Bibliotheksbrand und Kulturzerstörungen in Timbuktu

It’s true. They have burned the manuscripts. […] This is terrible news. The manuscripts were a part not only of Mali’s heritage but the world’s heritage. By destroying them they threaten the world. We have to kill all of the rebels in the north.“ Hallé Ousmani Cissé

Bereits im April 2012 wurde hier im Blog unter dem Titel „Das kulturelle Erbe Timbuktus ist in Gefahr“ von den Befürchtungen berichtet, welche nun leider eintraten. Wie der VÖBBLOG, Spiegel-Online, der britische Guardian und andere Medien berichteten, wurde vor wenigen Tagen das  „Ahmed Baba Institute of Higher Learning and Islamic Research“ von militanten Islamisten angezündet. Obwohl die UNESCO schon lange davor gewarnt hatte, wurde teilweise zu spät darauf reagiert, da bereits im Sommer 2012 erste Zerstörungen von Gelehrtengräbern in Timbuktu vorgenommen wurden. Viele der Zerstörungen, die jetzt und im Dezember erfolgten, waren eine Reaktion auf die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates für einen Militäreinsatz im Lande.

Dennoch konnten Menschen wie Mohamed Diagayete, Sophie Sarin und Familien, in deren Privatbesitz sich Handschriften befinden, wertvolle Manuskripte retten oder zumindest Digitalisate nach London oder Bamako schmuggeln. Boubacar Sadeck ist einer der letzten verbliebenen Kopisten und Kalligraphisten in Mali, der wie der Christian Science Monitor Ende Dezember 2012 berichtete, in der Lage war zahlreiche Handschriften zusammen seinem Bruder und mit dem Bibliothekar Abdel Kader Haidara zu retten.  Ali Ould Sidi von der Timbuktu Cultural Mission erklärte 2008 Reportern:

„The nomads had moving libraries. When a camp struck, they buried manuscripts in leather sacks, and the people went on their way. Coming back months later, they knew the land and would dig up their library again. Some of them still have them, but in pitiful condition.“

Einige Handschriften konnten durchaus versteckt, geschmuggelt und in Sicherheit gebracht werden. Trotzdem ist wohl ein Großteil der  unwiederbringlich für immer verloren. Andere Pressemeldungen gehen auch davon aus, dass die Islamisten einen Teil des wertvollen Kulturguts auf dem Schwarzmarkt verkauf(t)en.

Als erste Journalistin nach der französischen „Befreiung“ in Timbuktu, berichtete Alex Crawford für Sky News über die Zerstörungen des kulturellen Erbens und die Freude der Einwohner über die wiedergewonne Freiheit.  Im folgenden Videobeitrag des britischen Channel 4, der von den Zerstörungen berichtet, kommt die aus Mali stammende Sängerin Fatoumata Diawara zu Wort, die einen Hilfsappell an das Volk der Tuareg richtete.

Das kulturelle Erbe Timbuktus ist in Gefahr

The group that controls Timbuktu controls the symbolic capital of the entire region, because it’s that well-known across the world. If you control that city, it will be known.” Martin van Vliet

Seit 1988 zählt Timbuktu zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadt wird auch als die „Stadt der 333 Heiligen“ bezeichnet, da viele Sufis, Scheichs, Wissenschaftler und Imame hier begraben sind. Bereits seit Jahren sind diese Stadt und die umliegende Regionen von Dürrekatastrophen betroffen. Hinzu kommen die derzeitigen kriegerischen und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Vor 2 Jahren bloggte ich über die Bibliotheken in der Wüste am Beispiel der Stadt Timbuktu. Die im 11. Jahrhundert von den Tuareg gegründete Stadt und der Rest Malis sind seit Anfang April von Chaos, Fluchtbewegungen (268.000 Flüchtlinge, die vor der Gewalt der Rebellen fliehen) und politischer Instabilität gekennzeichnet. Viele gehören der Volksgruppe der Tuareg aus der Gegend um Timbuktu an und flohen beispielsweise ins benachbarte Mauretanien. Der U.N. Kommissar für Menschenrechte Navi Pillay warnte davor, dass bei den anhaltenden bewaffnette Konflikten auf Mali bald eine verheerende Lebensmittelkrise und anderen Verknappungen wie etwa ein Mangel an Medikamenten zukäme. Selbst der vom Militär geputschte Präsident Amadou Toumani Toure floh vor drei Tagen in die Hauptstadt des Senegal, Dakar. Tuareg-Rebellen riefen Anfang April nach einem Militärputsch im Norden des Landes einen neuen Staat aus. Die Tuareg sind ja Berber und deren nomadische Lebensweise wurde in den vergangenen Jahren immer wieder zurückgedrängt und beschnitten. Ihr neuer und selbsternannter Staat heißt seit 6. April Azawad. Spiegel Online ging vor wenigen Wochen auf die Hintergründe des Konflikts ein. Der im Norden ausgerufene und für unabhängig erklärte Staat wurde bislang nicht von anderen Staaten Afrikas und auch nicht von Staaten anderer Kontinenten anerkannt:

„Der Konflikt reicht weit zurück. Vor der Kolonialzeit dominierten die Tuareg den Handel durch die Sahara, ein stolzes Nomadenvolk, deren Angehörige sich mit indigoblauen Tüchern vor Sonne und Sand schützen. Sie ritten auf Kamelen und herrschten über ein großes Wüstenreich, bis sie 1902 von französischen Kolonialtruppen geschlagen wurden. Spätestens seit Mali im Jahr 1960 wieder in die Unabhängigkeit entlassen wurde, streben die Tuareg nach Eigenständigkeit; immer wieder begehrten sie auf.“

Angeführt wurden die neueren Aktionen der Tuareg durch Rebellen dieser Volksgruppe, welche bis vor kurzem noch in Libyen für den dortigen Machthaber Gaddafi kämpften. Eine weitere Rebellengruppe nennt sich Ansar Dine, die aus radikalen Islamisten besteht und Verbindungen zum Al-Qaedaarme des islamischen Maghrebs unterhält.


Bildquelle: Ahmed Baba Institute Library

Zu den vielen menschlichen Schicksalen kommt noch die Bedrohung des kulturellen Erbes der vielen Schriften und Büchersammlungen hinzu. Die UNESCO ist besorgt über die mangelnde Sicherheit des kulturellen Erbes in Timbuktu. Berichten zufolge haben Rebellen die kulturellen Zentren mit den wertvollen Schriften übernommen und davon bereits einige geplündert. Malische Wissenschaftler, Bibliothekare und gewöhnliche Bürger verstecken in ihren Häusern und Wohnungen wertvolle Manuskripte des kulturellen Erbes der Stadt. Ziel ist es diese vor Zerstörung und Diebstahl zu schützen. Laut dem südafrikanischen Professor Shamil Jeppie von der Universität Kapstadt gibt es zum Glück noch keine herben Verluste der Hauptsammlungen von Manuskripten. Dennoch befürchtet er in naher Zukunft, dass es bald soweit sein könnte, dass ein wesentlicher Teil Dieben in die Hände fällt. Die MNLA-Bewegung bestehend aus Tuareg-Gruppen und die Islamisten von Ansar Dine (Verteidiger des Glaubens) besetzen derzeit wichtige strategische Orte in Timbuktu, so z.B. den Flughafen oder Militärkasernen. Professor Jeppie drückte vor kurzem der Nachrichtenagentur Reuters seine Besorgnis aus:

„I have no faith in the rebels. They may have an educated leadership, but they are sending in footsoldiers who are illiterate and if they want something they will take it … They won’t have any respect for paper culture. […] I think it’s catastrophic, because it can have long-term economic effects,“

Rebellen haben zum Beispiel Fahrzeuge, die im Besitz des Ahmed Baba Instituts sind, gestohlen. Doch bisher betraten sie die Räume mit den wertvollen Handschriften noch nicht. Ähnlich wie in Ägypten gibt es eine mutige Stadtgesellschaft, die das Gebäude verteidigen, indem sie vor den Toren patroullieren. In einem anderen Gebäude des Ahmed Baba Instituts in Timbuktu wurden Computer und andere Ausrüstungsgegenständen entwendet. Laut Prof. Jippie gibt es Privatbesitzer von Manuskripten, welche Vorbereitungen trafen, um die wertvollen Bestände aus Timbuktu in die sichere Hauptstadt Bamako oder in Nachbarländer wie den Niger zu bringen. Die Fondo Kati, welche finanzielle Zuschüsse zur Erhaltung aus Spanien erhielt, wurde in Spezialboxen ausgelagert. Diese Sammlung ist ein Zeugnis des arabisches Erbes in Andalusien. Ebenso ist die Haidarasammlung in Sicherheit. Schätzungen zufolge varieren der historischen Bestände Timbuktus von 150.000 auf das fünfache dieser Zahl. Die gewalttätigen Ausschreitungen in der Stadt könnten sich auf die speziellen Klimatisierungsbedingungen, die für die alten und von Verfall bedrohten Manuskripte nötig sind. Zudem könnten Besitzer wertvoller Handschriften dazu genötigt werden ihre Sammlungen zu verkaufen, um weiterhin ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.