Der Kampagnenfilm Libraries4Future

„Zum jährlichen Tag der Bibliotheken am 24.10.2020 möchte die Initiative von Libraries4Future zeigen, dass sich Bibliotheken und deren Mitarbeiter*innen, Studierende und Auszubildende in Bibliothekspraxis und -forschung weltweit als Akteur*innen für den Klima- und Ressourcenschutz positionieren sollen und müssen. […]. Die Initiative „Libraries4Future“ ruft alle Bibliotheken dazu auf, eine aktive Rolle im Kampf für energischen Klima-und Ressourcenschutz einzunehmen. Hier, jetzt und sofort. Unterschreiben Sie die Grundsätze und tragen diese in ihre Bibliotheken.“

Link zur Petition: https://libraries4future.org/petition/

 

 

[Off Topic] Paris: Trost in der Literatur

Das folgende Video stammt vom 20. November 2015 und entstand unmittelbar nach den Anschlägen in Paris vom 13. November. Das Kulturzentrum 104 befindet sich im 19. Arrondissement. Die Besucherzahl war insbesondere nach den Anschlägen höher, da die Menschen Trost in der Literatur fanden:

„Es sind die fiktiven Geschichten der zeitgenössischen Literaten, die dieser Tage für Ablenkung und Ruhe sorgen. Das Pariser Kulturzentrum „104“ ist zum Ort des stillen Widerstands geworden. Dort treffen sich die Menschen, um Abstand vom Alltag und dem Schrecken der vergangenen Woche zu finden. Bücher über den IS stoßen auf besonders viel Interesse bei den Besuchern des Kulturzentrums: Sie wollen verstehen, was am 13. November geschehen ist.“ Arte

Ein Plädoyer für mehr Inklusion statt Integration in Bibliotheken

Wurden zum heutigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung Veranstaltungen in öffentlichen Bibliotheken durchgeführt? Was würde eigentlich eine echte Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für öffentliche Bibliotheken bedeuten? Meist wird der Inkusionsbegriff in Bezug auf die Verwirklichung der inklusiven Schule verwendet. Wenn sich Bibliotheken als Bildungseinrichtungen definieren, müsste nicht diesbezüglich auch der Inklusionsgedanke und dessen Umsetzung eine größere Rolle spielen?

Außer der Personalpolitik im öffentlichen Dienst, die Menschen mit Behinderung fördert und der Forderung nach Barrierefreiheit, aber auch Bestände mit Büchern in leichter Sprache, sind mir bislang kaum Initiativen bekannt, die Inklusionsaspekten Rechnung tragen. Die Leiterin der Bücherei („Treffpunkt Leichte Sprache„) für Leichte Sprache der Lebenshilfe Main-Taunus-Kreis, Annette Flegel, nennt auf der Webseite Aktion Mensch Vorschläge, wie Bibliotheken noch attraktiver für Lesefreunde mit Lernbehinderung werden können:

„Mit einigen der Besucher, die auch Prüfer für Leichte Sprache sind, würde sie gerne ein Buch übersetzen, das die Zielgruppe interessiert. „Vielleicht würden wir sogar selbst eines schreiben!“, sagt Annette Flegel. Und das wäre ja fast noch besser als Lesen!“

Inzwischen gibt es in Berlin, Erlangen, Ingolstadt und Trier, aber sicher auch in anderen kommunalen Bibliotheken in Deutschland Buchbestände in Leichter Sprache. Eine Vorreiterrolle nahm mit Sicherheit die Bibliothek des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin ein. Die Büchereizentrale Schleswig-Holstein bietet auf ihrer Webseite den Flyer Bibliotheken und Inklusion zum Download an. Darin wird begründet, weshalb Öffentlichen Büchereien einen Beitrag zur Inklusion leisten.

Das Verständnis über den Inklusionsbegriff wird durch den Flyer deutlicher. Bei einem Vergleich mit den gängigen Definitionen des Inklusionsbegriffs, sind durchaus Unterschiede mit den Erläuterungen im Flyer festzustellen, da diese sehr allgemein gehalten sind. Wie würde denn eine inklusive Bibliotheksarbeit in der Praxis aussehen? Was sollten öffentliche Bibliotheken anbieten und wie sollten sich diese verändern, damit auch dort eine echte Inklusion verwirklicht werden kann? Gebe ich auf den Suchfunktionen der Webseiten des Deutschen Bibliotheksverbands, dem Bibliotheksportal und B2i den Begriff Inklusion ein, erhalte ich jeweils 34, 3 und 8 Treffer. Bei einer genauen Analyse der Qualität der Treffer, stelle ich fest, dass die Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit der Bibliotheksarbeit nur einmal vorkommt. Dabei wurde der Integrationsbegriff durch einen „/“  mit dem Inklusionsbegriff in einem Atemzug genannt. Dabei ging es aber „nur“ um ein Förderprogramm der Robert-Bosch-Stiftung („Actors of Urban Change“).  Was ist also aber genau unter Integration und Inklusion zu verstehen und weshalb werden diese Begriffe oftmals in ähnlichen/gleichen Zusammenhängen verwendet?

Inklusion bedeutet, dass kein Mensch ausgeschlossen, ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt werden darf. Als Menschenrecht ist Inklusion unmittelbar verknüpft mit den Ansprüchen auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität.  […] Inklusion  ist für alle Menschen wichtig, die nicht voll und gleichberechtigt an allen Bereichen der Gesellschaft teilhaben können, etwa aufgrund ihres Alters, ihrer sexuellen Orientierung, einer Behinderung, ihrer Hautfarbe, Herkunft oder ihrer Geschlechtsidentität. Und als Menschenrecht geht Inklusion alle Menschen an, nicht allein diejenigen, die ausgeschlossen sind. Denn Menscherechte bauen darauf auf, dass jeder Mensch den anderen als Gleichen respektiert und sich deshalb solidarisch für die Rechte der anderen einsetzt. Nur wenn alle mitmachen, kann Inklusion gelingen.“

Das folgende Video aus der Reihe „Explainity einfach erklärt“ erläutert vor allem den Begriff Inklusion und macht aber auch deutlich, dass Integration eine andere Bedeutung aufweist und in vielen Publikationen als Vorstufe zur Inklusion betrachtet wird.

Im Grunde genommen geht es um die Verwirklichung von Chancengleichheit und die gleichberechtigte Anerkennung von Vielfalt im Bildungskontext.

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Meine persönliche Rückschau auf den BID-Kongress 2013 (Teil 4)

Diesmal habe ich mir auch die vielen Posterpräsentationen angesehen und es gibt zum Beispiel auf der Internetseite von EIGE (European Institute for Gender Equality) nun europaweite Ressourcen zur geschlechtsspezifischen Gewalt, auch gegen Männer, wie Frau Dr. Karin Aleksander  mir gegenüber betonte. Doch ist Spiralcurriculum nicht schon seit Jahren in Nordrhein-Westfalen, Hamdburg und anderswo ein etablierter Standard zur Kooperation mit Schulen und Bibliotheken, um Medien- und Informationskompetenz zu fördern? Auch hierzu gab es ein Poster über Leipziger Kooperationen zwischen Schulen und Stadtbibliotheken und deren Kooperationsweisen in der Vermittlung von Medienkompetenz und Leseförderung. Leider habe ich das Poster zum Thema „Train the Trainer: Motivation, Selbstreflexion und fachliche Kompetenz von Student Advisors bei der Vermittlung von Informationskompetenz“ nicht gesehen oder übersehen, was von Michaela Zemanek von der UB Wien stammte. Dabei ging es um folgende Fragen: „Was müssen Studierende, die andere Studierende in Informationskompetenz unterweisen sollen, können? Über welche Kenntnisse und Soft Skills sollen sie verfügen? Was hilft ihnen, ihre eigene Kompetenz richtig einzuschätzen? Wie kann ihre Motivation gesteigert werden? Welche neuen Lehr- und Lernformen sind dafür geeignet?“

Am Nachmittag fand die öffentliche Arbeitssitzung des Arbeitskreises Kritische Bibliothek statt, die ich zum ersten Mal besuchte. Es sprach Peter Jobmann, der den ganzen Vortrag übernahm, den er sich ursprünglich mit Gerhard Zschau teilen wollte. Beide haben ein zusätzliches Fernstudium Demokratiepädagogik an der Freien Universität Berlin bald abgeschlossen und gemeinsam eine Abschlussarbeit zum Thema „Demokratiepädagogik und Bibliotheksentwicklung“ verfasst, welche die arg bestandorientierte Sichtweisen und Herangehensweisen in öffentlichen Bibliotheken kritisierte.

Ein weiterer Aspekt war die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff des Kunden, der deutlich machte, dass es hierzu keinen funktionalen Problembezug und keine wissenschaftliche Auseinandersetzung zu dessen Verwendung im bibliothekarischen Berufsfeld gibt. Jobmann machte die Machtasymmetrien deutlich und prangerte den semantischen Mißbrauch hierzu an. Den die Auftragsformen Markttausch, Vertragsbezeichnung und bürokratische Subordination sind Indizien dieser Asymmetrie. Er plädierte für eine berufsstandsweite Rollendiskussion und untersuchte in einem nächsten Schritt den Begriff des Leitbilds und deren Verwendung in Bibliotheken, sowie deren Implikationen. Dabei wurden 6 Typen von Leitbildern unterschieden: implizite, explizierte, propagierte (z.B. Ideen mit Leitbildpotenzial), explizite und oktroyierte Leitbilder.

Der „Code of Ethics“ vom BID (BID e.V.) wurde vom Referenten als okrtoyiert eingestuft, da das Leitbild als fremdgesetzt bewertet wurde. Demokratiepädagogisch betrachtet müssten z.B. Leitbilder 3 Dimensionen erfüllen, um wirklich als impliziert und expliziert bezeichnet werden zu können: 1. Die Erscheinungsform: mental und manifest, 2. Handlungswirksamkeit = zukunftsbezüglich, verinnerlicht, denk- und handlungsanleitend und 3. von den Vertretern selbst getragen. Bin ich automatisch Mitglied bei BID e.V., wenn ich Mitglied im Berufsverband BiB bin? Wie auch immer, wie lässt sich ein von (allen) Mitgliedern aller Bibliotheks- und Informationsverbände getragener „Code of Ethics“ denn durchsetzen? Durch Liquid Democracy? Beispiele aus anderen Ländern bzw. anderen Bibliothekwesen im internationalen Vergleich, wo Entscheidungen und Willsensbildungsprozesse auf bibliothekarischer Ebene demokratiepädagogisch durchgesetzt wurden und werden, wären sehr interessant und wichtig gewesen, um dnoch deutlicher zu machen, wie wichtig die Demokratiesierung von Bibliotheken, Berufsverbänden und dem Berufsstand im Allgemeinen wäre.

In einem vorletzten Kapitel seines Vortrags ging Jobmann auf Musik in öffentlichen Bibliotheken im Speziellen ein. Mir war zwar bekannt, dass öffentliche Bibliotheken Musik des Labels Aggro Berlin anschaffen, das frauenfeindliche und sexistische Texte enthält, aber neonazistische Musik war mir neu. Die Methode Standing Order wurde hier  teilweise kritisiert. Auch die zurecht in der Kritik stehende Musikgruppe Frei.Wild (Rechtsrock) und die Anschaffung von Musik nach dem Motto, weil es der „Kunde so will“, wurde hierbei angeprangert. Jobmann plädiert für den Aufbau von Medienkompetenz bei Bibliothekaren und Bibliothekarinnen, was laut ihm eine Leerstelle in der bibliothekarischen Aus- und Weiterbildung darstellt. Meines Erachtens ist unser Rollenverständnis durchaus in Gefahr, wenn wir Medien gleich welcher Art anschaffen, aber dem „Kunden“ nicht medienkompetent genug machen und jeden Wunsch erfüllen. Der Referent sprach sich auch für Veranstaltungen in öffentlichen Bibliotheken aus, in denen über Musikalien wie Labels wie Aggro Berlin und anderen Medien über Gefahren und deren Inhalt kritisch aufgeklärt wird. Sein Credo war das einer dialogischen Bestands- und Bibliotheksentwicklung, als nur ungefragt und unreflektiert gewünschten Content für den „Kunden“ zur Verfügung zu stellen. Das Publikum gab ihm größtenteils Recht. Besonders gefiel mir das Statement einer Bibliothekarin, die wie ein Gedicht das Rollenverständnis von vielen BibliothekarInenn satirisch deutlich machte:

„Ein Leser liest, ein Nutzer nutzt, ein Bibliothekar betreut eine Bibliothek. Ist diese krank?“

Prof. Dr. Rösch kritisierte die Novolatrie im Bibliothekswesen, die Alles Neue sofort für gut befindet und ständig Neues als gut und Altes als per se schlecht einordnet. Dabei machte er deutlich, dass nach seiner Meinung die Bestandorientiertung in deutschen Bibliotheken immer noch von einem obrigkeitsstaalichen Handeln geprägt ist. Statt nur Ausleihen und die Mediennzutung zu messen und zu beurteilen, galt sein Plädoyer den Bildungsprozessen, die durch Bibliotheken angeregt werden und im Lernort Bibliothek mit verschiedenen Lehrarrangement stattfinden. Wie können Unterhaltsträger diesen Mehrwert erkennen? Er lobte ausdrücklich den Vortrag, sprach sich gegen die „marktkonforme“ Bibliothek aus und appellierte an die Bibliothekswelt mehr Transparenz bei Entscheidungsprozessen zu schaffen und mehr Diskurse zu organisieren. Shaked Spier verlangte vom Berufsstand mehr in die Offensive zu gehen, als in Deckung und seine Rolle und sein Verständnis des Berufs besser nach außen zu kommunizieren und deutlicher zu machen, was unsere Aufgaben und unser Wert ist.

Ein letzter Votrag des Tages, welchen ich noch besuchte, handelte vom E-Day an der Staatsbibliothek zu Berlin, der phonetisch betrachtet eine Ähnlichkeit mit dem D-Day von 1944 hat. Dabei handelt es ich bei Ersterem um einen Thementag zu elektronischen Ressourcen. So wurde ein erster E-Day 2011 von 800 Menschen besucht.

Zu guter letzt ein Schlussplädoyer, das wohl von Peter Jobmann oder Gerhard Zschau stammt. Beide könnten zusammen als die Willy Brandts des deutschen Bibliothekswesens bezeichnet werden, da sie legitimerweise „Mehr Demokratie wagen“ fordern, was wohl das Credo von Brandt war. Heute scheint dies dringender und nötiger denn je. Im Europäischen Jahr der Bürger und Bürgerinnen (2013), in dem Vereine wie „Mehr Demokratie e.V.“ großen Zulauf  und Zuspruch finden und Volksentscheide und -begehren mehr und mehr von Menschen in Deutschland eingefordert werden, greifen die beiden ein Thema auf, dass auch im Unternehmenskontext zunehmend Machtstrukturen verändert werden. Doch Demokratie macht Arbeit und Innovation entsteht wohl leichter durch demokratische als durch autokratische Strukturen, oder?

Ich will weg vom Verwaltungsbibliothekswesen. Ja – dieser Teil wird den Weg gehen, den Gunter Dueck beschreibt: unterbezahlt und in Masseneinrichtung organisiert. Der einzige Weg in die Zukunft führt Bibliotheken über demokratische Wege. Bisher sind wir grenzwertig “unterprofessionell”. Wir haben fast keine Ahnung von Medienpädagogik, obwohl wir täglich Medien hin und her reichen und wir haben keine Ahnung ob unsere Leseförderung funktioniert, obwohl wir uns damit legitimieren. Wir wissen auch nicht, wie wir eigentlich die Verteidigung gegen unmenschliche (fängt bei Alltagsrassismus an) Inhalte organisieren, so wir denn überhaupt wollen (wo wir ja so neutral sind).