Besitz ist nicht gleich Eigentum

Es ist ein schöner Beitrag von Constanze Kurz, der da im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen zu lesen war. Aufhänger war der in der Netztwelt stark berichetete Fall der Nutzerin, deren Amazon-Account geschlossen wurde1 und die dann nicht mehr auf ihre E-Books zugreifen konnte, auch wenn sich Amazon durch das durchweg negative Medienecho gezwungen sah, den Account wieder zu öffnen.

Kurz beschreibt sehr gut diesen Vorgang und wichtig finde ich auch die klar beschriebene Erkenntnis, dass aus den “hässlichen Details im Kleingedruckten der Nutzungsverträge” – die meiner Meinung nach, kein Otto-Normal-Verbraucher versteht – hervorgeht, dass der “Käufer” nur ein Nutzungsrecht erwirbt, jedoch i.d.R. “kein Eigentum im herkömmlichen Sinne”. Juhu, jemand hat es verstanden und bringt das nun gut verständlich in die Masse der papierlesenden Menschheit, die das Eigentum an der Zeitung erworben hat.

Ach, hätte ich doch den Beitrag jetzt nach den äußerst wahren Bemerkungen zum Problem der fehlenden Erreichbarkeit von Menschen in diesem System beendet, denn nun schafft es Kurz ihre anfänglich juristisch richtigen Bemerkungen genau ins Gegenteil zu verdrehen.

Kurz schreibt:
“Viel wichtiger jedoch ist die grundsätzliche Frage nach dem Besitz digitaler Werke. Nicht nur der amerikanische Anbieter Amazon, auch die deutsche Verlaugsbranche verkauft elektronische Bücher vorzugsweise in einer Form, die es dem Kunden stark erschwert, eigene Sicherheitskopien beispielsweise als Vorsorge für Festplattenausfälle anzufertigen oder das gekaufte Werk auf ein anderes Lesegerät zu transferieren.”

Ich habe mal die Punkte in diesem Absatz hervorgehoben, auf die ich jetzt wegen ihrer Falschheit oder falsch damit verbundenen Annahmen eingehen werde.

Wie Kurz anfangs richtig schrieb, erwirbt der Nutzer eben kein Eigentum an der digitalen Datei, sondern nur eine Lizenz, mit der er die in seinem Besitz befindlichen Daten nutzen darf. Wichtig sich zu merken ist also, dass man nur den Besitz und die Erlaubnis zur Nutzung der Daten erwirbt, jedoch die Daten selbst bzw. deren Datei nicht ins eigene Eigentum übergehen, d.h. die Daten gehen nicht in mein Eigentum über (böse juristische Feinheit, die aber bei Lizenzen immer gilt).

Wenn die Dinge nicht mein Eigentum sind, dann sind Sie noch immer im Eigentum dessen, der mir deren Besitz überlassen hat und damit kann er die Grenzen festlegen, sofern sie moralisch okay sind, was mit diesen Daten gemacht werden darf und was ist. So ist es ja auch mit der von mir gemieteten Wohnung, in der ich nicht einfach Wände wegreißen, deren Grenzen (z.B. durch Anbau eines Balkons) ich nicht verändern, die ich nicht anderen dauerhaft überlassen und die ich nicht plötzlich für Erwerbszwecke nutzen darf, ohne vorher Rücksprache mit meinem Vermieter (Eigentümer der Wohnung) gehalten zu haben.

Man erwirbt zudem nur eine Lizenz zur Nutzung und kauft nicht das Werk. In dieser Lizenz ist genau festgelegt, was man darf und was nicht. Anders als mit meinem Eigentum, kann ich also mit den lizentzierten Büchern nur in dem Rahmen umgehen, die durch den Lizenzgeber (i.d.R. der Rechteigentümer) erlaubt ist. Das bedeutet, dass er auch Sicherheitskopien untersagen kann, die eigentlich im Rahmen des Urheberrechts erlaubt sind. Hier gilt nämlich ein zivilrechtlicher Vertrag, den Sie akzeptieren, sobald sie das Recht zur Nutzung durch eine Lizenz erwerben. Die meisten Anbieter haben erkannt, dass die Einschränkung auf ein Gerät nicht sinnvoll ist und erlauben das Transferieren der Daten auf mehrere. Hinzu kommt, dass dabei auch häufig Speicherplatz zur Verfügung gestellt wird – auf den Servern des entsprechenden Anbieters – auf dem diese als Sicherheitskopie gespeichert werden können.

Zurecht fordert Kurz ein Ende des Rechtezwangsmanagement (hartes DRM, Digital Rights Enforcement), mit dem die Buchbranche die gleichen Fehler wiederholt, wie sie der Musikindustrie teuer zu stehen gekommen ist. Sie treiben ihre eigenen (potentiellen) Käufer in die Illegalität, kriminalisieren sie bereits dann, wenn sie für die Nutzung Geld zahlen und eigentlich darauf achten, dass sie digitale Bücher legal nutzen. Die Anghängigkeit von Geräten, Software und einem Anbieter wird dafür sorgen, dass sich die Nutzer Alternativen suchen. Außerdem erschweren die Anbieter auf diese Weise die Archivierung und den zurecht dauerhaft geforderten Zugang zu den derzeit zeitlich uneingeschränkt lizenzierten Werken. Dort ist zudem vieles ungeklärt, wenn es z.B. um die Aktualisierung auf neue Auflagen bei Wissenschaftsbüchern oder dem beibehalten alter Auflagen von Büchern für die Bearbeitung von Editionen etc. geht.

Kundenrechte müssen stärker eingefordert und unterstützt werden. Bibliotheken sind hier gefordert. Sie müssen stärker an die Öffentlichkeit treten. Dass das Thema dort aber nur langsam und unsortiert ankommt, ließ sich in den Diskussionen der letzten Zeit wahrnehmen. Angebote wie die Onleihe oder von Ciando werden häufig unkritisch trotz hartem DRM ins Portfolio übernommen, damit man gerade als Öffentliche Bibliothek sich überhaupt den Button “E-Book-Bestand” anheften kann. Aber auch aufgeklärte Nutzer müssen Druck ausüben, damit sich etwas bewegt.

FAZ-Feuilleton:
Kurz, Constanze, Aus dem Maschinenraum: Die Flüchtigkeit digitaler Besitztümer, FAZ

  1. Eine kleine Auswahl an Berichten:
    Herb, Ulrich: DRM, Amazon, E-Books & Lizenzen: Ein Lehrstück, Scinotopica
    Beuth, Patrick: Lesen verboten, Zeit online
    King, Mark: Amazon wipes customer’s Kindle and deletes account with no explanation, The Guardian
    Bekkelund, Martin: Outlawed by Amazon DRM, Martin Bekkelund
    Cory Doctrow: Kindle user claims Amazon deleted whole library without explanation, BoingBoing.net
    Rest, Jonas: Amazon löscht Bibliothek – und schweigt, Frankfurter Rundschau
    Phipps, Simon: Rights? You have no right to your eBooks., Computerworld.uk
    []

4 Kommentare

  • Dörte Böhner

    Gerad noch ein paar Gedanken dazu: Langsam wird das Thema ja langweilig, aber noch immer verstehen viele den Unterschied nicht. AGBs liest keiner und wenn, dann muss man Jurist sein, um sie zu verstehen. Wie wäre es, wenn man den E-Book-Anbietern aufträgt, neben den “rechtsgültigen” AGBs eine klare Kennzeichnung per Icons aufzubauen, wie dies bei den Creative Commons-Lizenzen der Fall ist. Nun, vermutlich wollen diese ihre AGBs weiter individualsiert lassen und nicht standardisieren…

  • biblio

    “Das bedeutet, dass er auch Sicherheitskopien untersagen kann, die eigentlich im Rahmen des Urheberrechts erlaubt sind. Hier gilt nämlich ein zivilrechtlicher Vertrag, den Sie akzeptieren, sobald sie das Recht zur Nutzung durch eine Lizenz erwerben.”

    Sind solche Vertragsklauseln nicht einfach ungültig, wenn sie gegen geltendes Urheberrecht verstoßen?

  • Dörte Böhner

    Hier kommen wir in eine etwas verzwickte Situation. Sofern die AGBs sich in funktionierenden technischen Schutzmaßnahmen (DRM) widerspiegeln und durch diese technisch erzwungen werden, dürfen diese nicht umgangen werden. Das ist im Urheberrecht so geregelt.

    Da gibt es den Paragrafen 95a UrhG, in dem das Umgehen untersagt ist. Daraus folgt: Selbst wenn bestimmte Handlungen nach dem Urheberrecht erlaubt sind, dies aber wirksam technisch verhindert wird, darf ich DRM nicht bewußt umgehen. Hier findet eine Sanktionierung dessen statt, was einen erheblichen Nachteil für den Lizenzerwerber bedeutet.

    Wirksam heißt, DRM funktioniert. Bewußt umgehen heißt, ich weiß, dass die Dateien mit DRM geschützt werden und verwende eine Schwachstelle des Systems, um meine Sicherheitskopie zu erhalten. Wenn ich also einen DRM-Knacker herunterlade, dann umgehe ich bewußt diese technische Schutzmaßnahme. Das ist verboten. Sollte ich jedoch das Dokument beispielsweise mit Open Office oder Windows Office öffnen und abspeichern können oder es zur Anfertigung einer Sicherheitskopie durch ein gängiges Backup-System kommen, kann man davon ausgehen, dass die Schutzmaßnahmen nicht funktionieren. Hier sind einfach fließende Grenzen und es ist teilweise gar nicht so einfach, zu sagen, ob etwas bewusst gemacht wurde.

    Wenn es kein hartes DRM gibt, dann gibt es ja kein Problem für die Erstellung von Sicherheitskopien etc. und Sie geraten sicherlich auch nicht mit den AGBs in Konflikt, wenn Sie die Kopien nur für sich anfertigen und diese nicht zur Nutzung weitergeben. Bei Wasserzeichen etc. sollten Sie sich klar sein, dass im Zweifelsfall zurückverfolgt werden kann, wer die Datei unberechtigt in Umlauf gebracht hat. Was im stillen Kämmerlein passiert, fällt i.d.R. auch niemandem auf.

    Dies ist meine Laien-Meinung und mein persönliches Verständnis von dieser Sachlage. Um 100% sicher zu gehen, ist es notwendig, sich an einen Experten zu wenden, der sich auf diese Themen spezialisiert hat.

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