“Opening hours”: Ein trauriger Kurzfilm gegen die geplanten Bibliotheksschließungen in der Grafschaft Sommerset (Großbritannien)
Der folgenden Film wurde innerhalb eines Tages gedreht und macht auf auf drastische Weise deutlich, wie das schier unmögliche, die Schließung oder gar der Abriß von Bibliotheken dargestellt werden kann. Der Film soll eine Reaktion auf die geplanten Bibliotheksschließungen in der Grafschaft Sommerset sein, die vorsieht 60 % der Zweig- und Fahrbibliotheken zu schließen, einschließlich der gut besuchten “Glastonbury library“:
“This is disgusting. If you feel the same please show your support by joining the ‘Friends of Glastonbury Library’ facebook page which you can find by following the link below or similarly by sending an email of support to saveglastonburylibrary@googlegroups.com”
Etwas Ähnliches und ebenso Besorgniserregendes haben B. Kaden und K.Schuldt in der letztjährigen Ausgabe von Libreas (Thema “Kinder”) zusammengestellt: Einen Berliner Photoessay mit dem Titel “Was kommt nach den Kinderbibliotheken?” Die Frage konnten die beiden durch ihre Photodokumentation zwar beantworten, doch das Ergebnis hilft den Kindern dort meist nicht weiter, denn viele Flächen sind entweder verwaist oder es haben sich Läden angesiedelt, die nichts für Kinder tun. Wie können Kinder, die in solchen Stadtteilen leben, in denen Bibliotheken geschlossen wurden, ihre Lesekompetenz, ihr Bedürfnis nach Medien und das soziale Miteinander, wie es in Bibliotheken in Form von Veranstaltungen für Kinder gefördert wird, nun aufrechthalten bzw. kompensieren? Obwohl Berlin vermutlich nach 1990 eher eine Phase einer klassischen Shrinking City durchlebte, wächst die Stadt heute wieder, aber die Bibliothekslandschaft ist im kommunalen Bereich dort in den letzten 21 Jahren drastischen Schrumpfungsprozessen ausgesetzt gewesen. Wie hat sich das negativ für die Bevölkerung in den betreffenden Stadtteilen ausgewirkt? Klingt Bibliothekssterben nicht irgendwie zu passiv? Es gab doch immer wieder Bibliotheken, die sich nicht über zu geringe Nutzerzahlen beschweren konnten, aber dennoch am Ende geschlossen wurden, obwohl sie gut funktionierten und von fleißigen BibliothekarInnen geführt wurden. In solchen Fällen klingt meiner Meinung nach “Bibliothekssterben” viel zu verharmlosend, treffender fände ich den Begriff “Bibliothekstötungen”. Eigentlich könnte diese photographische Dokumentation des langsamen Bibliothekssterbens von Kaden & Schuldt eine Aufgabe sein, der sich jeder in einer betroffenen Kommune bzw. einem von “Bibliotheksschließungen” heimgesuchten Bundesland widmen könnte und hierzu Ausstellungen durchführt und der Frage nachgeht was nach den Bibliotheken kommt. Sind Bücherschränke die neue Alternative? Oder pensionierte BibliothekarInnen und andere Buchliebhaber, “die neuen Freiwilligen“, welche den Service aufrechterhalten? Sind also ausgebildete BibliothekarInnen ersetzbar geworden? Stört das denn irgendwen? Doch wie groß ist eigentlich der finanziell schwer zu bezifferende Schaden, der durch die gezielten “Bibliothekstötungen” zustande kommt? Oder wie stehen Bürger einer Kommune heute da, deren Bibliothek vor 10 Jahren oder mehr geschlossen wurde? Hatte die Schließung keinerlei Konsequenzen für ihr Wohlbefinden oder traf sie diese sehr hart, da die Nutzung der Angebote der Bibliothek Teil ihrer Freizeit waren oder gab es Alternativlösungen? Was passierte mit den arbeitslos gewordenen BibliothekarInnen und den bibliotheksarm gewordenen EinwohnerInnen, für welche die Bibliothek ein Informations- und (Weiter-)Bildungsort war? Zukünftig wird es mehr und mehr “Shrinking Cities” geben, die mit einer Schrumpfung der Gesellschaft einhergeht. Mich würde interessieren wie nicht nur die Kommune, sondern auch die Bibliotheksverbände und die Ausbildungseinrichtungen auf diese Herausforderungen reagieren werden. Wäre es nicht ebenso eine Aufgabe bzw. ein Anliegen der Zukunftswerkstatt, sich mit dem Aspekt von Bibliotheken im Spannungsfeld von Shrinking Cities (“Schrumpfende Städte“) auseinanderzusetzen, um die Frage zu beantworten, ob schrumpfende Städte per se ein Bibliothekensterben bedeuten müssen?
P.S: Dr. Karsten Schuldt hat in seiner Dissertation “Bibliotheken als Bildungseinrichtungen” Effekte von Bildungsaktivitäten im Rahmen von Öffentlichen Bibliotheken bestimmt und diese unter dem Fokus der Sozialer Gerechtigkeit analysiert. Vermutlich verliert eine Kommune bei einer Schließung einer Bibliothek nicht nur eine schwer zu ersetzende Einrichtung, sondern eine Institution, die mehr zu leisten imstande ist, als sie von so manchen KommunalpolitikerInnen und von weiten Teilen der Gesellschaft an Wertschätzung erfährt.
Und die Kinderbibliotheken haben dann geöffnet, wenn die Kinder nicht in der Schule oder gar in der Ganztagesbetreuung sind? Oder haben wir hier vielleicht in ganz furchtbar vielen Städten einen Fall von “knapp vorbei ist auch daneben”? Samstags geschlossen, Sonntags geschlossen, über Mittag geschlossen, abends geschlossen… Man kann JFK auch analog formulieren “frag nicht, was dein Träger für dich tun kann…” leider sehe ich da wenige Bemühungen, die über die Standardphrasen hinaus gehen. Und da wo ich sie sehe (z.B. in Frechen) droht keine Gefahr. Aber das ist natürlich ein anstrengender, anspruchsvollerer Weg.
Momentan kenne ich die Öffnungszeiten der Kinderbibliotheken nicht so gut, aber wahrscheinlich haben Sie im Grunde genommen recht. An meinem Wohnort gehen viele Kinder (mit und ohne Migrationshintergrund) in die Bibliothek der Pfarrgemeinde, die am Sonntag ebenso offen ist, wie zu Zeiten, die den Kindern entgegenkommen. Sie wird meines Erachtens recht gut angenommen. Wenn sich nun mehr Pfarrgemeinden mit ihren Bibliotheken öffnen würden auch gegenüber Nichtchristen bzw. Atheisten, würde dies in manchen Stadtteilen eine Lücke schließen, wenn auch nur rudimentär. Ja wahrscheinlich haben Sie recht. Ich kenne die Situation nicht gut genug in ganz Deutschland, aber Berlin ist wirklich ein trauriges Beispiel, obwohl ich die Öffnungszeiten und das neu renovierte Gebäude der Mittelpunktbibliothek Adalbertstraße, die sich ja Interkulturelle Familienbibliothek nennt, noch nicht kenne (http://www.berlin.de/citybibliothek/bibliotheken/adalbertstr/interkulturelle_familienbibliothek.html). Ich erinnere mich an ein Treffen, an dem Mitglieder der BIB-Landesgruppe Bayern 2009, an dem es nicht nur um E-books ging, sondern auch um Sonntagsöffnungszeiten. Die meisten waren bei einer Abstimmung dagegen. Im selben Jahr in den Niederlanden erfuhr ich im Gespräch mit den BibliothekarInnen, dass es dort Sonntagsöffnungszeiten zu erhöhten Gehältern gibt.Keiner schien es von den niederländischen Kollegen irgendwie äußerst “schlimm” zu finden auch sonntags arbeiten zu müssen. Wahrscheinlich hatte Kennedy recht, wenn er auch sein Zitat nicht auf Bibliotheken hin formulierte. Ich wäre jedenfalls bereit auch sonntags oder nachts in einer Bibliothek zu arbeiten.
Die Gehälter ausserhalb der normalen Öffnungszeiten sind auch meiner Meinung nach anders zu gestalten – das kann auch in Form einer höheren Stundenanrechnung sein, wie auch immer. Eines Tages werden die Kommunen die Dienstleistungen der Bibliotheksmitarbeiter ausschreiben, wie das die Amerikaner bereits tun. Dann werden diese Öffnungszeiten im Pflichtenheft stehen.
Ich kenne eine Gemeinde- und Pfarrbibliothek in Bayern, die Sonntags einen Frühschoppen macht. Der Laden ist jeden Sonntag voll mit Vätern und Kindern.