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Jetzt lernst du mich richtig kennen – Nutzerbefragungen mal anders mit dem User Experience Baukasten des ZBW #bibtag19
Jetzt lernst du mich richtig kennen – Nutzerbefragungen mal anders mit User Experience Baukasten des ZBW
Nicole Clasen, Alena Behrens
Hands-on-Lab
Folien auf BIB OPUS
Wie kriegt man mit wenig Aufwand spannende Ergebnisse? Dazu stellten die Kolleginnen der ZBW kurz einen bunten Werkzeugkasten mit Methoden im überfüllten Raum.
Mitschrift
Einstieg
Einstieg in das Thema wurde mit der Methode „Whats in your bag (Taschenkontrolle)“ begonnen.
Bei dieser Methode wird geschaut, was üblicherweise in der Tasche der Nutzer*innen ist mit der Zielfrage: „Wie kann ich daraus einen Service ableiten und anbieten?“ Es ist eine gute Möglichkeit, Dinge im Haus nachzujustieren.
Nutzer*innen werden abgefangen und gebeten, ihre Tasche auszuräumen, um zu zeigen, was sie so standardmäßig mit in die Bibliothek bringen. Davon werden „Beweisbilder“ gemacht, um einen Eindruck zu gewinnen, was in den Taschen ist. Diese Bilder werden im Anschluss quantitativ ausgewertet und interpretiert.
Zur Theorie
Was ist User Experience (UX)?
User experience is about how someone feels when using a product or service. (Schmidt und Etches, Useful, Usable, Desirable, 2014)
Bei UX geht um ein ganzheitliches Nutzungserlebnis, nicht nur um die Usability eines (Online-)Services.
Das Vorgehen ist proaktiv: proaktiv auf den Nutzer selbst zugehen. Auch ein beobachtender Aspekt kann in den Methoden zur Feststellung der UX hinzukommen. In der Regel ist das Vorgehen dabei aber interaktiv. Die Methoden lassen sich meistens schnell und unkompliziert anwenden.
Wichtig ist, UX betrachtet Nutzerperspektive, d.h. das tatsächliche TUN der Nutzerinnen. Durch die Methoden kann sowohl bewusstes als auch unbewusstes Tun ermittelt werden.
Anwendbare UX-Methoden
Eine typische Methode ist die Beobachtung. Dabei wird beobachtet, was Leute tun und wie sich verhalten. Zum Verhalten gehört hierbei z.B.: Aufenthaltsdauer, Interaktionen, Lautstärke, Ess- und Trinkverhalten, genutzte Geräte, Aktivitäten etc. Dabei wird der Nutzer (offen, d.h. er weiß Bescheid oder heimlich, d.h. er weiß nicht Bescheid) bewusst durch eine*n Bibliothekar*in über einen längeren Zeitraum beobachtet. Wir sprechen hier nicht von Tagen, aber doch über 30 Minuten aufwärts.
- Bei der Touchstone Tour wird der/die Nutzer*in zum/zur Führenden. Ein*e Bibliothekar*in begleitet die/den Nutzenden für eine Weile durch die seinen/ihren Bibliotheksalltag und lässt sich zeigen, was sie nutzen und was nicht, beobachtet wo Dinge selbsterklärend sind und wo es Schwierigkeiten gibt.
- Beim Behavior Mapping beobachten und zeichnen Sie das Verhalten der Nutzer zu folgenden Fragen auf.
- Wohin gehen die Nutzer*innen?
- Welchen Weg nehmen sie?
- Welche Plätze werden genutzt?
Dies kann beispielsweise bei der Erarbeitung eines Beschilderungssystems/Wegweisersystems helfen. Dazu kann man einfach einen Grundriss der Bibliothek nutzen und dort unterschiedlich farbig die Wege mehrerer Nutzer*innen einzeichnen.
- In etwas anderer Weise geht das User Journey Mapping vor. Dabei geht es nicht darum zu erfahren, wie sich der/die Nutzende in der Bibliothek bewegt, sondern wie er/sie einen Prozess plant bzw. die zu erledigende Aufgabe löst.
Es geht dabei um die Identifikation von Handeln, Denken, Fühlen bei der Lösung einer Aufgabe, z.B. wie finde ich ein Buch.
Daraus ließen sich Probleme identifizieren, die Beispielsweise durch eine bessere (Menü-)Führung etc. behoben werden könnten. - Klassisch schon fast ist das Usability testing. Dabei wird der/die Proband*in bei Erfüllung von Aufgaben am PC beobachtet, z.B. über Eye-Tracking, beschreibende Benutzung etc. Bei der Auswertung kann es dann z.B. zu einer besseren Gestaltung eines Online-Services kommen.
- Eine weitere Methode sind Guerrilla Interviews, dabei wird ein kurzes Interview, eine kurze Fragerunde innerhalb der Bibliothek durchgeführt. Die Nutzer*innen werden dabei überfallen und ihnen werden ein paar Fragen gestellt.
- Graffitti Walls ist ein nettes Angebot, das recht schnell und Anonym zu Erkenntnissen führen kann.
Dazu Pinwände oder ein Flipchart aufstellen, oben eine Frage stellen, zu der sich Nutzer*innen äußern können und dies an einer gut genutzten Stelle in der Bibliothek aufstellen. - Ein wenig aufwändiger ist ein Leitfaden-Interview. Dazu überlegt man sich einen groben Ablaufplan des Gesprächs. Welche Fragen sollen beantwortet werden? Letztendlich besteht aber viel mehr Raum für Antworten und Nachfragen.
- Ganz andere Hirnreale spricht das Cognitive Mapping an. Der/die Teilnehmer*in soll bei dieser Methode eine Zeichnung zu einem Thema oder eine Frage anfertigen und diese malend beantworten. Das kann zu einer abstrakten Zeichnung führen oder zu einer räumlichen Karte. Durch das Zeichnen lassen sich ganz andere Ideen hervorkitzeln als beim Sprechen. Danach jedoch muss das Bild durch den/die Proband*en noch erklärt werden, da Bilder ein zu hohes Interpretationsspektrum enthalten.
- Wieder auf Sprache und Schrift setzen die Love and Break-Up Letters. Dabei wird entweder ein Liebesbrief oder ein Abschiedsbrief an ein Produkt oder Service geschrieben, nicht jedoch an eine Person. Bei Bedarf kann man einen Liebesbrief schreiben und danach einen Abschiedsbrief. Aus den dort enthaltenen Informationen wiederum kann man sehr viel lernen.
ZBW
In der ZBW versucht man einmal jährlich eine entsprechende Methode zur UX anzuwenden und ihre Nutzer*innen so besser kennenzulernen.
In den letzten drei Jahren:
- Benutzerumfrage zu Econ.biz – im Ergebnis wurde dann die Gestaltung des Portals nachjustiert.
- What’s in your bag? – Da häufig Taschenrechner und Adapter für Stromkabel in den Taschen zu finden waren, hat man Taschenrechner angeschafft, die zur Ausleihe angeboten werden und Adapter für Stromkabel ausländischer Nutzer, damit diese bei Bedarf arbeitsfähig in der ZBW bleiben.
- Zuletzt hat man Kognitive Maps erstellen lassen zu der Frage: Wie sieht Ihr idealer Lernort aus? Was benötigen Sie, um gut zu lernen? – Umgesetzt wurde davon, dass es mehr Pflanzen, mehr Trinkwasserspender in der Bibliothek, eine bessere Beleuchtung, Plätze mit Tischtrennwänden gibt und man hat auch an frischerer Luft gearbeitet.
Alle Befragungen wurden über über eine direkte Ansprache umgesetzt. Die Durchführung erfolgte an beiden Standorten (Kiel, HH). Als Motivation helfen Belohnungen helfen weiter (heißer Tipp: Gummibärchen).
Aber den Nutzer*innen ist wichtig zu wissen, worum es geht. Daher:
- Den Nutzer*innen erklären, was man von ihnen will.
- Wie und wozu werde die die Ergebnisse ausgewertet?
- Holen Sie sich eine Erlaubnis ein, die Zwischenergebnisse, z. B. Bilder, Fotos, weiterverwende zu dürfen.
- Die Ergebnisse müssen auch bekannt gemacht werden (als Grundlage der Befragung mit nennen)
In der Erprobung
Im weiteren Verlauf wurden drei der Methoden getestet. Dazu gab es jeweils ein Handout mit einer kurzen Erklärung der Methode und kleinen Beispielen. Den Arbeitsgruppen wurde die Auswahl des Themas überlassen.
In meiner Gruppe begannen wir mit den Leitfadeninterviews.
Nach der Einigung auf ein Thema („Warum sitzen Sie als Jurastudierende*r hier in der Teilbibliothek Chemie?“) sollten offene Fragen formuliert werden, die als roter Faden dienen sollten. Zielsetzung der Befragung ist zu erkennen, herauszufinden, warum die eigentliche Fachbibliothek nicht so genutzt wird, wie es sein soll und herauszufinden, was getan werden muss/kann, um diese attraktiver zu machen
Beispiel für Fragen:
- Warum haben Sie diese Bibliothek gewählt?
- Was fehlt Ihnen in Ihrer Fachbibliothek?
- Was würden Sie spontan hier vor Ort verbessern, wenn Sie die Möglichkeit hätten?
Wichtig ist, dass nicht der/die Interviewende viel redet, sondern der/die Gefragte. Der Sprechanteil soll hier etwa 20% zu 80% liegen. Der Fragende kann flexibel auf die Antworten eingehen, darf aber die eigentliche Zielsetzung nicht aus den Augen zu verlieren.
Als Einleitung braucht es drei Sätze, warum man es macht und welche Zielsetzung gibt es, sowie wie lange das Gespräch dauern wird.
Um sich und die Einrichtung zu schützen, muss aber auch deutlich werden, dass nicht alles gelöst werden kann, man aber an der Sache/ dem Problem dranbleibt.
Fazit:
- Mit Hilfe der Fragen und eines klar definierten Zieles lässt sich so ein angenehmes Gespräch auf Augenhöhe führen.
- Als Interviewende*r muss man zudem aufpassen, dass man nicht in eine Rechtfertigungsrolle fällt. Daher kann es sinnvoll sein, externe oder nichtbetroffene Personen, das Interview führen zu lassen.
Die zweite durchgeführte Methode waren Love and Break’up Letter
Der Gegenstand bzw. die Dienstleistung, um die es geht, wird vermenschlicht angesprochen und wird daher anders gesehen.
Hier mein Brief an das Congress Center in Leipzig
Liebes Congress Center,
du bist so schön übersichtlich, wenn man Personen sucht und finden will. Man läuft sich in dir ständig über den Weg und kommt so gut miteinander in Kontakt.
Leider sind deine Räume oft zu klein oder versteckt, sodass man nicht unbedingt da reinkommt, wo man hinwill.
Ich würde dich vermissen, wenn wir dich nicht mehr alle drei Jahre besuchen könnten. Du hast so schön kurze Wege.
Liebe Grüße
von meinen eingeschlafenen Beinen, weil ich gerade auf dem Boden saß.
Aus den Briefen der anderen Kolleg*innen ließ sich weitere Kritik entnehmen: zu wenig Steckdosen, schlechtes Leitsystem, fehlende Wegschließmöglichkeiten, …
Lob gab es aber auch: toll, deine Natur im Raum; Kunst am Bau
Fazit: Darauf ist zu achten
- Bei Methode muss es eine klare, gut beschriebene Aufgabenstellungen geben.
- Den Nutzer*innen sollte es offen gelassen werden, ob er einen Liebesbrief oder einen negativ konnotierten Brief schreiben möchten.
- Der Gegenstand/Service muss wie eine Person behandelt werden.
- In der Nachbesprechung wurde klar, dass man entweder einen Liebesbrief oder einen Abschiedsbrief schreiben soll bei dieser Methode. Im Zweifel schreibt man zwei Briefe. Dazu könnte man im Vorfeld die Zettel eventuell mit Plus und Minus kennzeichnen oder farblich codieren.
- Diese Methode kann auch gerne als Gruppenarbeit durchgeführt werden, um im humorvollen Austausch der Teilnehmer*innen weiteres Feedback zu erfahren.
An dritter Stelle probierten wir die Methode Cognitive Maps aus.
Innerhalb von sechs Minuten sollen die Teilnehmer*innen mit drei Farben in je 2 Minuten zeichnen, was ihnen zu einem Thema, einer Fragestellung einfällt.
Mögliche Fragestellungen: Wie arbeiten Sie? Wie sieht ihr idealer Lernort aus? Das bin ich in der Bibliothek?
Dabei soll die Reihenfolge der Farben auf den Blättern vermerkt werden.
Am Ende erhält man eine Zeichnung (Map), welches aufgrund des Interpretationsspielraumes vom Nutzer erklärt werden muss. Diese Informationen sollte man mitschreiben, weil sie für ein späteres Verständnis und eine Wichtung der aufgezeigten Dinge wichtig sind.
Fazit zu dieser Methode:
- Je nach Identifizierung mit dem Thema können zwei Minuten lang oder kurz sein. Der Stiftwechsel hilft dabei, sich auf das Thema zu fokussieren, ggf. aber auch nochmal andere Gesichtspunkte einbringen zu können.
- Die Proband*innen erfahren im Vorfeld, dass die Farben priorisiert sind auch durch frühe und spätere Nutzung.
- Was sich der/die Nutzer*in beim Malen gedacht hat, muss in Gesprächen erörtert werden
- Die Auswertung aller Maps zu diesem Thema in ihrer Gesamtheit, kann dazu führen, neue Erkenntnisse zu finden.
GESAMTFAZIT
- Es macht Spaß.
- Es ist einfach.
- Es nimmt Nutzer mit.
Aber: Die Auswertung ist zeitaufwendig und muss am Ende zu Ergebnissen führen, die transparent gemacht werden müssen. Es ist dabei darauf zu achten, dass die Methoden ergebnisorientiert ausgewählt werden. Nicht jede Methode funktioniert für alles.
Als Anwender gilt:
- Man selbst muss offen sein, aber es muss für alle Beteiligte auch klar sein, was machbar oder nicht machbar ist.
- Vorher ist auch festzulegen, ab wievielen Teilnehmer*innen man aussagekräftig wird (40 Teilnehmer?).
- Bilder können interpretiert werden, daher braucht es vorher auch die Möglichkeit, Rückfragen an den/die Teilnehmer*in zu stellen.
Quellenbeurteilung nach dem CRAP-Test
Bei der ersten Hausarbeit tauchen Herausforderungen auf, mit denen man vorher nicht gerechnet hat. Die ZBW hat zusammen mit Projekts YES! – Young Economic Summit einen “Guided Walk” erstellt, wie man seine erste Hausarbeit schreibt. Schritt für Schritt wird der Nutzer anhand eigener Erfahrungen oder zu vermutender Erfahrungen in die Recherche und Bewertung der Literatur eingeführt, in die Literaturbeschaffung und in das richtige Zitieren.
Das Ganze wird angereichert durch YouTube-Filme, die anschaulich klarmachen, wie das dann in der Realität aussieht, z.B. bei der Quellenbewertung.
The European Open Science Cloud (EOSC)
Science 2.0
Als Einstimmung auf die Weiterbildungsveranstaltung “Science 2.0 in Bibliotheken – ein neues Arbeitsfeld erfordert neue Kompetenzen”:
Die ZBW und ihre “BibliothekarInnen”
Die ZBW stellt so nach und nach ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor. Erstaunlich ist, welche neuen Berufsbilder es dabei unter den BibliotheksmitarbeiterInnen gibt, z.B. den Ausgräber, den Vernetzer, die Datenübersetzerin, den Dateneintreiber oder die Medienpsychologin. Die Filme selbst werfen einen interessanten Blick auf das sich ändernde Berufsgeschehen und die Vielfalt der Jobs in der Bibliothek von heute.
Als Beispiel habe ich einmal Kisten Jeude ausgewählt, die hier bereits ihre Arbeit beschrieben hatte.
Auch Andre Vatter, der für die Koordinierung der Social-Media-Aktivitäten verantwortlich zeichnet, ist in einem der Videopodcasts zu sehen und zu hören.
Weiterlesen
Einblicke in die ZBW in Kiel und Hamburg
Outlooks and insights at the German National Library of Economics in Kiel and Hamburg.
Leiter der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften wechselt
Der Informatik-Professor Klaus Tochtermann übernimmt heute das Amt als Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW). Er ist ein Exprerte für Wissensmanagement und Web 2.0 und will mit völlig neuen IT-Lösungen Akzente für die Wissenschaftsproduktivität der akademischen Forschung setzen.
Das Internet hat nicht nur die Arbeitsplatzumgebungen der WissenschaftlerInnen revolutioniert, sondern schuf zum Beispiel mit Web-2.o-Tools auch neue Möglichkeiten der Selbstorganisation. Andererseits sehen sich die Forschenden auch mit einem Information Overload konfrontiert, bei denen es den meisten große Mühe bereitet, einen Überblick zu behalten. Wissensmanagement wird damit ein bedeutender Karrierfaktor. Auch der Prozess des Peer Reviews behält seine Bedeutung für hohe Standards in der Wissenschaft.
Diese Aspekte bilden den Hintergrund, vor dem die ZBW sich als eine der bedeutendsten Wissenschaftsbibliotheken Europas als Serviceeinrichtung für die Wissenschaftsgemeineschaft neu positionieren möchte. Tochtermann will mit der ZBW den Weg ins digitale Zeitalter meisten und “die Bibliothek als zukünftiger Gestalter des Web 3.0” ins Spiel bringen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wissensmanagement, Web 2.0, Semantische Technologien und Future Internet, welche er auch innerhalb seiner Professur für Medieninformatik an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel voranbringen möchte.
Quelle:
Dr. Siegfried, Doreen: Informatikprofessor übernimmt Ruder der weltgrößten Wirtschaftsbibliothek, Informationsdienst Wissenschaft
Imagefilm der ZBW
Unser neuer Film informiert Sie anschaulich über die umfangreichen Dienstleistungen der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften für Studierende und Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler.
Aufmerksam geworden über Lambert Heller bei Twitter 20.11.2009
[Korrektur zur Verbesserung des Datenschutzes. Umstellung Youtube-Video auf “privacy-enhanced mode”: 07.06.2018]
Die Zukunft der wissenschaftlichen Bibliothek
Was für Funktionen muss die Bibliothek in Zukunft erfüllen? Wie sind ihre Chancen neben einer Google Buchsuche? Wie können sie gegenüber der agressiven Verkaufspolitik der Verlage bestehen? In welcher Form wird die Finanzierung von Bibliotheken sichergestellt – staatlich oder durch Kooperation mit kommerziellen Informationsanbietern?
Anlässlich des 90. Jubiläums der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften, dem Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, gab es am 1. Februar 2009 eine Podiumsdiskussion. Dort diskutierten Forscher, Vertreter von Google und Wikipedia zentrale Fragen rund um die Informationsbeschaffung im 21. Jahrhundert. Thema war: “Googeln Sie noch oder lesen Sie schon? – Wissensmanagement der Zukunft – Die Rolle von Bibliotheken, sozialen Netzwerken und Suchmaschinen”.
Anwesend waren:
Sebastian Moleski, Geschäftsführer des Wikimedia Deutschland e.V.
Stefan Keuchel, Pressesprecher der Google Germany GmbH
Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Lehrstuhlinhaber für Informatik und Informationswissenschaft an der Universität Konstanz
Prof. Dr. Joachim Wolf, Lehrstuhlinhaber für Organisation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Prof. Kuhlen sieht insbesondere den Staat in der Pflicht, der mit der Novellierung es Urheberrechts die Monopolstellung der Rechteinhaber festschrieb und damit wissenschaftliche Bibliotheken zurück in die “Steinzeit” dränge. Gerade auch der zunehmende Einsatz von DRMS ist seiner Meinung nach besonders bedrohend, da durch das Digital Rights Enforcement Bibliotheken daran gehindert werden, ihr elektronischen Daten frei zugänglich zu machen. Als dritte Gefahr bezeichnet Kuhlen die starke Konzentration kommerzieller Informationsanbieter.
Von den derzeit rund 290 wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland, so Kuhlens Befürchtung, würden unter diesen Bedingungen nur die wenigsten die kommenden zehn Jahre überleben.
Stefan Keuchel sieht die Verantwortung – wie soll es auch anders sein – selbst bei den Bibliotheken. Sie hätten veräumt, rechtzeitig auf den Zug der digitalen Zukunft aufzusprungen. Das Buch als Medium der Informationsvermittlung ist seiner Meinung nach ein Auslaufmodell.
Sebastian Molesiki weist Bibliotheken die Aufgabe zu, Akademikern die Relevanz- und Qualitätsbewertung von Publikationen zu erleichtern. Ihr Ziel müsste es sein, sich stärker als Kompetenzpartner für die Wissenschaft zu positionieren.
In einem höheren Maß an zeitüberdauernder Zuverlässigkeit sah auch Professor Wolf die zentrale Funktion der Bibliothek der Zukunft. Bibliotheken sollten Qualitätsfilter im Informationsdschungel sein und die Fülle an wissenschaftlichen Publikationen intellektuell kanalisieren.
Er betonte, dass es für wissenschaftliche Bibliotheken sinnvol sei, auch weltweit miteinander zu kooperieren und Verbünde zu schaffen. Ein dritter Aufgabenpunkt wäre, Forschungsdatensätze für die Nachnutzung durch andere Wissenschaftler zur Verfügung zu stellen.
Quelle:
Siegfried, Doreen: Informationsprofessionelle aus Forschung und Unternehmen erörtern Zukunft der Bibliotheken auf Informationsdienst Wissenschaft