In den letzten Tagen ist bereits der „Bericht zur Lage der Bibliotheken 2010“ als Auftakt zur Aktionswoche „Treffpunkt Bibliothek“ in den einschlägigen Informationsmedien (Website DBV, Twitter, Blogs etc.) herumgegeistert. Heute erreichte er auch in gedruckter Form als Hochglanzbroschüre die Hochschulbibliothek, in der ich arbeite.
Die Zahlen sind aussagekräftig: Wir haben 10.855 Bibliotheken gesamt in Deutschland, wonvon 834 als wissenschaftliche und 10.021 als öffentliche Bibliotheken gelten. So beeindruckend diese Zahlen klingen, müssten es doch mehr sein, um die vielen weißen Flecken auf der Landkarte zu schließen. Jede dritte Gemeinde mit 5000 – 10.000 Einwohnern finanziert keine öffentliche Bibliothek, Bemühungen um ein Bibliotheksgesetz in den einzelnen Bundesländern hin oder her. Der politische Stand der Bibliothek ist nicht gut, den Bibliotheken dienen häufig als „Sparschweine“, wenn es um die Sanierung des Haushaltes geht. Dabei sind gerade Bibliotheken Stützpfeiler der „Bildungsrepublik Deutschland“, von der im Koalitionsvertrag gesprochen wird.
Etwa 200 Millionen Menschen besuchten Bibliotheken 2009. Das sind über 50 Millionen mehr Besucherals Kinogänger (146,3 Millionen) und über 180 Millionen mehr als Fußballspielfans in den Arenen der 1. und 2. Bundesliga (17,6 Millionen). [Quellen: Deutsche Bibliotheksstatistik 2009, Bundesliga.de, S. 21, Spio: Spitzenorganisation der Filmwirschaft]. So gesehen ist mindestens jeder Bürger Deutschlands zweimal im Jahr Nutzer der Bibliotheken.
Dem widerspricht die finanzielle Situation der Bibliotheken. Die vorhandenen Bibliotheken erfüllen meist nichteinmal die Mindeststandards, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. In mehr als der Hälfte der kommunalen Bibliotheken wurden Sparmaßnahmen realisiert oder sind geplant. Fast 60 Prozent der Bibliotheken können sich keine zwei Medien pro Einwohner leisten (Mindeststandard), dies in einem Land, wo die Medienvielfalt immens ist und fast 100.000 Neuerscheinungen bei Büchern pro Jahr veröffentlicht werden. Pro Kopf stehen bei unseren öffentlichen Bibliotheken 8,21 Euro zur Verfügung, in Finnland 54,55 Euro und in den USA 36,36 US-Dollar (rund 27 Euro). (Stand: 01.10.2010).
Bei den hauptamtlichen Bibliotheken errreichen die Mindestandards, wie sie in der Broschüre „21 gute Gründe für gute Bibliotheken“ definiert wurden:
- Richtwert 3 Bibliotheksbesuche pro Einwohner und Jahr: 17 Prozent
- Angebot 2 Medien pro Einwohner: 41 Prozent
- Raum von 60 qm pro 1000 Einwohner: 6 Prozent
- 1/3 Stelle pro 1000 Einwohner: 10 Prozent
- Personal-Fortbildungsquote von 3 % der Arbeitstage: 8 Prozent
Die Situation wird sich verschlechtern: in 208 Bibliotheken gibt es einen schleichenden Persalabbau (Stellen die nicht mehr oder zukünftig nicht mehr besetzt werden), in 314 Bibliotheken wird der Medienetat gekürzt, in 192 Einrichtungen die Angebote zur Lese- und Medienkompetenzförderung gekürzt. Ganze 226 Bibliotheken sehen sich gezwungen, ihre Einnahmen zu steigern. Kritisch wird es bei 62 Bibliotheken, die ihre Öffnungszeiten reduzieren oder bei den 20 Bibliotheken die sogar Zweigstellen und Abteilungen schließen müssen, weil die Mittel für die Grundausstattung nicht reichen. (Quelle: Befragung des dbv im April/Mai 2010 unter 1284 Bibliotheken mit einem Rücklauf von 907 Bibliotheken aus Städten und Gemeinden aller Größen).
Für wissenschaftliche Bibliotheken wirkt das Bild auf den ersten Blick etwas besser. In den letzten zehn Jahren fane eine Steigerung der Studierendenzahlen in Deutschland von 1,8 auf 2,1 Millionen statt. Auch aufgrund der Studienreform konnten Entleihungen von 2000-2009 um 47 Prozent gesteigert werden, aber auch die Öffnungszeiten um 23 Prozent (jetzt durchschnittlich 66 Öffnungsstunden). Dies hat dazu geführt, das es 15,2 Prozent mehr aktive Nutzer gibt. Dem gegenüber steht eine Ausgabensteigerung von 21 Prozent. Rechnet man die Inflationsrate heraus, dann standen den Bibliotheken nur 5 Prozent mehr Geld zur Verfügung, bei all den steigenden Herausforderungen.
Weitere interessante Statistiken zur Unterstützung von Menschen mit Migrationshintergrund und beim lebenslangen Lernen gibt es ebenfalls im „Bericht zur Lage der Bibliotheken 2010, welcher nun regelmäßig als Grundlage für die Diskussionen mit den Unterhaltsträgern und der Werbung in der lokalen Presse dienen soll.
Quelle:
Bericht zur Lage der Bibliotheken 2010