Heute auf Kulturradio: „Bibliotheken öffnen Welten“ – wenn sie nicht geschlossen werden.

Heute wird das rbb Kulturradio um 17:04 Uhr in der ZEITPUNKTE-DEBATTE ein Gespräch zum folgenden Thema senden:
„Bibliotheken öffnen Welten“ – wenn sie nicht geschlossen werden. Zur Situation der Stadtteilbibliotheken in Berlin.
Hierzu sollen unter anderem folgende Fragen beantwortet werden:
Arm, aber beliebt – Welche Lösungswege gibt es, um mit Geld- und Personalknappheit in den Berliner Stadtteil-Bibliotheken umzugehen? Werden die Stadtbezirke vom Senat unterstützt oder allein gelassen? Wäre ein Bibliotheksgesetz hilfreich, und wenn ja, warum hat Berlin keines? Und: Gräbt der geplante Neubau der Stadt- und Landesbibliothek auf dem umstrittenen Tempelhofer Feld den kleinen Häusern das Wasser ab?
TeilnehmerInnen der Gesprächsrunde sind
– Jutta Kaddatz, Bezirksstadträtin Tempelhof-Schöneberg,
– Stefan Rogge, Vorsitzender des DBV Landesverbandes,
– Frauke Mahrt-Thomsen, Arbeitskreis Kritische Bibliothek. [http://www.kribiblio.de/]
Moderatorin: Manuela Reichart

Aus aktuellem Anlass: Die Anton-Saefkow-Bibliothek in Berlin-Lichtenberg erhält heute den Preis als Bibliothek des Jahres 2011

Die Nachricht, dass die Anton-Saefkow-Bibliothek in Berlin-Lichtenberg Bibliothek des Jahres 2011 ist, war ja schon länger bekannt. Zum heutigen „Tag der Bibliotheken“ wird am Abend im sächsisches Großenhain die Karl-Preusker-Medaille an Bundespräsident a. D. Horst Köhler verliehen, mit dessen Nominierung doch auch einige auch aus der Bibliothekswelt ihre Verwunderung, ihr Unverständnis und ihre Skepsis offen zeigten. Zum Start der bundesweiten Bibliothekswoche (24.-31.10.) wird der Preis von 30.000 Euro vom Deutschen Bibliotheksverband e.V. und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius zum zwölften Mal vergeben. Es war vor allem das ganzheitliche Konzept, was letztendlich die Jury von der Anton-Saefkow-Bibliothek überzeugte hatte. Wie Nikolaus Bernau bereits am 14.06. in der Berliner Zeitung im Artikel „Mehr Migranten an die Ausleihe“ erwähnte, befindet sich die Anton-Saefkow-Bibliothek inmitten eines typischen DDR-Plattenbauviertels in Lichtenberg. Welches Signal kann aber durch die Verleihung an andere Bibliotheken ausgehen? Es reicht heutzutage nicht architektonisch modern und bildungsbürgerlich aufzutreten, sondern auch die sozialen Unterscheide im Stadtteil aufzugreifen und die unterschiedlichen EinwohnerInnen, welche bespeilsweise aus der ehemaligen Sowjetunion und Vietnam stammen, „mitzunehmen“ und ihnen einen adäquaten Service zur Verfügung stellen:

So vermittelt eine russischsprachige Bibliothekarin nicht nur Bibliotheksangebote, sondern hilft auch beim Umgang mit Ämtern und Bewerbungen. Bibliothekseinführungen für Teilnehmer von Integrationskursen, Bürgernähe durch Angebote als Bürgerinformationszentrum, Sprechstunden des Gesundheitsamts und der Verbraucherzentrale sind weitere Beispiele für die Leistungen des Bibliotheksteams.“

An dieser Stelle möchte ich ein Plädoyer aussprechen, dass Berlins Stadtteilbibliotheken mehr gefördert werden sollen, anstatt zu glauben, dass mit weniger Mitteln immer gute Qualität erreicht werden kann. Im Artikel „Viel mehr als Bücher“ von Marijke Engel schreibt die Autorin ein „riesiges Budget brauche man nicht, um gute Arbeit zu leisten“. Das mag ja richtig sein, aber Nikolaus Bernau schrieb Mitte Juni in „Mehr Migranten an die Ausleihe„, dass laut der Bezirkspolitikerin Katrin Framke (Die Linke) Lichtenberg so viel Geld für Bibliotheken ausgebe wie kein anderer Bezirk Berlins. Falls diese Aussage tatsächlich zutreffen sollte und nicht Wahlkampfrhetorik war, verwundert es einem dann schon, dass ein so finanziell klammer Bezirk wie Lichtenberg-Hohenschönhausen das meiste Geld (rund 95.000 € jährlich) für Bibliotheken ausgibt im Vergleich zu allen anderen Stadtbezirken Berlins.

An dieser Stelle sei lobend Elvira Ullmann erwähnt, ohne deren Arbeit die Bibliothek vermutlich diesen Preis nicht erhalten hätte. Herzlichen Glückwunsch und danke für Ihre vorbildliche Arbeit:

Die in Kasachstan geborene Bibliothekarin hangelt sich seit Jahren von einem befristeten Vertrag zum nächsten, aber ohne ihre Arbeit hätte es den mit 30.000 Euro dotierten Preis für die Bibliothek sicher nicht gegeben. Sie sorgt für den 3.000 Medien umfassenden russischsprachigen Bestand, der in ganz Berlin gefragt ist, der aber gerade für die vielen Russland-Deutschen in Lichtenberg ein Schatz ist. Mit ihren Sprachkenntnissen steht sie auch jenen zur Verfügung, die vorne beim Bürgeramt Schwierigkeiten mit den Formularen haben. Elvira Ullmann verfügt über einen Etat von rund 2.000 Euro pro Jahr, für den sie Bücher, CDs, DVDs und Zeitschriften kaufen kann. Sie weiß um die Vorlieben ihrer Klientel, „und ich informiere mich ständig über Neuerscheinungen“, sagt Ullmann.“

Bernau stellte mit seinem Artikel „Mehr Migranten an die Ausleihe“ keinessfalls fest, dass es mehr Menschen mit Zuwanderungshintergrund an der Ausleihe arbeiten sollen, sondern, dass es in Berlin generell im Vergleich zum prozentualen Anteil von Migranten an der Stadtbevölkerung viel zu wenig BibliothekarInnen mit Zuwanderungshintergrund gibt. Welche Antworten liefern zukünftig die sich im Entstehen befindliche Koalition aus CDU-SPD, die Ausbildungseinrichtungen und Hochschulen (in Berlin-Brandenburg), welche BibliothekarInnen ausbilden? In der Mittelpunktbibliothek in der  Adalberstr. in Berlin-Kreuzberg konnte dieses Jahr ein Fachangestellter für Medien und Information, der türkischer Herkunft ist, nach seiner Ausbildungnicht übernommen werden, weil der Bezirk kein Geld übrig hatte. An dieser Stelle zitiere ich nochmals Bernau für sein engagiertes Plädoyer für mehr Förderung und mehr Wertschätzung von Bibliotheken, Mehrsprachigkeit und MitarbeiterInnen mit Zuwanderungshintergrund:

So klagen Bibliothekare schon seit Jahren, dass der Anteil von fremdsprachigen Medien weit unterhalb des prozentualen Anteils der eingewanderten Bevölkerung liegt. Auch überwiegen englische, französische und spanische Bücher und Medien bei Weitem diejenigen in polnischer, türkischer, arabischer, russischer oder vietnamesischer Sprache. Und nur ein minimaler Bruchteil der Berliner Bibliothekare hat einen, wie es so unschön heißt, „migrantischen Hintergrund“ mit Kenntnis solcher Sprachen. Doch die ist wichtig, wenn etwa Mütter endlich einen Deutsch-Kurs belegen wollen, aber das Buch dazu nicht finden. Die Informationsmaterialien der meisten Bibliotheken gibt es nur in deutscher Sprache. Die Wähler hören zwar gerne Reden über die hundertfach belegte Bedeutung der Bibliotheken für die Integration von Minderheiten. Aber wenn es zum Spruch kommt, plädieren sie eher für eine neue Straße. Ist das in Lichtenberg anders? Kaum. „

 

Sturm gegen einen Neubau für die Berliner Landesbibliothek

Der Kolumnist Gunnar Schupelius vertrat gestern die Meinung, dass die Landesbibliothek von Berlin kein neues Gebäude benötigt. Grundlage seiner Debatte ist, dass der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, in einem Schreiben an das Berliner Abgeordnetenhaust mitteilt, dass der Neubbau der Landesbibliothek finanziell nicht gesichert ist und sich deshalb wahrscheinlich bis 2014 verschoben wird. Der Bürgermeister favorisiert dafür ein neues Gebäude auf dem Flugfeld Tempelhof, welches 270 Millionen kosten soll und dem endlich die Amerika-Gedenkbibliothek und die Stadtbibliothek sowie die Senatsbibliothek eine gemeinsame Heimat finden sollen. Grund laut Wowereit sei eine fehlende zeitgemäße Ausstattung der Leseplätze, Klimaanlagen, die nicht ganz in Ordnung sind und die Bedienzeiten einfach zu lange dauerten, weil beispielsweise Bücher von A nach B nach C und zurück transportiert werden müssen.

Das sei doch nicht der Rede wert. Passend bringt er andere Dinge, die doch viel dringender seien als eine Bibliothek. Schupelius zieht nun das Register der armen Kinder in Grundschulen und Gymnasien von Berlin, deren Toiletten wohl ähnlich denen der Stadtbibliothek nicht zeitgemäß ausgestattet seien und wo es stinkt. Erst müssten die Schulen an die Reihe kommen, bevor sich Wowereit und die Stadt Gedanken über eine neue Landesbibliothek machen dürften.

Und jetzt wird die Rechnung erst recht aufgemacht. Die Berliner Universitätsbibliotheken hätten in den letzten sieben Jahren vier neue Bibliotheksbauten erhalten und das Gebäude der Staatsbibliothek zu Berlin Unter den Linden würde auch schon seit zehn Jahren restauriert. Zudem gibt es auch in jedem Bezirk eine Stadtteilbibliothek. Schlussfolgerung, jeder der lesen will, kann dies überall in Berlin tun. Also, sollte die Stadt, die 65 Milliarden Euro Schulden hat, sparen. Es sei jedem, der lesen will, zumutbar, in der AGB zu sitzen, auch wenn die Klimaanlage nicht funktioniert und das bißchen Warten auf ein Buch wäre die 270 Millionen Euro für einen Neubau auf dem Flugfeld von Tempelhof nicht wert, die zumal nicht zur Verfügung stehen. Daher forderte er:

Streichen Sie diesen Plan, Herr Wowereit!

Bei der mitgelieferten Umfrage sprachen sich ca. 80 Prozent für die Meinung von Herrn Schupelius aus. Heute wurde die Kolumne von Schupelius gleich nochmal als Artikel hinterhergeschoben. Und ein weiteres Mal gaben sie die Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse an, wo man mit diesem Kolumnisten des Axel-Springer-Verlages Kontakt aufnehmen soll. Ich gebe sie hier mal weiter:

Rufen Sie an: (030) 2591 73153 oder Mail:
gunnar.schupelius@axelspringer.de

Ich hätte da auch noch einen Vorschlag, der sicherlich auf Dauer weitere Millionen einsparen könnte. Augsburg und das Land Bayern zeigen, wie es geht. Schaffen Sie einen Innovationsstau, bis die Kosten zur Beseitigung so hoch sind, dass eine Zerschlagung der Bibliothek kostengünstiger zu sein scheint als die Beseitigung der Mängel zur rechten Zeit. Auf Dauer spart man da viele Gehälter, Neuerwerbungsetats… :ruhig:

Ja, Schulen sind wichtig und müssen zeitgemäß ausgestattet werden. Bibliotheken jedoch stehen allen Alters- und Zielgruppen, nicht nur Schülern für ein lebenlanges Lernen offen. Die AGB, Stadt- und Senatsbibliothek sind beste Beispiele dafür. Ja, es gibt Stadtteilbibliotheken in jedem Bezirk, aber deren Ausstattung und Raumangebot entspricht auch nicht immer dem, was der jeweilige Stadtteil benötigt, ganz zu schweigen von den dort bestehenden Platzproblemen. Auch die drei Landesteilbibliotheken haben mit Problemen in Bezug auf die Barrierefreiheit zu kämpfen. Mit einem Gebäude, dass allen Anforderungen entspricht – Barrierefreiheit, den Anforderungen an neue Lernkonzepte, etc. – wird den Bedürfnissen aller Altersschichten der Berliner Rechnung getragen.

Quelle:
Schupelius, Gunnar: Schlechter Plan : 270 Mio. für Bibliothek in Tempelhof, BZ
Schupelius, Gunnar: Mein Ärger : Der gerechte Zorn von Gunnar Schupelius – Berlin braucht keine neue Landesbibliothek, BZ