Soziale Arbeit mit Wohnungslosen in der Denver Central Public Library

Auf dem Bibliothekartag in Hannover wollte ich etwas zum Thema (Soziale) Arbeit mit Wohnungslosen in Öffentlichen Bibliotheken sagen. Der fand ja bekanntlich nicht statt aufgrund der allzu bekannten Gründe. Die Anmeldefrist für den virtuellen Bibliothekartag #vBIB20 verpasste ich leider:

„Im Oktober 2017 veröffentlichte die IFLA Section Library Services to People with Special Needs ihre Guidelines für die Bibliotheksarbeit mit Menschen, die dauerhaft oder temporär wohnungslos sind. Welche Forderungen lassen sich daraus für Bibliotheken im deutschsprachigen Raum umsetzen? Welche Konsequenzen können nationale Bibliotheksverbände daraus ableiten? Großstadtbibliotheken in Zürich, Wien, Paris und in einigen Städten in Deutschlands gehen sehr unterschiedlich mit wohnungslosen Menschen in ihren Einrichtungen um. Bibliotheken in den USA und Kanada haben beispielsweise „fachfremde” Mitarbeiter/-innen eingestellt, die als Streetworker bzw. Sozialarbeiter/-innen dieser eher unbeliebten Nutzer*innengruppe helfen. […]

 

Zuächst etwas Allgemeines zu den beiden Fachtermini Obdachlose und Wohnungslose. Wohnungslos sind ist in Deutschland Menschen, die keinen mietvertraglichen abgesicherte Wohnraum besitzen oder Wohneigentum haben.

Als obdachlos gelten Menschen, die oftmals auch mit Absicht auf der Straße leben, weil sie es in einer beengten Notunterkunft oder Wohnungslosenpension nicht aushalten können oder wollen. Als Oberbegriff habe ich zur Vereinfachung den Begriff Wohnungslose gewählt. Es ist im öffentlichen Raum, in Bibliotheken nicht immer klar und deutlich erkennbar, ob Mensch nun wohnungslos oder obdachlos ist. Ein Obdachloser kann am selben Tag noch zum Wohnungslosen werden, wenn die Entscheidung getroffen wird in eine Notunterkunft zu ziehen oder eine Einweisung vom Wohnungsamt vorliegt in eine Pension oder einen Beherbergungsbetrieb (wie es beispielsweise in München heißt) ziehen zu können. Bibliothekar*innen oder auch andere Menschen können nicht sofort erkennen, manche Obdachlose wollen sich auch nicht outen. Der im Vortrag verwendete Begriff „obdachlos“ sollte drastischer vor Augen führen, um welche Gruppe es geht. Korrekterweise hätte man schreiben sollen Wohnungslose/Obdachlose, was die Lesbarkeit eher erschwert hätte.

Im Gegensatz zu den USA sind die Kommunen hierzulande besser aufgestellt, was die Unterbringung von Obdachlosen angeht. Kommunen sind in Deutschland verpflichtet Obdachlose eine Unterbringung nach Ordnungsrecht anzubieten, auch wenn dies nicht immer pflichtbewusst getan wird. Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe haben des Öfteren bereits angemahnt, dass viele Kommunen dieser Pflicht nur unzureichend nachkommen. Viele Notunterkünfte erfüllen nicht die Standards, was Menschenwürde, Privatsphäre oder Hygenie betrifft. Diese Unterkünften werden ja auch selten bis nie kontrolliert bzw. nachgeprüft, wie bei den Lebensmittel- oder Fleischkontrolleuren, die auch nicht so zahlreich in Deutschland sind, wie sich das manch einer/manch eine wünscht. Es ist also absolut nachvollziehbar, weshalb ein obdachloser Mensch sich für das Leben auf der Straße entscheidet, weshalb er dies sogar präferiert, anstatt in eine Notunterkunft, einen Wohnungslosenpension oder einen Beherbergungsbetrieb zu ziehen. Housing First, wie es in Skandinavien, in Provinzen/Städten Kanadas, Städten in den den USA und in noch sehr wenigen Städten in Deutschland praktiziert wird, würde die Zahl der Obdachlosen, aber auch die Zahl der Wohnungslosen reduzieren. Deshalb darf es manche Bibliothek nicht weiter (ver)wundern, wenn Obdachlose diese als Aufenthaltsort nutzen. Vielleicht ist das sogar ein Anzeichen, wenn recht viele Obdachlose die Bibliothek nutzen, dass die jeweilige Kommune keine guten/menschenwürdigen Notunterkünfte zur Verfügung stellt und die Wohnungslosenhilfe auf Sparflamme gehalten wird. Es gibt ja sogar schon Notunterkünfte mit WLAN-Zugang für die Bewohner*innen oder anderen zeitgemäßen Standards. Diese sind aber eine große Ausnahme in Deutschland.

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OPUS: Operation gelungen, Patient…?

In einer konzertierten Aktion im Herbst des vergangenen Jahres konnte dem Patienten OPUS 4 durch eine beherzte Operation am offenen Herzen das Leben gerettet werden. Was war geschehen?

Die Repository-Software OPUS hatte 2008 in den Spiegel geschaut: ein Fältchen hier, ein graues Haar dort – eine Verjüngungskur musste her. Flux eine Schönheits-OP angesetzt und OPUS würde sich zukünftig als OPUS 4 mit ganz anderen Augen entgegenlächeln.

Vieles wurde OPUS von den Ärzten versprochen: ein Baustein nationaler und internationaler Open Access-Netzwerke sollte es zukünftig sein, an Forschungsdatenbanken angebunden werden und nicht zuletzt als Hochschul- beziehungsweise Forschungsbibliographie dienen können – doch nach kurzer Visite war klar: eine Schönheits-OP würde da nicht reichen. Also wurden tiefergehende Eingriffe vorgenommen, die dem Patienten stark zusetzten. Die Folge war, dass OPUS 4 im Frühjahr 2010 endgültig ins Wachkoma fiel.

Im darauffolgenden Sommer übernahmen das Zuse-Institut Berlin und der KOBV den Patienten in diesem Zustand und versuchten zunächst, sich einen Überblick über die Krankengeschichte zu verschaffen. Offenkundig war, dass OPUS 4 unter einem besonders schweren Fall von Featuritis litt – zugegeben, eine heutzutage weitverbreitete Erkrankung. Dies erhöhte die Komplexität der Behandlung. Zudem zeigten sich bei dem Patienten bereits deutliche Anzeichen einer schizophrenen Veranlagung: einerseits sollte er für alle Nutzergruppen – also Administratoren, Bibliothekare und Endnutzer – einfach zu bedienen sein. Gleichzeitig sollte er jedoch komplexe und hochspezielle Anforderungen im Zeitalter von digitalen Forschungs(roh)daten und einer hochgradigen Heterogenität der unterschiedlichsten Fachdisziplinen bedienen.

Die vorliegende Krankenakte dokumentierte die bereits erfolgten Eingriffe und Behandlungsmethoden nur recht lückenhaft. Zudem hatten viele verschiedene Ärzte mitunter widersprüchliche Medikationen verabreicht. Dies erschwerte die Diagnose und machte eine Reihe von einschneidenden Entscheidungen notwendig. Denn wo gehobelt wird, da fallen Features – zum Wohle des Patienten. Die Frage, die wir uns während der Behandlung des Öfteren gestellt haben war: was ist wichtiger? Ausgefeilte Kosmetik oder ein gesundes Herz und funktionstüchtige Organe? Nein, die Prioritäten waren klar: nur eine Konzentration auf die Kernfunktionen schafft letztlich die Basis für schrittweise Funktionserweiterungen.

Trotz der prognostizierten geringen Überlebenschancen des Patienten wurde also alles Menschenmögliche unternommen, um den Patienten OPUS 4 nicht nur zu retten, sondern ihm auch alle Möglichkeiten für die freie Entfaltung seiner zukünftigen persönlichen Weiterentwicklung zu bieten. Herausgekommen ist eine moderne Repository-Software zur Erschließung, Veröffentlichung, Administration, Recherche und Verbreitung elektronischer Dokumente mit flexibel anpassbaren Dokumenttypen, einer Bibliographiefunktion und einer benutzerfreundlichen Oberfläche, unter der eine leistungsfähige Suchmaschinentechnologie Spaß am Finden macht.

Nach einem derartigen Krankheitsverlauf benötigte der Patient OPUS 4 verständlicherweise eine entsprechende Rehabilitationsphase, in der die eine oder andere Nachbesserung vorgenommen wurde. Mit dem „Oster“-Release der Version 4.1 im April dieses Jahres hat der Patient OPUS 4 jedoch endgültig das Krankenlager verlassen und ist nun gewappnet für zukünftige Herausforderungen. Doch nach dem Release ist bekanntlich vor dem Release und deshalb gilt für uns im Interesse unserer Kunden: da müssen wir ran!

Original:
Thiede, Doreen: Operation gelungen, Patient… lebt!, Vortrag gehalten auf dem 9. KOBV-Forum, 12.09.2011
Dazugehörige Vortragsfolien

OPUS 4 Release veröffentlicht

Nach knapp 3 intensiven, zum Teil anstrengenden und oft diskussionsreichen Monaten ist es nun vollbracht: OPUS 4.0 steht unter http://opus4.kobv.de zum Download bereit. Dazu gibt es eine ausführliche Dokumentation, ein Screencast-Video der Installation unter Ubuntu und eine Demo-Version, um sich die neue OPUS-Version mal anschauen zu können.

Die Highlights von OPUS 4 im Überblick:

– Suchmaschinentechnologie für Suche und Browsing
– templatebasierte Veröffentlichungsformulare
– flexibel definierbare, an DNB- und DINI-Standards orientierte Dokumenttypen
– Performanzsteigerung durch Einsatz eines Caching-Layers
– einfache Verwaltung von Sammlungen (Collections)
– Bibliographiefunktion und das Modul Freischalten
– professionell gestaltetes Layout

Zum Hintergrund: OPUS ist eine Open Source-Software unter der GNU General Public License für den Betrieb von institutionellen Dokumentenservern bzw. Repositorien. OPUS steht für Online Publikationsverbund Universität Stuttgart und wurde dort Ende der 90er Jahre vom Rechenzentrum der Universitätsbibliothek entwickelt. Seitdem wird OPUS mit nationalen Partnern kooperativ weiterentwickelt. Nachdem zum Abschluss der Projektförderungsphase Anfang des Jahres keine auslieferungsfähige Version vorlag, wurde im Sommer entschieden,  OPUS 4 in Berlin vom KOBV, unterstützt vom BSZ, der Universität Stuttgart, der SULB Saarbrücken und der SLUB Dresden, fertigzustellen.