[Zitat] Unkommentiert – 2010

What should libraries do to become relevant in the digital age? They can’t survive as community-funded repositories for books that individuals don’t want to own (or for reference books we can’t afford to own.) More librarians are telling me (unhappily) that the number one thing they deliver to their patrons is free DVD rentals. That’s not a long-term strategy, nor is it particularly an uplifting use of our tax dollars. Here’s my proposal: train people to take intellectual initiative. Once again, the net turns things upside down. The information is free now. No need to pool tax money to buy reference books. What we need to spend the money on are leaders, sherpas and teachers who will push everyone from kids to seniors to get very aggressive in finding and using information and in connecting with and leading others.

Seth Godin (über die Zukunft von Bibliotheken)

Ein Nachtrag zum achtjährigen Bestehen der Bibliotheca Alexandrina: “The world’s window on Egypt, Egypt ’s window on the world”

“Das Anliegen der antiken Bibliothek war es, so viele Bücher wie möglich zu sammeln. Wir wollen dagegen das bei uns vorhandene Wissen so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen. Die alte Bibliothek war nicht nur Schriftensammlung, sondern ein Ort der Musen, der Künste und Wissenschaften, des geistigen Austausches. Auch darin folgen wir dem antiken Vorbild.” Ismail Serageldin

Am 16.10. feierte die “neue” Bibliotheca Alexandrina ihr achtjähres Bestehen. Nissen & Heller stellten in einem Artikel in der Zeitschrift Bibliotheksdienst (H. 3/4) dieses Jahr fest, dass sich die “Bibliotheca Alexandrina” unter Leitung des Generaldirektors Ismail Serageldin und der Leiterin des Library Sector Sohair Wastawy zu einer der wichtigsten Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen im Nahen und Mittleren Osten entwickelt hatte. Der eben erwähnte und brandaktuelle Artikel gibt ausführlich Auskunft über eine sich selbst erfindende Bibliothek des Lehrens und Lernens und deshalb beschränke ich mich hier nur auf einige kurze Fakten. Finanziell wurde der Aufbau der Bau der “Bibliotheca Alexandrina” u.a. von der UNESCO unterstützt. Sie verfügt über 2.000 Leseplätze und bietet Platz für 8 Millionen Bücher. Die Gesamtfläche beträgt 80.000 m² und insgesamt kostete die Bibliothek 214 Millionen $. Die Hälfte der Kosten setzte sich aus Spenden zusammen. Insgesamt verfügt die Bibliothek über etwa 3.000 Raritäten, unter anderem ein 1575 erschienenes Werk über die deutsche Geschichte und drei Originalausgaben der berühmten “Discription de Egypte”, mit der die Forscher im Gefolge Napoleons die Schätze des Landes am Nil in Europa bekannt machten und die moderne Ägyptologie begründeten.

Es würde den Rahmen dieses Eintrags sprengen auf alle Dienstleistungen und Hintergründe der Bibliotheca Alexandria im Einzelnen Stellung zu nehmen. Doch die folgenden Einrichtungen, welche in der Bibliothek untergebracht sind, sollen an dieser Stelle verdeutlichen, welchen Stellenwert die Bibliothek in arabischen Ländern des Maghreb und im Nahen und Mittleren Osten wohl einnimmt:

  • die Academia Bibliotheca Alexandrinae (ABA)
  • die Arabic Society for Ethics in Science & Technology (ASEST)
  • die Anna-Lindh-Stiftung
  • das Institute for Peace Studies (IPS)
  • das HCM Medical Research project
  • das Jean-René Dupuy Center for Law and Development
  • das Arab Regional Office of the Academy of Science for the Developing World (ARO-TWAS)
  • die regionale Zweigestelle der IFLA
  • das Sekretariat der Arab National Commissions der UNESCO
  • das Netzwerk für Umweltpolitik im Mittleren Osten und Nordafrika(MENANEE)
  • das Arab Network for Women in Science and Technology (ANWST)

Die NZZ beschrieb 2002  sehr anschaulich die Bibliotheca Alexandria, wie sie auf dem Foto abgebildet ist:

“Von nirgendwo ist die Bibliotheca Alexandrina auffallender als vom Meer aus. Trifft man in Ägyptens grösstem Mittelmeerhafen, Alexandria, mit dem Schiff ein, scheint das runde Gebäude völlig aus dem Rahmen der mit Jugendstilhäusern und gesichtslosen Wohnblöcken bestückten Corniche zu fallen. Von weitem gleisst und glänzt das zum Wasser abfallende Flachdach wie eine übergrosse Münze; erst beim Näherkommen erkennt man seine gläserne Struktur. Beschreibungen in Katalogen und in der Presse sprechen gern von einer «Sonnenscheibe», die mit ihrer Inklination zum Meer eine ewige Morgenröte symbolisiere.”

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[Bildzitat] Kommentiert – 2010

Am 21. Juni diesen Jahres machte Stephen Abram in seinem Blog auf die Konsequenzen von Bibliotheksschließungen aufmerksam, indem er historische Parallelen mit der Vernichtung vergangener Kulturen zog. Die westliche Kultur wurde Abram zufolge von irischen Mönchen und Bibliotheken außerhalb Europas gerettet. Wir – damit meint er insbesondere all diejenigen Nachfahren, welche aus Ländern stammen, die andere Völker kolonialisiert haben – litten nicht unter den Folgen der Verbrennung der Bibliotheken der Maya, Inka und Azteken. Offenbar blieben von diesen Kulturen am Ende nur vier Bücher übrig. Hans Krol fügte dem Blogeintrag noch hinzu, dass nach der Zerstörung der Bibliothek von Alexandria um 415 das dunkle Mittelalter begann, in dem weder die Aufklärung noch die Bildung einen großen Stellenwert einnahm. Ich will kein Kulturpessimist sein, aber es gab immer wieder kulturelle Blütezeiten und Zeiten des kulturellen Niedergangs. Wenn es zu wenig Rückhalt in der Bevölkerung und in der Politik für den Erhalt und den Unterhalt von Bibliotheken gibt, dann liegt der Gedanke nahe, dass sich ein gewisser Trend abzeichnet: Der Trend Kultureinrichtungen kaputtzusparen. Es scheint eine Art Weckruf an uns alle zu sein, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Der folgende Slogan stammt vermutlich von der Webseite Cafepress, die für alle Bibliotheksliebhaber in der Rubrik Library Advocate T-Shirts, welche den Wert und die Bedeutung von Bibliotheken hervorheben, zum Verkauf anbietet. Wäre das nicht ebenso eine Marktlücke für Anbieter im deutschsprachigen Raum? Es mag vielleicht manch einer Person lächerlich, naiv oder gar sinnlos erscheinen, aber je mehr Fürsprecher es für öffentliche Bibliotheken in einer Kommune gibt, desto mehr Menschen (auch Unterhaltsträger und Medien vor Ort) würden darauf aufmerksam werden und das Tragen der T-Shirts würde der Lobbyarbeit für die eigene Einrichtung doch nur förderlich sein.

“Libraries Will Survive”: Mut und Humor in Krisenzeiten

„Etatkürzungen, Reduzierung der Bibliotheksangebote, Verringerung der Öffnungszeiten bei gleichzeitiger Gebührenerhöhung und schleichender Abbau des Personals beschneiden die Dienstleistungen der widerspiegelt. Bibliotheken massiv.“

Nein, diesmal zitiere ich nicht aus den USA, sondern Monika Ziller, die Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands. Der Verband forderte kürzlich alle Kommunalpolitiker auf, sich weiteren Kürzungsvorschlägen der Kommunalverwaltungen im Bibliotheksbereich entschieden zu verweigern. Mich würde interessieren, ob es Kommunalpolitiker gibt, die in der Regierungsverantwortung ihrer Gemeinde sind und sich dennoch weigern gerade in diesem Bereich weiter einzusparen. Bisher schrieben ich und Dörte schon über Bibliotheksstreiks in Frankreich und Budgetkürzungen in Bibliotheken der USA. Großbritannien nimmt unter der neuen Regierung unter David Cameron ebenfalls massive Kürzungen im Öffentlichen Dienst vor, die besonders Schulbibliotheken betreffen und bei öffentlichen Bibliotheken oftmals vorsieht “gelernte” BibliothekarInnen durch Ehrenamtliche zu ersetzen. Brigitte Döllgast titelte vor wenigen Tagen “Bibliotheken in Deutschland müssen sparen“. Positiv hob sie die beiden Bibliotheksgesetze in Hessen und Thüringen hervor. Aber wem nützt ein Tierschutzgesetz, wenn es beispielsweise den Hundehaltern die Wahl lässt, ob sie ihre Tiere pfleglich behandeln oder quälen wollen? Wem nützt ein Bibliotheksgesetz, das den Kommunen die Freiheit lässt, ob sie Leistungen für den Bibliotheksservice bereitstellen oder nicht? Den Kommunen und den Kritikern? Lange Zeit glaubte ich ein Gesetz sei eine verbindliche Rechtsnorm. Mir scheint das eher einer Farce zu gleichen, die an schlichte Symbolpolitik erinnert, die keiner gesetzlicher Grundlage bedarf. Es ist wohl wie mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Atomkaftwerksbetreiber, die in Ökoenergien investieren dürfen, wenn sie wollen.

Inspiriert durch den Diskoklassiker “I will survive” aus dem Jahr 1978 entstand ein Film, der die Arbeit der BibliothekarInnen der “Central Rappahannock Regional Library” (Bundesstaat Virginia) in Zeiten von Budgetkürzungen auf humorvolle Art porträtiert. Auf der Facebookseite, die ich weiterempfehle, findet regelmäßig Kommunikation mit den “Usern” statt und es gibt spezielle Thementage (“Favorite Quotes Friday”, “What are you reading?” Wednesday) und Informationen über den Service der Bibliotheken (z.B. “Need to do some legal research? Visit the Law Library! The Law Librarian is available from …). Darüber hinaus verfügt die Bibliothek über einen eigenen YouTube-Kanal. Zum untenstehenden Video existiert auch eine Kurzversion. Nach der Veröffentlichung des Videos, wurde davon im Fernsehen und im Internet berichtet, so z.B. in der “Chicago NBC morning show“. In den meisten Fällen hilft bei Ausweglosigkeit und Krisenstimmung Humor eher weiter, als (die völlige) Resignation.

“Everyone knows times are tough. Budget cuts and belt-tightening are commonplace. The library has felt the pinch too, but we know we’ll carry on and continue to offer the best possible service to our patrons. Humor often helps us through the hard times, so we’d like to share this video made by and featuring CRRL staff.”

P.S: Gibt es denn eigentlich schon ein Best Practice Buch zum Thema “Wege aus der Krise: Wie Bibliotheken erfolgreich ihren Service trotz Sparmaßnahmen aufrechterhalten”? Es muss doch Lösungen und Strategien geben sich erfolgreich gegenüber Unterhaltsträgern und der Lokalpolitik zu behaupten, anstatt sich dem Sparzwang dauerhaft zu beugen.

Ein Auskunftsschalter aus Büchern an der Bibliothek der Technischen Universität Delft als Recyclingmethode für Bücher

Anbei ein Bild über eine eigentlich sehr nützliche und praktische Art, wie Bücher in manchen Bibliotheken noch verwendet werden können. Der Auskunftsschalter steht in der Bibliothek der TU Delft.

Ein Nutzer der Bibliothek der TU Delft schrieb folgendes über den Auskunftsschalter:

“Books are reused to create this enormous piece of library furniture at TU Delft architecture bibliotheek. Because the books are stacked rather than dismantled, this desk is true to its origins as well as its function.”

Nach der Universitätsbibliothek in Stanford und der “Cornell University’s Engineering Library” scheint sich wohl in den USA (und vermutlich anderswo) ein Trend zu (weitestestgehend) bücherlosen  Bibliotheken abzuzeichnen. Dort werden Bücher durch E-Bookreader ersetzt, aber wenn hierzulande Hochschulbibliotheken und öffentliche Stadtbibliotheken bei der Neuanschaffung von Medien einsparen, wird dieses eingesparte Geld dann auch für den Kauf elektronischer Lesegeräte verwendet?  Selbst die FAZ verwendete vor wenigen Tagen die Überschrift “Abbau Buch“.  Diese schleichenden Personal- und Bestandsabbaumaßnahmen sind doch schon länger im Gange und nicht erst seit gestern oder einem Jahr. Muss es bei gewissen “Problemen” erst so weit kommen bis die FAZ und andere Medien über Bibliotheken öffentlichkeitswirksam berichten? Gilt auch hier das von Margaret Thatcher in den 1980er Jahren in der Wirtschaft propagierte TINA-Prinzip? Neusprech.org weist auf das heutzutage häufig im politischen Diskurs verwendete Wort “alternativlos” hin, das ein Oxymoron ist. Meiner Ansicht nach ist zu wenig von Alternativen und deren Erfolg die Rede, als von den klammen Kommunen. Wie wäre es mit einem Konjunkturpaket III für nachhaltige Bildung (Investitionen in eine flächendeckende Bibliotheksinfrastruktur) anstatt in “Flüsterasphalt” zu investieren, der mehr Nachteile als Vorteile aufweist. Welche Gründe sind dafür verantwortlich, dass  Bibliotheken der Bildungsauftrag schleichend entzogen bzw. unerfüllbar gemacht wird? Warum werden  Theater und andere Kultureinrichtungen oftmals weniger finanziell geschröpft? Liegt es an einer  mangelnden Lobby breiter Bevölkerungsgruppen, die viel heterogener sind als das “Ottonormalbibliotheksklientel”? Schmücken sich Städte lieber mit ihren Theatern in der Öffentlichkeit als mit Bibliotheken? Besteht denn ein  Zusammenhang zwischen der schlechteren Lesekompetenz im Norden und Osten des Landes und einer dort vorhandenen mangelnden Bibliotheksinfrastrukur? Gibt es hierzu nicht stichhaltige Untersuchungen, die das untermauern? Wie alarmierend und besorgniserregend müssen Schlagzeilen und erwiesene Untersuchungen, wie die des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) noch sein, damit die Politik, aber auch die Bürger wacher werden? Eigentlich sind doch Bibliotheken Einrichtungen, die Intelligenz und Bildung fördern? Hätte ein gewisser Herr S. vor wenigen Wochen ein Buch mit dem Titel “Deutschland spart seine Bibliotheken kaputt und wird dadurch immer dümmer” veröffentlicht, hätte dies sicher einige Unterhaltsträger und Meinungsmacher aufgeschreckt und es wären Maßnahmen zur Gegensteugerung eingeleitet worden. Stattdessen wird sich kaum etwas ändern.

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Die Gefängnisbücherei auf Guantánamo (USA)

“He who does battle with monsters needs to watch out lest he in the process becomes a monster himself. And if you stare too long into the abyss, the abyss will stare right back at you.” Friedrich Nietzsche

Bisher war mir nicht bekannt, dass es im Gefangenlager auch eine Bibliothek (“Delta Camp library“) für die Häftlinge gibt. Unter der Überschrift “Harry Potter and the Prisoners of  Guantánamo” veröffentlichte Huffington Post einen Hinweis auf einen im Time Magazine erschienen Artikel mit der Überschrift  “What Prisoners Are Reading at Gitmo” von Kayla Webley.  Dieser Artikel hat durchaus Unterhaltungswert und vermittelt dem Leser den Eindruck, es handele sich um ein ganz normales Gefängnis. Auch die französische Tageszeitung “Le Monde” und der britische Guardian versuchten medientauglich mit der folgenden Überschrift die vermeintlich allerletzten Geheimnisse des Lagers zu entlocken: “Guantánamo Bay library’s most wanted books? Anything but Barack Obama“.  Bevor ich näher auf die Bibliothek und deren Echo aus den Medien eingehe, sollte ich kurz etwas zum Lager erwähnen. Die Fläche der Halbinsel Guantánamo von 117 km² wird seit 1903 von den USA gepachtet, aber eigentlich verlangt Kuba seit einigen Jahren schon mit Nachdruck die Rückgabe des Gebietes. Ursprünglich sollte das  Lager von Guantánamo im Januar 2010 geschlossen werden.  Aus verschiedenen Gründen wird sich die Schließung aber noch bis auf weiteres hinauszögern. Ende Juni diesen Jahres berichtete die New York Times darüber, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass das Lager Guantánamo vor dem Ende der Amtsperiode Obamas geschlossen wird. Einer Umfrage aus dem März 2010 zufolge, die im selben Artikel zitiert wird, würden 60 % der US-Amerikaner sich wünschen, dass das Lager erhalten bliebe und weiterhin genutzt würde. Für Journalisten, Reporter, Abgeordnete des Kongreßes und anderen Gäste, wird die Bibliothek als Vorzeigeeinrichtung des Gefangenlagers von Guantánamo genutzt, um zu zeigen, dass das Lager eigentlich ein sicherer, menschlicher und von Transparenz gezeichneter Ort ist, wie der Miami Herald am 10.11. 2009 schrieb. Andere “normale” Gefängnisse haben auch Büchereien und verfügen über Einrichtungen, die das Leben in solchen Extremsituationen und in der Isolation von der Außenwelt erträglicher machen, aber wird ein Lager, das gegen die UNO-Menschrechtskonvention verstößt durch eine Bücherei und eine harmlose Berichterstattung “menschlicher” und von der Weltbevölkerung mehr akzeptiert als bisher? Insgesamt verfügt die Bibliothek über 18.000 Medieneinheiten in 18 Sprachen (z.B. Urdu, Usbekisch, Arabisch oder Farsi) bei 176 Inhaftierten. Durch die Verlegung und Entlassung von Häftlingen ist dies ein durchaus beachtlichte Quote (das Verhältnis Medienbestand zu den Nutzern). Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die Harry Potter Bände, von Dan Brown verfasste Bücher, aber auch Klassiker von John Grisham und bis hin zu Agatha Christie. Wenn das Militär Schwierigkeiten hat Titel in einer bestimmten Sprache ausfindig zu machen, kommt das “International Committee of the Red Cross” manchmal zu Hilfe beim Bestandsaufbau zur Hilfe. Weiterlesen

Ein Nachtrag: Das Afrika Medienzentrum wurde vor kurzem in Berlin-Wedding eröffnet

Das intellektuelle Afrika bleibt vielen Deutschen, aber auch vielen Afrikanern unbekannt. Dabei gibt es in Afrika nicht nur hervorragende Autoren und Autorinnen, Musiker und Musikerinnen, sondern es gibt auch eine florierende Filmindustrie. Auch europäische Filmemacher entdecken den Kontinent für sich. Den an Afrika Interessierten fehlt es allerdings an leicht zugängigen Medien, anhand derer sie sich über Musik, Filme, Geschichte, Politik und Kultur informieren können.” Hervé Tcheumeleu

Über die französische Webseite Livres Hebdo wurde ich gestern auf die Eröffnung eines Afrika Medienzentrums in Berlin-Wedding aufmerksam, die bereits am 18.08. 2010 stattfand.  Die Suche nach einer Berichterstattung über dieses Ereignis in den einschlägigen Berliner Tageszeitungen (Tagesspiegel, TAZ, Berliner Zeitung),  verlief leider erfolglos. Wenn in den überregionalen und regionalen Mainstreammedien Meldungen wie die Eröffnung eines Afrika Medienzentrums in Berlin überhaupt nicht Erwähnung findet, ist das sicher kein Einzelfall im Hinblick auf eine gewisse Ignoranz von multikulturellen Themen, die weniger Klischees und Stereotype transportieren, als die bekannten reißerischen Meldungen. Bereits im Blogeintrag vom 9. Mai diesen Jahres zum 5. Geburtstag der Hannah-Arendt-Bibliothek in Hannover kam ich am Ende meiner Ausführungen auf das afrikanische Viertel in Berlin-Wedding und möglichen Synergieeffekten mit Stadtteilbibliotheken zu sprechen. Die Aussagen von Herrn Diallo, dem Leiter des Afrikahauses Berlin, haben durch die Eröffnung des Afrika Medienzentrums wieder an Aktualität gewonnen. Er merkte am 07.10.2009 an, dass sich deutsche Bibliotheken und BibliothekarInnen  stärker für die Informationsbedürfnisse der Einwohner Deutschlands, welche aus Afrika stammen, interessieren sollten. Für sie sei die Bibliothek nicht attraktiv genug, da sie die Menschen, welche dort arbeiten nicht sehen bzw. keine „echte“ Kommunikation stattfinde und keine Mitarbeiter ihrer Herkunft vertreten sind. Nun hat der Initiator Hervé Tcheumeleu aus Mitteln der EU und dem Programm „Zukunftsinitiative Stadtteil“ ein eigenes Medienzentrum gegründet, obwohl meiner Meinung nach eine Integration in die “Mainstreambibliotheken” des Stadtteils dem interkulturellen Gedanken förderlicher gewesen wären. Mainstream-NutzerInnen könnten so leichter neugierig auf das Angebot gemacht werden, das nun etwas weiter von “ihrer Stadtteilbibliothek” entfernt liegt. Herr Hanke, der Berliner Bürgermeister des Bezirks Mitte,  sprach zwar von einer großen Ausstrahlungskraft, aber meines Erachtens wäre eine interkulturelle afrikanisch-deutsche Stadtteilbibliothek, die Teil des Verbunds der Öffentlichen Bibliotheken Berlins  ist, eine erster Schritt der Normalisierung dessen was sich der Bürgermeister und viele anderen wünschen: Weiterlesen

Möchten Bibliotheken so gesehen werden?

Wir beklagen uns über ausbleibende Nutzer und immer mehr geschlossene Bibliotheken. Wir kommen negativ in der Presse herüber und dann arbeiten einige scheinbar auch noch aktiv weiter an diesem verstaubten Image, wie der Artikel der Volksstimme über den 7. Bibliothekstag des Landes Sachsen-Anhalt verdeutlicht:

Kein DVD-Verleih, sondern Besinnung auf das Kerngeschäft

Wie wollen wir unsere Daseinsberechtigung begründen, wenn wir anfangen, Abstriche dort zu machen, wo sich unsere Nutzer befinden?

Auf dem 7. Bibliothekstag wurde am 28.04. in der Stadt- und Kreisbibliothek Haldensleben schwerpunktmäßig über ein moderns Qualitätsmanagement gesprochen. Der Landesverband der Bibliotheken lud zusammen mit dem Landesverwaltungsamt BibliothekarInnen ein, um ihnen das derzeit laufende Projekt eines Qualitätsmanagement-Verbundes vorzustellen und schmackhaft zu machen. Mit einer Zertifizierung von Bibliotheksangeboten soll die Servicequalität der teilnehmenden Bibliotheken erhört und eine größere Kundenzufriedenheit erreicht werden. Das Projekt endet Juni 2011.

Wer über die Qualität der Angebote spricht, muss sich auch mit denjenigen auseinandersetzen, welche zukünftig durch die Bibliotheken erbracht werden und die den Nutzer in die Bibliothek locken sollen. Ein Qualitätsmanagement kann dabei helfen, die Bibliotheken im Land besser aufzustellen. Es wird gerade auch vor dem realen Hintergrund der Sparzwänge des Landes, der Landkreise und Kommunen notwendig. Einsparungen haben fast abenteuerliche Züge, da häufig nicht mehr fachliche Überlegungen bei Entscheidungen im Vordergrund stehen.

In Sachsen-Anhalt gibt es 206 kommunale Bibliotheken. Eine statitische Zahl, die sicher den Eindruck vermitteln kann, dass das Land damit gut aufgestell ist. Doch sind zunehmende Anpassungen an den demografischen Wandel des Landes notwendig, denn der Alterdurchschnitt steigt stetig. Auch die finanziellen Rahmenbedingungen werden schlechter, während die Ansprüche der Nutzer wachsen und auch die eigenen Qualitätsansprüche sich ändern.

Ein Thema ist sicherlich die Leseförderung, die nicht nur in Sachsen-Anhalt ein großes Thema in den Bibliotheken ist. Lesungen von Autoren, Lesenächte, Buchbesprechungen sind nur einige Angebote, die man hier aufzählen könnte. Thomas Leimbach, Präsident des Landesverwaltungsamtes, riet den Besuchern des Bibliothekstages dann jedoch dringend davon ab, sich noch mehr auf den DVD-Verleih oder Computerspiele zu verlagern.

Als ich diese Aussage gelesen habe, musste ich sehr tief durchatmen.

” Ich sage Ihnen, die mediale Vielfalt wird Sie erschlagen. Nötig ist eine Rückbesinnung auf das Buch, auf das Kerngeschäft “, so Leimbach.

Verzeihung, so bitte nicht. Bibliothken müssen sich der medialen Vielfalt stellen. Wie sollen sie auf Dauer Lotse in einer immer weiter diversifizierten Medienlandschaft sein, wenn Sie sich auf “Bücher” beschränken sollen. BibliothekarInnen müssen sich auskennen in dieser Landschaft, um den steigenden Anforderungen an sie gewachsen zu sein. Das bedeutet aber auch, den Leser mit den “gefilterten” Angeboten zu füttern, ihn aber nicht einzuschränken. In freier Mediennatur wird er sich mehr oder weniger auch damit auseinandersetzen müssen. Bibliotheken beschäftigen sich nicht umsonst mit Themen wie Informations- und Medienkompetenz. Das sind Aufgabenfelder, in denen Sie meiner Meinung nach Services anbieten können und die deutlich machen, dass sie eine Daseinsberechtigung haben. Leseförderung ist nur ein kleiner, unbestritten notwendiger Teil innerhalb der bibliothekarischen Arbeit als “Bildungseinrichtung”.

Jürgen Plienninger überträgt die Forderung von Herrn Leimbach eindrücklich auf den Daimler-Konzern und zeigt, wie absurd diese ist.

Wenn zum Daimler-Konzern keine Flugzeuge (DASA), keine Haushaltsgeräte (AEG) mehr gehören, dann hat sich der Konzern strategisch auf sein Kerngeschäft, nämlich den Autobau, zurückgezogen.

Hoffentlich haben viele der Kollegen vor Ort damals heftig protestiert. So gesehen zu werden, als Bücherangebotsanstalt… Nein Danke!!! Das wäre die einfachste Möglichkeit, Bibliotheken bald ganz wegzurationalisieren, denn Buchvorstellungen, Autorenlesungen und Lesenächte können genausogut vom Buchhandel, Volkshochschulen und Theatern organsiert werden.

Aufmerksam geworden über:
Plieninger, Jürgen: Rückbesinnung auf das “Kerngeschäft”?, netbib weblog

Quelle:
Lüthe, Ivar: Kein DVD-Verleih, sondern Besinnung auf das Kerngeschäft, Volksstimme.de

“Libreka! ungeschminkt” bringt die Branchenplattform in die Diskussion

Das Schreiben “Libreka! ungeschminkt” wurde anonym veröffentlicht und erschien zu einem Zeitpunkt, bei dem sich die Buchbranche und vor allem die schöne heile E-Book-Welt sich von der glänzendsten Seite zeigen wollten. Genau zur Zeit der Frankfurter Buchmesse verbreitete es sich wie ein Lauffeuer. Dieses Schreiben wurde vom Verleger-Ausschuss in der heutigen Sitzung im Frankfurter Buchhändlerhaus zum Anlass genommen, intensiv über die Branchenplattform libreka! zu diskutieren.

Wohl erwartungs gemäß ist, dass MVB-Geschäftsführer Ronald Schild die Meinung vertritt, libreka! weise Erfolge vor und man hätte inzwischen auch bei den Endkunden einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht. Ich kann mir hierbei irgendwie nicht den Gedanken verkneifen, dass schlechte Publicity immer noch besser als keine Publicity ist und so die Etablierung eines Markennamen unterstütz. Lobbyfrontmann Matthias Ulmer (stellv. Vorsitzender des VA; Ulmer Verlag) kam natürlich beim Jonglieren der Zahlen bezüglich des Soll- und Ist-Standes des Projekts – wie kaum anders zu vermuten – zum Ergebnis, dass libreka! im Marktvergleich ziemlich gut dastehe. Die Frage dabei ist immer, mit wem man sich vergleicht.

Eine kritischere Stimme scheint hier Karl-Peter Winters (Vorsitzender des VA; Verlag Dr. Otto Schmidt) erhoben zu haben, der die Skepsis der eigenen Branche gegenüber libreka! beunruhigend findet. Man sei dem ursprünglichen Ziel, die beste Volltextsuche zu schaffen, bisher nicht gerecht worden. Nun vermutlich liegt das auch daran, dass kommerzielle Verlustängste dem doch erheblich entgegen standen. Statt Neugier zu wecken, kann man wohl sagen, hat es die Plattform geschafft, viele ihrer potentiellen Wiederholungstäter bei deren ersten Besuch dauerhaft abzuschrecken. Hinter den Kulissen scheint es eine mangelhafte Kommunikation zu geben und das wirkt sich eben auch auf den Service aus.

Die Qualität der Basisfunktionen von libreka! müsse verbessert, mit den Verlagen müsse stärker als bisher kommuniziert werden, so Winters. Der VA-Vorsitzende traf damit die Stimmung vieler Sitzungsteilnehmer.

Derzeit scheitert libreka! wohl auch ein der “vernünftige(n) Erwartungshaltung”, für die Ronald Schild plädierte. Dass die “Erwartungshaltung” vielleicht zu hoch war mit den vollmundigen Ankündigen, ist nicht zu verdenken. Google und Google Books ist durch (Todes- oder Über-)Mut zu einer entsprechenden Bekanntheit gelangt, da kann man sich denken, dass man mit der Zögerlichkeit deutscher Verlage nicht gleichen Erfolg in so kurzer Zeit erreichen kann. Gewiss ist die personelle und finanzielle Ausstattung der MVB nicht mit Google oder Amazon vergleichbar, aber eigene Wege zu beschreiten ist immer risikoreich. War man denn eigentlich dazu bereit, ein wirkliches Risiko auf sich zu nehmen oder hat man sich hier nicht im eigenen Elan durch zögerliche Bedenken selbst ausgebremst? Dieser Kritikpunkt ist sicherlich ehrlich, wirkt aber wie ein verzweifelter Verteidigungsschlag nach der eigenen positiven Bewertung seines Produkts:

Außerdem würden der MVB häufig digitale Versionen von Titeln geliefert, die mit erheblichem Aufwand nachbearbeitet werden müssten, um auf libreka! als E-Book verkauft werden zu können.

Die Kritik von Vittorio E. Klostermann (Vittorio Klostermann Verlag), Albrecht Hauff (Thieme) und Hans Freiwald (CW Niemeyer Buchverlage) wird hoffentlich ernst genommen, denn sonst kann man das Projekt libreka! als gescheitert abhakten. Sie stellten fest, dass zwischen der öffentlichen Wahrnehmung der Plattform und der Selbsteinschätzung des Verbands Welten liegen. Hierzu ist es wichtig, dem jetzt intensiv gegenzusteuern, um zu verhindern, dass Verlage das zu sinken drohende Schiff verlassen.

Bernd Weidmann (Die Werkstatt) plädierte dafür, das anonyme Papier nicht als bloße Schmähschrift abzutun und sich in die Situation der Kritiker zu versetzen.

Eine sachliche Bewertung der vorhandenen Unzulänglichkeiten bei libreka! wird schwer werden, zumal jetzt mehr und mehr Emotionen mitschwingen. Die Defizite in der Kommunikation abzustellen und die Missstimmung in der Branche besser wahrzunehmen ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte. Zudem sollte auf die Wahrnehmung der Kunden und der Konkurrenz (wenn man Bibliothekare dazu zählen möchte) frühzeitiger geachtet werden. Bereits 2007 wurde da an den Angeboten von libreka! nicht unbedingt ein gutes Haar gelassen.

Kommentar zu:
Diskussion um libreka! via Börsenblatt.net

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