Aus aktuellem Anlass: Der internationale Tag gegen Lärm und was Bibliotheken stattdessen tun könn(t)en

Am 23.04.2010 schrieb der Blogger TomTheCat:

“Dass eine Bibliothek ein Ort der Konzentration und der Stille ist, und dass dort in der Hauptsache gelesen wird, das ist zwar sicher jedermann verständlich, aber gleichzeitig in der Realität wohl ein aussterbendes Konzept.”

Bibliotheken zählen mit Sicherheit immer noch zu den Einrichtungen, die sich bereits seit deren Gründung bis heute eher gegen Lärm aussprechen als ihn zu befürworten und eher nicht bereit sind diesen stillschweigend zu erdulden. Der Blogger, der in Schweden lebt, hat erkannt, dass dieses “Konzept” einer  “Oase der Stille” heute so nicht mehr zeitgemäß ist. Motzko wies 2008 darauf hin, dass die Belegschaft von Bibliotheken meist aus bürgerlich-traditionalistisch-intellektuellen MitarbeiterInnen zusammengesetzt ist. Was ergibt sich daraus für die Bibliotheksarbeit und welche Milieus werden überhaupt noch durch das zu Beginn genannte Konzept erreicht? Diese Fragen in einem Blogeintrag zu klären, ist leider nicht möglich. Dennoch gibt es mit Sicherheit einen Zusammenhang zwischen den 7-13 % der Bevölkerung (eingeschriebenes Stammklientel) und den restlichen 17 %, die den Lesesaal und die Infobereiche ohne Ausweis nutzen, mit der “Bibliothek als Ort”, die auf der cognitive map vieler Menschen wohl zu wenig auftaucht. Sind öffentliche Bibliotheken “zu leise”? Über Twitter erreichte mich heute eine Pressemitteilung von der Leiterin des Berliner Theatertreffens, die beklagte, dass das Theater seine Lobby verliert:

“Die Politiker gehen nicht mehr ins Theater.” Diese Situation beklagt die Leiterin des Berliner Theatertreffens, Iris Laufenberg. Die Entscheidungsträger in Kommunen und Ländern wüssten nicht mehr, welchen Wert das Theater habe, sagte die Festival-Chefin der Deutschen Presseagentur […].

Wissen denn die Kommunen und Entscheidungsträger denn eigentlich welchen Wert Bibliotheken haben oder gab es schon einmal Politiker in Bibliotheken? Natürlich-, würde manch einer sofort entschieden behaupten. Wenn Bibliotheken laut Motzko zu den meistbesuchten Kultureinrichtungen zählen, dann stehen Theater wohl an zweiter Stelle. Was heißt das für Bibliotheken? Haben diese eine bessere Lobby? Auch das wäre zu erforschen. Als Abonnent verschiedenster Newsletter von Theatern/Kultureinrichtungen und als Teilnehmer an zahlreichen pädagogischen Workshops und als Besucher zahlreicher  Vorstellungen, glaube ich, dass Theater, wie die Initiative “Theater macht reich!” aus Wuppertal zeigt, eine stärkere Lobby v.a. bei Kulturschaffenden haben und im Allgemeinen kreativer und interessanter nach außen kommunizieren. Inwiefern meine persönliche Sichtweise Tatsachen entspricht, wäre auch hierbei zu erforschen. Obwohl durch die demographische Entwicklung das “gutbetuchte” Bildungsbürgertum älter wird und “ausstirbt” ist es in Bibliotheken sicherlich noch vergleichsweise weniger vertreten, da doch viele dieser Bürger meist ihre eigene Bibliothek zuhause pflegen.

Nach der letztjährigen Veranstaltung der Zukunftswerkstatt vom 8.April 2009 in Anwesenheit vieler Vertreter der Organisation Create Berlin, bin ich nach den Wortmeldungen von Christoph Deegs Vortrag zu dem Entschluss gekommen, dass Bibliotheken von der kreativen Szene Berlins eher gemieden werden, wenn man von einigen Ausnahmen  bzw. wenigen Ausleihen absieht. Deren kreative Verbesserungsvorschläge, die einige in der Veranstaltung äußerten, könnten zukünftig  bei innovativen Dienstleistungkonzepten stärker miteinbezogen werden, wodurch Synergieffekte möglich wären.

Aus Anlass des 13. internationalen Tag des Lärms (28 April) schlage ich deshalb für Bibliotheken,- die ja meist ohnehin schon für ihre Ruhe und Stille bekannt sind -, einen Flaschmob vor, wie ihn Studenten (vermutlich 2008) des Charleston (siehe unten) College (South Carolina) in ihrer Bibliothek initiierten.  Selbst wenn dieser unkonventionelle Vorschlag von mir auf keine positive Resonanz stossen wird, glaube ich, dass nach einer solchen Aktion, das Bewußtsein bei allen Besuchern einer Bibliothek für die Stille wieder etwas mehr geschärft würde und in der Medien- und Aufmerksamkeitsökonomie eine andere Berichtersattung erfahren würde. Auf dem diesjährigen BID-Kongress in Leipzig griff Frau Prof. Dr Schade in ihrem Vortrag “Markenkommunikation für Öffentliche Bibliotheken” einige Zitate aus Herrn Prof. Dr. Martin Götz’ Disseration wieder auf:

Öffentliche Bibliotheken kommunizieren in der Presse vor allem sachlich. Über Öffentliche Bibliotheken wird vor allem neutral berichtet .

Ist das vielleicht auch ein Grund weshalb deutschsprachige Bibliotheken insbesondere bei Videoportalen wie You-Tube im Vergleich mit französischsprachigen und englischsprachigen Bibliotheksvideos unterrepräsentiert sind? Meinen Beobachtungen zufolge sind selbst viele Videos aus dem deutschsprachigen Raum oftmals ähnlich sachlich und neutral wie in der Printpresse aufbereitet. Es wäre eine längere Untersuchung notwendig, um zu beweisen, dass im Vergleich mit anderen Ländern über You-Tube und anderer Portale,  deutschsprachige Bibliotheken sachlicher kommunizieren, als Beispiele aus den USA (Charleston) oder den Niederlanden zeigen.  Bei diesen Portalen geht es auch um die Außenkommunikation mit den Usern und der “Bibliothek als Marke”. Doch wie Frau Prof. Dr. Schade bemerkte, müssen folgende Gegebenheiten vorliegen, um eine identitätsorientierte Markenkommunikation zu erreichen:

“Um Sympathie, Identifikation und Commitent über die Markenkommunikation herzustellen,
müssen Emotionen evoziert werden – durch bildhafte Darstellungen, Identifikationsanreize,
Storytelling und/oder Agenda Setting […]”

Gibt man in einer Suchmaschine das Wort Bibliothek und leise ein, so erhält man mindestens 252.000 Treffer. Dieses “Stigma” wird bleiben, aber oftmals  werden mit leisen Bibliotheken leise Bibliothekare assoziiert, welche leider immer noch als graue Mäuse verschrien sind. Ich konnte das bei sehr vielen WG-Besichtigungsterminen im In- und Ausland in den letzten Jahren feststellen, dass auch unter gleichaltrigen Menschen, die studieren bzw. einer Ausbildung nachgehen, die Reaktionen und das Wissen über den “leisen” Beruf zu 80 % immer noch den alten Klischees und Sterotypen entsprechen, wie sie der Blogger/die Bloggerin   Bibliotheksdrache am 16.04.2010 wieder aufzählte.  Was können die Vertreter unserer “Zunft” dagegen tun?  Sicherlich mag das in manchen Fällen der Lernkultur förderlich sein, aber ein Kommunikationsort, indem soziale Beziehungen gepflegt werden, sollte doch außerhalb seines Bibliothekscafés noch über Räumlichkeiten verfügen, in denen man sich in Normallautstärke unterhalten darf – ohne mit Sanktionierungen des Personals bzw. der lernwilligen Einzelkundschaft rechnen zu müssen.  Könnten nicht an einem solch denkwürdigen Tag wie dem “International Noise Awareness Day” mal ausnahmsweise die folgenden (Verhaltens-)Regeln für mindestens eine Stunde außer Kraft gesetzt werden?

  • Bitte leise sprechen, damit jeder ungestört arbeiten kann!
  • Handys bitte in der Bibliothek ausschalten
  • an den Kopiergeräten möglichst leise arbeiten

2 Kommentare

  • Gut dass es immer noch solche Einrichtungen gibt, wo man ruhig lesen bzw. arbeiten kann…

  • Wolfgang Kaiser

    Die Metropolitan Library in Leeds (http://libraryonline.leedsmet.ac.uk/lis/lss/whatsnew/2010/04-22_noise_action_week.htm) beteiligte sich sogar an der landesweiten “Noise Action Week” (26th – 30th April), um Studenten in den Ruhebereichen daran zu erinnern mehr Rücksicht auf ihre Mitmenschen zu nehmen. Die Kampagne betonte wie wichtig es sei eine ruhigen Arbeitsbereich in der Bibliothek anzubieten und griff den Slogan “Respect your neighbour’s right to study” auf. Ab und an geht vermutlich bei einigen Menschen das Bewußtsein und die Wertschätzung verloren, aber solche Kampagnen wären durchaus sinnvoll, insbesondere an FH- und Unibibliotheken.