Hörtipp: Die aktuelle Folge des Bibliotheks-Podcast “Hinterm Tresen”

Die Stadtbücherei Schwarzenbek hat seit einiger Zeit den Podcast 🎧 “Hinterm Tresen”. Während meiner Quarantänephase wurde ich von der Bibliotheksleiterin Patricia Fasheh zum Thema “Zwischen Armut und Ort für Alle” interviewt. Dabei handelt es sich um die derzeit aktuelle Folge dieses Podcasts: https://hintermtresen.podigee.io/13-zwischen-niedrigschwelligkeit-und-armut

Sie sprach mit mir über die Zugänglichkeit, die Hürden und die Chancen. Im zweiten Teil das Buch “Die Elenden” von Anne Mayr besprochen. Mayr kommt ebenso zu der Feststellung, dass noch Handlungsbedarf besteht. Sie widmet sich darin dem Thema Armut, das sie aus eigener biografischer Erfahrung kennt. Darin werden auch Vorurteile angesprochen, sowie ein Plädoyer für einen Perspektivenwechsel ausgesprochen.

Über die mangelnde Diversität in der Kinderbuchbranche

Im Blogbeitrag “Bücher gegen Rassismus für Kinder und Jugendliche” vom 22.07.2020 wurde kritisch bemerkt, dass die Stiftung Lesen in Ihre Liste mit Empfehlungen zum Thema “Liste für Bücher gegen Rassismus” keine Schwarzen Autor*innen aus dem deutschsprachigen Raum mit aufführte. Ein Artikel “Schwarze Kinder, weiße Perspektiven” von Frau Chantal-Fleur Sandjon dem migrationspolitischen Portal der Heinrich-Böll-Stiftung ging nun vor etwa einem Monat der Frage nach wie divers die Kinderbuchbranche ist. Meine Feststellung, dass es kaum eine Förderung von Autor*innen gibt, die zur Gruppe der People of Color zählen, bestätigt sich in dem Artikel. Selbst in einem Land wie Großbritannien, kam eine Studie 2019 zu dem Ergebnis, dass weniger als 2 % der veröffentlichten Kinderbuchautor*innen und -illustrator*innen selbst Brit*innen of Color waren. In Deutschland gibt hierzu keine Zahlen, aber der Prozentanteil wird sicherlich ähnlich niedrig sein. Der Artikel benennt neben brititischen Autor*innen unter anderem auch die deutsch-marokkanische Illustratorin Jasmina El Bouamraoui (EL BOUM), die für das das finnische Goethe-Institut in Helsinki Illustrationen für Kinderliteratur gestaltet. Eine weitere Autorin, die hierzulande bekannt sein müsste, ist Andrea Karimé. Laut der Autorin des Artikels ist Karimé mit einer Ablehnung und einem Unverständnis von Seiten der Verlage konfrontiert.

Karimé kommt bezüglich der mangelnden Diversität in der Kinderbuchbranche zu folgendem Fazit:

“Das Interesse an Kinderbüchern mit Kindern of Color in der Hauptrolle unterliegt starken Wellenbewegungen. Nach Merkels ‚Wir schaffen das!‘ gab es plötzlich viele Bücher über Flucht, die meisten aber von weißen Autor*innen, die sich zuvor wenig mit der Thematik beschäftigt hatten, was den Büchern oft anzumerken ist. Auch jetzt ist die Entwicklung sehr ähnlich – Kinderbücher sollen diverser werden, die Menschen, die sie schreiben, aber nicht unbedingt. Von Forderungen, wie sie #ownvoices (1) stellt, sind wir in der deutschen Kinderbuchbranche noch weit entfernt.“

Die Verlegerin von Habte Books,  Fitsame Teferra, bemängelt zudem, dass es kaum billinguale Kinderbücher für unterpräsentierte Sprachen wie etwa Hausa oder Kiswahili gibt. Sie machte selbst die Erfahrung auf Ablehnung gestoßen zu sein bei deutschen Verlagen und gründete 2015 deshalb ihren eigenen Verlag mehrsprachiger Kinderbücher mit und in afrikanischen Sprachen. Die Professorin Maisha Auma forderte deshalb die Anerkennung die Barrieren, …

die “mit Marginalisierung aufgrund von Othering einhergehen, also mit der Platzierung im Verhältnis zur hergestellten Norm und dem Verdrängen an den Rand von Narrativen, Strukturen, Gesellschaften. Hierzu braucht es konkrete Verpflichtungen und einen konkreten Plan, wie diese Barrieren sukzessiv behoben werden können.“

Der Landesfachtag Schulbibliotheken 2020 in Schleswig Holstein findet am 21. November statt und befasst sich mit dem Thema “Interkulturelle Bibliotheksarbeit
in Schulbibliotheken”. Auf dieser Tagung wird unter anderem das Buch “The Hate U Give” der US-amerikanischen Schriftstellerin Angie Thomas vorgestellt, das  2018 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Dieses Buch macht ebenso deutlich, dass hierzulande kaum Literatur produziert wird, welche sich mit der europäischen, insbesondere der Schwarzen Perspektive  im deutschen Raum auseinandersetzt. Es wäre wünschenswert, wenn Autor*innen gefördert würden und Preise erhielten, welche hierzulande Kinderbücher aus der Sicht von People of Color in Europa respektive Deutschland schreiben.

 

 

Bücher gegen Rassismus für Kinder und Jugendliche

Die Stiftung Lesen stellte vor wenigen Tagen eine Liste für Bücher gegen Rassismus ins Netz. Dabei handelt es sich in aller erster Linie um Bücher für Kinder und Jugendliche. Frau Prof. Wiesenmüller von der HdM Stuttgart wies am 17. Juli auf Twitter völlig zurecht darauf hin, dass die Kritik des Mitherausgebers der FAZ, Herrn Jörg Kaube, völlig wirr und und abgehoben ist:

“Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz – das kennen mitunter (leider) schon die Jüngsten. Bereits ab dem Kita-Alter und später auch in der Schule machen Kinder und Jugendliche Erfahrungen mit Rassismus, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Sprache ausgegrenzt und abgelehnt werden. Bücher können helfen, diese Probleme bewusst zu machen. Sie können uns miteinander ins Gespräch bringen, für das Thema sensibilisieren und bei der Suche nach Lösungsansätzen unterstützen. […] Die Möglichkeiten, die Bücher zur Auseinandersetzung mit Rassismus bieten, sind ebenso vielschichtig wie das Thema selbst. Mit unseren Empfehlungen möchten wir Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Lehrkräfte bei der Auswahl von Geschichten unterstützen. Christine Kranz

Der Liste würde ich noch folgende Bücher hinzufügen, die ebenso Rassismus thematisieren. Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind ebenso Teil von Rassismus. Diese drei Bücher kenne ich aus der Kindheit und Jugend eigener Familienmitglieder:

1.) Papa, was ist ein Fremder? (Gespräche mit meiner Tochter) von Tahar Ben Jelloun. Rowohlt Taschenbuch. ISBN: 978-3499211454. 112 Seiten

2.) Mama, was ist Auschwitz? von Annette Wieviorka. List Taschenbuch. ISBN: 978-3548600888. 92 Seiten

3.) Als Hitler das rosa Kaninchen stahl von Judith Kerr. Ravensburger Verlag GmbH. ISBN: 978-3473584291. 576 Seiten

Natürlich gibt es noch weitere Bücher, mir scheint aber, dass in Frankreich, Großbritannien und den USA mehr Literatur zu diesem Thema für diese Zielgruppe existiert. Die drei Beispiele von mir machen es deutlich, da die drei Autor*innen aus den eben genannten Ländern kommen. Warum ist das so? Falls meine Vermutung richtig ist, dann scheint das zumindest in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur noch wenig thematisiert worden zu sein, vor allem im Hinblick auf Rassismus gegen Schwarze, Geflüchtete und aus Asien stammende Menschen. Ein Blick in die Leseliste der Stiftung Lesen genügt und es wird deutlich, dass von den acht Lesetipps, die auch Bücher für Jugendliche ab 14 Jahren enthalten, die Hälfte aus Übersetzungen englischsprachiger Werke besteht. Auch die Autorin des ersten Werkes, Lisbeth Kaiser, ist eine US-Amerikanerin. Die Thematik Rassismus, wie sie etwa Hans-Jürgen Massaquoi oder Theodor Michael Wonja erlebten, taucht in der Leseliste nicht auf. Gibt es zu wenig Kinder- und Jugendbücher von und über Afrodeutsche oder Afroösterreicher*innen und Afroschweizer*innen? Zumindest vermitteln das die Empfehlungen der Stiftung Lesen. Die beiden genannten afrodeutschen Autoren schrieben ja eher Autobiographien für Erwachsene.

Hätte die Literaturliste der Stiftung Lesen anders, diverser und vielfältiger ausgesehen, wenn interkulturelle Bibliothekar*innen, Community-Bibliotheken wie zum Beispiel die von Each one – Teach One e.V. und Audream aus Berlin mit einbezogen worden wären? Ich bin schon dieser Meinung und dass auch Bibliotheken, aber auch die Stiftung Lesung sich Beratung und Recherche leisten sollten, wenn es um bestimmte Thematiken geht. Die Liste der Stiftung Lesen erzählt viel zu wenig Geschichten über Rassismus in Deutschland. Entweder ist das eine Leerstelle im Bezug auf Kinder- und Jugendliteratur oder man hat explizit eher Bestseller/Klassiker ausgesucht, die zur Hälfte aus dem Ausland stammen und sich dort gut verkauften. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn die Stiftung Lesen Ihre Liste mit Empfehlungen überarbeitet und zum Beispiel mehr Schwarze Autor*innen aus dem deutschsprachigen Raum fördert und solche, die andere Geschichten über Rassismus erzählen und über Rassismus aus eigener Erfahrung aufgrund deren biographischer Herkünfte schreiben.

Im Blogeintrag “Bücher und Leselisten gegen Rassismus?” vom 13.06.2020, den ich mit einem Fragezeichen versah, war ich zu Beginn des Artikels noch der Auffassung, dass die Wirkung von Leselisten, die durch Bibliotheken oder andere Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, eher wenig Wirkung erzielen wird. Am Ende sah ich dies etwas nüchterner und kam zu dem Entschluss, dass es zumindest einen Versuch wert ist. Dabei bezog ich mich nur auf Erwachsene. Deshalb werde ich demnächst versuchen eine eigene Leseliste für Erwachsene zu erstellen, welche mehr Sachbücher enthält.

Soziale Arbeit mit Wohnungslosen in der Denver Central Public Library

Auf dem Bibliothekartag in Hannover wollte ich etwas zum Thema (Soziale) Arbeit mit Wohnungslosen in Öffentlichen Bibliotheken sagen. Der fand ja bekanntlich nicht statt aufgrund der allzu bekannten Gründe. Die Anmeldefrist für den virtuellen Bibliothekartag #vBIB20 verpasste ich leider:

“Im Oktober 2017 veröffentlichte die IFLA Section Library Services to People with Special Needs ihre Guidelines für die Bibliotheksarbeit mit Menschen, die dauerhaft oder temporär wohnungslos sind. Welche Forderungen lassen sich daraus für Bibliotheken im deutschsprachigen Raum umsetzen? Welche Konsequenzen können nationale Bibliotheksverbände daraus ableiten? Großstadtbibliotheken in Zürich, Wien, Paris und in einigen Städten in Deutschlands gehen sehr unterschiedlich mit wohnungslosen Menschen in ihren Einrichtungen um. Bibliotheken in den USA und Kanada haben beispielsweise “fachfremde” Mitarbeiter/-innen eingestellt, die als Streetworker bzw. Sozialarbeiter/-innen dieser eher unbeliebten Nutzer*innengruppe helfen. […]

 

Zuächst etwas Allgemeines zu den beiden Fachtermini Obdachlose und Wohnungslose. Wohnungslos sind ist in Deutschland Menschen, die keinen mietvertraglichen abgesicherte Wohnraum besitzen oder Wohneigentum haben.

Als obdachlos gelten Menschen, die oftmals auch mit Absicht auf der Straße leben, weil sie es in einer beengten Notunterkunft oder Wohnungslosenpension nicht aushalten können oder wollen. Als Oberbegriff habe ich zur Vereinfachung den Begriff Wohnungslose gewählt. Es ist im öffentlichen Raum, in Bibliotheken nicht immer klar und deutlich erkennbar, ob Mensch nun wohnungslos oder obdachlos ist. Ein Obdachloser kann am selben Tag noch zum Wohnungslosen werden, wenn die Entscheidung getroffen wird in eine Notunterkunft zu ziehen oder eine Einweisung vom Wohnungsamt vorliegt in eine Pension oder einen Beherbergungsbetrieb (wie es beispielsweise in München heißt) ziehen zu können. Bibliothekar*innen oder auch andere Menschen können nicht sofort erkennen, manche Obdachlose wollen sich auch nicht outen. Der im Vortrag verwendete Begriff “obdachlos” sollte drastischer vor Augen führen, um welche Gruppe es geht. Korrekterweise hätte man schreiben sollen Wohnungslose/Obdachlose, was die Lesbarkeit eher erschwert hätte.

Im Gegensatz zu den USA sind die Kommunen hierzulande besser aufgestellt, was die Unterbringung von Obdachlosen angeht. Kommunen sind in Deutschland verpflichtet Obdachlose eine Unterbringung nach Ordnungsrecht anzubieten, auch wenn dies nicht immer pflichtbewusst getan wird. Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe haben des Öfteren bereits angemahnt, dass viele Kommunen dieser Pflicht nur unzureichend nachkommen. Viele Notunterkünfte erfüllen nicht die Standards, was Menschenwürde, Privatsphäre oder Hygenie betrifft. Diese Unterkünften werden ja auch selten bis nie kontrolliert bzw. nachgeprüft, wie bei den Lebensmittel- oder Fleischkontrolleuren, die auch nicht so zahlreich in Deutschland sind, wie sich das manch einer/manch eine wünscht. Es ist also absolut nachvollziehbar, weshalb ein obdachloser Mensch sich für das Leben auf der Straße entscheidet, weshalb er dies sogar präferiert, anstatt in eine Notunterkunft, einen Wohnungslosenpension oder einen Beherbergungsbetrieb zu ziehen. Housing First, wie es in Skandinavien, in Provinzen/Städten Kanadas, Städten in den den USA und in noch sehr wenigen Städten in Deutschland praktiziert wird, würde die Zahl der Obdachlosen, aber auch die Zahl der Wohnungslosen reduzieren. Deshalb darf es manche Bibliothek nicht weiter (ver)wundern, wenn Obdachlose diese als Aufenthaltsort nutzen. Vielleicht ist das sogar ein Anzeichen, wenn recht viele Obdachlose die Bibliothek nutzen, dass die jeweilige Kommune keine guten/menschenwürdigen Notunterkünfte zur Verfügung stellt und die Wohnungslosenhilfe auf Sparflamme gehalten wird. Es gibt ja sogar schon Notunterkünfte mit WLAN-Zugang für die Bewohner*innen oder anderen zeitgemäßen Standards. Diese sind aber eine große Ausnahme in Deutschland.

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Nach den Angriffen auf Charlie Hebdo – was öffentliche Bibliotheken tun sollten

Charlie und Bibliotheken, so lautete die heutige Überschrift einer Nachricht in der Mailingliste Forum-ÖB. Der Bereichsleiter Bibliotheken der Stadtbibliothek Schaffhausen (Schweiz), Oliver Thiele, regte (indirekt) an für über Abonnements der Zeitschrift Charlie Hebdo nachzudenken, da er über die ZDB herausfand, dass bislang nur eine Bibliothek in Deutschland Charlie Hebdo bestellte. Es handelt sich dabei um die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin. Wie der Bibliothekar aus Schaffhausen richtig feststellte, sind allgemeine Solidaritätsbekundungen der Verbände vorherrschend, aber dieses Thema berührt den Kern unserer Tätigkeit in der Mitte der Gesellschaft, die wir immer so gerne betonen. Thiele stellte folgende Frage, um vermutlich die Angehörigen des Berufsstandes aus der Reserve zu locken: “Bibliotheken und Satire, kein Traumpaar?” Er forderte eine Diskussion, indem er folgende Pro- und Contraargumente an die Bibliothekare und Bibliothekarinnen sendete:

  • Pro: “Solidarität”, “Bibliothek als Ort der freien Informationen”, “Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte”
  • Contra: “Effekhascherei”, “kein mittelfristiges Interesse des Publikums an einer Randpublikation, keine französischsprachige Community”, “muslimische Communities nicht irritieren”, “Angst”

Durch seine Nachricht in der Mailingliste Forum-ÖB erhoffte sich Thiele eine breite Diskussion zum Thema. Es wäre wünschenswert, wenn Mailinglisten wie Forum-ÖB nicht nur zum Austausch fehlender Seiten, Beilagen und zur Verbreitung von Stellenanzeigen genutzt würden, sondern dort auch mehr Debatten und Diskussionen stattfinden würden. Ebenso verhält es sich mit dem Thema des “Umgangs mit Asylbewerbern” (12. Januar 2015). Eine Diskussion hierzu fand im Forum bis dato nicht öffentlich statt. Ein Blick ins Ausland macht deutlich, dass Großbritannien und andere Länder zu diesem Thema auch von Seiten der Verbände viel offener und leidenschaftlicher diskutieren. Der französische Bibliotheksverband (ABF) hat hierzu nach Auflösung seiner Mailingliste bibliofr vor wenigen Jahren Agora Bib geschaffen, ein Forum, in dem es auch um gesellschaftliche Themen geht, welche die Bibliotheksarbeit betreffen. Die aktuelle verbandseigene Zeitschrift “Bibliothèque(s) n°77 – Décembre 2014” befasst sich mit dem Thema Bibliotheken und Politik.

Richard David Lankes wurde vor wenigen Tagen via Twitter von der Brede Bibliotheek (https://twitter.com/bredebieb) gefragt, wie sich nun öffentliche Bibliotheken nach den schrecklichen Angriffen auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo verhalten sollten. Brede Bibliotheek steht für breite Bibliothek und setzt sich zum Ziel lokale Communities einzubinden. Er entgegnete, dass er nicht vor Ort in Paris ist (bzw. war) und sich nicht anmaßen würde zu wissen, wie sich Bibliotheken in Frankreich hierzu verhalten zu haben. Jedoch machte Lankes ebenso deutlich, dass es ein Ausdruck von Ignoranz oder gar Feigheit wäre nicht zu antworten und einfach nur zu sagen “help the communities have a conversation”. Auf die Anfrage hin, lieferte Lankes einige Ideen, die hier vom Blogautor so gut wie möglich übersetzt werden. Des Weiteren wird in diesem Blogbeitrag ein  großer Teil von Lankes Beitrag zwar nicht vollständig und wortwörtlich übersetzt, aber so gut wie möglich wiedergegeben:

  • Stellen Sie einen sicheren Ort zur Verfügung, um über den Anschlag gegen die Meinungs- und Pressefreiheit und die Gründe hierfür zu sprechen. Ermöglich Sie den offenen Zugang zur Zeitschrift Charlie Hebdo
  • Organisieren Sie Begegnungen und Foren zur Redefreiheit und der Demokratie. Veranstalten Sie ein “Human-Library-Event” mit Lebenden Büchern unterschiedlicher Glaubensrichtungen
  • Veranstalten Sie Events mit Eltern und Therapeuten zum Thema, wie Kinder stark gemacht werden können
  • Helfen Sie ihrer Community ein Narrativ zu erschaffen und verbreiten Sie dieses. Die Motti hierzu könnten “We shall overcame” oder “Wir sind auf Charlies Seite” lauten
  • alle Bibliotheken sollten sich als einen sicheren Ort positionieren und präsentieren, welcher der Erholung und als Werkzeug dient, diese Tragödie in Handlungen zu verwandeln und hierbei Verständnis erzeugen.

Lankes räumte aber auch ein, dass Twitter nicht das richtige Medium bzw. der richtige Ort ist, um derat tiefgründige Diskussionen zu diesem Thema zu führen. Als nächstes versuchte Lankes drei Lektionen darzulegen, die er zu diesem Thema gelernt hatte.

Die erste Lektion ist, dass Gewalt durch Information und Verständnis bekämpft wird. Am 11. September 2001 war Lankes Direktor des ERIC Clearinghouse on Information & Technology. Er kam an diesem Tage an seinem Arbeitsplatz an, kurz nachdem das Flugzeug die Türme des World Trade Centers traf. Nachdem das  zweite Flugzeug in die Twin Towers crashte, kamen alle Clearinghouse-Mitarbeiter  in seinem Büro zusammen, um die Ereignisse im Fernsehen zu verfolgen. Entsetzt und sichtlich benommen, schickte ich alle nachhause. Das war ein Zeitpunkt, den man mit seiner Familie verbringen sollte.

In der darauffolgenden Woche, kamen Lankes und sein Team zusammen und stellten sich exakt dieselbe Frage, die auch von der öffentlichen Bibliothek in Breda kam: “Was sollen wir tun?”

Zu dieser Zeit betrieben er und seine Mitarbeiter einen Service, der AskEric genannt wurde und durch den sie Hunderte von virtuellen Auskunftsanfragen jeden Tag erhielten, sowie eine sehr häufig genutzte Webseite für Menschen aus dem Bildungssektor. Die Antwort, die sie schließlich dafür hatten war, dass nun sogenannte InfoGuides (think WebGuides/FAQs) zu den Anschlägen entwickelt wurden, welche ständig aktualisiert wurden, je mehr sie zu diesem, aber auch den anderen verwandten Themen hinzulernten. Sie posteten diese im Netz und versendeten sie als Email. Die am überwältigendste und am meisten gesehene/genutze Quelle war jene über den Islam.

Was Lankes nicht ausführlicher behandelte, war jene Episode als Folge dieser Tragödie, da die Menschen versuchten, das Unbekannte zu begreifen und zu verstehen. Deshalb mussten Bibliothekare und Bibliothekarinnen ihre Communties durch FAQs informieren, ein Archiv anlegen, um sorgfältig die Medenberichterstattung aufzubereiten, welche die Erinnerung an dieses Event wachhielt, sowie viele Möglichkeiten der Interaktion zwischen Kulturen, Ethnien und unterschiedlichen Ideen zu schaffen.

Eine weitere Lektion, die Lankes anführte, resultierte aus den Ereignissen in Ferguson im Bundesstaat Missouri, als Bibliothekare und Bibliothekarinnen während der Unruhen dort Menschen Unterschlupf und einen sicheren Ort anboten. Die öffentliche Bibliothek positionierte sich als Alternative zur Gewalt und schuf so ein neues Narrativ. Während die Medien damit beschäftigt waren, ihren Fokus auf die Polizei gegen die Black Community zu legen, nahmen sich Bibliotheken den sozialen, den traditionellen Medien an und vermittelten dies mithilfe von Schildern außerhalb der Gebäude, um Ferguson als eine (gemeinsame) Familie zu positionieren. […] Die Bibliotheken in Ferguson zeigten, dass dieser Ort aus Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkünfte besteht, die zusammen kommen, lernen und den (gemeinsamen) Wunsch für eine bessere Zukunft hegen. Die Bibliotheken konnten weder den Konflikt reduzieren, noch den institutionellen/systematischen Rassismus ignoren. […] Die Bibliotheken – nein, die Bibliothekare taten etwas und zeigten der Welt, das Ferguson nicht so viel anders als Syracuse oder Seattle oder andere Communties innerhalb des Landes ist. Sie sind mehr als nur (plumpe) Schlagzeilen. Sie humanisierten ein Narrativ. Die Lehre, welche Lankes aus dem Verhalten und den Reaktionen der Bibliotheken in Ferguson zog, war, dass Bibliotheken nicht nur konstruktive Räume zur Verfügung stellen; Sie tragen zu einem tieferen Verständnis über die Welt bei. Erst solle man seiner Nutzerschaft/Community die Möglichkeit geben zu atmen, zu trauern, nachzudenken und dann handeln und sprechen.

Lankes’ letzte Lektion bezog sich auf die Bibliothekare und Bibliothekarinnen während des (sogenannten) Arabischen Frühlings. Während der größten Aufstände und zivilgesellschaftlichen Unruhen schützten die Protestierenden die Bibliotheken. Als viele Regierungsgebäude beschädigt und geplündert wurden, beschützte man die Bibliothek. Warum? Trotz des Jahres des Aufstands und der Revolten  gingen die Bibliothekar_innen ihrer Arbeit nach. Sie wurden zu vertrauensvollen Quellen der Community, weil sie (auch) dem Durchschnittsbürger von Alexandria intellektuell anregende und ehrliche Dienstleistungen zur Verfügung stellten. Die Lehre daraus ist, die Bibliothek als Quelle für seine (potentielle) Nutzerschaft(Communitiy zu positionieren und die Werte des Bibliothekswesens weiter in den Mittelpunkt zu rücken: intellektuelle Ehrlichkeit, intellektuelle & physische Sicherheit, Offenheit & Transparenz, sowie die Bedeutung des Lernens hervorheben.

Was Lankes sich von den französischen Bibliotheken erhofft, ist, dass sie den Mut haben werden Folgendes zu tun: ein sicher Ort zu sein/werden, an dem man über kontroverse Streitpunkte sprechen und lernen kann. Er schlägt vor, Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen einzuladen, um darüber zu diskutieren, wie Gewalt verhindert werden kann, bzw. wie darauf reagiert werden soll. Ferner rät Lankes Charlie Hebdo und auch andere umstrittene Materialien für alle Nutzer_innen frei zur Verfügung zu stellen. Lankes plädiert dafür, Lesungen und Events zu veranstalten, welche die Bedeutung der Redefreiheit in einer freien Gesellschaft thematsieren. Zum Schluss kommt Lankes nochmals zu seinen Lehren & Folgerungen, indem er seine Thesen in Form von Fragen Forderungen unterstrich: Weiterlesen

[Infografik] Eine Weltgeschichte zensierter Bücher


Quelle: Printerinks and shortlist.com

Vorstellung der Bibliothek von Eoto e.V. in Berlin

Each One Teach One (EOTO) e.V. ist ein Schwarzes Bildungsprojekt, das Literatur und andere Medien von Menschen afrikanischer Herkunft vorstellt und Wissen im intergenerationalen Dialog vermittelt. Der Verein eröffnet am 21. März 2014 seine Büroräume, in denen die Vera-Heyer-Präsenzbibliothek der Öffentlichkeit zugänglich gemacht sowie Workshops und Bildungsveranstaltungen angeboten werden. Die Bibliothek von EOTO e.V. umfasst Publikationen von AutorInnen des afrikanischen Kontinents und der Diaspora und dokumentiert so Schwarze Geschichte und Gegenwart in und außerhalb Deutschlands. Afrikakzent-tv

Zweimal bereits wurde hier im Blog über Eoto e.V. berichtet. Nun drehten Afrikakzent-TV ein Video über die Eröffnung der Bibliothek am 21.03. in Berlin-Wedding. Am 25. November 2012 wurde auf bibliothekarisch.de ausführlich über den Sinn & Zweck einer solchen Einrichtung nachgedacht. Im folgenden Video kommen die Initiatoren zu Wort und erläutern, was bereits jetzt an Aktivitäten in der Bibliothek stattfinden.

Online-Abstimmung für die Each One Teach One (EOTO) e.V. Bibliothek

Im November 2012 wurde hier im Blog bereits ausführlich über den Verein Each One Teach One (EOTO) e.V. berichtet. Zurzeit gibt es einen neuen Aufruf zur Online-Abstimmung, die bis zum 10. November möglich ist.

Je mehr Menschen für die Förderung des EOTO-Archivs abstimmen, desto größer ist die Chance, dass die Förderung an diesen Verein geht. Der Förderbedarf liegt bei 1.000 € und es werden damit Regale, Stühle, Tische, Lampen und weitere Einrichtungsgegenstände für die neue Bibliothek finanziert, die in Berlin-Wedding ihren Sitz haben wird.

Vermutlich gibt es (ehemalige) Bibliotheken bzw. Bibliothekare in Berlin-Brandenburg, die etwas in dieser Form spenden würden.

Each One Teach One (EOTO) e.V., das Schwarze Medienprojekt, hat sich bei der Online-Abstimmungs-Aktion von Quartiermeister e.V. um eine Spende  zur Einrichtung der Bibliothek beworben.

Im Frühjahr 2014 werden mit der Unterstützung des Projekts Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel Räumlichkeiten im Wedding bezogen und die Bibliothek öffentlich zugänglich gemacht.

Sie können bei der Einrichtung der Medienbibliothek konkret und nur mit 10 Sekunden Zeitaufwand helfen:

Mit Eurer/Ihrer Stimme für EOTO e.V. auf dieser Seite http://www.quartiermeister.org/online-abstimmung/
können Sie die Aktion bis zum 10. November unterstützen. Wenn EOTO e.V. zu den drei Top Projekten gehört, erhält unser Verein 1000 € zur Finanzierung der Ausstattung (Regale, Stühle, Tische, etc.) der Bibliothek.

EOTO e.V. freut sich, wenn Sie:

–  dem Projekt eine Online-Stimme abgeben
– diesen Aufruf in Netzwerken verbreiteen und
– ein “like” auf facebook schenkt: http://fb.com/EOTO.eV.

Vielen Dank für Euere/Ihre Stimme!

EOTO e.V.

Meine persönliche Rückschau auf den BID-Kongress 2013 (Teil 4)

Diesmal habe ich mir auch die vielen Posterpräsentationen angesehen und es gibt zum Beispiel auf der Internetseite von EIGE (European Institute for Gender Equality) nun europaweite Ressourcen zur geschlechtsspezifischen Gewalt, auch gegen Männer, wie Frau Dr. Karin Aleksander  mir gegenüber betonte. Doch ist Spiralcurriculum nicht schon seit Jahren in Nordrhein-Westfalen, Hamdburg und anderswo ein etablierter Standard zur Kooperation mit Schulen und Bibliotheken, um Medien- und Informationskompetenz zu fördern? Auch hierzu gab es ein Poster über Leipziger Kooperationen zwischen Schulen und Stadtbibliotheken und deren Kooperationsweisen in der Vermittlung von Medienkompetenz und Leseförderung. Leider habe ich das Poster zum Thema “Train the Trainer: Motivation, Selbstreflexion und fachliche Kompetenz von Student Advisors bei der Vermittlung von Informationskompetenz” nicht gesehen oder übersehen, was von Michaela Zemanek von der UB Wien stammte. Dabei ging es um folgende Fragen: “Was müssen Studierende, die andere Studierende in Informationskompetenz unterweisen sollen, können? Über welche Kenntnisse und Soft Skills sollen sie verfügen? Was hilft ihnen, ihre eigene Kompetenz richtig einzuschätzen? Wie kann ihre Motivation gesteigert werden? Welche neuen Lehr- und Lernformen sind dafür geeignet?”

Am Nachmittag fand die öffentliche Arbeitssitzung des Arbeitskreises Kritische Bibliothek statt, die ich zum ersten Mal besuchte. Es sprach Peter Jobmann, der den ganzen Vortrag übernahm, den er sich ursprünglich mit Gerhard Zschau teilen wollte. Beide haben ein zusätzliches Fernstudium Demokratiepädagogik an der Freien Universität Berlin bald abgeschlossen und gemeinsam eine Abschlussarbeit zum Thema “Demokratiepädagogik und Bibliotheksentwicklung” verfasst, welche die arg bestandorientierte Sichtweisen und Herangehensweisen in öffentlichen Bibliotheken kritisierte.

Ein weiterer Aspekt war die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff des Kunden, der deutlich machte, dass es hierzu keinen funktionalen Problembezug und keine wissenschaftliche Auseinandersetzung zu dessen Verwendung im bibliothekarischen Berufsfeld gibt. Jobmann machte die Machtasymmetrien deutlich und prangerte den semantischen Mißbrauch hierzu an. Den die Auftragsformen Markttausch, Vertragsbezeichnung und bürokratische Subordination sind Indizien dieser Asymmetrie. Er plädierte für eine berufsstandsweite Rollendiskussion und untersuchte in einem nächsten Schritt den Begriff des Leitbilds und deren Verwendung in Bibliotheken, sowie deren Implikationen. Dabei wurden 6 Typen von Leitbildern unterschieden: implizite, explizierte, propagierte (z.B. Ideen mit Leitbildpotenzial), explizite und oktroyierte Leitbilder.

Der “Code of Ethics” vom BID (BID e.V.) wurde vom Referenten als okrtoyiert eingestuft, da das Leitbild als fremdgesetzt bewertet wurde. Demokratiepädagogisch betrachtet müssten z.B. Leitbilder 3 Dimensionen erfüllen, um wirklich als impliziert und expliziert bezeichnet werden zu können: 1. Die Erscheinungsform: mental und manifest, 2. Handlungswirksamkeit = zukunftsbezüglich, verinnerlicht, denk- und handlungsanleitend und 3. von den Vertretern selbst getragen. Bin ich automatisch Mitglied bei BID e.V., wenn ich Mitglied im Berufsverband BiB bin? Wie auch immer, wie lässt sich ein von (allen) Mitgliedern aller Bibliotheks- und Informationsverbände getragener “Code of Ethics” denn durchsetzen? Durch Liquid Democracy? Beispiele aus anderen Ländern bzw. anderen Bibliothekwesen im internationalen Vergleich, wo Entscheidungen und Willsensbildungsprozesse auf bibliothekarischer Ebene demokratiepädagogisch durchgesetzt wurden und werden, wären sehr interessant und wichtig gewesen, um dnoch deutlicher zu machen, wie wichtig die Demokratiesierung von Bibliotheken, Berufsverbänden und dem Berufsstand im Allgemeinen wäre.

In einem vorletzten Kapitel seines Vortrags ging Jobmann auf Musik in öffentlichen Bibliotheken im Speziellen ein. Mir war zwar bekannt, dass öffentliche Bibliotheken Musik des Labels Aggro Berlin anschaffen, das frauenfeindliche und sexistische Texte enthält, aber neonazistische Musik war mir neu. Die Methode Standing Order wurde hier  teilweise kritisiert. Auch die zurecht in der Kritik stehende Musikgruppe Frei.Wild (Rechtsrock) und die Anschaffung von Musik nach dem Motto, weil es der “Kunde so will”, wurde hierbei angeprangert. Jobmann plädiert für den Aufbau von Medienkompetenz bei Bibliothekaren und Bibliothekarinnen, was laut ihm eine Leerstelle in der bibliothekarischen Aus- und Weiterbildung darstellt. Meines Erachtens ist unser Rollenverständnis durchaus in Gefahr, wenn wir Medien gleich welcher Art anschaffen, aber dem “Kunden” nicht medienkompetent genug machen und jeden Wunsch erfüllen. Der Referent sprach sich auch für Veranstaltungen in öffentlichen Bibliotheken aus, in denen über Musikalien wie Labels wie Aggro Berlin und anderen Medien über Gefahren und deren Inhalt kritisch aufgeklärt wird. Sein Credo war das einer dialogischen Bestands- und Bibliotheksentwicklung, als nur ungefragt und unreflektiert gewünschten Content für den “Kunden” zur Verfügung zu stellen. Das Publikum gab ihm größtenteils Recht. Besonders gefiel mir das Statement einer Bibliothekarin, die wie ein Gedicht das Rollenverständnis von vielen BibliothekarInenn satirisch deutlich machte:

“Ein Leser liest, ein Nutzer nutzt, ein Bibliothekar betreut eine Bibliothek. Ist diese krank?”

Prof. Dr. Rösch kritisierte die Novolatrie im Bibliothekswesen, die Alles Neue sofort für gut befindet und ständig Neues als gut und Altes als per se schlecht einordnet. Dabei machte er deutlich, dass nach seiner Meinung die Bestandorientiertung in deutschen Bibliotheken immer noch von einem obrigkeitsstaalichen Handeln geprägt ist. Statt nur Ausleihen und die Mediennzutung zu messen und zu beurteilen, galt sein Plädoyer den Bildungsprozessen, die durch Bibliotheken angeregt werden und im Lernort Bibliothek mit verschiedenen Lehrarrangement stattfinden. Wie können Unterhaltsträger diesen Mehrwert erkennen? Er lobte ausdrücklich den Vortrag, sprach sich gegen die “marktkonforme” Bibliothek aus und appellierte an die Bibliothekswelt mehr Transparenz bei Entscheidungsprozessen zu schaffen und mehr Diskurse zu organisieren. Shaked Spier verlangte vom Berufsstand mehr in die Offensive zu gehen, als in Deckung und seine Rolle und sein Verständnis des Berufs besser nach außen zu kommunizieren und deutlicher zu machen, was unsere Aufgaben und unser Wert ist.

Ein letzter Votrag des Tages, welchen ich noch besuchte, handelte vom E-Day an der Staatsbibliothek zu Berlin, der phonetisch betrachtet eine Ähnlichkeit mit dem D-Day von 1944 hat. Dabei handelt es ich bei Ersterem um einen Thementag zu elektronischen Ressourcen. So wurde ein erster E-Day 2011 von 800 Menschen besucht.

Zu guter letzt ein Schlussplädoyer, das wohl von Peter Jobmann oder Gerhard Zschau stammt. Beide könnten zusammen als die Willy Brandts des deutschen Bibliothekswesens bezeichnet werden, da sie legitimerweise “Mehr Demokratie wagen” fordern, was wohl das Credo von Brandt war. Heute scheint dies dringender und nötiger denn je. Im Europäischen Jahr der Bürger und Bürgerinnen (2013), in dem Vereine wie “Mehr Demokratie e.V.” großen Zulauf  und Zuspruch finden und Volksentscheide und -begehren mehr und mehr von Menschen in Deutschland eingefordert werden, greifen die beiden ein Thema auf, dass auch im Unternehmenskontext zunehmend Machtstrukturen verändert werden. Doch Demokratie macht Arbeit und Innovation entsteht wohl leichter durch demokratische als durch autokratische Strukturen, oder?

Ich will weg vom Verwaltungsbibliothekswesen. Ja – dieser Teil wird den Weg gehen, den Gunter Dueck beschreibt: unterbezahlt und in Masseneinrichtung organisiert. Der einzige Weg in die Zukunft führt Bibliotheken über demokratische Wege. Bisher sind wir grenzwertig “unterprofessionell”. Wir haben fast keine Ahnung von Medienpädagogik, obwohl wir täglich Medien hin und her reichen und wir haben keine Ahnung ob unsere Leseförderung funktioniert, obwohl wir uns damit legitimieren. Wir wissen auch nicht, wie wir eigentlich die Verteidigung gegen unmenschliche (fängt bei Alltagsrassismus an) Inhalte organisieren, so wir denn überhaupt wollen (wo wir ja so neutral sind).

Aufruf zur Online-Abstimmung zur Förderung der Each One Teach One Bibliothek in Berlin bis 2.12.

“Verlauf und Ergebnisse dieser Auseinandersetzung führten dazu, dass sich der Begriff “Schwarze Deutsche” bis in die Gegenwart hinein für einen großen Teil der Öffentlichkeit als Oxymoron darstellt. Obwohl seit dem 15. Jahrhundert eine schwarze Minderheit in Deutschland lebt, groß genug zu einem “Studienobjekt” der ersten deutschen Rasseforscher zu werden, ist sie nie zu einen akzeptierten oder auch nur wahrgenommenen Teil der Bevölkerung geworden.” Fatima El-Tayeb in ihrem Buch “Schwarze Deutsche: Der Diskurs um Rasse und Nationale Identität (1890-1933)” aus dem Jahr 2001

Bis 2. Dezember besteht noch die Möglichkeit per Online-Abstimmung für eines von vier sozialen Projekten abzustimmen. Finanziert werden  diese über soziale Initiativen und Projekte in Stadtvierteln/Kiezen über den Verkauf der “sozialen” Biermarke Quartiermeister, die es mittlerweile auch in München und Frankfurt gibt. Quartiermeister als Marke, die sich sozialen Aufgaben widmet, wurde auch schon von der Robert-Bosch-Stiftung für ihr zukunftsweisendes Engagement ausgezeichnet. Weitere Projekte, die zur Abstimmung stehen sind das Rroma Aether Klub Theater (eine neue Eingangstür wird benötigt), das Protestcamp am Kottbuser Tor und das JugendtheaterBüro der Initiative Grenzen-Los e.V..

Dem 2012 in Berlin gegründeten Verein Each One Teach One (EOTO) e. V. geht es darum deutschsprachige Literatur und andere Medien von Menschen afrikanischer Herkunft für (Weiter-) Bildungszwecke bereitzustellen. Für diese finanzielle Förderung kann auch über die Webseite von Quartiermeister abgestimmt werden. Bereits seit längerem gab es Überlegungen eine seit den 1990er Jahren existierende Archivsammlung Schwarzer Literatur einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Initiative stammt von Vera Heyer, die sich schon in den 1970er Jahren auf literarische Spurensuche in Antiquariaten und Buchhandlungen begab, um vor allem Bücher von Schwarzen Menschen aus Deutschland und anderen Länderen aufzuspüren. Das Archiv und der Blog beabsichtigen “neue Stimmen aus der Welt der Schwarzen Medien vorstellen und Lust und Freude an Themen rund um Literatur wecken und am Leben erhalten”, wie es auf der Webseite heißt. Die Zielsetzung der Bibliothek wird auf der Webseite folgendermaßen beschrieben:

“Die Each One Teach One Bibliothek will bekannte und neue Stimmen der Schwarzen Diaspora und des afrikanischen Kontinents vorzustellen und den Einsatz der Materialien (durch den Fokus auf deutschsprachige Literatur und deutschsprachige Übersetzungen) im schulischen Kontext zu fördern. Klassenzimmer in Deutschland sind einer der offensichtlichsten Indikatoren dafür, dass die Gesellschaft vielfältiger und heterogener wird. Hinsichtlich dieser zunehmenden Diversity, müssen Lehr- und Lernmaterialien in einer Weise aufbereitet werden, die es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, sich darin widergespiegelt zu sehen.”

Dies soll damit erreicht werden, dass SchülerInnen AutorInnen, bekannte Menschen afrikanischer Herkunft kennen lernen, die entweder WissenschaftlerInnen, ErfinderInnen, politische Persönlichkeiten oder KünstlerInnen sind, welche durch Ihr gesellschaftliches Engagement positive Beiträge leisteten. Es soll das oftmals klischeehafte Bild, das an vielen deutschen Schulen vorherrscht, in ein anderes und differentierteres Licht rücken. Der Verein möchte mit seiner Arbeit erreichen, dass Schwarze Menschen nicht andauernd in einer aus dem Schulunterricht bekannten “Opferrolle” dargestellt werden. Weiterhin wird auf der Webseite des Vereins deutlich gemacht, dass an Schulen kein Wandel stattfindet, wenn es darum geht SchülerInnen Wissen und Literatur bezüglich der heute existierenden Schwarzen Bevölkerung in Deutschland zu vermitteln. Dass es Schwarze Menschen in diesem Land seit Jahrhunderten gibt, wird kaum im Schulunterricht behandelt.

Hierzu bietet EOTO e.V. ziel- und themengerecht ergänzende Literatur und pädagogische Materialien an mit dem Ziel zum kritischeren Nachdenken zu Themen aus Vergangenheit und der Jetztzeit anzuregen, was dadurch ganzheitlicher verwirklichbar ist.

Seit Juli 2012 ist EOTO e.V gemeinnützig. Derzeit wird der Einzug in einem Raum im Haus der Demokratie und Menschenrechte durchgeführt. Demnächst sollen ca. 1.500 vorhandene Bücher gesichtet und katalogisiert werden. Ab 2013 soll eine finanzielle Grundlage den Umzug in eigene Räume möglich machen, wo dann eine öffentlich zugängliche Bibliothek  errichtet werden soll.

Eine sukzessive Erweiterung des Buchbestands wird weiter angestrebt. Ein Black History Month, wie er an vielen öffentlichen Bibliotheken in den USA und Großbritannien gefeiert wird, sollt auch dort Teil eines breiten Veranstaltungsspektrums sein, um auch Jugendliche für dieses Thema zu interessieren und zu sensibilisieren. In Form von  Workshops zu Schwarzer Literatur können Jugendliche die Geschichte und Gegenwart der afrikanischen Diaspora kennen lernen und erfahren. Es soll in Ihnen Lust und Neugier wecken zu schreiben und die für sie geeigneten Ausdtucksformen zu ergründen wie z.B. SpokenWord, Film/künstlerische Darstellung/Performance/, Bildsprache/Photographie oder Musik in Form von HipHop.

Die Vereinsmitglieder sind innerhalb der Berliner und Deutschland weiten aktiven Schwarzen Community vernetzt und werden dieses Netzwerk nutzen, um den Verein und seine Aktivitäten bekannt zu machen und unsere Aktivitäten vor allem der jüngeren Generation vorzustellen.

Neben der jungen Generation, die für diese Thematik angesprochen werden soll, ist es aber auch geplant ältere Menschen miteinzubeziehen, um einen intergenerationalen und interkultureller Austausch möglich zu machen. Das Voneinander lernen sollte hierbei im Vordergrund stehen.

Mit der Förderung durch Quartiermeister, aber auch durch Spenden sollen bald folgende Vorhaben finanziert werden:

“Erweiterung des existierenden Buchbestandes um neue (v.a. nach 1995 erschienene) deutschsprachige Schwarze Literatur verschiedener Genres (Roman, Lyrik, Kurzgeschichten, Kinder- und Jugendliteratur). Die Finanzierung des Büroraummiete (2 Monate), der vom Verein Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG) e.V. im Haus der Demokratie und Menschenrechte zu Verfügung gestellt wird. Der Verein hat eine private Spende erhalten, durch die 4 Monate der Miete (von Dezember 2012-März 2013 jeweils 200 Euro monatlich) finanziert werden können. Für die Katalogisierung und Erfassung der Bücher sowie die organisatorische Vorbereitung der Bibliothekseinrichtung benötigt der Verein nach eigener Einschätzung der vorhandenen Ressourcen 6 Monate. Durch eine Ergänzungsfinanzierung der Miete (April und Mai 2013, jeweils 200 Euro) könnte der Verein den erforderlichen (Zeit)Raum finanzieren, um die Vorbereitungsarbeit für die Bibliothek bis Juni 2013 abzuschließen.”

Eigentlich wäre diese Thematik ebenso für öffentliche Stadtteilbibliotheken geeignet, um die immer noch vorhandenen Schwierigkeiten der sogennanten “weißen Mehrheitsgesellschaft” (nach Hornscheidt/Agwu) (selbstbenannte) nichtweiße Identitäten anzuerkennen, auf die Agenda zu bringen. Leider gibt es hierzulande bislang (kaum)Stadtbibliotheken, welche beispielsweise einen Black History Month mit in ihr Veranstaltungsprogramm bisher aufnahmen. Diese Form von Bibliotheken, welche noch am Rande des deutschen Bibliothekswesens stehen, weil 1.) noch neu, 2.) noch unbekannt oder 3.) noch nicht Mitglied z.B. bei BiB (oder anderen Verbänden) müsste in Zukunft auf Bibliothekartagen und Ähnlichem mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung zuteil werden. Was könn(t)en ganz “normale” Stadtteilbibliotheken beispielsweise von  Each One Teach One e.V. und dessen Bibliothek lernen?

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