Wissensstädte – Bibliotheken in Afrika: Eine Ausstellung über die Geschichte und die Gegenwart von Bibliotheken in afrikanischen Städten noch bis 31.07.10 im ZMO Berlin
Bereits seit dem 11. Januar und noch bis zum 31. Juli 2010 ist im Zentrum Moderner Orient in Berlin-Nikolassee die Ausstellung Wissensstädte – Bibliotheken in Afrika: über die Geschichte und die Gegenwart von Bibliotheken in afrikanischen Städten zu sehen. Sie wurde von Brigitte Krause, Robert Liebscher und Tobias Mörike konzipiert. Ein Besuch der Ausstellung ist nur werktags zwischen 10 – 16 Uhr möglich.
Das ZMO (Zentrum Moderner Orient) ist übrigens die einzige Forschungseinrichtung Deutschlands, die sich interdisziplinär und in historisch-vergleichender Perspektive mit dem Nahen Osten, Afrika, Süd- und Südostasien auseinandersetzt. Im Fokus der Forschung steht die Interaktion überwiegend islamisch geprägter Gesellschaften sowie deren Beziehungen mit den nicht-islamischen Nachbarregionen. Momentan ist dort noch eine Stelle als Praktikant in der Bibliothek ausgeschrieben. Bei letzterer geht es um die wissenschaftliche Erschließung von Archivmaterialien aus dem Nachlass von Prof. Dr. Gerhard Höpp über ein elektronisches Findbuch.
Auf dem 72. PEN-Kongress 2006 in Berlin, an dem ich damals im Berliner Ensemble teilnahm, meinte die südafrikanische Literaturnobelpreisträgerin von 1991, Nadine Gordimer, dass es in Afrika immer noch viel mehr Investitionen in Gewehre als in Bücher gibt. Ihrer Meinung nach kann das „Grundrecht auf Kultur“ nur gewährleistet werden, wenn außer den Schriftstellern, der Literatur in afrikanischen Muttersprachen, auch die Leser und das Lesen mehr gefördert werden würde. Über die Lese- und Buchkultur in ihrem Heimatland Südafrika äußerte sie sich damals sehr kritisch:
„Bücher sind in Afrika unverhältnismäßig teuer, weil die meisten aus dem Ausland kommen. Es gibt etwa in Südafrika kaum öffentliche Bibliotheken und die Buchläden sind monopolistisch in der Hand einer einzigen Ladenkette. Lange Zeit war Mandelas Autobiografie „Der lange Weg zur Freiheit“ in seinem Land doppelt so teuer wie in England oder Amerika. Nachdem die Freiheit der Meinungsäußerung gesichert ist, regiert nun der Markt. Wir haben immer wieder daran appelliert, die Importzölle auf Bücher abzuschaffen. Es ist uns nur für Sachbücher gelungen, nicht für Literatur und Poesie. Es bräuchte eine große Bewegung unter Schriftstellern und Erziehern.“
Abschließend forderte sie die Initiierung einer neuen Bewegung, die sich diesen Problemen stärker widmet. Dass sich seit dieser Zeit und nach der IFLA-Konferenz 2007 in Durban Grundlegendes für Südafrikas Buchpreise geändert haben könnte, wage ich zu bezweifeln. Jessica Hadley Grave schrieb 2009 in einem sehr lesenwerten Artikel über die Entwicklung der Lesekultur in Südafrika, dass 2007 die bisher einzige Studie zu den Lesegewohnheiten der Südafrikaner veröffentlicht wurde. Ein Fazit daraus ist die Betonung der Bedeutung von Bibliotheken und vor allem der mobilen Büchereien für die Leser. 2008 wurde ein National Council for Library and Information Services (NCLIS) eingerichtet, dessen Ziel es unter anderem ist eine Vision für einen gewandelten Büchereisektor zu formulieren, um die Bildung und die Entwicklung einer Lesekultur zu unterstützen. Über You-Tube und anderen Quellen entdeckte ich viele Initiativen der Leseförderung in Afrika durch amerikanische und französische Organisationen, die Bücher spenden. Durch meinen eigenen Aufenthalt in Marokko erfuhr ich 2006, dass auch dort (neue) Bücher verhältnismäßig teuer sind und viele Schriftsteller in ihrem Heimatland unbekannter sind als im westlichen Ausland. So wage ich zu behaupten, dass der Adalbert-von-Chamisso-Förderpreisträger von 1998, Abdellatif Belfellah, der ja aus Marokko stammt und seit einigen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, dort noch nicht ins Arabische übersetzt wurde. Auch die Übersetzung ur-deutscher Autoren ins Arabische gestaltete sich dort im Gegensatz zum Libanon schwieriger. Außer Herrmann Hesse, Friedrich Nietzsche, Jürgen Habermas, Mathias Bröckers, Sebastian Haffner und A. Hitler, konnte ich auf der Buchmesse (Salon International de l’édition et du livre) 2006 in Casablanca keine anderen deutschsprachigen Autoren, die ins Arabische übersetzt wurden, entdecken. Bücherspenden alleine sind kein ganzheitlicher Ansatz, um eine Verlags- und Buchlandschaft aufzubauen und zu fördern. Es müssten politisch gewollte Entscheidungen und Maßnahmen ergriffen werden, um in diesen Ländern die Bücher preisgünstiger im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten der Bevölkerung anzubieten. Doch spätestens seit der Lektüre des Artikels „Bücher am Ende der Welt Buch- und Bibliothekswesen in Chile“ in der Zeitschrift BIT-online Nr.3 2009 von Simone Klebes, ist mir klar geworden, dass es nicht nur in Afrika verhältnismäßig hohe Buchpreise gibt, sondern auch in Chile, wo hohe Buchpreise leider allzu oft verhindern, dass sich das Medium Buch in den Alltag junger Chilenen integrieren könnte, wie Klebes am Schluss ihres Artikels anmerkte.
Dennoch macht die Ausstellung im ZMO neugierig auf einen Besuch, der sich mit Sicherheit lohnen wird. Es wäre durchaus sinnvoller, wenn es künftig einen größeren Austausch mit anderen Kontinenten gäbe, um mehr miteinander zu sprechen als nur übereinander. Hierdurch könnte sich ein gegenseitiges Lernen ohne eurozentrische Sichtweisen besser entfalten. Vereine und Initiativen gibt es in Bezug auf Afrika mittlerweile sehr viele – nicht nur in Berlin. An dieser Stelle nenne ich das Afrikahaus in Berlin und AfricAvenir International, bei dem es sich um eine politisch unabhängige und gemeinnützige Nichtregierungsorganisation handelt, welche beispielsweise vom 2.-15. Mai 2010 eine Studien- und Begegnungsreise nach Dakar, Senegal anlässlich der 9. DAK’ART – Biennale für zeitgenössische Kunst aus Afrika, organisiert. Es wäre wünschenswert, wenn zu den Kunst- und Kulturschaffenden, die vor allem die dortige Museen- und Kunstlandschaft fördern und deren Rolle stärken, sich mehr Leute aus der Bibliotheks- und Archivbranche in diesen Organisationen engagieren und mitarbeiten würden, um auch dort nicht nur Frankreich und anderen ehemaligen Kolonisatoren das Feld alleine zu überlassen. Hochschulen, die künftige ArchivarInnen und BibliothekarInnen ausbilden, könnten hierzulande anstatt nur Partnerhochschulen, die in westlichen Ländern zu finden sind, mehr Hochschulen in den sogenannten Schwellenländern gewinnen, wie etwa der Ecole des Sciences de l’Informtaion (ESI) in Rabat, Marokko. VertreterInnen dieser Hochschule hatten 2003 mithilfe von BI-International an der IFLA-Konferenz in Berlin teilgenommen und sich auch im persönlichen Gespräch sehr interessiert an einer Partnerschaft gezeigt.