Ab 11 Uhr am 13.03. ging es in der KIBA-Lounge um die interdisziplinäre GeNu-Media-Teilstudie (verschiedener Fachbereiche) der HTWK Leipzig: „Analyse der Möglichkeiten und Grenzen intergenerativer Zielgruppenorientierungen in Bibliotheken“.
Sandra Michaelis (GeNuMedia) und Prof. Dr. Gerhard Hacker hielten hierzu einen Vortrag mit dem Titel „Bibliotheken – der neue Ort generationsübergreifender Medienbildung?“ Bereits 2012 wurde dieses Teilprojekt auf dem Bibliothekartag in Hamburg mit dem Titel „Senioren im Fokus. Die Nachwuchsforschergruppe GeNuMedia- Barrierefreie Medien – Generationsübergreifende Nutzungskonzepte“ vorgestellt. Der letztjährige Vortrag zu diesem Thema gibt die Grundstruktur wieder, welche auch dieses Jahr einleitend so präsentiert wurde. Das Projekt ist in unterschiedliche Schwerpunkte eingeteilt. Nachdem eine Datenbasis zur Medienaneignung und Intergenerativen Medientechnologien erstellt ist, sollen Handlungsempfehlungen für die Konzeption und Realisation generationsadäquater Medientechnologien erstellt werden. Dabei hatte ich den Eindruck, dass der Begriff Medienkompetenz häufiger verwendet wurde als Informationskompetenz. Nach einer Definiton des Begriffs Medienkompetenz nach Tulodziecki wurde auf Sekundäranalysen des (Medien-)nutzungsverhaltens in Bibliotheken eingegangen. Mehr dazu findet sich in der oben angegebenen Verlinkung (hier im Blog) zum letztjährigen Vortrag,
„Medienkompetenz beschreibt das Vermögen und die Bereitschaft in Medienzusammenhängen sachgerecht, selbstbestimmt, kreativ und sozial verantwortlich zu handeln“ (Schulz-Zander & Tulodziecki, 2009, S. 44).
Die medialisierten Lebenswelten stellen nicht nur Bibliotheken vor neue Herausforderungen, dass diese z.B. die soziale Inklusion, die Partizipation, die intergenerative Kommunikation oder den Zugang zum Arbeitsmarkt mit-fördern und befördern.
Am Ende wurde eine Analyse der Möglichkeiten & Grenzen vorgenommen, bei der die Altersstruktur und das Mediennutzungsverhalten von Alten und Jungen analysiert wurde. In einem nächsten Schritt wurden die Anforderungen und Bedürfnisse an an medienkompetenzvermittelnder generationsspezifischer Anforderungsprofile identifiziert. Schritt Nummer 3 beinhaltet die Analyse bereits vorhandener medienkompetenzvermittelnder angebotsstrukturen für ältere Menschen. Als vorletzten Schritt sollen Schulungen für sächsische Modellbibliotheken konzipiert und durchgeführt werden. Es ist auch angedacht intergenerative E-Learning-Angebote zur Vermittlung zur (Informations- und/oder) Medienkompetenz zu entwickeln.
Im anschließenden Vortrag wurde das neue Marken- und Kommunikationskonzept der Stadtbibliothek (im Bildungscampus) Nürnberg vorgestellt. Das neue Gebührenmodell der Stadtbibliothek Nürnberg wurde
hier im Blog schon am 30.12.2012 besprochen. Die sogenannte Testimonial-Kampagne war durchaus anregend und inspirierend. Erstmals wagte es eine Bibliothek in Deutschland offen und transaperent in der ganzen Stadt mit einer Mitarbeiterin mit einem sogenannten Migrationshintergrund zu werben, die bei der Werbekampagne zur Neueröffnung der Bibliothek freiwillig mitmachte und auf dem Foto so gar nicht dem klassischen/klischeehaften Aussehen von sogenannten ottonormaldeutschen BibliothekarInnen entsprach. In der aktuellen Zeitschrift BuB gibt es auf den Seiten 222-223 ein Interview mit der jungen Bibliothekarin aus Nürnberg, das Susanne Schneehorst führte. Terkessidis bezeichnete solche Kampagnen in seinem Buch „Interkultur“ auch als interkulturelles Branding, was im bibliothekarischen Bereich, wie das Beispiel aus Nürnberg zeigt, noch ein Novum ist. Terkessidis appelliert(e) in seinem Buch an den Humorgedanken, als er eine Kampagne aus den 1980er Jahren der Openbaren Bibliotheek in Amsterdam zitierte:
„Auf einem Plakat war damals ein schwarzes Mädchen mit einem Buch in der Hand
zu sehen. Darunter stand: »Ich war mal eine dumme Blondine.«“
Das leider noch in vielen Köpfen vorhandene
Ius-Sanguis-Denken, das Ethnisieren und
schubladisieren von Menschen anderer Herkunft, ist nicht nur in der Bibliothekswelt unter Nutzern (und vermutlich auch BibliothekarInnen) verbreitet, nein, überall, auch in Schulen, auf der Straße und in sehr vielen Vereinen und Institutionen wären solche Plakate wünschenswert, auch
beim Handwerk, das so händeringend in bestimmten Branchen Nachwuchssorgen hat oder bei der Feuerwehr, die ebenso mehr eine Willkommenskultur ausstrahlen könnten, um Hemmnisse und Zugänge zu beseitigen.
Mitte der 2000er Jahre brannte ein Kiosk in Berlin-Kreuzberg (im Wrangelkiez) und die Anwohner waren über das späte Eintreffen der Feuerwehr äußerst verwundert/verärgert/wütend und manche Stimmen warfen den Feuerwehrleuten sogar Rassismus vor. Dennoch traf die Feuerwehr bereits 5 Minuten nach Eingang der Meldung ein, aber der Lottobudenbesitzer Bilal Y. starb leider an einer Rauchvergiftung. Soweit ich mich an diesen Vorfall erinnere, lag die Hauptstelle der Feuerwehr (Wienerstraße) überhaupt nicht weit weg vom Brandtatort (Oppelnerstraße). Es mangelt wohl bei vielen Migranten/Flüchtlingen/Zuwandern gleich welcher Art an Vertrauen gegenüber Institutionen/Behörden und Bildungs- und Lerneinrichtungen, als die sich auch Bibliotheken verstehen.
Im vielleicht meiner Meinung nach beeindruckendsten Vortrag des Bibliothekartages von Armin Heigl, der übrigens kein Bibliothekar, sondern Gymnasiallehrer ist, wurde deutlich, dass Vorurteile über Lehrer nur Vorurteile sind und Armin Heigl vermutlich durch sein Engagement und seinen Einsatz alle beeindruckte, was Idealismus, Tatendrang und Offenheit für Veränderungen betrifft. Die Schulbibliothek war den meisten Schüler_innen bis zum Zeitpunkt der Veränderung eher als Ort bekannt, wo Lehrer_innen ihre Konferenzen abhalten und Essenbons verkauft wurden. Der Change-Prozess zog sich über mehrere Jahre hin. Es wurde ein Projektseminar zum Thema „Umgestaltung der Schulbibliothek zu einem Lern- und Medienzentrum“ angeboten, dass eigentlich nur weibliche Schülerinnen belegten, da der einzige männliche Teilnehmer kurz vor Beginn noch absprang. Um diesen Vortrag abzukürzen, will ich an dieser Stelle auf die positiven und hoffentlich nachhaltigen Effekte eingehen. Seit kurzem arbeitet eine gelernte Buchhändlerin halbtags in der Schulbibliothek und eine breite Mehrheit an Lehrer_innen ist bereit diese Bibliothek künftig in ein Medienlabor zu verwandeln, in dem Schüler_innen den Umgang mit Tablets und anderen zeitgemäßen Medien, wie auch den Erwerb von der jeweiligen Medien-Kompetenz, einüben. Eine seiner ehemaligen Schülerinnen, die an dem Projektseminar teilnahm, baute nach ihrer Schulzeit in einem freiwilligen sozialen Jahr eine Bibliothek in Afrika auf. Der Respekt bzw. die Daseinsberechtigung einer Schulbibliothek wird vom Lehrerkollegium nicht mehr angezweifelt und die Weiterentwicklung bzw. ein möglicher Neubau wären weitere Zukunftsprojekte für diese Einrichtung.
Zum ersten Mal nahm ich an einem Treffen der AG Gender/Diversity teil, das von Frau Dr. Karin Aleksander, der Leiterin der Genderbibliothek geleitet wurde. Vorgestellt wurde der vier Tage zuvor im Blog gepostete vornehmlich von Danilo Vetter gedrehte Film „
Die geschätzte Kollegin vom festgezurrten Haupthaar : Geschlecht (k)eine Frage in Bibliotheken?„. Die anschließend Diskussion hierzu und die Ermunterung diesen Film Kollegen und Kolleginnen zu zeigen und weiterzuempfehlen, stieß auf ein großes Echo. Die wütende und aggressive Reaktion eines Bibliotheksleiters in der zeitgrößten Stadt Österreichs auf den Vorschlag einer Nutzerin im sogenannten „Wunschbuch“ mehr Literatur zum
Themenfeld LGBT als Verbesserungsidee anzugeben, war ebenso Thema in der Debatte, da dies erst vor wenigen Jahren geschah und die Reaktionen des Leiters hohe Wellen schlugen. Der Film analysierte auch die Hintergründe der Entstehung des Berufsfelds Bibliothekar/Bibliothekarin und suchte nach Erklärungsmuster, weshalb die(se) Feminisierung nach vor ein entscheidendes Merkmal darstellt. Eines der Fazits, war das Erwerbs-Biografien von Bibliothekaren und Bibliothekarinnen stärker aufgearbeitet werden müßten und der Genderblick auch bei denen geschult werden müßte, welche bislang für diese Thematik nicht genug sensibilisiert, empfänglich und offen sind. Letztlich ist es eine gesamtbibliothekarische Aufgabe vermeintliche Randthemen wie etwa die Genderthematik, den Postkolonialismus und des Implikationen/Auswirkungen (wozu teilweise auch spezielle Bestände und Festivitäten wie der Black History Month zur
Geschichte Schwarzer Menschen und zur
„Schwarzen Deutschen Bewegung“ in Deutschland zählen), Diversität, Intersektionalität oder die Ursachen und Folgen der Feminisierung stärker in den Mainstream eines solchen Bibliothekentages oder Bibliothekstages 🙂 zu tragen. Ähnlich wie bei dem Thema Interkulturelle Bibliotheksarbeit, wo nun auch mehr Bibliothekar_innen mit Migrationshintergrund anwesend sind als früher, könnte die Thematik durchaus einen höheren Stellenwert verdienen, wenn bereits im Studium und in der Ausbildung hierfür eine andere Art der Sensibilisierung und Bewußtseinsschaffung stattfinden würde. Der zwischenmenschlichen Kontakt zwischen Bibliothekar und Nutzer scheint eine größere Rolle, als bei anderen Bibliothekartagen gespielt zu haben.
Das folgende Plädoyer ist nun nicht kirchlich oder konfessionell gemeint, sondern bezieht sich meiner Auffassung nach auf das Grundverständnis bibliothekarischer Arbeit, was in ähnlicher Form Papst Franziskus für seine Kirche forderte. Nun wage ich den Versuch dies auf (öffentliche) Bibliotheken umzuformulieren („Bibliothek der offenen Türen“; Stichwort Niedrigschwelligkeit, Barrierefreiheit nicht nur ein Begriffskonstrukt für behinderte Menschen, sondern für alle, bei denen der Zugang zur Bibliothek eine Schwellenangst hervorruft). Gibt es denn keine Statistiken darüber, dass in Gegenden, wo Bibliotheken existieren, der soziale Friede und die Kriminalitätsrate durchschnittlich geringer ist, ähnlich wie es bei Bahnhöfen, in den klassische Musik ertönt, der Fall ist? Deshalb kam mir das Thema der Erreichnung von Nichtnutzer_innen, von Männern und/oder Strategien zur Erreichung von Menschen, welche von Exklusion betroffen sind (wie etwa Flüchtlingen/Asylbewerber) leider zu kurz. Die Erfüllung eines echten sozialen Auftrags von öffentliche Bibliotheken als Zusatz zu statistischen Ausleihkennzahlen, wäre sicherlich in (manchen) Stadtteilen und Gemeinden durchaus interessant als Zielvorgabe:
„
Wenn wir rausgehen auf die Straße, dann können Unfälle passieren. Aber wenn sich die Bibliothekar_Innen nicht öffnen, nicht da präsent sind, wo Bildungsbenachteiligte, Arme und von sozialer Exklusion betroffene Menschen sind, dann können sie beim „Kampf“ gegen Armut, den Einsatz für sozialen Frieden und dem Wohl ihrer (potentiellen) Communities herzlich wenig ausrichten. Es geht darum Brücken zu bauen. Wenn ich die Wahl habe zwischen einer bibliothekarischen Öffentlichkeit, die sich beim Rausgehen auf die Straße Verletzungen zuzieht und einer bibliothekarischen Öffentlichkeit, die erkrankt, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, dann habe ich keine Zweifel: Ich würde die erste Option wählen.“
Die breite Vielfalt an Themen erlaubte es kaum eine Session zu verpassen und letztendlich verpasste man ständig etwas, da es keine Parallelschaltung zu anderen Vorträgen über die Internetseite www.livestream.com etc. gab. Interessant wäre für künftige Bibliothekar*tage, mehr Vorträge auf YouTube und Slideshare hochzuladen, zusätzlich zu den eigentlichen Präsentationen oder auch gehörlose, blinde und behinderte Bibliothekar_innen mehr einzubeziehen. Bislang habe ich diese Gruppen nie auf irgendeinem Bibliothekartag gesehen. Den folgenden und letzten Tag, den 14.03., nutzte ich zu einem Besuch der Buchmesse, um zu sehen, was gerade „in“ ist und welches Lese- und Hörerlebnisse besonders beliebt sind.