beispielsweise eine Frauen- oder Migrantenquote in einer Organisation, dann sind die jeweiligen Repräsentanten nur das Aushängeschild oder die Galionsfigur, wenn sie bei größeren Entscheidungen nicht berücksichtigt werden bzw. kaum eine Möglichkeit haben, wertvolle Beiträge für ihren Arbeitgeber zu leisten.

2.) Welche Kultur wird in der Organisation gelebt? Wird die Person, welche zu einer unterräpresentierten Gruppe gehört, wenn diese Unzufriedenheit mitteilt, ausgeschlossen?

3.) Wird eine Person als Token instrumentalisiert/behandelt, kann dies die psychische Gesundheit beeinflussen. Der Druck kann belastend sein, so dass sich Personen isoliert fühlen könnten. Als Folge könnten auch sogenannte Mikroagressionen auftreten.

4.) Der vierte Punkt trifft eher für Unternehmen zu. Es geht es um das Wachstum und die Business Performance, welche nicht gesteigert werden kann, da die betreffenden Mitarbeiter*innen keine echte Chance erhalten einbezogen zu werden. Mangelnde Motivation ist dann eine Folge daraus. Bibliotheken in Deutschland, die ein Diversitätsmanagement betreiben, arbeiten ja meiner Meinung nach nicht mit einer Diversity-Scorecard oder führen sogenannte Diversity-Audits durch. Sollte ich mich irren, kann man mich gerne darauf hinweisen, wenn es Bibliotheken gibt, die damit arbeiten. Mit diesen Instrumenten ließe sich die Performanz bzw. das Wachstum eher ermitteln.

Mohamed Amjahid schrieb vor kurzem den Artikel mit dem Titel “Diversity allein reicht nicht”. Sein Resumee fällt folgendermaßen aus:

“Homogen zusammengesetzte Entscheidungsräume treffen schlechte Entscheidungen, zumindest nicht solche, die allen Menschen zugutekommen. Deswegen ist Repräsentation wichtig. […] Was bringt es, Vielfalt zu feiern, während die grundsätzlichen Systeme der Unterdrückung weiter bestehen und durch genau

diese Vielfaltfassade kaschiert werden?” Mohamed Amjahid

Melz Malayil stellte zutreffend fest, dass Diversity ein “dauerhaftes Querschnittsthema” ist und nichts mit “Willkür, Höflichkeit oder individuellen Prioritäten” zu tun hat. Deshalb reicht es meiner Meinung nach für den Bibliotheksbereich nicht aus, wenn sich mit dieser Thematik hauptsächlich nur öffentliche Vorzeigebibliotheken befassen, die von der Kulturstiftung des Bundes als übergeordnete Institution des “360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft” gesponsert werden. Auf der Tagung in Bremen im vergangenen Jahr und an Bibliothekartagen nahmen ja auch andere interessierte Einrichtungen teil. Es bräuchte eine Vernetzung innerhalb der Verbände von Bibliothekar*innen, welche bestimmte Diskriminierungskategorien aufweisen bzw. marginalsierten Gruppen angehören. Im schottischen Bibliotheksverband gibt es ein sogenanntes CILIP BAME-Network (Black, Asian, and minority ethnic), das ein Forum der Vernetzung und des Austauschs darstellt:

The BAME Network has been established to provide a forum for librarians and information professionals from Black Asian and Minority Ethnic backgrounds to share their experiences, support each other and network. Working with CILIP and other partners, the Network will support the advancement of BAME professionals in the workforce and the development of diverse library, knowledge and information services. The launch of the CILIP BAME Network is an important step in addressing the under-representation of People of Colour within the library and information workforce as identified in the CILIP/ARA Workforce Mapping data (2015).”

Malayil schlägt genau das vor: “Tauscht euch offen aus, sucht oder schafft aktiv die Räume dafür. Stärkt euch gegenseitig und stärkt euch selbst!” Wie lässt sich das für den  Bibliotheksbereich im D-A-CH-Raum zukünftig und bestmöglich verwirklichen?

Ein Musikbandaufritt in der LA Public Library, der viral ging

Anlässlich des „Asian Pacific Islander Heritage Month“ trat die Jugendband The Linda Lindas in der LA Los Angeles Public Library auf. Deren Auftritt ging nicht nur viral, sondern sorgte nun letztendlich dafür, dass die Gruppe einen Plattenvertrag bekam. Es war insbesondere der Song „Racist, Sexist Boy“ (Minute 33:47), der für Anklang und Aufmerksamkeit sorgte. Eine Übersicht der Songs findet sich auf der Setlist auf dem YouTube-Kanal der LA Public Library.

Die Bandmitglieder sind noch sehr jung, Mila ist 10 Jahre alt, ihre Schwester Lucia 14, Eloise 13 und deren Freund Bela ist 16 Jahre alt. Der Musikstil wird als Garage Punk beschrieben. Viele der genannten Bandmitglieder, sind noch gar nicht in der High School. Offensichtlich traf aber insbesondere die Thematisierung des anti-asiatischen Rassismus einen gesellschaftlichen Nerv und die Aufmerksamkeit in den gesamten Vereinigten Staaten. Doch wie ist dieser definiert?

Die Definition der Autorin Thi Minh Huyen Nguyen lautet so:

Anti-Asiatischer Rassismus ist die systematische Diskriminierung von asiatisch-diasporischen, asiatisch-deutschen, asiatisch gelesenen Menschen. Von den westlich geprägten Industrieländern gab es bisher vor allem zwei stark geprägte Narrative: eines, bei der Menschen mit Asienbezug vorsätzlich als sogenannte „Gelbe Gefahr“ bezeichnet wurden (Yellow Peril) und eines, welches Menschen mit Asienbezug dem Bild des sogenannten Model Minority Myth entsprachen. Für die weiße Mehrheitsgesellschaft sind asiatisch-diasporische Menschen – je nach Bedarf – also entweder diejenigen, die die Pest mitbringen und als “gelbe Gefahr” zu verstehen sind oder Musterschüler*innen und Vorzeigemigrant*innen.”

Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland bzw. Europa gab es seit der Corona-Pandemie einen rasanten Anstieg von Rassismus gegen Asiat*innen. Auch wenn es keine „bekannten“ tödlichen Anschläge wie in den USA hierzulande gab, ist das Thema hier in der asiatischen und B(I)POC Community von Instagram und anderswo durchaus ein Thema. Das I setzte ich hier in Klammer, da es in Deutschland keine „Ureinwohner*innen“ im eigentlichen Sinne gibt wie in den USA. In der Geschichte Deutschlands nach 1945 ist der anti-asiatische Rassismus kaum ein Thema. Dabei gab es zum Beispiel 1980 den Anschlag auf Vietnamesen in Hamburg. Dieser war fast völlig in Vergessenheit geraten. Die Autorinnen und Podcasterinnen Minh Thu Tran und Vanessa Vu wurden vor wenigen Tagen mit dem “Civis Top Award” und 15.000 € ausgezeichnet. Die Podcastfolge lautete “Rice and Shine/Hamburg 1980: Als der rechte Terror wieder aufflammte“. Damals gab es einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Hamburg, bei dem im August 1980 zwei junge Männer aus Vietnam starben. Außerdem gewann dieser Beitrag den Podcast Publikumspreis. Einem aktuellen Forschungsprojekt der Berliner Humboldt-Universität, der Freien Universität Berlin und des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung zufolge, erfuhr jede zweite asiatisch gelesene Person Rassismus. Das Forschungsthema anti-asiatischer Rassismus ist recht neu hierzulande. Vergangene Untersuchungen gibt es kaum. Würde man in einer öffentlichen oder wissenschaftlichen Bibliothek im deutschsprachigen Raum danach suchen, wäre die Anzahl an Treffern bezüglich dieser Literatur/Thematik nicht all zu groß. Über einen asiatisch gelesenen Freund/Studienkollegen und dessen Partnerin, die mir damals von mehreren ihrerer Erfahrungen in Berlin berichteten, wurde ich erstmals auf diese Thematik aufmerksam. Seit der Corona-Pandemie stieg die Anzahl an Anfragen gegenüber der Antidiskriminierungsstelle des Bundes rasant an, diese verdoppelten sich im Vergleich zum Vorjahr 2019 (3.600 auf 6.000). Dabei war es jede vierte Anfrage, welche Diskriminierungen in Verbindung mit dem Coronavirus als Beschwerdegrund zum Anlass nahm. Diese richteten sich insbesondere gegen asiatisch gelesene Menschen. Die alleinige strafrechtliche Verfolgung von Hate-Speech und Gewalt löst das Rassismusproblem nicht. Es gibt meines Erachtens immer noch zu wenig Begegnung, Dialog und Kontakt mit unterschiedlichen Menschen unterschiedlicher Herkunft, sei es privat oder beruflich. Insgesamt, so scheint es, stieg seit der Corona-Pandemie nicht nur der Antisemitismus, der Klassismus, sondern neben dem gegen Menschen, die als B(I)PoC gelesen werden, vor allem gegen asiatisch gelesene Menschen. Die Frage, welche sich bezogen auf die Bibliotheksarbeit zu dieser Thematik stellt: Erreicht die bibliothekarische Einrichtung mit Veranstaltungen zum Beispiel im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus die Menschen ausreichend, welche dieses “Rassismusproblem” haben? Gibt es andere Zugänge/Wege? Wenn ja, welche? Was ist wirklich sinnvoll/wirksam und welche unkonventionellen Ansätze wären denkbar?

CfP für LIBREAS-Ausgabe #39, 2. Schwerpunkt Dekolonisierung

Der Call for Papers zum 2. Schwerpunkt Dekolonisierung der Libreas Ausgabe #39 wird an dieser Stelle hier nochmal in verkürzter Version veröffentlicht. Von seiner Thematik passt dieser sehr gut in den Black History Month, da die Kolonialgeschichte Deutschlands sehr stark mit der von Schwarzen Menschen bzw. People of Color verknüpft ist. “Antirassistisch und/oder dekolonial? Bibliotheken im Spannungsfeld antirassistischer und kritischer Auseinandersetzung mit dem eigenen kolonialen Erbe”, so lautete die Überschrift des Call for Papers vom 27.01.2021.

“Bibliotheken müssen sich wie alle Gedächtniseinrichtungen und eigentlich alle Institutionen der Frage stellen, wie in ihnen exkludierende, rassistische, aus der Zeit und der Logik des Kolonialismus stammende Muster nachwirken und was dies für ihre Gegenwart bedeutet. Das Ziel der Inklusivität, die diskriminierungsfreie Ausrichtung findet abstrakt weithin Zustimmung. Wenn es gut läuft, werden hier und da Sonderprogramme aufgelegt, die aber teils bereits durch ihren “Sonder”-Status Ein- und Ausgrenzungen in Gestalt einer nun wohlwollenden Diskriminierung reproduzieren. Solange die Entscheidungs- und Steuerungshoheit bei tradierten Akteur:innen und ohne Hinterfragen der scheinbar selbstverständlichen Rahmenbedingungen verbleibt, führt dies nicht zu einer Anerkennung auf Augenhöhe. Man baut Brücken. Aber ist man dabei auch bereit, das Gegenüber als das zu akzeptieren, als das es sich zeigt?” […] Wir werden die Gedächtniseinrichtungen nicht retrospektiv dekolonisieren können. Was wir aber als Aufgabe einer engagierten Bibliothekswissenschaft sehen, ist, die Bibliotheken als unsere Bezugsinstitutionen auf die Herausforderungen der Gegenwart hin zu reflektieren und Gestaltungsmöglichkeiten für eine Zukunft zu entwickeln, die sensibel, differenziert und entschieden eine integrative, grundierende, ausgleichende Rolle übernimmt.”

Folgende Fragen können in einem Beitrag für den 2. Schwerpunkt der Libreas-Ausgabe  als Anregung dienen:

1.) Wir suchen die Spuren von Kolonialismus und Rassismen, die sich bis heute in den Strukturen und der Arbeit von Bibliotheken erhalten und die sich möglicherweise in digitalen Wissens- und Kommunikationsstrukturen reproduzieren.

 

2.) Wir möchten erfahren, wer sich aus welchen Blickwinkeln mit Fragen der Dekolonisierung, der Diversifizierung, der Alterisierung in und von Bibliotheken befasst. Wir suchen Best-Practice-Beispiele für Inklusions- und Öffnungsprozesse.

 

3.) Wir wollen Handlungsoptionen (und Utopien) zur Frage diskutieren, wie die Ordnungsmechanismen von Machtdiskursen durchbrochen werden können und wie epistemische Gewalt in öffentlichen Einrichtungen thematisiert werden kann.

 

4.) Und schließlich möchten wir gern auch die genuine Perspektive der Bibliotheks- und Informationswissenschaft betrachten und fragen, wie informationsethische Modelle, Methoden und Theorien am Schnittpunkt zu postkolonialen Forschungsfragen anwendbar sind.

Inhaltlich gibt es kaum eine Beschränkung und die Form des Beitrags ist ebens nicht reglementiert (https://libreas.eu/authorguides/). Die Einreichungsfrist ist der 30. Juni 2021.  (Kontakt: redaktion@libreas.eu / https://twitter.com/libreas). Der Call for Papers kam im Rahmen eines Libreas-Projektsseminars im WS 20/21 zustande, an dem Barseghyan, Lina Feller, Katharina Foerster-Kuntze, Fatima Jonitz, Amber Kok und Valentina de Toledo mitarbeiteten.

Warum Bibliotheken & Bibliothekar*innen in Deutschland dem Black History Month mehr Aufmerksamkeit schenken sollten

Mit dem “Black History Month” feiern Schwarze Menschen im Februar weltweit ihre Geschichte und Kultur. Entstanden ist die Initiative in den USA und Kanada. Aber auch in Deutschland werden mit verschiedenen Veranstaltungen afrodeutsche Geschichte und Persönlichkeiten gefeiert, und es wird auf Rassismus aufmerksam gemacht.

 RBB Kultur

Ja, der Monat Februar ist der Black History Month (BHM). Das Ziel hierzulande ist diesen Monat
als ein Symbol zu sehen für die Auseinandersetzung und Sichtbarmachung mit der Schwarzen Geschichte in Deutschland. Das Aufmerksammachen auf Rassismus erachte ich auch als einen sehr wichtigen Aspekt, dem mehr Bibliotheken Rechnung tragen könnten. Vor beinahe 9 Jahren, im November 2012 schrieb ich den Blogbeitrag mit dem Titel “Aufruf zur Online-Abstimmung zur Förderung der Each One Teach One Bibliothek in Berlin bis 2.12.”. Diese Bibliothek und ihr Verein etablierten sich inzwischen und sind ein wichtiges Schwarzes Community-basiertes Bildungs- und Empowerment-Projekt. Weitere Handlungsfelder und Aufgaben sind Expertisenvermittlung, Literatur- und Kulturvermittlung, schulische und außerschulische Bildung, Jugendarbeit, Antidiskriminierungsberatung und -monitoring, Interessensvertretung, Vernetzung und die internationale Zusammenarbeit Schwarzer Menschen

Vieles, was dieser Blogbeitrag damals beinhaltete, büßte bis heute nichts bzw. nur wenig an seiner Aktualität ein. Die meisten Bibliotheken in Deutschland, die einen öffentlichen Auftrag haben, die Vielfalt deutscher Geschichte nicht nur aus “weißer” Sicht zu repräsentieren, ignorieren diesen Tag nach wie vor bzw. thematisieren ihn so gut wie gar nicht. Vermutlich verleitet die englischsprachige Bezeichnung “Black History Month” zu dem Gedanken, dass dieses Gedenken nur etwas mit der afroamerikanischen Geschichte der USA etwas zu tun hat und nichts mit afrodeutscher Geschichte? Die Choreografin Joana Tischkau glaubte am 06.02.21 in Deutschlandfunk Kultur, dass sich dieser Monat nicht 1:1 auf Deutschland übertragen lässt. Ich gebe ihr Recht, aber ich denke ähnlich wie sie, dass…:

„Ich glaube aber, was man übertragen kann, ist der Wunsch und den Willen zu sagen: Man rückt marginalisierte Geschichte in den Fokus – man bewegt sich abseits des gängigen Kanons, der gängigen Erzählung und schaut, was dahinter liegt.“

Bis auf die Stadtbibliothek Heilbronn, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die Stadtteilbibliothek Berlin-Pankow fiel mir keine weitere öffentliche Bibliothek auf, die diesen Monat zum Anlass nahm, darauf in Form von Leselisten oder Büchertipps zumindest ein wenig darauf einzugehen. Die Stadtbibliothek Heilbronn thematisierte diesen BHM auf ihrer Facebookseite. Hier wird auf die Webseite https://afrokidsgermany.com/ verwiesen, wo Schwarze Kinder, Indigene Kinder und Kinder of Colour in der Kinderliteratur “zelebriert” werden. Ja sogar das Kulturkaufhaus Dussmann koopiert mit Each One Teach One e.V., ja es gibt sogar einen Podcast von Dussmann zur Thematik, in dem nicht nur die Geschäftsführerin zu Wort kommt, sondern es werden verschiedene Bücher vorgestellt bzw. es finden Gespräche statt. Dussmanns Literaturtipps nehme ich zum Anlass die Liste zu “#Rassismuslesen – Bücher gegen Rassismus: Ein Aufruf zum Mitmachen auf Twitter” weiter zu ergänzen und interessante Hinweise hinzuzufügen.

Das folgende Zitat wurde auch 2012 hier im Blog verwendet und aus aktuellem Anlass wird es hier erneut wieder angeführt:

“Verlauf und Ergebnisse dieser Auseinandersetzung führten dazu, dass sich der Begriff “Schwarze Deutsche” bis in die Gegenwart hinein für einen großen Teil der Öffentlichkeit als Oxymoron darstellt. Obwohl seit dem 15. Jahrhundert eine schwarze Minderheit in Deutschland lebt, groß genug zu einem “Studienobjekt” der ersten deutschen Rasseforscher zu werden, ist sie nie zu einen akzeptierten oder auch nur wahrgenommenen Teil der Bevölkerung geworden.” Fatima El-Tayeb in ihrem Buch “Schwarze Deutsche: Der Diskurs um Rasse und Nationale Identität (1890-1933)” aus dem Jahr 2001

Zum BHM gab der Bibliotheksleiter von “Each One Teach One”, der Schriftsteller Michael Götting, kürzlich dem RBB ein Interview. Der Buchbestand umfasst mittlerweile 8.000 Bücher. EOTO benannte diesen Monat übrigens in « in »Black OurStory Month« um: ” …um Hetero- und Cis-Normativität sprachlich wie konzeptuell auszuhebeln und den Februar zu einem besonderen Monat für wirklich ALLE Schwarzen afrikanischen und afrodiasporischen Communities zu machen.”

In dem Blogeintrag von 2012 stellte ich folgende Frage und gab anschließend folgende Anregungen:

“Was könn(t)en ganz “normale” Stadt(teil)bibliotheken beispielsweise von Each One Teach One e.V. und dessen Bibliothek lernen?”

“1.) => wie rassistische Schlagwörter und Sprachhandlungen insbesondere gegenüber (Schwarzen Deutschen) in Bibliothekskatalogen und in Bibliotheken als Teil des öffentlichen Raums zukünftig vermieden werden können

2.) => wie Veranstaltungen künftig dieses Thema mit einbeziehen (z.B. durch einen Black History Month) und welche Schwarze AutorInnen eingeladen werden könnten

3.) => wie die Vielfalt einer deutschen Gesellschaft auch im Bestand einer öffentlichen Bibliothek stärker zum Ausdruck kommen könnte, um Schwarze Menschen in alltäglichen Berufen, als WissenschaftlerInnen, ErfinderInnen, politische Persönlichkeiten oder KünstlerInnen zu zeigen

4.) => welche Art von Literatur rassistische Ausdrücke verwendet und Theorien gegenüber Schwarzen Menschen propagiert und somit ausgesondert werden müsste”/sollte/könnte

Der Toolbox-Blog der Freien Universität Berlin (Gender- und Diversity-Kompetenz in der Lehre) verweist auf seiner Seite auf 8 Podcasts über Schwarze Geschichte und Kultur. Am 18.02.2021 gibt es anläßlich des BHM eine Veranstaltung des Staatstheaters Nürnberg, die sich mit dem Thema afrodeutsche Geschichte und Gegenwart auseinandersetzt und über Webex übertragen wird. Der erste Teil der Veranstaltung (Podiumsdiskussion) wird auf YouTube gestreamt. Hierzu gibt es noch kostenfreie Tickets:

“Wir reden über das Theater und seine Rolle in der diversen Stadt, über Stücke und Themen des aktuellen Programms und drängende Themen unserer kulturell vielfältigen Gesellschaft!  Anlässlich des Black History Month sprechen in dieser Online-Ausgabe Vertreterinnen der Black Community Foundation Nürnberg, Tahir Della vom Bundesvorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, sowie die Historikerin, Dichterin und Aktivistin Katharina Oguntoye miteinander über die ebenso vielfältige wie ermutigende Gegenwart und lange Historie Schwarzer Menschen in einem nach wie vor von rassistischen Strukturen und Diskursen geprägten Deutschland. “

Gab es bereits derlei Veranstaltugen, welche Bibliotheken als Kultureinrichtungen mit der Schwarzen Geschichte Deutschlands in Bezug setzten?

Michael Dudley, eine Berlinerin mit afroamerikanischen Wurzeln, ging im Artikel “Schwarze Geschichte ist Menschheitsgeschichte” des Tagesspiegel vom 7. Februar der Frage nach, ob der BHM noch zeitgemäß ist. Sie plädierte unter anderem dafür die Disziplin Black Studies als eigenständigen Studiengang zu etablieren und dafür Black History/Schwarze Geschichte tagtäglich zu lehren, zu lernen und zu leben. Es wäre nach wie vor wünschenswert, wenn sich unterschiedliche Bibliotheken, Hochschulen und Ausbildungsbildungseinrichtungen für (angehende) Bibliothekar*innen/Archivar*innen mehr und intensiver mit dieser Thematik auseinandersetzen würden als das bisher der Fall ist. Das LIBREAS-Projektseminar am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin ist ein Anfang.

#Rassismuslesen – Bücher gegen Rassismus: Ein Aufruf zum Mitmachen auf Twitter

“Bibliotheken sind Orte der Dokumentation und Wissensaufbereitung, ihr Anspruch ist möglichst umfassendes Sammeln und freier Zugang für Alle. Mit der #BlackLivesMatter Bewegung erreicht die Debatte über Rassismus und Kolonialismus in unserer Gedenk- und Erinnerungskultur (Denkmäler, Straßenbezeichnungen etc.) zuletzt eine breite Öffentlichkeit. Auch wir Bibliothekar*innen sind als Akteur*innen von Kultur- und Bildungseinrichtungen gefordert, uns einer Auseinandersetzung mit strukturellen Rassismen in unseren Bibliotheken zu stellen. Ausgehend vom angloamerikanischen Raum, wo die professionelle Beschäftigung mit Rassismen in Bibliotheken bereits fortgeschritten ist, gibt es auch im deutschsprachigen Raum einzelne Initiativen und Forschungen dazu.” C3 – Centrum für Internationale Entwicklung Wien

Zu dem von Ferda Ataman ins Leben gerufenen Aufruf passt irgendwie auch ein Teil des Einleitungstextes der Online-Veranstaltung (Austauschtreffen) vom 27.01.2021 mit dem Titel “Decolonize the Library“. Zuletzt trendete am Do/Fr auf Twitter leider der Hashtag “Rassismus gegen Weiße”. Aus diesem Grunde erfand die Journalistin Ferda Ataman (https://twitter.com/FerdaAtaman) den Hashtag #Rassismuslesen. Bereits im Blogbeitrag “Bücher und Leselisten gegen Rassismus?” lautete der letzte Satz, dass solche Listen/Auflistungen/Buchtipps durchaus einen Versuch wert wären, nicht nur für ein mögliches Engagement von Bibliotheken gegen Rassismus. Dies ist nun der passende Anlass damit zu beginnen. Wer aber Zweifel hat, dass es vielleicht doch “Rassismus gegen Weiße” geben könnte, empfehle ich das neue Buch von Emilia Roig “Why we matter” bzw. die Diskussion darüber im Maxim Gorki Theater vom 13.02.21, welche ab Minute 19 diese Frage beantwortet. Ferner empfehle ich die Artikel von , Ciani-Sophia Hoeder, Christoph Giesa und Hannes Soltau. Im Folgenden werde ich ihre Leseempfehlungen, die von anderen, meine eigenen und die vom Bibchat (vom 5. Oktober 2020) in diesem Blogbeitrag in den nächsten Tagen ohne Garantie auf eine endgültige Vollständigkeit hinzufügen. Beim Online Austauschtreffen zum Thema “Decolonize the Library” wurde eine Literaturliste versendet, in der natürlich auch Bücher zum Thema Rassismus dabei waren. Das ein oder andere wird hierzu noch mit angefügt. Vorschläge von Seiten der Leser*innen dieses Blogbeitrags sind ebenso herzlich willkommen.

Atamans Aufruf sollte mehr Unterstützung erfahren und dies ist ein Beitrag dazu.

Zudem ist dies ein Aufruf an alle Bibliotheken, Bibliothekar*innen, Archivar*innen, Informationswissenschaftler*innen und alle sonstigen Antirassist*innen Beiträge zum Hashtag #Rassismuslesen auf Twitter zu posten!

1.) Ogette, Tupoka : exit RACISM – rassismuskritisch denken lernen

2.) Nduka-Agwu, Adibeli/Hornscheidt, Antje L. (Hg.) : Rassismus auf gut Deutsch – ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen

3.) Kendi, Ibram X. : How To Be an Antiracist

4.) Hund, Wulf D. : Wie die Deutschen weiß wurden – Kleine (Heimat)Geschichte des Rassismus

5.) Hasters, Alice : Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten

6.) Asiatische Deutsche : vietnamesische Diaspora and Beyond / Hrsg. Kien Nghi Ha. Berlin; Hamburg : Assoziation A, 2012. – S. 344 : Abb. ISBN 978-3-86241-409-3

7.) El-Tayeb, Fatima: Undeutsch. Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft. 22. September 2016, 256 Seiten. ISBN: 978-3-8376-3074-9

8.) Balibar, Étienne/Wallerstein, Immanuel: Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Argument Verlag, ISBN: 978-3-88619-386-9, Titel der französischen Originalausgabe: Race, Nation, Classe. Les identités ambiguës. Editions La Découverte, 1988

9.) Sow, Noah (2018): Deutschland Schwarz Weiß. BoD-Books, 344 Seiten, ISBN 978-3-7460-0681-9

(umfassend aktualisierte Neufassung)

10.) Terkessidis, Mark (2019): „Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute“. Hoffmann und Campe. Weitere Buchveröffentlichungen: http://terkessidis.de/person

11.) Steinke, Ronen (2020): Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und wie der Staat versagt. Eine Anklage. Piper

12.) Çevikkollu, Fatih: Der Moslem-TÜV. Deutschland, einig Fatihland. Der Reiseführer für Eingeborene. Rowohlt.

13.) Ha, Kien Nghi/Lauré al-Samarai, Nicola/Mysorekar, Sheila (2016): re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland. Unrast. ISBN 978-3-89771-458-8

14.) Aydemir, Fatma/Yaghoobifarah, Hengameh (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Ullstein. ISBN: 9783961010363

15.) Amjahid, Mohamed (2017): Unter Weißen. Was es heißt, privilegiert zu sein. Hanser. Berlin. ISBN 978-3-446-25472-5

16.) Şenocak, Zafer (2011): Deutschsein. Eine Aufklärungsschrift. Edition Körber (Hamburg) 2011. ISBN 978-3-89684-083-7 . Leseprobe

17.) Ben Jelloun, Tahar: Papa, was ist ein Fremder? Gespräch mit meiner Tochter. Rowohlt. Hamburg. ISBN 3-499-22750-9

18.) Roig, Emilia (2021): Why we matter. Das Ende der Unterdrückung. Aufbau. ISBN: 978-3-351-03847-2 . Verfügbar ab 15.02.2021. Leseprobe

19.) Fanon, Frantz (1981): Die Verdammten dieser Erde. Suhrkamp. ISBN: 978-3-518-37168-8

20.) Fanon, Frantz (2019): Schwarze Haut, weiße Masken. Turia+Kant. ISBN 978-3-85132-782-3

21.) hooks, bell (2020): Die Bedeutung von Klasse: Warum die Verhältnisse nicht auf Rassismu und Sexismus zu reduzieren sind. Unrast. ISBN: 978-3-89771-274-4

22.) Arndt, Susan (2017): Rassismus. Die 101 wichtigsten Fragen. 3. Aufl. München: Beck.

23.) Wiedemann, Charlotte (2020): Der lange Abschied von der weißen Dominanz. Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe ; Band 10546) oder dtv. Leseprobe

24.) Pitts, Johny (2020): Afropäisch – Eine Reise durch das schwarze Europa. Suhrkamp. Berlin. ISBN: 978-3-518-42941-9 . Leseprobe

25.) Mbembe, Achille (2016): Kritik der schwarzen Vernunft. Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe ; Band 1703) oder Suhrkamp

26.) Coates, Ta-Nehisi (2016): Zwischen mir und der Welt. Hanser. München. (auch verlegt bei der Bundeszentrale für politische Bildung, aber vergriffen) Leseprobe

27.) DiAngelo, Robin (2020): Wir müssen über Rassismus sprechen : Was es bedeutet, in unserer Gesellschaft weiß zu sein (New York Times-Bestseller – “White Fragility”). Hoffmann & Campe. 9783455008135

28.) Thomas, Angie (2020): Concrete Rose. Random House (erschienen am 25.01.2021). ISBN: 978-3-570-16605-5 (Jugendbuch)

29.) Wenzel, Olivia (2020): 1000 Serpentinen Angst.  Roman. S. Fischer. ISBN: 978-3-10-397406-5

30.) Cha, Steph (2020): Brandsätze. Ars Vivendi. Cadolzburg. ISBN 978-3-7472-0115-2

31.) Olujo, Ijeoima (2020):Schwarz sein in einer rassistischen Welt : Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche. Unrast. Münster. ISBN:  978-3-89771-275-1. Leseprobe

32.) Kelly, Natasha: https://natashaakelly.com/books/

33.) Chebu, Anne (2014): Anleitung zum Schwarz sein. Unrast. Münster. ISBN 978-3-89771-527-1

34.) Ayim, May (1995): Blues in Schwarz Weiß. Orlanda. Berlin.

35.) Arndt, Susan/Eggers, Maureen Maisha/Kilomba, Grada/Piesche, Peggy (Hg.) (2017): Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Unrast. Münster: ISBN: 978-3-89771-440-3

36.) Brokowski-Shekete, Florence (2020): Mist, die versteht mich ja! : aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen. Orlanda. Berlin. ISBN: 9783944666761: https://orlanda.de/post/florence-brokowski-shekete-auf-der-spiegel-bestsellerliste

37.) Thomae, Jackie (2020): Brüder. Hanser. Berlin. ISBN: 978-3-446-26415-1

38.) Amjahid, Mohamed (2021): Der weiße Fleck. Eine Anleitung zum antirassistischen Denken. Piper. Köln. ISBN: 978-3-492-06216-9 (Erscheint am 01.03.2021)

39.) Jewell, Tiffany/Durand, Aurélia (2020): Das Buch vom Antirassismus. Zuckersüß Verlag. Berlin. ISBN: 978398213793. (Für junge Erwachsene von 10-17 Jahren)

40.) Eddo-Lodge, Reni (2019): Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche. Klett-Cotta. Stuttgart. ISBN: 978-3-608-50419 . (Orig.: Why I‘m No Longer Talking To White People About Race). siehe auch: Reni Eddo-Lodge, Why I’m No Longer Talking to White People About Race, 22.2.2014, http://renieddolodge.co.uk/why-im-no-longer-talking-to-https://www.dtv.de/buch/theodor-michael-deutsch-sein-und-schwarz-dazu-34857/white-people-about-race«

41.) El-Tayeb, Fatima (2020): Schwarze Deutsche: Der Diskurs um Rasse und Nationale Identität. Campus. Frankfurt. ISBN: 9783593367255 (Books on Demand)

42.) Oluo, Ijeoma (2021): Das Land der weißen Männer. Eine Abrechnung mit Amerika. Hoffmann und Campe. Frankfurt. 978-3-455-01068-8

43.) Wonja, Theodor Michael (2014): Deutsch sein und schwarz sein dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen. dtv. München. ISBN: 978-3-423-34857-7 . Leseprobe

44.) Baldwin, James (2020): Nach der Flut das Feuer (The Fire Next Time). dtv. München. ISBN 978-3-423-14736-1. Leseprobe

Über die mangelnde Diversität in der Kinderbuchbranche

Im Blogbeitrag “Bücher gegen Rassismus für Kinder und Jugendliche” vom 22.07.2020 wurde kritisch bemerkt, dass die Stiftung Lesen in Ihre Liste mit Empfehlungen zum Thema “Liste für Bücher gegen Rassismus” keine Schwarzen Autor*innen aus dem deutschsprachigen Raum mit aufführte. Ein Artikel “Schwarze Kinder, weiße Perspektiven” von Frau Chantal-Fleur Sandjon dem migrationspolitischen Portal der Heinrich-Böll-Stiftung ging nun vor etwa einem Monat der Frage nach wie divers die Kinderbuchbranche ist. Meine Feststellung, dass es kaum eine Förderung von Autor*innen gibt, die zur Gruppe der People of Color zählen, bestätigt sich in dem Artikel. Selbst in einem Land wie Großbritannien, kam eine Studie 2019 zu dem Ergebnis, dass weniger als 2 % der veröffentlichten Kinderbuchautor*innen und -illustrator*innen selbst Brit*innen of Color waren. In Deutschland gibt hierzu keine Zahlen, aber der Prozentanteil wird sicherlich ähnlich niedrig sein. Der Artikel benennt neben brititischen Autor*innen unter anderem auch die deutsch-marokkanische Illustratorin Jasmina El Bouamraoui (EL BOUM), die für das das finnische Goethe-Institut in Helsinki Illustrationen für Kinderliteratur gestaltet. Eine weitere Autorin, die hierzulande bekannt sein müsste, ist Andrea Karimé. Laut der Autorin des Artikels ist Karimé mit einer Ablehnung und einem Unverständnis von Seiten der Verlage konfrontiert.

Karimé kommt bezüglich der mangelnden Diversität in der Kinderbuchbranche zu folgendem Fazit:

“Das Interesse an Kinderbüchern mit Kindern of Color in der Hauptrolle unterliegt starken Wellenbewegungen. Nach Merkels ‚Wir schaffen das!‘ gab es plötzlich viele Bücher über Flucht, die meisten aber von weißen Autor*innen, die sich zuvor wenig mit der Thematik beschäftigt hatten, was den Büchern oft anzumerken ist. Auch jetzt ist die Entwicklung sehr ähnlich – Kinderbücher sollen diverser werden, die Menschen, die sie schreiben, aber nicht unbedingt. Von Forderungen, wie sie #ownvoices (1) stellt, sind wir in der deutschen Kinderbuchbranche noch weit entfernt.“

Die Verlegerin von Habte Books,  Fitsame Teferra, bemängelt zudem, dass es kaum billinguale Kinderbücher für unterpräsentierte Sprachen wie etwa Hausa oder Kiswahili gibt. Sie machte selbst die Erfahrung auf Ablehnung gestoßen zu sein bei deutschen Verlagen und gründete 2015 deshalb ihren eigenen Verlag mehrsprachiger Kinderbücher mit und in afrikanischen Sprachen. Die Professorin Maisha Auma forderte deshalb die Anerkennung die Barrieren, …

die “mit Marginalisierung aufgrund von Othering einhergehen, also mit der Platzierung im Verhältnis zur hergestellten Norm und dem Verdrängen an den Rand von Narrativen, Strukturen, Gesellschaften. Hierzu braucht es konkrete Verpflichtungen und einen konkreten Plan, wie diese Barrieren sukzessiv behoben werden können.“

Der Landesfachtag Schulbibliotheken 2020 in Schleswig Holstein findet am 21. November statt und befasst sich mit dem Thema “Interkulturelle Bibliotheksarbeit
in Schulbibliotheken”. Auf dieser Tagung wird unter anderem das Buch “The Hate U Give” der US-amerikanischen Schriftstellerin Angie Thomas vorgestellt, das  2018 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Dieses Buch macht ebenso deutlich, dass hierzulande kaum Literatur produziert wird, welche sich mit der europäischen, insbesondere der Schwarzen Perspektive  im deutschen Raum auseinandersetzt. Es wäre wünschenswert, wenn Autor*innen gefördert würden und Preise erhielten, welche hierzulande Kinderbücher aus der Sicht von People of Color in Europa respektive Deutschland schreiben.

 

 

Bücher gegen Rassismus für Kinder und Jugendliche

Die Stiftung Lesen stellte vor wenigen Tagen eine Liste für Bücher gegen Rassismus ins Netz. Dabei handelt es sich in aller erster Linie um Bücher für Kinder und Jugendliche. Frau Prof. Wiesenmüller von der HdM Stuttgart wies am 17. Juli auf Twitter völlig zurecht darauf hin, dass die Kritik des Mitherausgebers der FAZ, Herrn Jörg Kaube, völlig wirr und und abgehoben ist:

“Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz – das kennen mitunter (leider) schon die Jüngsten. Bereits ab dem Kita-Alter und später auch in der Schule machen Kinder und Jugendliche Erfahrungen mit Rassismus, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Sprache ausgegrenzt und abgelehnt werden. Bücher können helfen, diese Probleme bewusst zu machen. Sie können uns miteinander ins Gespräch bringen, für das Thema sensibilisieren und bei der Suche nach Lösungsansätzen unterstützen. […] Die Möglichkeiten, die Bücher zur Auseinandersetzung mit Rassismus bieten, sind ebenso vielschichtig wie das Thema selbst. Mit unseren Empfehlungen möchten wir Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Lehrkräfte bei der Auswahl von Geschichten unterstützen. Christine Kranz

Der Liste würde ich noch folgende Bücher hinzufügen, die ebenso Rassismus thematisieren. Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind ebenso Teil von Rassismus. Diese drei Bücher kenne ich aus der Kindheit und Jugend eigener Familienmitglieder:

1.) Papa, was ist ein Fremder? (Gespräche mit meiner Tochter) von Tahar Ben Jelloun. Rowohlt Taschenbuch. ISBN: 978-3499211454. 112 Seiten

2.) Mama, was ist Auschwitz? von Annette Wieviorka. List Taschenbuch. ISBN: 978-3548600888. 92 Seiten

3.) Als Hitler das rosa Kaninchen stahl von Judith Kerr. Ravensburger Verlag GmbH. ISBN: 978-3473584291. 576 Seiten

Natürlich gibt es noch weitere Bücher, mir scheint aber, dass in Frankreich, Großbritannien und den USA mehr Literatur zu diesem Thema für diese Zielgruppe existiert. Die drei Beispiele von mir machen es deutlich, da die drei Autor*innen aus den eben genannten Ländern kommen. Warum ist das so? Falls meine Vermutung richtig ist, dann scheint das zumindest in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur noch wenig thematisiert worden zu sein, vor allem im Hinblick auf Rassismus gegen Schwarze, Geflüchtete und aus Asien stammende Menschen. Ein Blick in die Leseliste der Stiftung Lesen genügt und es wird deutlich, dass von den acht Lesetipps, die auch Bücher für Jugendliche ab 14 Jahren enthalten, die Hälfte aus Übersetzungen englischsprachiger Werke besteht. Auch die Autorin des ersten Werkes, Lisbeth Kaiser, ist eine US-Amerikanerin. Die Thematik Rassismus, wie sie etwa Hans-Jürgen Massaquoi oder Theodor Michael Wonja erlebten, taucht in der Leseliste nicht auf. Gibt es zu wenig Kinder- und Jugendbücher von und über Afrodeutsche oder Afroösterreicher*innen und Afroschweizer*innen? Zumindest vermitteln das die Empfehlungen der Stiftung Lesen. Die beiden genannten afrodeutschen Autoren schrieben ja eher Autobiographien für Erwachsene.

Hätte die Literaturliste der Stiftung Lesen anders, diverser und vielfältiger ausgesehen, wenn interkulturelle Bibliothekar*innen, Community-Bibliotheken wie zum Beispiel die von Each one – Teach One e.V. und Audream aus Berlin mit einbezogen worden wären? Ich bin schon dieser Meinung und dass auch Bibliotheken, aber auch die Stiftung Lesung sich Beratung und Recherche leisten sollten, wenn es um bestimmte Thematiken geht. Die Liste der Stiftung Lesen erzählt viel zu wenig Geschichten über Rassismus in Deutschland. Entweder ist das eine Leerstelle im Bezug auf Kinder- und Jugendliteratur oder man hat explizit eher Bestseller/Klassiker ausgesucht, die zur Hälfte aus dem Ausland stammen und sich dort gut verkauften. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn die Stiftung Lesen Ihre Liste mit Empfehlungen überarbeitet und zum Beispiel mehr Schwarze Autor*innen aus dem deutschsprachigen Raum fördert und solche, die andere Geschichten über Rassismus erzählen und über Rassismus aus eigener Erfahrung aufgrund deren biographischer Herkünfte schreiben.

Im Blogeintrag “Bücher und Leselisten gegen Rassismus?” vom 13.06.2020, den ich mit einem Fragezeichen versah, war ich zu Beginn des Artikels noch der Auffassung, dass die Wirkung von Leselisten, die durch Bibliotheken oder andere Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, eher wenig Wirkung erzielen wird. Am Ende sah ich dies etwas nüchterner und kam zu dem Entschluss, dass es zumindest einen Versuch wert ist. Dabei bezog ich mich nur auf Erwachsene. Deshalb werde ich demnächst versuchen eine eigene Leseliste für Erwachsene zu erstellen, welche mehr Sachbücher enthält.

Bildzitat – Unkommentiert – 2020

John F. Szabo

 

Bibliotheken gegen Rassismus (Teil 3)

Wie antirassistisch sind eigentlich (öffentliche) Bibliotheken im deutschsprachigen Raum? Deniz Utlu fragte bereits 2013 in Bezug auf Sprache in Medien und Literatur: “Wo beginnt Rassismus?” Hermann Rösch war auf dem virtuellen diesjährigen Bibliothekartag  #vBIB20 der Meinung, dass “Bestände möglichst neutral und ausbalanciert sein sollen, so dass sich mündige Bürger in der Bibliothek selbst gut und ausreichend informieren können. Die Menschen brauchen hier kein Wahrheitsministerium, das ihnen eine Auswahl vorgibt.” Doch ist die Übernahme rassistische Literatur in den Bestand einer Bibliothek dann tatsächlich noch neutral oder ausbalanciert? Natürlich spricht nichts gegen eine Besprechung eines rassistischen Buches durch ein Lektorat, doch weshalb müssen rechte Verlage & Autor*innen diesbezüglich noch unterstützt werden? Mündige Bürger können doch aber genauso gut rassistische Bücher gut finden und daher klingt mir das alles zu floskelhaft. Ist denn jeder mündige Bürger in der Lage rassistische Konnotationen und Inhalte auseinander zu halten? Was sind denn eigentlich linke Verlage? Sind das Verlage, die ein kritisches Verhältnis zum Rassismus haben? Da bin ich aber anderer Meinung, wenn das unter einem linken Verlag zu verstehen ist. Diese Rechts-Links-Schemata erscheinen mir etwas zu kurz gegriffen. Rechte Verlage sind nicht einfach rechte Verlage, denn am Beispiel des Antaios Verlags, der von Götz Kubitschek betrieben wird, muss doch klar werden, dass es sich nicht einfach um einen rechten Verlag handelt. Wenn das Institut für Staatspolitik nun vom Verfassungsschutz zurecht als rechtsextremistisch eingestuft wird, dann ist es mit Sicherheit so, dass ein Großteil des Verlags, der in denselben Händen des Herrn K. liegt, auch rechtsextremistische Literatur vertreibt. Muss eine Bibliothek diese dann anschaffen, wenn sie “ausbalanciert” sein will? Man nehme nur eines der von Akif Pirinçci in den letzten Jahren veröffentlichten Bücher als Beispiel, ist dieser unbestrittene rassistische Müll tatsächlich eine Anschaffung wert? Bereitet man solchen Autoren nicht noch eine zusätzliche Plattform/Einkommensquelle? Sind Hate-Speech/Haßrede nicht etwas, wogegen auch Bibliotheken vorgehen sollten? Es leuchtet mir einfach nicht ein. Diese Fragen hätte ich gerne Herrn Rösch selbst gestellt. Ähnlich lauteten die Argumentationen französischer Bibliothekarinnen, mit den ich mich vor einigen Jahren darüber unterhielt und mir erklären ließ, warum “Mein Kampf” dort ganz normal im Bücherregal zu finden ist und es für Deutsche nur schwer nachvollziehbar ist. Es wäre durchaus wünschenswert gewesen, wenn bei dieser virtuellen Diskussion auch Rassismusexperten zu Wort gekommen wären, die sich außerhalb des bibliothekarischen Spektrums bewegen und eine noch kritischere Perspektive eingenommen hätten.

Gibt und gab es einen Anlass auf aktuelle Ereignisse zum Thema Rassismus auch hierzulande zu reagieren? 2011 berichtete ich im Blog über einen rassistischen Vorfall in einer Bibliothek in Deutschland und verwies auf das Beispiel Großbritannien, in denen Mystery-Shopping-Analysen von Schwarzen (Angehörigen der BAME-Minderheiten) Testpersonen/Besucher*innen durchgeführt wurden. Das wäre mit Sicherheit noch ein zu bearbeitendes Thema für eine Abschlussarbeit, ob durch Studierende des Bibliothekswesens, der Soziologie oder aus anderen Fächern.

Wie wurden eigentlich die jüngsten Ereignisse in den USA, die mit zahlreichen Demonstrationen auch in Deutschland einhergingen in deutschsprachigen Bibliotheken rezipiert? Die Stadtbibliothek Reutlingen gibt auf ihrer Homepage aktuelle antirassistische Medientipps und macht dabei deutlich, dass sie zu diesem Thema für eine “kleine” Großstadtbibliothek recht gut aufgestellt ist.

Wie sieht es dahingehend mit anderen Bibliotheken im deutschsprachigen Raum aus? Natürlich gibt es jährlich, die Wochen gegen Rassismus, bei denen Bibliotheken hierzulande mitmachen, ich will das Engagement nicht kleinreden, aber gerade aktuellen Ereignisse könnten Anlass sein, selbst über die eigene Rolle als Einrichtung neu nachzudenken Gewissheiten und Althergebrachtes infrage zu stellen.

Die British Library hat auf ihrer Homepage zwei Schwarze Schüler*innen in Schuluniform abgebildet (eindeutig zu wenig), auf der anderen Seite des Eurotunnels setzt sich die französische Nationalbibliothek auf ihrer Homepage aktiv mit dem Thema Rassismus auseinander, stellt Quellen auf Gallica und auf RetroNews (Pressedossiers der Geschichte) zur Verfügung. Dabei wird die Kolonialgeschichte des Landes sehr gut deutlich und die Entwicklung bis zum heutigen Tage. Der deutsche Kolonialismus sollte auch hierzulande ein größeres Thema als bisher sein, denn welches Land ist denn für den ersten Genozid im 20. Jahrhundert verantwortlich? Das ist natürlich eine rhetorische Frage.

Die Nationalbibliothek und die Landesbibliotheken könnten Quellen zur Verfügung stellen und dieses Thema transparenter machen als bisher.  Das Thema Kolonialismus ohne den vorhandenen und noch existierenden Rassismus abzuhandeln wird dem ja überhaupt nicht gerecht.

Das Chartered Institute of Library and Information Professionals in Schottland stellt auf seiner Homepage Ressourcen zum Thema Rassismus zur Verfügung und im Gegensatz zum britischen Bibliotheksverband ist das mehr als ich erwartet hätte. Zudem gibt es einen Newsletter, der sich mit dem Thema der Dekolonisierung und Befreiung von Bibliotheksbeständen befasst. Diese Mailingliste bietet eine gute Archivierungsfunktion, um sich beispielsweise die aktuellen Debatten um die Diversität von Bibliotheksbeständen zu verfolgen. Ferner gibt es ein sogenanntes BAME (Black, Asian, and minority ethnic) Network, das sich aus Angehörigen von Minderheiten des Berufsstandes zusammensetzt. Es bietet diesen Information Professionals die Möglichkeit des Austauschs und der Vernetzung untereinander, um sich gegenseitig zu unterstützen. Ziel ist es eine größere Vielfalt  innerhalb der Profession, der Bibliotheksbestände des Wissens und der Informationen zu erreichen. Diese Gruppe von Bibliothekar*innen und Information Professionals veröffentlichte kürzlich auch eine Stellungnahme zum Thema Rassismus, deren wichtigste Aussagen an dieser Stelle veröffentlicht werden:

“This requires that we understand what is racism, acknowledge it, that we reflect on our behaviours and change where necessary, that we are pro-active in lending our voice and our privilege to confront racism in all environments, that we actively support anti-racist policies and services within our organisations and wider society and that we create an environment where we positively and publicly support anti-racism. Library, information and knowledge professionals have a key role to play in dismantling racism. The CILIP BAME Network calls on professionals to pro-actively deliver collections, services, space and teaching with the objective of creating an anti-racist society. We ask everyone to personally reflect and take action.”

Die Diskussionen zum Thema Rassismus, Diversität und Dekolonialisierung scheinen im schottischen Bibliothekswesen weitaus fortgeschrittener zu sein als beispielsweise hierzulande.

Wie lässt sich nachweislich überprüfen, ob Bibliotheken dazu beitragen Rassismus abbauen? Die Angehörigen unseres Berufsstandes sollten ihre (politische) Rolle stärker betonen und aktiv ausüben. Hierzu bedarf es nicht nur Empfehlungen, Trainings, sondern auch einer Haltung und einem gewissen Commitment. Es bleibt eine ständige Aufgabe, denn, wie auch der Bundespräsident Steinmeier diese Woche sagte, “es reiche nicht aus kein Rassist zu sein, sondern wir müssen Antirassisten sein.”

 

«Audream» – eine mobile antirassistische Bibliothek

Im Zusammenhang mit Schwarzer Literatur und Schwarzen Perspektiven wurde 2014 bereits die Kiezbibliothek des Vereins Each One Teach One (EOTO) e.V. vorgestellt. Einen anderen, aber ähnlichen Schwerpunkt setzt die Bibliothek AUDREAM, die es seit 2016 in Berlin gibt. Der Name steht für Audre Lorde & Our Dreams.

Warum wurde die Bibliothek nach Audre Lord benannt? Die Gründerin, Chima Ugwuoke, beantwortete diese Frage wie folgt:

“Audre Lorde hat die Schwarze deutsche Frauenbewegung wesentlich inspiriert und Frauen dazu ermutigt, ihre Geschichten aufzuschreiben. Für mich steht die Zusammenstellung der Bibliothek in Kontinuität mit dieser Frauenbewegung. Das, was Frauen da geschaffen haben, das Wissen, was sie generiert haben, soll zugänglich sein. Leute sollen darauf aufmerksam gemacht werden, um sicherzustellen, dass dieses Wissen nicht in Vergessenheit gerät. Es ist also auf unsere Art die Fortführung der Kämpfe um Sichtbarkeit und Hörbarkeit von Schwarzen Frauen und Frauen of Colour.”

Das Ziel dieser Bibliothek ist es, Literatur und Wissen Schwarzen Frauen zugänglich zu machen. Es handelt sich um eine mobile antirassistische Bibliothek, die ihre Einsatzorte in Berlin hat. Die Initiatorin der Projektbibliothek ist Chima Ugwuoke. Die Gründerin machte in einem Interview 2017 darauf aufmerksam, die Bibliothek von Each One Teach One (EOTO) e.V. nur beschränkt zugänglich ist und aus diesem Grunde wollte sie etwas schaffen, was den Zugang zu dieser Art von Schwarzer feministischer Literatur öffnet. Finanzielle Unterstützung erhält die Bibliothek von der Kreuzberger Kinderstiftung, gleichzeitig ist diese aber auch auf Spenden angewiesen. Es besteht die Möglichkeit Kooperationsprojekte mit dieser Bibliothek einzugehen, indem Lesungen, Workshops, Veranstaltungen mit Kindern oder Ähnliches durchgeführt werden.

Die Bibliothek ist durchaus noch ausbaufähig und besteht aus etwa “150 Büchern, Zeitschriften und DVD‘s, die mit anti-rassistischen und Schwarzen feministischen Ansprüchen in Form von Kinder- und Jugendbüchern, Biografien und Theoriewerken, marginalisiertes Wissen” zugänglich machen will. Es gibt die Möglichkeit Bücherkisten zu bestellen. Die Ziele der Einrichtung sind die “Hör-und Sichtbarkeit Schwarzer feministischer Perspektiven, Positionen, Gedanken, Fragen und Forderungen” zu erhöhen. Mehr Infos gibt es auf der Homepage: https://audream.org/

Der Titel des folgenden Videos “eine Kinder-Bibliothek mit schwarzen Helden” wird der Bibliothek nicht ganz gerecht, da sie mehr als nur Kinder erreichen will.

1 2 3 4