Onleihe – immer noch das einzige ÖB-Tor zur E-Book-Welt?
… oder warum tun wir uns mit einer Einordnung der Onleihe und einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem Angebot so schwer?
Die Diskussion, die ich hier widerspiegle, habe ich dankenswerter Weise mit Erlaubnis von Christoph Deeg und Peter Jobmann aus Facebook übernommen. Sie hat heute Nachmittag stattgefunden und soll hier auch ihren Weg aus der engen Facebookwelt herausfinden. Dazu folgen jetzt die Kommentare, die maßgeblich für die Diskussion sind. Nicht übernommen habe ich Zustimmungen durch „I Like“.
Beitrag:
Christoph Deeg:
Interessant. Wird der Anbieter jetzt beginnen daraus ein „professionelles“ Produkt zu machen? Und wie geht die Bibliothekswelt mit diesem „quasi-Monopol“ um, wenn doch Monopole immer ein Argument gegen Amazon, Google und Co. sind? Und welche Konzepte gibt es für die freien Inhalte wie Blogs?
ZIBB: Onleihe: Bibliotheken leihen online aus, RBB-online.de, 19.02.2014
Kommentare:
Peter Jobmann
Peter Jobmann Letztlich ein riesen Spagat für die Bibl. und ein großer Ansatzpunkt für Kritik. Zur bibl. Aufgabe gehört eigentlich auch, das drumherum zu vermitteln: 1. wir verleihen im Prinzip gar nichts und 2. wir unterstützen ein furchtbares Verwertungsmodell. Die Wahl eines weiteren Anbiertes (Ciando) wird ja im bibl. Raum auch schon als Nestbeschmutzerei wahrgenommen. Bibliotheken und die in ihnen Beschäftigten agieren zum großen Teil völlig apolitisch. Eine Haltung, die nachhaltig Schaden anrichten wird.
Ich:
Hieran hat sich nichts geändert und die Kritik übe ich seit 2007:
Böhner, Dörte: Für Öffentliche Bibliotheken – keine Alternativen zur Onleihe, Bibliothekarisch.de, 18.01.2012@Peter, Ciando ist letztlich nicht besser als die Onleihe, sondern nur eine Quasi-Alternative zu einem Quasimonopol.
Das häufig gehörteste Argument für die Nutzung dieser schlechten E-Book-Angebotes: „Wir können wenigstens ein Angebot machen.“ Das Angebot freier E-Books ist aufwendig, muss besser gemeinsam koordiniert werden und ist immer abhängig von einer geeigneten Plattform und der Sicherstellung einer verlässlichen Verfügbarkeit, sowie entsprechender Lizenzen.
Peter:
Ich weiß doch, dass Ciando exakt dasselbe macht. Nur fängt es bei diesem Punkt schon an. Bibliothekspolitisch ist es derzeit der wirksamste und simpelste Schritt, diesem Gebilde ekz – divibib – Büchereizentralen ein Konkurrenzangebot entgegenzusetzen. Der Rest ist eine Mischung aus Eigenverantwortung und dem beständigen Versuch, was Du großartigerweise schon seit Jahren so machst (und bei diesem Thema hast Du mich in die richtige Richtung geschubst), die bibliothekarische Umgebung zum Nachdenken anzuregen.
Christoph:
Was mich traurig macht ist, dass man hier eine kleine Gruppe von Unternehmen in die Lage versetzt, letztlich das Bibliothekswesen zu „kontrollieren“. D.h. die Bibliotheken sind von den Fähigkeiten und Zielsetzungen dieser Unternehmen abhängig. Manche dieser Unternehmen verfügen aber meiner Meinung nach bzw. basierend auf meinem Eindruck nicht über das Know How und/oder das Interesse, innovative Produkte zu entwickeln. Damit lähmt sich das System.
Ich
Genau das ist das Problem. Politisch wird da seitens der „Empfehlungsdienstleister“ = Verbände, Büchereizentralen, wie Peter schon sagt, nichts gemacht, weil das Thema „Wir verleihen E-Books“ und können das mit Onleihe und Ciando auch tun – den Blick für die Probleme verbaut. Wo sind die großen ÖBs, die etwas dagegen setzen? Wo sind die Hochschulen, die andere Lösungen entwickeln?
Christoph:
Und es ist noch schlimmer. Denn Kritik wird m.E. nicht geübt und nicht gewünscht. Die Vernetzung und die Abhängigkeit untereinander ist so groß, dass es zu wenig Bewegung gibt. Aber wie wollen Bibliotheken im 21. Jahrhundert erfolgreich agieren, wenn sie keine „konkurrenzfähigen“ Angebote haben? Immerhin stoßen immer mehr kommerzielle Anbieter in die zentralen Geschäftsfelder der Bibliotheken vor. Der Verleih von Medien an sich ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr.
Peter:
Die Abhängigkeiten und die Vernetzung im bibliothekarischen Raum ist wirklich interessant und außergewöhnlich kritikwürdig. Was aber die Konkurrenzfähigkeit angeht wäre ich vorsichtig. Bibliotheken mit einem klar strukturierten Konzept, das perfekt auf lokale Gegebenheiten passt, habe auch heute keine kommerziellen Anbieter, die in ihr Gebiet vordringen. Wer die Lücke im Bildungssystem, d.h. die Verknüpfung der Bildungs- und Kultureinrichtungen seiner lokalen Umwelt, gut auszufüllen weiß, der verrichtet sehr gute Arbeit und muss keine Angst vor der Zukunft haben.
Christoph:
@Peter Jobmann ich meine damit die digitalen Angebote. Im analogen Raum gibt es durchaus Bibliotheken mit konkurrenzfähigen Angeboten.
Ich:
@Christoph – ich denke, es gehört eine gute Kombination von analog und digital dazu, um konkurrenzfähig aufzutreten. Der ausgewogene Mix ist es, wobei natürlich für beide Seiten entsprechendes Fachwissen notwendig ist.
Christoph:
Jep. Aber es gibt auch grundsätzliche Fragestellungen. Also z.B. warum werden so selten die aktuellen und möglichen Nutzer in die Entwicklung von Bibliotheken involviert? Warum gibt es keine Konzepte für die Nutzung freier Inhalte? Warum wird noch immer nicht flächendeckend Munzinger und Wikipedia oder Bücher und Games als gleichwertig angesehen?
Peter:
@Christoph: prinzipiell glaube ich eh nicht, dass einzelne Bibliotheken konkurrenzfähige digitale Angebote machen können. Grundlegendes ist sicherlich möglich, aber der Rest kann nur in überregional gelingen. Die Masse an Parallelangeboten und damit Parallelarbeit im bibl. Raum ist schon spektakulär.
Christoph:
Was die Büchereizentralen angeht kann ich nicht mitreden. Und was wir natürlich auch überlegen sollten ist, wie man dann die Bibliotheken unterstützt, die einen neuen Weg gehen wollen. Kritik an Onleihe etc., so selbstkritisch bin ich schon, reicht nicht aus. Was ich auch nicht abschätzen kann ist warum man so oft sagt, dass man wenigstens etwas eigenes haben will. Oder anders ausgedrückt: brauchen eBooks die Bibliotheken oder brauchen Bibliotheken die eBooks? Und: warum beschweren sich in meinen Workshops fast alle Teilnehmer über Produkte wie die Onleihe – ohne für eine Veränderung zu sorgen?
Peter:
Einen Punkt möchte ich mal noch nachschieben. Der größte Mangel an digitalen Angeboten im bibliothekarischen Raum ist gar nicht bei den Möglichkeiten für unsere LeserInnen zu suchen sondern im fachlichen Austausch. Es gibt kaum Orte für fachlichen Austausch und dabei geht es mir jetzt nicht um die kleinen Netzwerke hier, bei Twitter, bei Google + usw. Es gibt nicht wirklich eine Institution, die wiederkehrende Fragen und Antworten sammelt. Die WissenssammlerInnen und -aufbereiterInnen sind derzeit kaum fähig ihr eigenes Wissen strukturiert zu sammeln und zu dokumentieren (fernab einzelner Portale mit Fachartikelnachweisen etc.).
Christoph:
Oder um es anders auszudrücken: ich denke wir müssen einen Weg finden, Partner für Bibliotheken zu finden, die dafür sorgen, dass digitale Angebote von Bibliotheken einen technologischen Standard definieren. Das können durchaus die aktuellen Anbieter bzw. Unternehmen sein, wenn sie denn in der Lage sind, soetwas zu entwickeln. Aber es sollte parallel mit Partnern aus anderen Bereichen gesprochen werden. Und es sollte über neue Formen der Kooperation nachgedacht werden. Schließlich müsste man zudem überlegen, ob wirklich alle Bibliotheken solche Angebote brauchen. Denn viele Bibliotheken haben vielleicht die Onleihe aber keine Ressourcen, um damit verbundene Serviceleistungen in der analogen Welt zu realisieren.
Ich:
Die Frage, die mich dabei beschäftigt ist: Wissen Bibliotheken – ganz unabhängig mal davon, was technisch und rechtlich möglich ist – welche Anforderungen sie an ihr elektronisches Angebot stellen wollen/sollen? Onleihe als alternativlos zu bezeichnen ist einfach, wenn man davon ausgeht, dass die Medien genauso behandelt werden sollen wie analoge Medien (Medienstücke). Mir fehlt da ein wenig das visionäre in dieser Hinsicht. Wie kann ein Angebot aussehen, das nicht von DRM, Leihfristen und Stückzahlen abhängig ist?
Kann die reine Koordination und Kombination verschiedener Angebote (in Bezug auf lokale Spezifika) eine Zukunft sein oder müssen (kleinere öffentliche) Bibliotheken die Inhalte auch aktiv selbst anbieten?
Wenn wir davon ausgehen, dass die Kombination und Koordination (digitaler) Medien, sowie deren „Vermittlung“ z.B. über Webseiten, Kataloge, Spiele etc. Aufgabe der Bibliotheken ist, dann sind große ÖBs, zentrale Vermittlungsstellen in der Pflicht zu schauen, wie die dazugehörigen Plattformen zu gestalten sind. Und das wird ohne passende Partner nicht möglich sein. Wie kommt man dann aber aus der „Bezahlfalle“ horrender Lizenzgebühren? (Ganz durchdacht sind die Gedanken jedenfalls noch nicht.)
Christoph:
@Dörte Böhner letztlich müssen wir uns fragen was vom Konzept der öffentlichen Bibliotheken zukunftsfähig ist und was nicht. Wenn der Verleih von Medien zu einem Geschäftsmodell privatwirtschaftlicher Unternehmen wird, was bedeutet das dann für Bibliotheken? Vor allem dann, wenn das Angebot immer preiswerter wird? Was bedeutet die PIACC-Studie [meine Anmerkung: Link zur Wikipedia ergänzt.] für die Leseförderung?
Ich:
Ich denke, eine Aufgabe von Bibliotheken – auch wenn das schnell in Richtung „Zensur“ ausgelegt wird, könnte in einer Welt, wo es alles gibt und alles zugänglich ist, das „Kuratieren von Leseangeboten“ sein, d.h. eine auf bestimmte herausgearbeitete Zielgruppen abgestimmte Zusammenstellung eines Medienmixes. Dazu kommen dann Mensch-zu-Mensch-Services.
Allerdings bin ich Bibliothekarin im wissenschaftlichen Bereich und kann nicht abschätzen, inwiefern mein Blick über den Tellerrand auf ÖBs perfekt passt. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir mehr auf klar umrissene, dafür aber auch spezifischere Zielgruppen eingehen müssen, z.B. auf deutsch-türkische Schüler der 7. Klasse der Ganztagsschule. Das ist jetzt übertrieben stark differenziert, aber genau das machen die großen Unternehmen ja. Dafür passende Konzepte zu entwickeln, Forschung zu betreiben und … und … und … – das macht es derzeit im Hintergrund so abschreckend, sich mit Dingen wie der Onleihe und ihrer Bedeutung auseinander zu setzen. Man muss nämlich an vielen Stellen bestehende Konzept, die bis jetzt funktioniert haben, angreifen, in Frage stellen und ggf. diese verwerfen.
Christoph:
Ich glaube genau das ist das zentrale Problem. Es geht um die Frage, was öffentliche Bibliothek sein soll und was nicht. Sehr viele Zielgruppen werden von ihnen nicht erreicht. Gleichzeitig gibt es viele stark genutzte Angebote. Das Problem der Onleihe ist m.E. dass sie existiert im überhaupt etwas zu haben. Aber es fehlt an einem Konzept für eBooks. Viele Bibliotheken testen beispielsweise nicht oder zu selten die Apps und die Abläufe. Aber das gehört mit dazu. Das Kuratieren von Inhalten ist fur öffentliche Bibliotheken m.E. kein Modell für die Zukunft. Denn es gibt zu viele Inhalte. Bibliotheken können die Masse an Informationen nicht mehr verarbeiten geschweige denn eine Vorauswahl treffen. Dies geht bei abgeschlossenen Themen aber sonst nicht.Ich glaube genau das ist das zentrale Problem. Es geht um die Frage, was öffentliche Bibliothek sein soll und was nicht. Sehr viele Zielgruppen werden von ihnen nicht erreicht. Gleichzeitig gibt es viele stark genutzte Angebote. Das Problem der Onleihe ist m.E. dass sie existiert im überhaupt etwas zu haben. Aber es fehlt an einem Konzept für eBooks. Viele Bibliotheken testen beispielsweise nicht oder zu selten die Apps und die Abläufe. Aber das gehört mit dazu. Das Kuratieren von Inhalten ist fur öffentliche Bibliotheken m.E. kein Modell für die Zukunft. Denn es gibt zu viele Inhalte. Bibliotheken können die Masse an Informationen nicht mehr verarbeiten geschweige denn eine Vorauswahl treffen. Dies geht bei abgeschlossenen Themen aber sonst nicht.Ich glaube genau das ist das zentrale Problem. Es geht um die Frage, was öffentliche Bibliothek sein soll und was nicht. Sehr viele Zielgruppen werden von ihnen nicht erreicht. Gleichzeitig gibt es viele stark genutzte Angebote. Das Problem der Onleihe ist m.E. dass sie existiert im überhaupt etwas zu haben. Aber es fehlt an einem Konzept für eBooks. Viele Bibliotheken testen beispielsweise nicht oder zu selten die Apps und die Abläufe. Aber das gehört mit dazu. Das Kuratieren von Inhalten ist fur öffentliche Bibliotheken m.E. kein Modell für die Zukunft. Denn es gibt zu viele Inhalte. Bibliotheken können die Masse an Informationen nicht mehr verarbeiten geschweige denn eine Vorauswahl treffen. Dies geht bei abgeschlossenen Themen aber sonst nicht.Ich glaube genau das ist das zentrale Problem. Es geht um die Frage, was öffentliche Bibliothek sein soll und was nicht. Sehr viele Zielgruppen werden von ihnen nicht erreicht. Gleichzeitig gibt es viele stark genutzte Angebote. Das Problem der Onleihe ist m.E. dass sie existiert im überhaupt etwas zu haben. Aber es fehlt an einem Konzept für eBooks. Viele Bibliotheken testen beispielsweise nicht oder zu selten die Apps und die Abläufe. Aber das gehört mit dazu. Das Kuratieren von Inhalten ist fur öffentliche Bibliotheken m.E. kein Modell für die Zukunft. Denn es gibt zu viele Inhalte. Bibliotheken können die Masse an Informationen nicht mehr verarbeiten geschweige denn eine Vorauswahl treffen. Dies geht bei abgeschlossenen Themen aber sonst nicht.
Ich:
Das denke ich auch, dass manche Angebote eher „Werbetafeln“ sind: Das können wir für Sie tun. Damit erreicht man bekannte Nutzergruppen, die, die sich „lohnen“, weil sie in die Bibliothek kommen. Die Nichtnutzer sind dann ein anderes Problem. Die Gruppen kennen wir nicht gut genug und erreichen sie auch schlecht für eine umfassende Erforschung. Erreichen wir die aber mit diesen Gießkannenangeboten wie der Onleihe? Letztlich ist es auch eine reine „Werbetafel“, auf der steht: „Bibliotheken sind hipp.“ Und das Versprechen von 24/7 wird nicht gehalten.
Die Onleihe bietet als reines Plus gegenüber Angeboten für bekannte Nutzergruppen eine ortsunabhänige Nutzung – mal hart formuliert. Einmal muss man sich lokal in der Bibliothek anmelden. Schwamm drüber, damit kann man noch leben. Das kriegt man organisiert. Und dann werden die Nutzer enttäuscht. Alle, die Bibliotheken häufig deshalb nicht nutzen, weil sie ein Buch „jetzt“ haben wollen und nicht erst in drei Wochen oder die länger an einem Buch lesen, erleben, dass die Stückabhängigkeit und festgelegte Lesezeiten das Leben erheblich erschweren. Das können Angebote wie bspw. die Kindle Leihbücherei besser abbilden. Man kann jedes Buch ausleihen, egal wie viele andere es ausgeliehen haben, sofern es im Portfolio der „Leihbücherei“ enthalten ist. Einmal enttäuscht, sind so gewonnene Nichtnutzer wieder verlorene „Nutzer“ einer Bibliothek. Und damit gefährden solche Angebote wie die Onleihe oder auch Ciando die Bedeutung und den Ruf von Bibliotheken.
Stand der Diskussion: 05.03.2014, 17:48 Uhr
Klaus Graf verlinkt in Archivalia auf diesen Beitrag und übertitelt ihn „Kaum Kritik an der Onleihe“. Fraglich ist, wer kaum Kritik an der Onleihe übt: Die Diskussion selbst? Die ÖBs? Ich habe langsam das Gefühl, täglich grüßt das Murmeltier in den Diskussionen in den Blogs (z.B. Archivalia, Bibliothekarisch.de, Infobib, Netbib), die besagt, dass die Onleihe ein Monopol besitzt, es keine wirklichen Alternativen gibt und in denen Unverständnis geäußert wird, dass ÖBs darüber auch noch jubeln, dass sie teuer dafür bezahlen dürfen.
Offensichtlich gibt es die Diskussion bei Twitter und diesmal auch bei Facebook. Es gibt Beschwerden unterschiedlichster Art, aber die Verantwortlichen, die entsprechende Empfehlungen aussprechen, behandeln die Onleihe relativ unkritisch (Stand der Kritik der BIB-Seite 14.01.2008!) und sehen die Onleihe fast als alternativlos an, anstatt dagegen aufzubegehren und eben zu schauen, ob es Alternativen gibt oder wie man Alternativen schaffen kann. Weitere Hintergründe, warum die Onleihe mit ihrem Monopol so „widerstandslos“ akzeptiert wird, werden in der Diskussion umrissen.
Pingback: Weiterhin Kritik an der Onleihe | schneeschmelze | texte
Jürgen Fenn hat dankenswerter Weise auf Schneeschmelze die obige Diskussion gut zusammengefasst und noch einige Aspekte ergänzt. Ich veröffentliche hier nochmal meinen Kommentar, den ich dort im Blog hinterlassen habe.
Danke für die spannende Diskussion und deren Dokumentation! Wir befassen uns aktuell an der HTW Chur gerade mit einem Projekt, um eine Alternative zu den gängigen Modellen und dem quasi-Monopol zu entwickeln. Momentan ist es noch ein Projektkurs mit Studierenden, aber wir sind auch an der Vorbereitung eines Forschungsprojekts. Interessenbekundungen von Bibliotheken (also möglichen Kunden) erleichtern die Gewinnung von Projektmitteln übrigens…
Danke für den Hinweis. Ich hoffe, es finden sich auch einige kleinere Bibliotheken, die sich daran beteiligen möchten. Ich denke, dass sind die, die meiner Meinung nach als Einrichtung vielleicht an dieser Stelle am meisten gewinnen könnten. 😀
Beim wem müsste mann denn wie Interesse bekunden? 🙂
Schauen Sie doch mal bei der unter diesem Kommentar verlinkten Präsentation auf Folie Nr. 4. Dann verstehen Sie vielleicht, was die Onleihe so sexy macht in einem Umfeld, in dem jede Qualität quantifiziert wird. Kundenfrustration geht daraus nicht hervor und die meisten Kunden von denen ich in einem bibliothekskannibalistischen Umfeld höre, sind eher zufrieden. Wie es wirklich ist, wissen wir nicht, denn spätestens ab „E-Ausleihe“ sind bibliothekarische Kennzahlen Geschäftsgeheimnisse. Was preisgegeben wird, dürfte noch ein bisschen opportunistischer sein als das, was wir schon kennen. Bibliothekarische Diskussionen im öffentlichen Raum unterliegen zudem einer erzwungenen akademischen Naivität, denn es geht nicht um Methoden und Ziele, sondern um Zwänge, Abhängigkeiten und Interessen, die im Zweifelsfall der Schweigepflicht unterliegen. Daher ist es unvermeidlich, dass intelligente Menschen dumme Dinge tun. Im Gegensatz zur akademischen Theorie ist Information das, was nicht publiziert wird. Bitter für Bibliothekare, die ja gerne das Gegenteil behaupten. Also: Aufgeblasene Backen machen nicht hübsch. Tieeef ausatmen …
http://www.oclc-bibliotheca.de/dokumente/download.aspx?ID=0x021944CBD42D6C46952D3171DBF62121
(In Gänze für den Fall, dass mir der Zeilenumbruch wieder den Link zerhackt)
Das Prinzip ist die Basis jeglicher Grundlage: unabhängig von den nicht existenten KundInnen im Sinne des Wortes sagt mir der Blick auf meine berufliche Umgebung, dass diese Diskussion gar nicht bekannt ist. Zu dem Punkt der Abhängigkeiten und Interessen kommt man gar nicht, weil die akademische Naivität Unwissen über manche Probleme beinhaltet. Insofern ist diese Diskussion auch im geschlossenen Raum voller BibliothekarInnen kaum zu führen bzw. wird als solche weder erkannt noch anerkannt.
Stimmt. Wie man hier wieder sieht, ist es eher eine Nischen-WBler-Diskussion. Seltsam. Wer im Glashaus sitzt… Lösen Sie sich doch mal von ihrem Lieblingsreizwort „Kunde“. Nennen wir ihn „Goldkrönchen“ und lassen offen, ob er ein Stadtrat, ein Bürgermeister, ein Kämmerer oder ein Enduser ist und einigen uns darauf, dass man sich die tollsten Bibliotheksmodelle ausdenken kann, die ohne Akzeptanz des Goldkrönchens nur Blabla sind. Was hat die Akzeptanz mit Ihrer Mission zu tun? Der bibliothekarische „Auftrag“ ist bis in die Semantik der kommunalen Produktpläne hinein ein Dokument der Selbstermächtigung. Goldkrönchen reden nicht so und Pragmatikern sind die Leitbilder der Lobby wurscht. Denen ist das Prinzip die Basis des Untergangs. Zurzeit kann ich nicht erkennen, dass Goldkrönchen die Onleihe für Mist hält oder Alternativmodelle fordert. Wenn ich Golkrönchen erzähle, was er wollen soll, guckt er mich an, als sei ich ein Bibliothekar.
Mir hat auch noch kein Kritiker verraten, wie ein Alternativmodell aussehen kann in einem Medienumfeld, in dem die Verfügbarkeit gegen unendlich und der Preis gegen Null streben. Medienpädagogik, Informationskompetenz, Bildung? Das funktioniert nur in der Akademie oder in der Schule, weil die Goldkrönchen dort keine Alternativen haben, die zu geringeren (Opportunitäts)Kosten verfügbarer wären. Ich freier Wildbahn können wir das wohl vergessen.
Ich habe schon erwähnt, dass ich an keiner Öffentlichen Bibliothek arbeit, d.h. ich stecke nicht en detail in den politischen Möglichkeiten. Dennoch denke ich, kann ich meiner Besorgnis und den Dingen, die ich sehe, hier Ausdruck verleihen darf. Daraus ins Gespräch zu kommen, wie es hier passiert, ist etwas, was Aufmerksamkeit schafft, ggf. auch Ideen zum Weiterentwickeln aufwirft. Woran das Bibliothekswesen krankt, ist oft das Aufeinanderprallen von Lobby und Politik und fehlender vorausschauender Planung, auch aufgrund einer unzureichenden kritischen und wissenschaftlichen Ausbildung.
Goldkrönchen ist dankbar für alles, was seine Bequemlichkeit unterstützt und nicht erfasst werden die kleinen Krönchen, die aufgrund der schlechten Qualität des Services (z.B. meinereins) und der finanziellen Möglichkeiten andere Angebote nutzt. Irgendwo muss man das Geld schließlich investieren, das nicht in Umzüge, fehlende Urlaube, Zigaretten und Alkohol investiert wird 😉
Wenn ich das mal zitieren darf:
„Kommerzielle Lösungen für den ÖB-Bereich sehe ich machbar, jedoch nur, wenn sich die Firmen dabei von der Einzeltitel-Einzeldownload-Variante (sprich: Wir machen Digitales analog) verbschieden. Was spricht beispielsweise gegen: Sie zahlen für 200 Titel und 30.000 Downloads und welche Titel wie oft gleichzeitig “ausgeliehen” werden, ist uns egal und wie lange Sie an einem Titel lesen, interessiert uns nicht, da Sie sowieso nur einen Titel gleichzeitig nutzen können.“
Es ist aber schon klar, dass diese Vorgaben von den Verlagen kommen oder? Es sind nur 3 Lizenztypen angedacht. Da kann man beiden Anbietern vorwerfen schlecht bzw. nicht im Sinne der Bibliotheken zu verhandeln. Da kann man auch den Verlagen einiges vorwerfen…
Natürlich ist klar, dass die Lizenzen von den Verlagen gerade bei den derzeitigen Modellen von den Verlagen bestimmmt werden. Es muss jedoch ein Bewusstsein geschaffen werden, dass man darüber verhandeln kann, dass es alternative Lizenzmöglichkeiten gäbe und wie diese aussehen könnten. Und wenn die Anbieter – sprich Bibliotheken und ihre verhandlungsführenden Konsortien – sagen, liebe Verlage, ihr kriegt das und das Geld von uns, wenn ihr das weiter haben möchtet, dann kommt uns entgegen – da verschiebt sich meiner Meinung nach wieder das Gleichgewicht. Nur es gar nicht erst zu versuchen …
Das Problem scheint mir nicht zu sein, dass die Onleihe „kommerziell“ ist. Das Problem ist die strukturelle Abhängigkeit der Bibliotheken in einem bestimmten Geschäftsmodell. Durch dieses Modell entwickeln sich die öffentlichen Bibliotheken zu Filialen Dritter. Es scheint mir eine Filialisierungspolitik, die von interessierrter Seite – nicht nur den Gesellschaftern – sehr methodisch betrieben wird. Nicht nur bei der Onleihe. Stellen Sie sich einmal vor, was wäre, wenn sich die „The-policy-transfers-with-the-record-Nummer“ auf alle Datenbestände ausdehnte. Langfristig ermöglicht es die Übernahme aller Filiaien durch die Mutter. Das ist die Gefahr. Es könnte bei einem weiteren Fortschreiten dieses Prozesses durch die vertragliche Kopplung aber auch die Existenz der Töchter sichern, wenn aus dem Sudden Stop der Schuldenfinanzierung ein Sudden Death der Bibliotheksträgerbudgets in den Haftungsländer wird. Das ist die Chance.
Kann man so etwas in conträren Szenarien diskutieren? Anscheinend nicht. Letztlich stellt sich die Frage nach der dominanten Strategie, die ja per Definition nicht die dominierende Strategie ist, sondern schlimmstenfalls das kleinere Übel.
Selbstverständlich scheint mir nichts.
Ach der Pragmatismus, der ist ohne Idealismus und Optimismus ja irgendwie Nihilismus. Der olle Kunde nervt nicht als Wort sondern als Gedankenkonstrukt hinter dem sich ein Gesellschafts- und Menschenbild verbirgt. Insofern ist Goldrkönchen im bibliothekarischen Raum ganz pragmatisch ja weniger von Interesse weil es um seine Interessen geht, sondern weil es um zu erfüllende Interessen Dritter geht, bzw. um uns und die Zukunft unserer Geldbeutel. Das kämmernde Goldkrönchen folgt letztlich ja auch den bibliothekarischen Mantras. Der bibliothekarische Auftrag ist ein lokales politisches Produkt, so sehr auch die wiss. Gemeinde drum herum redet. Das Leitbilder im pragmatischen Sinne wurscht sind, ist auch nur Ausdruck des unbekannten Wesens Leitbild. Das kann ja nix dafür. Goldkrönchen findet es doch ganz nett, wenn es am Leitbild mitschrauben kann, was es ja nicht darf, was andere Institutionen praktisch vorführen. Ob Goldkrönchen die Online toll findet oder nicht, kann ich bisher nur an den Zahlen ablesen und an denen kann man irgendwie gar nicht so viel ablesen. Über die letzten drei Sätze hingegen würde ich gerne länger streiten 💡
M.E. haben ÖBs mit der virtuellen Ausleihe ein ganz substantielles Problem. Man braucht sie dafür nicht. Was ÖB aber sein kann, ist ein Ort in der Stadt, ein besonderer (Kommunikations)Raum für Menschen, für den aus einer Historie heraus Services weiterentwickelt und den Bedarfen gerecht werden. Ich sehe da keine onleihe. Das kann doch irgendwo jemand zentral erledigen.
Für die reine Bereitstellung der Virtuellen Ausleihe braucht man Bibliotheken auf den ersten Blick vielleicht nicht, es sei denn, man ist HartzIV-Empfänger, Geringverdiener oder in einer anderen Art von Bibliotheken „abhängig“, z.B. durch die aufbereitete Bereitstellung digitaler Medien, z.B. als Mensch mit einer Sehschwäche. Dass die Bibliothek als Ort eine verstärkte Aufgabe zukommt, sei dabei unbestritten und die angebotenen Services müssen auf sie zugeschnitten werden. Was die Onleihe-Geschichte oder die E-Book-Angebote überhaupt angeht, wage ich zu bezweifeln, dass die Verlage überhaupt noch zu Gesprächen bereit sind, wenn ein Gegenmonopol zum Buchhandel aufgebaut wird. Ein zentrales Angebot, wie es zum Großteil die Onleihe bietet, wird zudem nur bedingt lokalen Ansprüchen und Besonderheiten gerecht. Natürlich haben konsortiale Lösungen eine wichtige „Machtfunktion“, was die Preise angeht, aber die wird noch nicht ausreichend und kritisch genug genutzt.
Des weiteren bieten viele Bibliotheken heute breits Services rund um E-Medien an, z.B. die Beratung zu Lesegeräten und Fragen zum Download. Dies geht ohne ein entsprechendes Angebot an Medien seitens der Bibliothek meiner Meinung nach nicht. Hier profitieren Verlage und Einzelhandel, da entsprechende Fortbildungsfragen und ein zeitaufwendiger Service seitens der Bibliotheken übernommen werden. Das sollten diese nicht unterschätzen. Es ist keine Lösung des substanziellen Problems, dass Bibliotheken im Rahmen eines Überangebotes „preiswerter“ E-Medien eine schwache Position haben, aber es steckt auch ein Potential darin, neue Aufgaben für sich zu entdecken. Wer jedoch Bibliotheken auf den reinen Ort = Raum für Menschen reduziert, unterschätzt die Möglichkeiten und die Aufgaben, die Bibliotheken heute wahrnehmen können und sollten und die nur mit einem attraktiven Medienangebot geleistet werden können. Stichworte sind hier: Zugang zur Information für jedermann, Stärkung von Informationskompetenzen im Sinne von information literacy, Maker Spaces, Lernraum im Sinne des lebenslangen Lernens, multikulturelle Bibliotheksarbeit, Leseförderung und … und … und …
Der gelungene Medienmix und die Attraktivität der Bibliothek als realer und virtueller Ort werden wichtige Faktoren sein, die über die Zukunft der Öffentlichen Bibliotheken entscheiden. Daher ist es notwendig, dass die Öffentlichen Bibliotheken Konzepte auch für elektronische Medienangebote entwickeln. Sie müssen ja nicht in erster Linie kommerziell sein, sondern sie müssen die Interessen der Nutzer treffen, z.B. durch die Bereitstellung einer eigenen Publikationsplattform mit entsprechenden Lizenzen.
Viele der theoretisierenden Konstrukte bilden eher den Raum auf einem Flyer ab, als dass sie Alltag einer Öffentlichen Bibliothek beschreiben. Wenn man in einer ÖB ist und die Augen offen hält, sieht man Menschen, die sich aufhalten und/oder Medien ausleihen. Die kleinen und mittleren ÖBs müssen sich entscheiden, wo sie ihre Ressourcen investieren und wohin die Reise gehen soll. Die ersten kleinen onleihe Bibliotheken müssen jetzt erschrocken feststellen, dass ihr Bestand an haptischen Medien mittlerweile katastrophal ist und sie durch ihre virtuellen finanziellen Verpflichtungen kein Geld mehr für diesen Bestandsaufbau haben. Was ist in zehn Jahren? Werden dann die kleinen Bibliotheken geschlossen und nur noch virtuell vom Kreis geführt? Es könnte sein, dass der scheinbare Ausweg aus einem gedachten Problem das eigentliche Problem ist/wird.
Das Problem ist mir durchaus bewusst. Die Diskussion in der Richtung ging in den Kommentaren bei Schneeschmelze.
Ich greif dazu mal meine Hauptaussage aus meinem ersten Kommentar und die aus meinem zweiten Kommentar dort auf.
Zum Einsatz der Onleihe:
Was können Alternativen mit Mehrwerten sein? Nur mal so einige Ideen, über die ich mit Kollegen wie Anna Zschokke [@nightlibrarian] und Gabriele Fahrenkrog [@fahrenkrog] gesprochen habe oder die von Jürgen Fenn in die Diskussion gegeben wurden:
Aufbau eines Repositorium (als einer Plattform) für den Zugang zu gemeinfreien oder mit entsprechenden Lizenzen (CC-Lizenzen) versehenen Werken im Verbund.
Bereitstellung einer Veröffentlichungsplattform für lokale / regionale Hobbyautoren
Digitale Sammlung von Bildern, Tondokumenten des Ortes, der Region
Zugehen auf lokale Verlage und das Gespräch suchen, um zu verdeutlichen, dass ihr Angebot in einer lokalen Kultur- und Bildungseinrichtung wie der eigenen örtlichen/regionalen Bibliothek nicht fehlen darf.
Nationallizenzen, alternative Finanzierungsmodelle wie Crowdsourcing, Patenschaften, Spenden etc.
Sich einfach nur Hinzusetzen und zu sagen, Virtuell tötet Real, ist zu kurzfristig gedacht. Es heißt kreativ zu sein und ggf. kooperativ etwas auf die Beine zu stellen. Letztlich werden die Bibliotheken überleben, die von engagierten Menschen unterstützt werden und die keine künstliche Linie zwischen Digital und Analog machen. Beide Seiten haben ihre Berechtigung und nun geht es darum, Konzepte zu entwickeln, die beide Seiten beinhalten.