[Bericht] Urheberrecht und Netzfreiheit – ein unlösbarer Widerspruch? (19.09.2012)
Am 19.09.2012 hatte die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky zur Öffentlichen Podiumsdiskussion “Urheberrecht und Netzfreiheit – ein unlösbarer Widerspruch?” [VeranstaltungsPDF] eingeladen. Die Veranstaltung wurde durch umdenken Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg in Zusammenarbeit mit der Deutschen Journalisten-Union realisiert.
Podiumsteilnehmende waren Frau Prof. Dr. Gabriele Beger 1, Rüdiger Lühr 2 und Fukami 3. Wegen Krankheit entschuldigte der Moderator Wulf Beleitis 4 Thilo von Trott 5.
Beleitis, der durch die Diskussion führte, wies darauf hin, dass die Veranstaltung am gleichen Tag wie das Forum Urheberrecht statt, bei dem (wie berichtet), viele maßgebliche Personen abgesagt hatten. Markus Beckedahl6 sprach dort von blinden Flecken im digitalen Umfeld des Urheberrechts. Beleitis selbst sieht darin eher weite Brachen und nicht nur blinde Flecken. Er stellte verschiedene Fragen, die er als Themenbereich in die Diskussion des Abends sehen wollte. Sind Netzfreiheit und Urheberrecht ein Widerspruch? Wie ist das Verhältnis von Urheber, User und Klauer? Aus Sicht des Urheberrechts solltet dabei ein Schwerpunkt auf dem Nutzungsrecht liegen. Welche widerstreitenden Interessenlagen gibt es? Auch Themen wie AGBs und Leistungsschutzrecht und die Rolle der Verwertungsgesellschaften sollte aufgegriffen werden.
In der ersten Frage ging es um die Solidarität der Kreativwirtschaft. Was ist eine angemessene Bezahlung? Wie lassen sich unterschiedliche Interessenlagen in der Kreativwirtschaft vereinen?
Lühr antwortete darauf, dass zu den Interessen der Autoren ein vernünftiger Verdienst zählt, von dem man leben kann. Dafür ist aber ein rechtlicher Rahmen notwendig. Die Interessenslagen unterscheiden sich bei den freien und angestellten Kreativen und den Verwertern. Lühr schilderte sehr anschaulich die Situation. Ein Problem ist dies seit Mitte der 1990er Jahre, denn da begannen Zeitungen Dinge einfach und i.d.R. ungefragt ins Netz zu stellen. Die freien Journalisten fanden das nicht okay. Seit ca. 1997 war das Urheberrecht somit ein Problemthema. Für alle war das Internet ein neuer Markt, eine neue Verwertungsschiene, allerdings befürchteten die Journalisten, dass ihre Inhalte geklaut wurden und damit auch nicht mehr verwertbar waren. Und als die großen “Klauer” der Produkte der Journalisten und Fotografen bezeichnete Lühr nicht Otto-Normal-Verbraucher, sondern die Verlage. Für festangestellte Journalisten wurden inzwischen dazu Regelungen im Tarifvertrag vereinbart. Und in diesem Tarifvertrag wurden/werden auch die Honorare für freie Journalisten festgelegt.
An Beger richtete Beleitis die Frage, wie man Urheberrecht und Internet zusammenbringen kann. Frau Beger wies auf eine Regelungslücke hin. Juristen hatten sich dann geeinigt, dass es bis 1995 juristisch gesehen kein Internet gab und die Verlage daher aus den Dingen, die bis 1995 veröffentlicht worden sind, auch digital einen Nutzen ziehen durften. Ab 1996 gibt es das Internet als neue Nutzungsart. Von 1996 bis 2003, wo der erste Korb des Urheberrechts die digitale Nutzung im Urheberrecht verankerte, galten internationale Verträge, welche die erlaubten Verwertungen regelten.
In den Verlagsverträgen zwischen Autor/Urheber und Verlag/Verwerter wird die Vergütung und die Form der Verwertung geklärt. Problematisch sind die Buy-out-Verträge, bei denen der Autor alle Verwertungsrechte ausschließlich an den Verwerter abtritt. Gerade Wissenschaftler müssen sich aufgefordert sehen, gegen diese Art von Verträgen vorzugehen. Dies ist das eigentliche Problem, gegen das man gegensteuern muss. Verlage sind aufgefordert, nicht an alten Geschäftsmodellen festzuhalten.
Andererseits war dem Internet lange anhaftend, dass dort alles frei ist. Eine Vervielfältigung analoger Medien war für die Autoren und Verwerter nicht das ganz große Problem. Es stellte immer eine Hürde für den Nutzer da, die ihm klarmachte, dass er hier eine Vervielfältigung vornahm. Bei Copy & Paste ist das Vervielfältigen so einfach, dass vielen Nutzern gar nicht klar ist, dass er schon eine Vervielfältigung begangen hat.
Frau Beger geht davon aus, dass das Urheberrecht ausreicht, es muss einfach nur angewendet werden.
Fukami sieht das etwas anders. Er glaubt, dass viele Probleme, die mit den Urheberrechten entstehen, sich nicht mehr durch das Urheberrechtsgesetz beheben lassen. Er bezeichnet die digitale Kopie als “historische Ungeheuerlichkeit”, denn sie erlaubt eine sehr schnelle Vervielfältigung von Wissen und seine schnelle Verbreitung. Das ist aber ein Albtraum für Urheber. Dennoch sind nicht alle Urheber gleich, vor allem viele der “Kleinarbeiter”. Die Lösung der Probleme ist nicht allein Aufgabe des Urheberrechts, sondern eher die der Kulturpolitik. Es geht darum, einen passenden Gesellschaftsvertrag zu schaffen. Das Urheberrecht darf nicht zum Paradigma einer digitalen Gesellschaft werden. Die digitale Gesellschaft ist aber abhängig von ihren Kreativen. Daher ist die Lösung eher eine Frage der gerechten Bezahlung und einer gezielten Förderung.
Das Problem ist in der Computer-/IT-Branche bereits seit 20 bis 30 Jahren in der Diskussion, aber es ist damals von Außenstehenden nicht ernst genommen worden und macht nun das Finden einer Lösung sehr kompliziert. Fukami ruft noch mal in Erinnerung, dass das WWW (nicht gleich Internet) geschaffen wurde, um auf einfache Art und Weise Wissen zu verteilen. Durch das Verschlafen des rechten Zeitpunkts für das Versetzen des Urheberrechts in eine digitale Umwelt müssen nun sehr komplizierte Lösungen gefunden werden.
Auch wenn die Idee des einfachen, freien Zugangs zum Wissen im Web, bestimmend war, muss dennoch der Wert der Schöpfung eines Werkes sichtbar gemacht werden. Das Urheberrecht in der digitalen Welt heute ist aber einfach zu kompliziert und nicht mehr nachvollziehbar.
Lühr merkte an: Wann ist was als Werk geschützt? Was ist ein Werk – laut Gesetz eine geistige Schöpfung mit einer gewissen Schöpfungshöhe. Nicht geschützt sind dagegen die Inhalte und Ideen. Aber wann ist das wie für einen Laien erkennbar? Durch die schnelle Kopierbarkeit gibt es für den Nutzer keine Warnung und problematisch aus Sicht der Verwerter ist, dass die Kopie keinen Qualitätsverlust gegenüber dem Original erleidet.
Wer besitzt jedoch die Rechte. Der Urheber besitzt alle Rechte. Auf der einen Seite gibt es da die Verwertungsrechte (Copyright) und auf der anderen Seite die unveräußerlichen Urheberpersönlichkeitsrechte. Aus Letzteren ergibt sich ein Problem für Pauschalvergütungen, denn innerhalb dieser Rechte ist verankert, dass der Urheber darüber bestimmen darf, wo etwas veröffentlicht wird.
In Deutschland hat sich ein Lizenzwesen etabliert. Autoren und Journalisten sind darauf angewiesen, dass sie publiziert werden, möglichst in einer bestimmten Zeitschrift.
Frau Beger weiß, dass das Urheberrecht dem digitalen Bedarf angepasst werden muss, wenn das auch nicht heißt, dass wir eines völlig neuen Gesetzes bedürfen. Es besteht aber ein hoher Novellierungsbedarf. Dafür muss der Urheber Mittelpunkt des Gesetzes bleiben.
Wir wollen kein Verwerterrecht.
Sie fordert ein deutliches Bekenntnis zum Urheber als Mittelpunkt des Urheberrechtsgesetzes. Natürlich sollen auch die Verwerter weiterhin profitieren können, aber auch der Nutzer möchte im Urheberrechtsgesetz zu seinem Recht kommen. Deutlich meinte sie, dass einige schwarze Schafe den Ruf der Verlage dabei versauen, und spielte dabei u.a. auf Elsevier an, bei denen eine Zeitschrift im Jahr schon mal so viel wie ein Kleinwagen kosten kann.
Das Problem für Bibliotheken ist vor allem darin zu sehen, Zugang gewähren zu dürfen. Derzeit gibt es einfach viele Ängste, Unsicherheiten und Vorurteile. Was frei ist, ist nicht gleich kostenlos, sondern es müssen neue Finanzierungsmodelle gefunden werden, die einen freien Zugang gewähren. Wer soll in diesem Fall Mittelpunkt des Urheberrechts sein: der Nutzer, der Zugang möchte oder der Urheber?
Auch Fukami sieht den Urheber mit seinem Werk im Mittelpunkt, aber er schränkt auch ein, dass für den Nutzer gar nicht mehr erkennbar ist, ob er ein Werk legal erwirbt oder auch nicht. Es gibt genug Potenzial, Einnahmen zu generieren, aber das Potenzial muss erkannt werden. Auch er meint, frei ist nicht gleich kostenlos, aber es gibt andere Einnahmemöglichkeiten, wie z.B. die Open Source-Produkte der Softwareindustrie zeigen, wo z.B. der Support kostet.
Ein Problem stellt die Privatkopie dar, da durch die Einfachheit das Kopieren nicht mehr kontrollierbar ist. Bei der Software hat man hier die Einschränkungen sehr restriktiv gestaltet. Doch dahinter müssen die Urheber stehen und dafür kämpfen. Schließlich gibt es nicht für alles die passende Verwertungsgesellschaft. Die digitale Gesellschaft braucht den Zugang zu Informationen – aber das gegen eine ordentliche Bezahlung der Urheber.
Lühr weist darauf hin, dass die Software erstaunlicherweise im Urheberrechtsgesetz geregelt ist, aber anders geregelt ist, um Privatkopien zu verhindern. Dabei liegt das Recht bei den Produzenten der Software. Hier könne man von einem frühen “Leistungsschutzrecht” sprechen.
Beger erläutert: Bei der Software wären die Programmierer Urheber wie ein Schriftsteller. Die derzeit aufflackernde Open Access-Bewegung, die langsam auch auf künstlerische Zweige übergreift, hat ihren Ursprung in der Open-Source-Bewegung. Die Schwierigkeit dabei ist es, zwischen einem Programm und Song (Produkt) zu unterscheiden. Es gibt dabei starke Kulturunterschiede z.B. zwischen Journalisten und Open-Source-Programmierern. Ein Unterschied ist, dass die Software durch gute Lobbyarbeit ihre Vorstellungen ins Gesetz schreiben konnte. Das Urheberrecht selbst erlaubt aber dem Urheber jederzeit andere Entscheidungen treffen zu können, d.h. über die Verwertung zu entscheiden. Es kommen immer wieder gute Ansätze auf, die jedoch häufig durch eine starke Lobby zerstört werden. Urheber heute sind auch nicht mehr wirklich zwangsweise auf Verlage angewiesen, wie dies die vielen Selbstverleger bei Amazon oder in der Musikbranche zeigen. Besonders da merkt man immer wieder, dass “Kleinvieh” auch Mist macht, d.h. dass durch kleine Beträge, von denen für Verleger kein Geld abgeht, doch eine beachtliche Summe für die Urheber zustande kommen kann, denn die Leute sind bereit auch im Internet Geld zu zahlen.
Fukami stellt zur Diskussion, dass nicht jede urheberrechtliche Leistung vergütet werden will. Lühr zählt auf, dass es verschiedene Bezahlmodelle bereits gibt: Support, Zusatzleistungen, Mehrwerte, Paywalls, über die dann Geld generiert werden kann. Als ein Beispiel nannte er Spotify für die Musik. Dort bezahlen jene, die an den bereitgestellten Inhalten verdienen, z.B. Google und Youtube. Frau Beger nickte. Im Internet werden Milliarden umgesetzt. Zeit online steht nach eigenen Angaben kurz davor, schwarze Zahlen zu schreiben. Diese Gewinne müssen mit denen geteilt werden, die die Inhalte schaffen. Sie müssen ihr Honorar erhalten. Die Regelungen müssten entsprechend in die Tarifverträge geschrieben werden. Allerdings zeigen diejenigen, die im Internet mit den Gütern der Urheber Geld verdienen, kaum Solidarität mit diesen. Es besteht also die Aufgabe, hier für einen fairen Interessensausgleich zu sorgen.
Fukami spricht als Interessenausgleich die Schaffung einer Pauschalvergütung an. Dabei distanziert er sich von dem Begriff “Kulturflatrate” und favorisiert den Begriff “Fairness-Pauschale” (Grüne). Es gibt jedoch keine befriedigende Lösung bisher und noch nicht alle Aspekte wären geklärt. Als Stichwort nannte er z.B. die immer besser werdenden 3D-Drucker. Könnte eine Lösung eine Pauschale auf den Internetzugang sein? Aber dies kann keine endgültige Lösung sein. Beim derzeit geplanten Leistungsschutzrecht (LSR) der Presseverleger hofft er, dass dieses nicht kommt. Das LSR in dieser Form hieße nur eine Regulierung auf Grundlage dessen, was weiß. Derzeit weiß man aber zu wenig über die Aspekte und Auswirkungen der digitalen “Güter”.
Man müsse auch die Nutzer bei den derzeitigen Urheberrechtsentwicklungen mitnehmen, da dies eine Kulturfrage sei. Die Chance, aus Versehen eine Rechtsverletzung zu begehen, muss für sie minimiert werden.
Lühr konnte auch mit keinem Patentmodell aufwarten, wies aber darauf hin, dass der Interessensausgleich für alle Beteiligten funktionieren müsse. Die Pressefreiheit und Netzgleichheit dürfe darunter keinen Schaden nehmen. Pauschalabgaben für Zweitverwertungen hielt er für eine gute Idee. Was gerecht sei, sei Verhandlungssache. Auch die Kommunikationsunternehmen müssten mehr mit in eine Regulierung einbezogen werden. Er sieht aber auch ein Verteilungsproblem bei Pauschalabgaben entstehen. Was wird eingenommen? Wie viel muss jeder bezahlen? Wer bekommt das Geld. Als Beispiel führte er das derzeitige GEMA-Problem an, bei dem über die Verteilungsgerechtigkeit zwischen Major-Label und kleinen Künstlern gestritten wird. Auch dürfe die Sicherung der Einnahmen nicht zu einer Totalüberwachung des Nutzers führen. Die notwendigen Daten sollten durch statistische Stichproben gewonnen und durch Forschung überprüft werden.
Beger weist noch mal darauf hin, dass im Urheberrecht bereits vieles schon geregelt ist. Im § 32 des Urhebervertragsrechts steht drin, dass dem Urheber eine “angemessene Vergütung” zu zahlen ist. Es bedarf einer Stärkung der Urheber gegenüber den Verwertern, denn die derzeitige Regelung ist zu einem “zahnlosen Tiger” geworden. Das Urhebervertragsrecht bedarf einer Evaluation, ob es zu einer angemessenen Vergütung führt. Gerade im § 36 Urhebervertragsgesetz steht, dass die Angemessenheit durch einen Tarifvertrag geregelt werden kann/muss. Hier muss durch die Politik wohl deutlich nachgebessert werden. Der Urheber muss an jeder Verwertung materiell beteiligt werden.
Für gesetzliche Ausnahmen im “Allgemeinen Interesse” gibt es Tantiemen, z.B. die Bibliothekstantieme, Kopienvergütung usw. Das Instrumentarium ist da. Bliebe nun die Frage, wofür die Kulturflatrate erhoben werden soll. Für eine Privatkopie? Bestehende, bewährte Modelle müssen ihrer Meinung nach vom Analogen ins Digitale überführt werden. Kollektive Wahrnehmer werden gebraucht, aber es gibt nicht die eine Lösung.
Danach gab Beleitis die Diskussion für Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum frei. Ein Herr aus dem Publikum merkte an, dass das Internet selbst nur deshalb besteht, weil es selbst als Open Source angeboten wird (Protokolle, etc.). Darüber würden Inhalte verbreitet und bereitgestellt, wobei die geistigen Schöpfungen irgendwie als Ware angesehen würden. Die derzeitige Diskussion drehe sich darum, wie man geistigen Entitäten einen Warencharakter geben könne. Allein an dieser Vorstellung scheitere das Urheberrecht.
Eine zweite Anmerkung war die Frage, wohin die Wissensgesellschaft steuere. Studierende nutzen nur noch frei zugängliche/verfügbare Inhalte. Und was solle schließlich so eine Kulturflatrate kosten?
Verlage heute könne man als “Tendenzschutzbetriebe ansehen. Es ist völlig unklar, was durch Verlage wirklich an Geld verdient wird. Als Alternative besteht für die Urheber zunehmend die Möglichkeit zum Eigenverlag. Daher darf es nicht dazu kommen, dass die Politik instrumentalisiert wird, alte Geschäftsmodelle zu sanktionieren.
Wohin soll es gehen? Die gesellschaftliche Diskussion muss zielführender werden. Viel würde derzeit durcheinander geworfen. Das Urheberrechtsgesetz regelt schon viel und schützt auch Investitionen. Im LSR ist ein reiner Investitionsschutz für Presseverleger zu sehen. In der GEZ könne man schon eine Art Kulturflatrate sehen. Die Urheber seien dazu aufgefordert, ihren Belangen Gehör zu verschaffen. Als Sprachrohr könnten sie hierfür die Gewerkschaften nutzen. Nicht das Urheberrecht ist das eigentliche Problem für sie, sondern die Verträge. Allerdings seien die Urheber mit ihren berechtigten Forderungen gegenüber den Verwertern das schwächste Glied. Wer also bezahlt die Wissensgesellschaft?
Frau Beger berichtete von der am Vortag gelaufenen Sendung “Pelzig hält sich”, bei dem ein 17-jähriger Mann saß, der seinen Lebensunterhalt durch die Beratung großer Firmen verdiente. Sie forderte, mehr auf die jungen Leute und ihre Bedürfnisse zu hören und auf das, was ihnen wichtig ist, weil sie die Zukunft dieses Systems wären. Das Internet ist inzwischen eine ernst zu nehmende Größe. Mann muss sehen, dass durch die digitalen Plattformen es zu einer Verschiebung und Veränderung der Kommunikationswege gekommen ist. Man muss die Veränderungen wahrnehmen und sich dem Ganzen öffnen, nicht verschließen. Das LSR ist der falsche Ansatz, denn er möchte von dem, der kostenlos Werbung für ein Produkt macht, Geld haben. In diesem Zusammenhang wurde auf Wolfgang Blau von Zeit online hingewiesen, der in einer Keynote (318) auf den Urheberrechtstagen der Grünen sagte, dass das Leistungsschutzrecht bewiese, dass durch technische Änderungen Unsicherheiten entständen und dass es Zeit bräuchte, Unsicherheiten zu überwinden.
Fukami meinte, dass wir uns noch in der High-Tech-Steinzeit befänden. Wir würden uns noch immer die Fragen stellen, was hier gerade passiert. Ein Vertrauen darauf, dass der Markt es schon richten wird, könne verheerende Auswirkungen haben, da in diesem Zusammenhang Qualität nicht geschützt würde und geistige Schöpfungen eben keinen Warencharakter besäße. Heute wären wir noch immer an der Oberfläche einer Diskussion.
Aus dem Publikum wurde angemerkt, dass die gesellschaftliche Interessenlage ausschlaggebend und die “Systemfrage” sehr relevant sei.
Insgesamt war die Veranstaltung sehr emotional gelagert, gerade bei vielen Zuhörern aus dem Publikum, die u.a. als Kreative von ihrer Arbeit kaum noch leben könnten. Es gibt zu viele Wünsche, aber kaum Kompromissbereitschaft. Als problematisch aufgezählt wurde die schwache Position der Urheber, welche ihren Verwertern entsprechende Erpressungsmöglichkeiten einräumen würde. Woran würde eine “angemessene Bezahlung” bemessen? Geistige Schöpfungen seien Immaterialgüter, denen nun künstlich ein Warencharakter aufgedrückt werden soll. Könnte die Lösung eine Einzelabrechnung sein? Aber da müsste man heutzutage noch einem viel zu hohen Verwaltungsaufwand ausgehen, sodass man darin momentan noch keine Lösung sehen kann. Oder wäre in Zeiten der Cloud eine Geräteabgabe eine gerechte und gute Lösung?
Die derzeitige Urheberrechtsdebatte verunsichert den normalen Nutzer, den kleinen Kreativen, aber auch die Fachleute. Da heute jeder ein halber Jurist sein muss, um mit dem Urheberrecht nicht in Konflikt zu geraten, wird auch viel Kreativität von Anfang an zerstört.
Die Diskussion ums Urheberrecht derzeit ist eine Angstdebatte, geprägt von der Angst vor Verlusten und Veränderungen. Eine Lösung hier könnte die Rückbesinnung auf das sein, was das Urheberrecht ursprünglich wollte. Derzeit gibt es die besorgniserregende Tendenz einer Entwicklung vom Urheber- und zum Verwerterrecht. Für eine Verbesserung der Situation der Urheber ist nicht das Umschreiben des Urheberrechts notwendig, sondern massive Änderungen des Urhebervertragsrechts. Aber die Branche selbst steht vor der Aufgabe, neue Bezahlmodelle zu entwickeln.
Fukami macht in seinem Schlusswort deutlich, dass man beim Urheberrecht besser beginnt, zwischen kurzfristigen, mittel- und langfristigen Zielen zu unterscheiden. Kurzfristig müsse man z.B. das Problem mit den Abmahnungen lösen, um die Nutzer zu entkriminalisieren.
Frau Beger spricht das Recht auf eine Digitale Kopie an. Dies sei soweit gestattet, sofern die Daten nicht durch Digital Rights Management (DRM) geschützt würden.
Damit waren über zwei Stunden interessante Debatte vorbei. Klärungen gibt es nicht, viele Probleme und wenige Lösungen sind vorhanden und gute Ideen und Lösungen werden durch verschiedene Interessen bis zur Unkenntlichkeit und Unnutzbarkeit verändert. Durch die z.T. sehr unterschiedlichen Positionen wurde auch deutlich, dass nicht alle Probleme durch das Urheberrecht zu klären sind, sondern dass es auch noch andere Gesetze gibt, die überprüft und an die herrschende Situation angepasst werden müssen.
Auch dazu:
Timm, Frank Berno: Ein guter Anfang, eine lebhafte Diskussion, DJU ver.di, 28.09.2012
- Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky [↩]
- vertrat die Interessen der Autoren als Freier Journalist, Fachautor, Urheberrechtsexperte der DJU ver.di mit Sitz im Verwaltungsrat der VG Wort [↩]
- Pseudonym, da er als Sicherheitsberater tätig ist, aber auch die Digitale Gesellschaft e.V. und den Chaos Computer Club [↩]
- stellv. Bundesvorsitzender der Deutschen Journalisten-Union [↩]
- Leiter Public Affairs + Corporate Responsibility Gruner+Jahr [↩]
- von netzpolitik.org und Vorsitzender der digitalen Gesellschaft e.V. [↩]
Pingback: Gelesen in Biblioblogs (40.KW’12) « Lesewolke