Ab 11 Uhr am 13.03. ging es in der KIBA-Lounge um die interdisziplinäre GeNu-Media-Teilstudie (verschiedener Fachbereiche) der HTWK Leipzig: „Analyse der Möglichkeiten und Grenzen intergenerativer Zielgruppenorientierungen in Bibliotheken“.
Sandra Michaelis (GeNuMedia) und Prof. Dr. Gerhard Hacker hielten hierzu einen Vortrag mit dem Titel „Bibliotheken – der neue Ort generationsübergreifender Medienbildung?“ Bereits 2012 wurde dieses Teilprojekt auf dem Bibliothekartag in Hamburg mit dem Titel „Senioren im Fokus. Die Nachwuchsforschergruppe GeNuMedia- Barrierefreie Medien – Generationsübergreifende Nutzungskonzepte“ vorgestellt. Der letztjährige Vortrag zu diesem Thema gibt die Grundstruktur wieder, welche auch dieses Jahr einleitend so präsentiert wurde. Das Projekt ist in unterschiedliche Schwerpunkte eingeteilt. Nachdem eine Datenbasis zur Medienaneignung und Intergenerativen Medientechnologien erstellt ist, sollen Handlungsempfehlungen für die Konzeption und Realisation generationsadäquater Medientechnologien erstellt werden. Dabei hatte ich den Eindruck, dass der Begriff Medienkompetenz häufiger verwendet wurde als Informationskompetenz. Nach einer Definiton des Begriffs Medienkompetenz nach Tulodziecki wurde auf Sekundäranalysen des (Medien-)nutzungsverhaltens in Bibliotheken eingegangen. Mehr dazu findet sich in der oben angegebenen Verlinkung (hier im Blog) zum letztjährigen Vortrag,
„Medienkompetenz beschreibt das Vermögen und die Bereitschaft in Medienzusammenhängen sachgerecht, selbstbestimmt, kreativ und sozial verantwortlich zu handeln“ (Schulz-Zander & Tulodziecki, 2009, S. 44).
Die medialisierten Lebenswelten stellen nicht nur Bibliotheken vor neue Herausforderungen, dass diese z.B. die soziale Inklusion, die Partizipation, die intergenerative Kommunikation oder den Zugang zum Arbeitsmarkt mit-fördern und befördern. Am Ende wurde eine Analyse der Möglichkeiten & Grenzen vorgenommen, bei der die Altersstruktur und das Mediennutzungsverhalten von Alten und Jungen analysiert wurde. In einem nächsten Schritt wurden die Anforderungen und Bedürfnisse an an medienkompetenzvermittelnder generationsspezifischer Anforderungsprofile identifiziert. Schritt Nummer 3 beinhaltet die Analyse bereits vorhandener medienkompetenzvermittelnder angebotsstrukturen für ältere Menschen. Als vorletzten Schritt sollen Schulungen für sächsische Modellbibliotheken konzipiert und durchgeführt werden. Es ist auch angedacht intergenerative E-Learning-Angebote zur Vermittlung zur (Informations- und/oder) Medienkompetenz zu entwickeln.
Im anschließenden Vortrag wurde das neue Marken- und Kommunikationskonzept der Stadtbibliothek (im Bildungscampus) Nürnberg vorgestellt. Das neue Gebührenmodell der Stadtbibliothek Nürnberg wurde hier im Blog schon am 30.12.2012 besprochen. Die sogenannte Testimonial-Kampagne war durchaus anregend und inspirierend. Erstmals wagte es eine Bibliothek in Deutschland offen und transaperent in der ganzen Stadt mit einer Mitarbeiterin mit einem sogenannten Migrationshintergrund zu werben, die bei der Werbekampagne zur Neueröffnung der Bibliothek freiwillig mitmachte und auf dem Foto so gar nicht dem klassischen/klischeehaften Aussehen von sogenannten ottonormaldeutschen BibliothekarInnen entsprach. In der aktuellen Zeitschrift BuB gibt es auf den Seiten 222-223 ein Interview mit der jungen Bibliothekarin aus Nürnberg, das Susanne Schneehorst führte. Terkessidis bezeichnete solche Kampagnen in seinem Buch „Interkultur“ auch als interkulturelles Branding, was im bibliothekarischen Bereich, wie das Beispiel aus Nürnberg zeigt, noch ein Novum ist. Terkessidis appelliert(e) in seinem Buch an den Humorgedanken, als er eine Kampagne aus den 1980er Jahren der Openbaren Bibliotheek in Amsterdam zitierte:
„Auf einem Plakat war damals ein schwarzes Mädchen mit einem Buch in der Hand
zu sehen. Darunter stand: »Ich war mal eine dumme Blondine.«“
Das leider noch in vielen Köpfen vorhandene Ius-Sanguis-Denken, das Ethnisieren und schubladisieren von Menschen anderer Herkunft, ist nicht nur in der Bibliothekswelt unter Nutzern (und vermutlich auch BibliothekarInnen) verbreitet, nein, überall, auch in Schulen, auf der Straße und in sehr vielen Vereinen und Institutionen wären solche Plakate wünschenswert, auch beim Handwerk, das so händeringend in bestimmten Branchen Nachwuchssorgen hat oder bei der Feuerwehr, die ebenso mehr eine Willkommenskultur ausstrahlen könnten, um Hemmnisse und Zugänge zu beseitigen.
Mitte der 2000er Jahre brannte ein Kiosk in Berlin-Kreuzberg (im Wrangelkiez) und die Anwohner waren über das späte Eintreffen der Feuerwehr äußerst verwundert/verärgert/wütend und manche Stimmen warfen den Feuerwehrleuten sogar Rassismus vor. Dennoch traf die Feuerwehr bereits 5 Minuten nach Eingang der Meldung ein, aber der Lottobudenbesitzer Bilal Y. starb leider an einer Rauchvergiftung. Soweit ich mich an diesen Vorfall erinnere, lag die Hauptstelle der Feuerwehr (Wienerstraße) überhaupt nicht weit weg vom Brandtatort (Oppelnerstraße). Es mangelt wohl bei vielen Migranten/Flüchtlingen/Zuwandern gleich welcher Art an Vertrauen gegenüber Institutionen/Behörden und Bildungs- und Lerneinrichtungen, als die sich auch Bibliotheken verstehen.
Im vielleicht meiner Meinung nach beeindruckendsten Vortrag des Bibliothekartages von Armin Heigl, der übrigens kein Bibliothekar, sondern Gymnasiallehrer ist, wurde deutlich, dass Vorurteile über Lehrer nur Vorurteile sind und Armin Heigl vermutlich durch sein Engagement und seinen Einsatz alle beeindruckte, was Idealismus, Tatendrang und Offenheit für Veränderungen betrifft. Die Schulbibliothek war den meisten Schüler_innen bis zum Zeitpunkt der Veränderung eher als Ort bekannt, wo Lehrer_innen ihre Konferenzen abhalten und Essenbons verkauft wurden. Der Change-Prozess zog sich über mehrere Jahre hin. Es wurde ein Projektseminar zum Thema „Umgestaltung der Schulbibliothek zu einem Lern- und Medienzentrum“ angeboten, dass eigentlich nur weibliche Schülerinnen belegten, da der einzige männliche Teilnehmer kurz vor Beginn noch absprang. Um diesen Vortrag abzukürzen, will ich an dieser Stelle auf die positiven und hoffentlich nachhaltigen Effekte eingehen. Seit kurzem arbeitet eine gelernte Buchhändlerin halbtags in der Schulbibliothek und eine breite Mehrheit an Lehrer_innen ist bereit diese Bibliothek künftig in ein Medienlabor zu verwandeln, in dem Schüler_innen den Umgang mit Tablets und anderen zeitgemäßen Medien, wie auch den Erwerb von der jeweiligen Medien-Kompetenz, einüben. Eine seiner ehemaligen Schülerinnen, die an dem Projektseminar teilnahm, baute nach ihrer Schulzeit in einem freiwilligen sozialen Jahr eine Bibliothek in Afrika auf. Der Respekt bzw. die Daseinsberechtigung einer Schulbibliothek wird vom Lehrerkollegium nicht mehr angezweifelt und die Weiterentwicklung bzw. ein möglicher Neubau wären weitere Zukunftsprojekte für diese Einrichtung.
Zum ersten Mal nahm ich an einem Treffen der AG Gender/Diversity teil, das von Frau Dr. Karin Aleksander, der Leiterin der Genderbibliothek geleitet wurde. Vorgestellt wurde der vier Tage zuvor im Blog gepostete vornehmlich von Danilo Vetter gedrehte Film „Die geschätzte Kollegin vom festgezurrten Haupthaar : Geschlecht (k)eine Frage in Bibliotheken?„. Die anschließend Diskussion hierzu und die Ermunterung diesen Film Kollegen und Kolleginnen zu zeigen und weiterzuempfehlen, stieß auf ein großes Echo. Die wütende und aggressive Reaktion eines Bibliotheksleiters in der zeitgrößten Stadt Österreichs auf den Vorschlag einer Nutzerin im sogenannten „Wunschbuch“ mehr Literatur zum Themenfeld LGBT als Verbesserungsidee anzugeben, war ebenso Thema in der Debatte, da dies erst vor wenigen Jahren geschah und die Reaktionen des Leiters hohe Wellen schlugen. Der Film analysierte auch die Hintergründe der Entstehung des Berufsfelds Bibliothekar/Bibliothekarin und suchte nach Erklärungsmuster, weshalb die(se) Feminisierung nach vor ein entscheidendes Merkmal darstellt. Eines der Fazits, war das Erwerbs-Biografien von Bibliothekaren und Bibliothekarinnen stärker aufgearbeitet werden müßten und der Genderblick auch bei denen geschult werden müßte, welche bislang für diese Thematik nicht genug sensibilisiert, empfänglich und offen sind. Letztlich ist es eine gesamtbibliothekarische Aufgabe vermeintliche Randthemen wie etwa die Genderthematik, den Postkolonialismus und des Implikationen/Auswirkungen (wozu teilweise auch spezielle Bestände und Festivitäten wie der Black History Month zur Geschichte Schwarzer Menschen und zur „Schwarzen Deutschen Bewegung“ in Deutschland zählen), Diversität, Intersektionalität oder die Ursachen und Folgen der Feminisierung stärker in den Mainstream eines solchen Bibliothekentages oder Bibliothekstages 🙂 zu tragen. Ähnlich wie bei dem Thema Interkulturelle Bibliotheksarbeit, wo nun auch mehr Bibliothekar_innen mit Migrationshintergrund anwesend sind als früher, könnte die Thematik durchaus einen höheren Stellenwert verdienen, wenn bereits im Studium und in der Ausbildung hierfür eine andere Art der Sensibilisierung und Bewußtseinsschaffung stattfinden würde. Der zwischenmenschlichen Kontakt zwischen Bibliothekar und Nutzer scheint eine größere Rolle, als bei anderen Bibliothekartagen gespielt zu haben.
Das folgende Plädoyer ist nun nicht kirchlich oder konfessionell gemeint, sondern bezieht sich meiner Auffassung nach auf das Grundverständnis bibliothekarischer Arbeit, was in ähnlicher Form Papst Franziskus für seine Kirche forderte. Nun wage ich den Versuch dies auf (öffentliche) Bibliotheken umzuformulieren („Bibliothek der offenen Türen“; Stichwort Niedrigschwelligkeit, Barrierefreiheit nicht nur ein Begriffskonstrukt für behinderte Menschen, sondern für alle, bei denen der Zugang zur Bibliothek eine Schwellenangst hervorruft). Gibt es denn keine Statistiken darüber, dass in Gegenden, wo Bibliotheken existieren, der soziale Friede und die Kriminalitätsrate durchschnittlich geringer ist, ähnlich wie es bei Bahnhöfen, in den klassische Musik ertönt, der Fall ist? Deshalb kam mir das Thema der Erreichnung von Nichtnutzer_innen, von Männern und/oder Strategien zur Erreichung von Menschen, welche von Exklusion betroffen sind (wie etwa Flüchtlingen/Asylbewerber) leider zu kurz. Die Erfüllung eines echten sozialen Auftrags von öffentliche Bibliotheken als Zusatz zu statistischen Ausleihkennzahlen, wäre sicherlich in (manchen) Stadtteilen und Gemeinden durchaus interessant als Zielvorgabe:
„Wenn wir rausgehen auf die Straße, dann können Unfälle passieren. Aber wenn sich die Bibliothekar_Innen nicht öffnen, nicht da präsent sind, wo Bildungsbenachteiligte, Arme und von sozialer Exklusion betroffene Menschen sind, dann können sie beim „Kampf“ gegen Armut, den Einsatz für sozialen Frieden und dem Wohl ihrer (potentiellen) Communities herzlich wenig ausrichten. Es geht darum Brücken zu bauen. Wenn ich die Wahl habe zwischen einer bibliothekarischen Öffentlichkeit, die sich beim Rausgehen auf die Straße Verletzungen zuzieht und einer bibliothekarischen Öffentlichkeit, die erkrankt, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, dann habe ich keine Zweifel: Ich würde die erste Option wählen.“
Die breite Vielfalt an Themen erlaubte es kaum eine Session zu verpassen und letztendlich verpasste man ständig etwas, da es keine Parallelschaltung zu anderen Vorträgen über die Internetseite www.livestream.com etc. gab. Interessant wäre für künftige Bibliothekar*tage, mehr Vorträge auf YouTube und Slideshare hochzuladen, zusätzlich zu den eigentlichen Präsentationen oder auch gehörlose, blinde und behinderte Bibliothekar_innen mehr einzubeziehen. Bislang habe ich diese Gruppen nie auf irgendeinem Bibliothekartag gesehen. Den folgenden und letzten Tag, den 14.03., nutzte ich zu einem Besuch der Buchmesse, um zu sehen, was gerade „in“ ist und welches Lese- und Hörerlebnisse besonders beliebt sind.
Am 3. Tag des BID-Kongresses ging es ab 9 Uhr unter anderem um Bibliotheken als Akteure der Kinder- und Jugendkultur. Im Vortrag 1 „…Billard wäre auch nicht schlecht“ dieser Session in Saal 2 handelte es sich um leitdenfadengestützte Gruppeninterviews mit Jugendlichen im Alter von 12-19 Jahren, die in Leipzig durchgeführt wurden. Es ging um die Vorstellung von Ergebnissen aus der Studie “Das Image von Bibliotheken bei Jugendlichen”, die auch in der aktuelle BuB-Ausgabe ausführlich erwähnt wurde. Besonders in Erinnerung ist mir das Zitat eines Jugendlichen geblieben, der oder die sagte, „in der Bibliothek darf man fast alles nicht machen“, was mich an den Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ erinnert von Paul Watzlawick. Auch DonBib hatte hierzu schon seine Meinung geäußert. Ronald Gohr plädierte am Schluß des Vortrags dafür Beziehungen mit den Jugendlichen aufzubauen, ähnlich äußern sich auch der Leipziger Bildungsforscher Prof. Dr. Klemm zu den Sudbury-Schulen, der aber leider am Biibliothekskongress nicht anwesend war. Es ist die Autonomie des Kindes, die laut ihm im Vorgrund stehen müßte:
„Das ist einmal der Beteiligungsaspekt beziehungsweise die Beteiligungsrechte von Kindern, aber auch von Eltern und von Lehrern. Und der zweite Aspekt ist das Bild vom Kind, also, wie wir so schön sagen, die Anthropologie des Kindes. Das Kind ist ein autonomes, selbstbewusstes Wesen, das ist eigentlich die Präambel auch der demokratischen Schulen. Und dieser Blick auf das Kind, der fehlt oftmals, sage ich, an deutschen Schulen. […] Auf der Basis der Bildungsselbstbestimmung bestimmen die Schüler, die Kinder – Schüler sind es ja auch keine im klassischen Sinne -, bestimmen selber, was sie selber, wie sie lernen und auch wann sie lernen, und mit wem, ganz entscheidend!
Unabhängig von dem Vortrag von Frau Prof. Dr. Keller-Loibl stellt sich bei mir die Frage, ob sich Konzepte der Sudbury-Pädagogik auch in der Ausbildung und im Studium angehender Bibliothekare und Bibliothekainnen in die Lehr- und Lerninhalte übertragen ließen.
In dem weiteren interessanten Beitrag „Kinderkultur – neue Wege für Bibliotheken dargestellt am Beispiel der Schul- und Kinderbibliothek Kelsterbach“ von Meike Kaiser, wurde zu Beginn deutlich, wie angespannt die Haushaltslage für öffentliche Bibliotheken speziell in Hessen sind. Durch noch glückliche Umstände ist die eben genannte Einrichtung im Gegensatz zu 100 anderen in Hessen noch nicht unter dem Rettungsschirm. Kaiser betonte, dass Bibliotheken vielfältiger werden müssen und Kultur und Soziales integrieren müssten. In Kelsterbach wohnen zwischen 50-70 % Migranten. Laut ihrer Schätzung sind es sogar um die 80 %. So bietet die Bibliothek eine Kunstwerkstatt an und verwirklicht kulturpädagogische Konzepte. Sie vermittelt kulturelles und ästhetisches Handeln. Hinzu kommen unter anderem Kinderkinoveranstaltungen, Kindertheater und Kinderkonzerte.
Abschließend würde ich noch ergänzen, dass andere für diese Form der Bibliotheksarbeit auch das Label „Interkulturelle Bibliotheksarbeit“ verwendet hätten und diesen Vortrag auf diese Weise so „verkauft“ hätten. Ich finde es gut, dass Meike Frau Kaiser es nicht getan hat. Doch wäre eine Kulturalisierung von Kindern, bei denen meisten eher die Groß- und Urgroßeltern schon nach Deutschland kamen, nicht auch eine Form von Ethnisierung? Ist das interkulturell kompetente Zusammenleben nicht häufig von einer derartig kulturalisierenden Gesellschaftstheorie geprägt? Deshalb ist es gerade bei Kindern wichtig, dass diese „normal“ aufwachsen und Andersein nicht überbetont wird aufgrund von anderen Muttersprachen, die natürlich eine Bereicherung sind und auch gesprochen werden sollen, aber diesem Falle nicht hilfreich wären. Es sei hier aber auf Prof. Dr. Mecheril von der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg verwiesen, der vor dieser Art der Paternalisierung des vermeintlich kulturell Anderen warnt, die sich leider auch manchmal in Bibliotheken und deren Arbeit mit Migranten niederschlägt:
„Im Diskurs über Trans- und Interkultur wird in der Regel ein Aspekt stillschweigend vorausgesetzt, nämlich dass „wir“ über „sie“ reden. Professionalität ist wie selbstverständlich an die Mehrheitsposition geknüpft. Sobald es Mehrheitsangehörige mit Minderheitenangehörigen zu tun haben, legen dominante Diskurse „kulturelle Differenz“ nahe. Da diese Nahelegung einseitig ist (ein Elend), also kaum thematisiert wird, wie Professionelle mit „nicht-österreichischem“ Hintergrund kulturell mit „ÖsterreicherInnen“ klarkommen, werden im inter- und transkulturellen Diskurs die Anderen kulturell objektiviert. „Kultur“ ist ein Werkzeug der Vergegenständlichung der Anderen, Instrument ihrer Entsubjektivierung. Dies korrespondiert der gesamtgesellschaftlichen Schwierigkeit, „Andere“ als Subjekte anzuerkennen. Der in den interkulturellen Milieus heimische Paternalismus beispielsweise bedarf des entsubjektivierten Status der Anderen. In gewisser Weise brauchen „wir“ die Anderen, um uns darüber klar zu werden, dass wir es gut meinen.“
In einem weiteren Vortrag dieses Vormittags wurde „Die JungeMedienJury (JMJ) der Stadtbücherei Frankfurt am Main“ vorgestellt. Positive Effekte waren, dass der kritische Medienkonsum gefördert wurde, die Diskussionsfähigkeit geschult wurde, jugendliche ein öffentliches Forum und Anerkennung erhielten. Die Leseförderung passierte hier eher indirekt durch BibliothekarInnen, sondern vielmehr durch die peer groups. Es konnten Freundschaften und Netzwerke entstehen, viele haben Gleichgesinnte kennen gelernt. Die Idee dahinter ist, dass Jugendliche selbst ein alltägliches Medium bewerten. Als beratender Kopf, konnte Prof. Dr. Ewers vom Institut für Jugendbuchforschung gewonnen werden. Hierzu wurden Kritikerworkshops abgehalten. Die JMJ fragte und Experten antworteten. Besonders interessant und spannend war sicherlich die Kooperation mit der Litprom, der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Südamerika. Zusätzlich wurde Medien breiter gefasst und auch Computerspiele wurden mit hinzugenommen. Der Spieleentwickler aus Frankfurt am Main, Deck 13 konnte als Partner gewonnen werden. Ansonsten gab es gute Sponsoren wie den Lions Club, dem Drogenreferat der Stadt Frankfurt und prominente Schirmherren und -frauen, wobei die Referentin Frau Roswithe Kopp darauf verwies bei der Auswahl von Schirmpersonen vorsichtig zu sein, dass der Promifaktor wie bei Sabrina Setlur oder anderen z.B. von No Angels nicht das eigentliche Projekt in den Hintergrund stellen darf.
Bei „JuJu – Jugendliche beraten Jugendliche – das Projekt der Stadtbibliothek Oberursel“ ging es auch um die Methode „Lehren durch Lernen„. Es gibt dort zum Beispiel auch ein Jugendbüro, in dem ein Sozialpädagoge tätig ist. Das Projekt „Buchdurst“ hat mich besonders beeindruckt. Die aktive Beteiligung der Jugendlichen klang sehr interessant, da hier das Gefühl bei den Zielgruppen entstand, dass sie sich mit ihrer Einrichtung besser identifizieren. Trotz einer betreuungsintensiven Arbeit durch die BibliothekarInnen, waren diese vom „Outcome“ ihres Projekts sehr angetan. Als Belohnung erhielten Jugendliche freie Getränke, werden bei der Erstausleihe neuer Medien bevorzugt und erhalten Süßigkeiten. Jugendliche beraten auch Erwachsene in bestimmten Fragen. Zum ersten Mal sind diese keine Konsumenten und die Zielgruppe Jugendliche wird selbst an der Bibliotheksarbeit beteiligt. Diese partizipative Element machte auf mich einen großen Eindruck, da dadurch die soziale Kohäsion und das Image der Bibliothek merklich gesteigert werden konnte. Die Bibliothek gewann auch schon den Hessischen Leseförderpreis 2011:
„Auch das Hip-Hop-Leseprojekt, welches das Jugendbüro in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei konzipierte und mit vielen Schulklassen durchführte, bekam den mit 3.750,- Euro dotierten ersten Preis der Hessischen Leseförderung. Das Projekt nutzt verschiedene Elemente des Hip-Hop, um leseunlustigen Schülern Bücher näher zu bringen.“
In Oberursel beraten Jugendliche ehrenamtlich andere Jugendliche z.B. an der Infotheke der Jugendbücherei. Junge noch NICHT-Nutzer/innen kamen dadurch eher, um ihre Klassenkamerad/innen zu besuchen. Entscheidungen, wie etwa zur Einrichtung, der Dekoration oder der Medien des Jugendbereiches, wurden im Konsens mit den Jugendlichen getroffen. Dabei helfen sie auch beim Zurückstellen von Medien mit, sowie bei Projekten und Veranstaltungen.
Diesmal habe ich mir auch die vielen Posterpräsentationen angesehen und es gibt zum Beispiel auf der Internetseite von EIGE (European Institute for Gender Equality) nun europaweite Ressourcen zur geschlechtsspezifischen Gewalt, auch gegen Männer, wie Frau Dr. Karin Aleksander mir gegenüber betonte. Doch ist Spiralcurriculum nicht schon seit Jahren in Nordrhein-Westfalen, Hamdburg und anderswo ein etablierter Standard zur Kooperation mit Schulen und Bibliotheken, um Medien- und Informationskompetenz zu fördern? Auch hierzu gab es ein Poster über Leipziger Kooperationen zwischen Schulen und Stadtbibliotheken und deren Kooperationsweisen in der Vermittlung von Medienkompetenz und Leseförderung. Leider habe ich das Poster zum Thema „Train the Trainer: Motivation, Selbstreflexion und fachliche Kompetenz von Student Advisors bei der Vermittlung von Informationskompetenz“ nicht gesehen oder übersehen, was von Michaela Zemanek von der UB Wien stammte. Dabei ging es um folgende Fragen: „Was müssen Studierende, die andere Studierende in Informationskompetenz unterweisen sollen, können? Über welche Kenntnisse und Soft Skills sollen sie verfügen? Was hilft ihnen, ihre eigene Kompetenz richtig einzuschätzen? Wie kann ihre Motivation gesteigert werden? Welche neuen Lehr- und Lernformen sind dafür geeignet?“
Am Nachmittag fand die öffentliche Arbeitssitzung des Arbeitskreises Kritische Bibliothek statt, die ich zum ersten Mal besuchte. Es sprach Peter Jobmann, der den ganzen Vortrag übernahm, den er sich ursprünglich mit Gerhard Zschau teilen wollte. Beide haben ein zusätzliches Fernstudium Demokratiepädagogik an der Freien Universität Berlin bald abgeschlossen und gemeinsam eine Abschlussarbeit zum Thema „Demokratiepädagogik und Bibliotheksentwicklung“ verfasst, welche die arg bestandorientierte Sichtweisen und Herangehensweisen in öffentlichen Bibliotheken kritisierte.
Ein weiterer Aspekt war die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff des Kunden, der deutlich machte, dass es hierzu keinen funktionalen Problembezug und keine wissenschaftliche Auseinandersetzung zu dessen Verwendung im bibliothekarischen Berufsfeld gibt. Jobmann machte die Machtasymmetrien deutlich und prangerte den semantischen Mißbrauch hierzu an. Den die Auftragsformen Markttausch, Vertragsbezeichnung und bürokratische Subordination sind Indizien dieser Asymmetrie. Er plädierte für eine berufsstandsweite Rollendiskussion und untersuchte in einem nächsten Schritt den Begriff des Leitbilds und deren Verwendung in Bibliotheken, sowie deren Implikationen. Dabei wurden 6 Typen von Leitbildern unterschieden: implizite, explizierte, propagierte (z.B. Ideen mit Leitbildpotenzial), explizite und oktroyierte Leitbilder.
Der „Code of Ethics“ vom BID (BID e.V.) wurde vom Referenten als okrtoyiert eingestuft, da das Leitbild als fremdgesetzt bewertet wurde. Demokratiepädagogisch betrachtet müssten z.B. Leitbilder 3 Dimensionen erfüllen, um wirklich als impliziert und expliziert bezeichnet werden zu können: 1. Die Erscheinungsform: mental und manifest, 2. Handlungswirksamkeit = zukunftsbezüglich, verinnerlicht, denk- und handlungsanleitend und 3. von den Vertretern selbst getragen. Bin ich automatisch Mitglied bei BID e.V., wenn ich Mitglied im Berufsverband BiB bin? Wie auch immer, wie lässt sich ein von (allen) Mitgliedern aller Bibliotheks- und Informationsverbände getragener „Code of Ethics“ denn durchsetzen? Durch Liquid Democracy? Beispiele aus anderen Ländern bzw. anderen Bibliothekwesen im internationalen Vergleich, wo Entscheidungen und Willsensbildungsprozesse auf bibliothekarischer Ebene demokratiepädagogisch durchgesetzt wurden und werden, wären sehr interessant und wichtig gewesen, um dnoch deutlicher zu machen, wie wichtig die Demokratiesierung von Bibliotheken, Berufsverbänden und dem Berufsstand im Allgemeinen wäre.
In einem vorletzten Kapitel seines Vortrags ging Jobmann auf Musik in öffentlichen Bibliotheken im Speziellen ein. Mir war zwar bekannt, dass öffentliche Bibliotheken Musik des Labels Aggro Berlin anschaffen, das frauenfeindliche und sexistische Texte enthält, aber neonazistische Musik war mir neu. Die Methode Standing Order wurde hier teilweise kritisiert. Auch die zurecht in der Kritik stehende Musikgruppe Frei.Wild (Rechtsrock) und die Anschaffung von Musik nach dem Motto, weil es der „Kunde so will“, wurde hierbei angeprangert. Jobmann plädiert für den Aufbau von Medienkompetenz bei Bibliothekaren und Bibliothekarinnen, was laut ihm eine Leerstelle in der bibliothekarischen Aus- und Weiterbildung darstellt. Meines Erachtens ist unser Rollenverständnis durchaus in Gefahr, wenn wir Medien gleich welcher Art anschaffen, aber dem „Kunden“ nicht medienkompetent genug machen und jeden Wunsch erfüllen. Der Referent sprach sich auch für Veranstaltungen in öffentlichen Bibliotheken aus, in denen über Musikalien wie Labels wie Aggro Berlin und anderen Medien über Gefahren und deren Inhalt kritisch aufgeklärt wird. Sein Credo war das einer dialogischen Bestands- und Bibliotheksentwicklung, als nur ungefragt und unreflektiert gewünschten Content für den „Kunden“ zur Verfügung zu stellen. Das Publikum gab ihm größtenteils Recht. Besonders gefiel mir das Statement einer Bibliothekarin, die wie ein Gedicht das Rollenverständnis von vielen BibliothekarInenn satirisch deutlich machte:
„Ein Leser liest, ein Nutzer nutzt, ein Bibliothekar betreut eine Bibliothek. Ist diese krank?“
Prof. Dr. Rösch kritisierte die Novolatrie im Bibliothekswesen, die Alles Neue sofort für gut befindet und ständig Neues als gut und Altes als per se schlecht einordnet. Dabei machte er deutlich, dass nach seiner Meinung die Bestandorientiertung in deutschen Bibliotheken immer noch von einem obrigkeitsstaalichen Handeln geprägt ist. Statt nur Ausleihen und die Mediennzutung zu messen und zu beurteilen, galt sein Plädoyer den Bildungsprozessen, die durch Bibliotheken angeregt werden und im Lernort Bibliothek mit verschiedenen Lehrarrangement stattfinden. Wie können Unterhaltsträger diesen Mehrwert erkennen? Er lobte ausdrücklich den Vortrag, sprach sich gegen die „marktkonforme“ Bibliothek aus und appellierte an die Bibliothekswelt mehr Transparenz bei Entscheidungsprozessen zu schaffen und mehr Diskurse zu organisieren. Shaked Spier verlangte vom Berufsstand mehr in die Offensive zu gehen, als in Deckung und seine Rolle und sein Verständnis des Berufs besser nach außen zu kommunizieren und deutlicher zu machen, was unsere Aufgaben und unser Wert ist.
Ein letzter Votrag des Tages, welchen ich noch besuchte, handelte vom E-Day an der Staatsbibliothek zu Berlin, der phonetisch betrachtet eine Ähnlichkeit mit dem D-Day von 1944 hat. Dabei handelt es ich bei Ersterem um einen Thementag zu elektronischen Ressourcen. So wurde ein erster E-Day 2011 von 800 Menschen besucht.
Zu guter letzt ein Schlussplädoyer, das wohl von Peter Jobmann oder Gerhard Zschau stammt. Beide könnten zusammen als die Willy Brandts des deutschen Bibliothekswesens bezeichnet werden, da sie legitimerweise „Mehr Demokratie wagen“ fordern, was wohl das Credo von Brandt war. Heute scheint dies dringender und nötiger denn je. Im Europäischen Jahr der Bürger und Bürgerinnen (2013), in dem Vereine wie „Mehr Demokratie e.V.“ großen Zulauf und Zuspruch finden und Volksentscheide und -begehren mehr und mehr von Menschen in Deutschland eingefordert werden, greifen die beiden ein Thema auf, dass auch im Unternehmenskontext zunehmend Machtstrukturen verändert werden. Doch Demokratie macht Arbeit und Innovation entsteht wohl leichter durch demokratische als durch autokratische Strukturen, oder?
„Ich will weg vom Verwaltungsbibliothekswesen. Ja – dieser Teil wird den Weg gehen, den Gunter Dueck beschreibt: unterbezahlt und in Masseneinrichtung organisiert. Der einzige Weg in die Zukunft führt Bibliotheken über demokratische Wege. Bisher sind wir grenzwertig “unterprofessionell”. Wir haben fast keine Ahnung von Medienpädagogik, obwohl wir täglich Medien hin und her reichen und wir haben keine Ahnung ob unsere Leseförderung funktioniert, obwohl wir uns damit legitimieren. Wir wissen auch nicht, wie wir eigentlich die Verteidigung gegen unmenschliche (fängt bei Alltagsrassismus an) Inhalte organisieren, so wir denn überhaupt wollen (wo wir ja so neutral sind).
Der zweite Tag begann unter anderem mit der Session „Was Ihr Wollt“ – Nutzerforschung in Bibliotheken, die von Ulla Wimmer (HU Berlin) moderiert wurde. Dabei möchte ich eigentlich vor allem auf den Vortrag von der Ethnologin und Bibliothekarin Corinna Haas eingehen, die in einer Einführung Ethnographische Methoden in der Bibliotheksforschung vorstellte. Besonders bemerkenswert war, dass bereits Pierre Bourdieu als einer der ersten weltweit 1965 „The Users of Lille University Library“ verfasste, was viele Jahre in der anglo-amerikanischen Welt und darüber hinaus wohl kaum jemand zur Kenntnis nahm. Er untersuchte die Bibliotheksbenutzung als Perfomance im Raum und griff als Vorreiter auch Fragestellungen um das Thema „Informationskompetenz“ auf. Weitere Infos zum Originaltext hier:
Les utilisateurs de la bibliothèque universitaire de Lille, in Rapport pédagogique et communication, Bourdieu, Passeron, Saint-Martin (eds.) Mouton, Cahiers du Centre de sociologie européenne, 2, 1965, p.9-36; aussi, Les temps modernes, 232, septembre 1965, p.109-220
Doch nach einer kurzen Recherche, stelle ich schon fest, dass es noch mindestens ein weiteres ethnografisches Projekt an einer Universitätsbibliothek in Frankreich gibt, das Anthrolib nicht verzeichnet. 2008 wurde an der „Bibliothèque universitaire centrale de l’Université Toulouse Le Mirail“ eine „enquête ethnographique“ durchgeführt. Die Publikation hierzu ist „Du lecteur à l’usager“: Ethnographie d’une bibliothèque universitaire aus dem Jahr 2010, welche von der Soziologin Mariangella Roselli und Marc Perrenoud verfasst wurden. Ein 33-seitiger Fachartikel „Formes de réception et d’appropriation des ressources numériques en milieu étudiant“ von Roselli zur ethnografischen Untersuchung in Toulouse findet sich unter folgendem Link. Eine lesenswerte Rezension zu diesem Buch findet sich auf der Internetseite von „La Vie des Idées“, wo auch erwähnt, welche Nutzertypen Roselli und Pernoud die B.U. in Toulouse frequentieren. Dabei wird auch auf die Feminisierung des Bibliothekspersonals eingegangen, was einer kritischen Betrachtung unterzogen wurde.
Weitere Erkenntnisse aus dem Vortrag waren, dass es bislang erst insgesamt etwa 60 Projekte ethnografischer Forschung in bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Einrichtungen gab, wovon sehr viele in den USA an der Universität von Rochester durchgeführt wurden, wie auf der Webseite von Anthrolib der eben genannten Einrichtung zu sehen ist. Dabei waren das sehr unterschiedliche Herangehensweisen von Untersuchungen zur „Information infrastructure in rural libraries in Romania“ bis hin zu „How children are using computers“. Hierbei fielen für mich neue Fachausdrücke wie „Participatory Design“ oder Space Design, die im bibliothekarischen Bereich bei der Anwendung ethnografischer Methoden einen Schwerpunkt bilden. Werden ethnografische Methoden außer am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der HU Berlin auch an Hochschulen gelehrt? Aufgrund der Tatsache, dass die Vortragsfolien nun schon online sind, will ich nur noch auf die letzte Folie eingehen. Dabei warf Haas einige Fragen auf, die für die weitere Bibliotheksarbeit und -forschung zukünftig eine Beantwortung verlangen: „Brauchen wir mehr Bibliothekare, die ethnographische Methoden in ihrer Einrichtung anwenden oder mehr Ethnografen ( wie Corinna Haas oder Frank Seeliger)? Wer ist überhaupt in der Lage solche Studien durchzuführen? Wie ist bislang hierzu die Interessenlage oder die Finanzierung?“
Sie plädierte dafür ethnografischen Methoden auch in Schulbibliotheken und öffentlichen Bibliotheken auszuprobieren, was bislang noch zu wenige weltweit „wagten“. Warum eigentlich?
Der anschließende Vortrag „Von der Ethnography zum Participatory Design: Qualitative Nutzerstudien als integraler Bestandteil in der (Weiter-)entwicklung bibliothekarischer Services von Kerstin Schoof & Frank Seeliger ist leider noch nicht online. Schorf benannte des Dialog und die teilnehmende Beobachtung als zentrale Elemente, um Rückschlüsse auf neue und geforderte Dienstleistungen der eigenen Einrichtung zu ziehen. Participatory Design wurden in dern 1970er und 1980er Jahren in Skandinavien entwickelt und sieht vor, User/Nutzer systematisch in Planungs- und Gestaltungsprozesse mit einzubeziehen. So wurde bei der Planung des Urban Media Space in Aarhus (Dänemark) die Bürger und Mitbürger (Nutzer- und Nicht-Nutzer von Bibliothek) integrativ mit eingebunden. Dies geschah z.B. mittels Medthoden wie dem World Café und Village Square, aber auch Befragungen. Diese partzipatorische und demokratische Element wäre sicherlich auch für den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek unbedingt von Nöten, da viele die Entscheidung für die Errichtung in Tempelhof als autoritativ bezeichnen und deshalb einen Bau mehr um Zentrum der Hauptstadt fordern.
„All research is problematic, because it’s historical. It’s like looking out the back of a car.“ Terry Leahy
Beim letzten Vortrag dieser Session, den ich sah, ging es um die Neubauplanungen der UB Marburg insbesondere durchgeführte Benutzerumfragen, deren Ergebnisse exakt die einer geisteswissenschaftlich geprägten Universiät widerspiegeln. Begonnen wurde mit dem oben genannten Zitat eines früheren Tesco-Mangers, wenn ich mich richtig erinnere. Der Direktor Hubertus Neuhausen berichtete von 3 Benutzerumfragen, die er im Laufe mehrere Jahre von Mitarbeitern am IBI der HU Berlin durchführen ließ, deren Service er ausdrücklich lobte und weiterempfahl. Anschließend bewertete deren Ergebnisse, die durchaus Unterschiede aufwiesen, wobei er Interpretationen und Deutungsmöglichkeiten benannte. Für die Nachmittagssessions, welche ich besuchte, werde ich einen weiteren vierten Blogeintrag verfassen.
Eine weitere Session vom Montag, den 11.03., die ich teilweise besuchte, lautete „Migranten-Communities“ besser kennenlernen. Im ersten Vortrag mache Martina Dannert von der Stadtbibliothek den Anwesenden Mut auf potentielle Migranten-Zielgruppen zuzugehen und dort präsent zu sein, wo sich diese aufhalten.
Susanne Schneehorst erzählte im anschließenden Vortrag von ihren Erfahrungen, wie Kontakte, Beziehungen und Freundschaften mit den entsprechenden Menschen entstehen können. Sie lieferte ein exzellentes Beispiel, wie sich über Jahre hinweg durch eine gute Beziehungs- und Kontaktarbeit ein Medienbestand und Veranstaltungen aufbauen lassen. Dabei erwähnte sie unter anderem die rumänische Community, die dem christlich-orthoxen Glauben angehört, die in Nürnberg so zahlreich vertreten ist, dass diese sogar über einen eigenen Bischof aus Rumänien verfügen. Auch die verschiendenen kulturellen Feste wie z.B. die griechischen Nationalfeiertage, den 25.03. und den 28.10. hob Schneehorst stellvertretend hervor, die ein prima Anlass sind, um als Bibliothekar_in sich zu präsentieren, für die eigene Einrichtung und deren Medien- und Veranstaltungsangebote zu werben. Ein Fest, das mir und auch Susanne Schneehorst noch gänzlich neu war, ist Masleniza (Butterwoche), das Russische Frühlingsfest, das in der Fastnachtswoche begangen wird. All diese Tipps und Vorschläge erfordern natürlich, dass sich der (die) einzelne Bibliothekar (Bibliothekarin) außerhalb seiner (ihrer) Arbeitszeit an Wochenenden und Abenden an Treffen von Kulturvereinen, dem Migrationsrat (Integrationsbeirat je nach Kommune trägt dieser eine andere Bezeichnung, in München heißt dieser immer noch Ausländerbeirat) und Stadtteilfesten einen Namen macht und seine bibliothekarische Einrichtung bekannter macht.
Der anschließende Vortrag „An Oppurtunity for Internationalization in Turkish Libraries with Retired Immigrants and International Students“ von Frau Esin Sultan Oguz war sehr allgemein gehalten. Woran ich mich besonders erinnere ist, dass die Zahl der englischen Rentner, die ihren Lebensabend in der Türkei verbringen, dem der deutschen Rentner um etwa 10.000 übersteigt. Letztendlich erwähnte Oguz zwar, dass eine stattliche Anzahl an religiösen und ethnischen Minderheiten in der Türkei (z.B. Kurden, Tscherkessen, Armenier, Assyrer, Roma oder Aramäer) gibt, aber benannte die in der Klammer aufgeführten Beispiele nicht. Es scheint in der Türkei – ähnlich wie in Frankreich – keine „echte“ interkulturelle Bibliotheksarbeit zu geben, wenn man von einigen touristischen Orten absieht:
„In der Türkei sind derzeit ganze 18 Sprachen gefährdet, drei davon bereits ganz ausgestorben. Die Zahlen der UNESCO haben jetzt eine nicht-staatliche Gruppe in der Türkei auf den Plan gerufen. Sie beschuldigen die Regierung, die kulturelle Vielfalt des Landes mit ihrer „Nationalstaats“-Politik auszurotten.“ Deutsch-Türkische Nachrichten
Dennoch war dieser Vortrag voller Optimismus und Enthusiasmus, so dass das Publikum den Eindruck hatte, in den nächsten Jahren wird es mehr Bibliotheksarbeit vor allem für Rentner aus dem Ausland, Deutsch-Türken und Touristen geben.
Der letzte Vortrag von Dr. Jan-Pieter Barbian „Eine Geschichte mit Zukunft“. Die Türkische Bibliothek in der Stadtbibliothek Duisburg“ ist nahezu identisch mit dem Artikel „Von der Türkischen Bibliothek zur Interkulturellen Bibliothek“ in der Märzausgabe der Zeitschrift BuB S. 215-221.
Um nicht zu pessimistisch über die Türkei zu berichten, möchte ich noch in diesem 2. Teil auf den Artikel in der Leipziger Volkszeitung mit dem Titel „E-Books – die Türken gehen voran“ von Lisa Berins eingehen. Wer sich nicht gerade in Sessions begab, die auf Englisch waren, hatte nicht unbedingt das Gefühl, dass dieser Kongress so international war, wie ihn die Leipziger Volkszeitung am 14. März betitelte. Doch es gab Bibliothekare und Bibliothekarinnen aus 25 Ländern, die Teilnehmer/-innen waren. Neben dem Direktor des amerikanischen und des italienischen Bibliotheksverbands, war auch die Präsidentin der IFLA, Ingrid Parent anwesend und es hätte die Gelegenheit gegeben sie am BIB-Stand zu besuchen. Darüber hinaus war auch eine Kollegin aus den Niederlanden zu sehen oder eine Kollegin aus Russland, die ich traf. So meinte Michael Dowling (ALA-Präsident), dass sich die US-amerikanischen Kollegen und Kolleginnen etwas vom türkischen Bibliothekswesen abschauen können, denn dort werden ab nächstem Monat E-Books für jeden Bibliotheksnutzer frei zugänglich gemacht.
Es fällt aber leider auf, dass Jahr für Jahr nahezu dieselben BibliothekarInnen zum Thema Interkulturelle Bibliotheksarbeit auf den Bibliothekartagen vertreten sind, Vorträge halten oder in der Mailingliste ÖB-Multikulturell Beiträge versenden. Leider gibt es oftmals in vielen Kommunen keine „Extratöpfe“ für die entsprechende Förderung der Mehrsprachigkeit der Einwohner im Einzugsgebiet der Bibliotheken und die Guidelines for „Library Services für multikulturelle Gemeinschaften“ kennen sicherlich viele politische Entscheidungsträger und Geldgeber kaum. Im Gegensatz zu Österreich oder Schweiz, wo man sein Abitur in mehreren Sprachen ablegen kann und auch in manchen Bibliotheken ein mehrsprachiger Bestand nichts Besonderes ist, scheint es hierzulande noch häufig an Rechtfertigungsgründen gegenüber den Unterhaltsträgern zu mangeln. Das Bewußtsein Mehrsprachigkeit, Diversität und die Förderung des kulturellen Pluralismus mag ja bei den meisten BibliothekarInnen sicherlich vorhanden sein, aber die Ganzheitlichkeit, die oftmals mit einer interkulturellen Öffnung verbunden ist, die von der gesamten Stadtverwaltung getragen wird, scheint eher nur in Stuttgart, München, Berlin und Frankfurt und wenigen anderen Großstädten (und wenigen Kleinstädten) vorhanden zu sein. Ist es schon eine Innovationspreis wert, wenn jemand eine Bachelorarbeit zum Thema „Die Bibliothek als Ort der interkulturellen Begegnung“ schreibt? Dennoch zeigt sich, dass die Einführung von Gesprächsgruppen für Migranten (SprachGartenInternational-Deutsch sprechen und Menschen treffen“) in der Stadtbibliothek Bremen sicherlich eine gutes Angebot der Bibliothek ist, aber warum der Defizitansatz „SiemüssendochDeutschlernen“ als innovativ ausgezeichnet wurde, erschließt sich mir nicht. Ja, ich wundere mich sogar sehr, denn das Hamburger Projekt Dialog in Deutsch gibt es schon länger und „das Neue“ in Bremen hat nur einen anderen Namen. Inwiefern werden die EU-Richtlinien 2000/43/EG (Antirassismusrichtlinie) und 2000/78/EG in diesen und vielen anderen Bibliotheken umgesetzt? Das „Language Café“ in Nottingham bietet den Ureinwohnern (den Alteingeßenen Nicht-Migranten) die Möglichkeit die Sprachen der Herkunftsländer der Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber zu erlernen. In Nottingham gibt es auch Konversationskurse, bei den Flüchtlinge und Migranten Englisch lernen, aber das wurde nie als innovativ dargestellt bzw. niemand würde das ernsthaft als innovativ bezeichnen. Es war eher das „Language Café“ oder die Themen des Konversationskurses, die innovativ und beeindruckend waren. Ein echtes „Language Café“ wie das an der TU Berlin (Telquel) setzt aber vor allem Neugier der Biodeutschen voraus und macht zusätzlich Arbeit.
Ich habe im November ein Weiterbildungsseminar besucht und unter den Teilnehmern war eine Studentin mit türkischem Namen. Auf die Frage des Kursleiters, ob sie denn türkisch könne, entgegnete diese sehr schüchtern mit nein. Eine mir bekannte aus dem Iran stammende Deutsch-Kurdin kann kein Farsi (und will es gerne lernen), eine in Deutschland geboren Deutsch-Türkin schämt sich mit Türken aus der Türkei türkisch zu sprechen, da sie viele Fehler macht und die sich nicht immer verstehen. Ein Freund schämt sich zwar nicht Rumänisch zu sprechen, weiß aber das er viele Fehler macht und es langsam verlernt, obwohl es seine Muttersprache ist. Bekannte und Freunde von mir haben nie die deutsche Minderheitensprache Sorbisch gelernt, obwohl sie sorbischer Herkunft sind. Es geht viel verloren in Deutschland. Ein Bekannter, den ich letztes Jahr zufällig in der Nacht traf möchte gerne chinesisch lernen. Wollen wir Bibliothekare und Bibliothekarinnen Vielfalt erhalten oder sprachliche Homogenität fördern? Chinesisch und Türkisch erfreuen sich einem regelrechten Boom. Warum nicht voneinander und miteinander lernen anstatt gelehrt und belehrt zu werden von Mitgliedern der sogenannten Mehrheitsgesellschaft? Mangelnde Deutschkenntnisse sind nicht allein der anderen Muttersprache geschuldet, sondern bei Deutsch-Türken und Deutsch-Deutschen gleichermaßen vorhanden, wenn diese eher einer bildungsfernen Schicht angehören und nicht aufgrund der ethnischen Herkunft zu erlären. Deshalb ist es dann ein soziales Problem. Experten des Berlin-Instituts beschreiben benannten neun Kernelemente für eine erfolgreiche Sprachförderung, darunter ist der systematische Einbezug der Erstsprache. Inwiefern können Bibliothekare und Bibliothekarinnen, deren Muttersprache meist Deutsch ist diese im Rahmen der Lese- und Sprachförderung leisten? Eine Schlagzeile Anfang des Jahres lautete: „Deutsche lernen begeistert Türkisch – die Deutschlandtürken nicht“ und in der Tat besuchen derzeit mehr Deutsch-Deutsche Türkischkurse als Menschen türkischer Herkunft zur Festigung und dem besseren Erlernen deren Muttersprache:
„Meine Befürchtung ist es, dass sich die Türken in Deutschland zu einer Gesellschaft entwickeln, die kein Türkisch spricht. Mit Bedauern beobachte ich eine Generation, die nicht in der Lage ist, die türkische Sprache wenigstens als Basis für das Erlernen der deutschen oder einer anderen Sprache nehmen kann […] Die zweite Generation ist in der Umgebung von Eltern aufgewachsen, die kein Deutsch konnten und nur Türkisch gesprochen haben. Dadurch ist das Türkisch der zweiten Generation relativ besser. Doch nun sind wir mit einer Generation konfrontiert, deren Eltern entweder nicht ausreichend Türkisch sprechen oder es vorziehen, ihren Kindern zu Hause gar kein Türkisch beizubringen – ein solches soziales Phänomen können wir momentan beobachten.“ Kemal Basa
Die Preisträgerin der Bachelorarbeit „Die Bibliothek als Ort der interkulturellen Begegnung“ zitierte in ihrer Schneehorst et al. und sprach davon, dass Integration nicht die „defizit- und differenzorientierte[n] Perspektive“ einehmen soll, aber diese Gesprächsgruppen scheinen eben gerade dies zu tun. Auch von Beidseitigkeit ist in ihrer Arbeit die Rede, was Integration ausmacht, dass ich anderen auch etwas von meiner Kultur und meinem Erfahrungswissen weitergebe und nicht nur Deutsch lerne. Letzlich gibt es ja schon „Dialog in Deutsch“ in Hamburg und was soll denn der „innovative“ Unterschied zwischen der neuen Deutschlerngruppe in Bremen im Vergleich mit dem Hamburger Beispiel sein? Serdar Somuncu kritisiert(e) ebenso dieses quantiative Erfassung „Integration“ messbar machen zu wollen und die Wortwahl des Nationalen Aktionsplans, dessen Duktus und Intention von ihm durchaus kritisch gesehen wird. Die Autorin der Bachelorarbeit „Die Bibliothek als Ort der interkulturellen Begegnung“ zitierte mehrfach in ihrer Arbeit diesen Aktionsplan, der eher etwas von Aktionismus hat und 50 Jahre zu spät kommt.
Dem US-amerikanischen Soziologen Rogers Brubaker zufolge ist seit dem Jahr 2000 in vielen Ländern Europas einschließlich Deutschland ein Return on Assimilationfestzustellen. Ob nun Sprachcafé Deutsch oder Dialog in Deutsch (in Hamburg), das mag soziale oder assimilative Bibliotheksarbeit sein, aber strenggenommen ist das nicht die inter-kulturelle Bibliotheksarbeit, wie sie andernorts (z.B. in den USA, Spanien oder anderswo) so genannt wird. Dialog Deutsch erinnert an ein Buch des Goethe-Instituts oder an Dialogpunkte in der arabischen Welt der Robert-Bosch-Stiftung. Das Label „Inter-kulturell scheint hier hier zwar heterogene Migranten aus verschiedenen Herkunftsländern anzusprechen, aber eigentlich hat der Rest des Ureinwohner-Bibliothekspublikums von dieser kulturellen Vielfalt herzlich wenig. Auch in vergangenen Gesprächen mit einem mir bekannten Migrationsforscher hat dieser andere ähnliche Projekte wie das eben genannte nicht als inter-kulturell und innovative Bibliotheksarbeit klassifiziert. Diese Entwicklung macht mich nachdenklich und traurig. Mit der Förderung des Interkulturellen Dialogs hat dies herzlich wenig zu tun.
Von allen vier Bibliothekartagen, die ich bisher in Deutschland besuchte, war dies durchaus einer der facettenreichsten und intensivsten Kongresse. Es waren vor allem die interdisziplinär angehauchten Vorträge und Präsentationen, für welche ich mich besonders interesssierte. Zunächst einmal sei erwähnt, dass ich am Montag, den 11.03. erst am frühen Nachmittag auf dem Messegelände eintraf und nicht von Anfang an dem im Folgenden beschrieben Vortrag teilnehmen konnte.
Laut dem Demenzforscher und Soziologen Reimer Gronemeyer ist Demenz keine Krankheit. Er kritisiert die Ausgrenzung von Menschen mit Demenz, wie z.B. in den Niederlanden das „Demenzdorf“ Hogeweye, in dem eine künstliche Realität für Menschen mit Demenz aufgebaut wurde, die abseits vom Rest der Bevölkerung leben. Das erinnert an die am 13.10.2010 angesprochenen sogenannten retirement villages, in denen Senioren fernab vom Rest der Bevölkerung abgeschottet leben.
„Niemand kann sagen: Damit haben wir nicht gerechnet oder das haben wir nicht gewusst“. Heike von Lützau-Hohlbein
Es sollte mehr für Menschen mit Demenz getan werden, um ihnen „ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, so die Vorsitzende der deutschen Alzheimergesellschaft, Heike von Lützau-Hohlbein. Wer selbst schon Mitglieder in der Familie hat(te), die an Demenz erkrankt sind, wird leichter Verständnis und Empathie aufbringen dieses Thema zukünftig auch für die eigene Arbeit stärker in den Vordergrund zu rücken. Der erste Vortrag setzte an der an der Schnittstelle des Bibliothekswesens zur Geragogik, die auch als Gerontagogik oder Alterpädagogik bezeichnet wird, an. Zukünftig wird dies wohl ein Teilgebiet werden, das mindestens dieselbe Aufmerksamkeit erfahren dürfte wie die Kinder- und Jugendarbeit in Bibliotheken. So hielt Frau Susanne Brandt zusammen mit Herrn Oke Simons einen Vortrag zum Thema „Demenz als Thema für Bibliotheken? Überlegungen und praktische Beispiele für die Bedeutung von Erfahrungswissen und kultureller Teilhabe im Dialog der Generationen„. Darin wurden bereits vorhandene bibliothekarische Angebote, die das Leben von Menschen mit Demenz in besonderer Weise berücksichtigen vorgestellt, die es teilweise schon in Schleswig-Holstein gibt. Dabei wurden konkrete Bausteine angesprochen, die eine Umsetzung erleichtern. Es handelt sich unter anderem um sogenannte Medienboxen, die für den Aufbau einen zentralen Medienangebots genutzt werden können. Des Weiteren steht die Biografiearbeit im Vordergrund, indem z.B. Kamishibai-Fotoserien und Bilder zu vertrauten Märchen und Geschichten erstellt werden. In Schleswig-Holstein gibt es ein sogenanntes Kompetenzzentrum Demenz, über das pädagogische Materialien bezogen werden können.
In Deutschland leben derzeit etwa 1,4 Millionen Menschen, die an Demenz erkrankt sind, ab 2050 könnte sich diese Zahl verdoppelt haben. Die Referenten plädierten dafür nicht den Defizitansatz zu wählen, sondern durch Sensibilität und Wertschätzung wahrzunehmen, über welches sinnlich und emotionales Erfahrungswissen Demenzpatienten verfügen. An dieser Stelle wäre es interessant gewesen Bibliothekare und/oder Bibliothekarinnen gehabt zu haben, die konkret mit dieser Gruppe vor Ort arbeiten oder auch Altenpfleger/-innen oder Gerontologieforscher, die durch ihre Wissen und ihre Expertise zusätzlich wertvolle Tipps und Anregungen gegeben hätten. Leider waren die meisten Referenten auf dem „Bibliothekartag“ zumeist Fachreferenten, Diplom-Bibliothekar(e)/-innen oder entsprachen den gängigen bibliotheksnahen Berufen. Es wäre nicht nur für das Thema Demenz zum Vortrag von Brandt & Simons interessant gewesen einen echten Anthropogogiker auf dem Bibliothekartag zu Gast zu haben. Bei der Anthropogogik handelt es sich um die Wissenschaft, welche genau beschreibt, als was sich viele Bibliotheken verstehen: als Orte des Lebenslangen Lernens. Dabei handelt es sich auch noch um einen genderneutralen Begriff, der die Teilbereiche Pädagogik, Andragogik (Erwachsenenbildung) und Geragogik miteinander vereint. Das Ehepaar Brändle definiert das Begriffskonzept wie folgt:
„Die Anthropogogik erforscht, was beim Lernprozess förderlich ist und was hinderlich. Welche Methoden das Lernen unterstützen. Wie das Lernen Freude macht. Wie Blockaden vermieden werden können, oder überwunden, wenn sie schon aufgebaut wurden. Wie Menschen leichter, schneller und nachhaltig lernen. Ziel ist es, den Prozess des Lernens in allen Bereichen und Altersstufen respektvoll und empathisch nach „state of the art“ zu unterstützen.“
Inwiefern werden Studenten und Auszubildende in den Bibliotheks- und Informationsberufen auf diese wichtigen Tätigkeiten vorbereitet, um Lernprozesse richtig begleiten zu lernen und Lerner_innen mit den geeigneten Methoden zu unterstützen? Natürlich findet im Lernort Bibliothek selbstgesteuertes Lernen statt, aber sind ein großer Teil Bibliothekare und Bibliothekarinnen hierzulande dazu wirklich in der Lage unterschiedliche Generationen (-Zielgruppen) leichter, schneller und nachhaltiger beim Lernen zu unterstützen?
In einem weiteren Vortrag stellte Miriam Schriefers vor, mit welchen EU-Projekten sich Netzwerke aufbauen lassen und wie Interkulturelle Kompetenzen von Mitarbeiter/-innen gefördert werden können. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift BuB finden sich auf den Seiten 170 bis 172 ähnliche Inhalte zum Thema, welche Schriefers vorstellte. Sie warb für länderübergreifende Partnerschaften, die den EU-weiten informations- und Erfahrungsaustausch vor. In einigen Projeken ging es darum, durch innovative und kreative Ideen entwickeln, um Menschen am Rande besser in die Gesellschaft zu integrieren. Dabei geht es darum, mithilfe von Projekten und des Austauschs „neue“ Zielgruppen wie Bildungsbenachteiligte, Migranten, Flüchtlinge und Senioren zu gewinnen und zu lernen diesen z.B. mehr digitale Kompetenzen zu vermitteln. Bibliothekare und Bibliothekarinnen haben die Möglichkeit im Rahmen von Hospitationen, Besuche von Fachkonferenzen und länderübergreifenden Treffen Programme zum Lebenslangen Lernen, (GRUNDTVIG-) Lernpartnerschaften, Assistenzen und Weiterbildungsprogrammen, Fördergelder der EU nach erfolgreichen Projektanträgen zu erhalten.
Hier die obligatorische Auflistung der gefunden Beiträge in Blogs, welche sich so nach und nach verlängern wird. Wir sind ja erst an Tag zwei angekommen.
Pauser, Josef:Weiterentwicklungsprozess der Universitätsbibliothek Salzburg, Beitrag: Ursula Schachl-Raber, Renate Schönmayr (Universitätsbibliothek Salzburg): Prozessmanagement als ein elementarer Schritt im Weiterentwicklungsprozess der Universitätsbibliothek Salzburg (UBS): Schritte zu einem Qualitätsmanagement: Einblick und Ausblick, VOEBBLOG