[Zitat] Unkommentiert – 2010 (Kommentare erwünscht!)

Wenn in einer Stadt die Zahl der Büchereibesucher sehr abgenommen hat oder es vielleicht sogar gar keine Besucher mehr gibt, dann wird die Bücherei geschlossen. […] Leider werden eines Tages die meisten Büchereien geschlossen werden. Die historischen unter ihnen werden zu nostalgischen Museen umfunktioniert. Denn die Menschen erreichen heutzutage Kultur und Bücher auf viel einfacheren Wegen. […] Wenn Senator Stuth heute anstelle von Büchereien in kulturelle Medien und Technologien investiert, die den Kindern den Zugang zu Büchern erleichtern, dann buhe ich ihn nicht aus; im Gegenteil, ich applaudiere ihm. Auch wenn diese Büchereien geschlossen werden, werden die heutigen Kinder ganz sicher gebildeter und mit mehr Wissen ausgestattet sein als die von gestern. Denn es ist für sie viel leichter, Wissen, Kultur und Bücher zu erreichen, ohne in eine Bücherei zu gehen. Der Zeitgeist bietet uns heutzutage weitaus weniger mühsame Wege zur Kultur.

Ertuğrul Özkök (am 14.11.2010 in BILD)

Vorstellung der “Library of Tibetan Works and Archives”

Quelle: Archivalia vom Samstag, dem 18.12. 2010

Die Bibliothek als Sparschwein

Manchmal kann man nur noch den Kopf schütteln, wenn die Sparpolitik eines Städtchens Blüten schlagen. So soll die Lindower Stadtbücherei, anders als ursprünglich geplant nicht in das künftige Bürgerzentrum in die alte Schule ziehen. Nein, sie soll Platz im Tourismuspavillion auf dem Lindower Marktplatz bekommen, wenn es nach dem Lindower Amtsdirektor Danilo Lieske geht. Dieser will am 24. Februar einen entsprechenden Beschluss den Lindower Stadtverordneten vorlegen.

Das klingt vielleicht ganz gut – rein in den Mittelpunkt der Stadt, aber damit würde die Stadtbücherei ihren Status als eigenständige Einrichtung der Stadt Lindow verlieren. Dies hat der Hauptausschuss so empfohlen. Für die Stadt hätte das riesige Vorteile. Zöge die Stadtbibliothek in den Tourismuspavillion, könnte deren Leiterin eben nicht nur Gäste der Stadt beraten, sondern auch einfach die Bücher ausleihen. Die bisherige Leiterin der Tourist-Info ist in Rente und momentan sitzen nur ungeschulte Mitarbeiter in der Info. Deren Stellen sind befristet und werden vom Arbeitsamt gefördert.

Zwei Nachteile gibt es allerdings. Da die Bücher im Ausstellungsraum des Pavillions untergebracht werden müssten, würden die wechselnden Ausstellungen entfallen. Und zweitens würde nur ein kleiner Teil der Medien der Bibliothek dort Platz finden, da der Raum wesentlich kleiner ist. Der Rest der Medien müsste eingelagert werden und wäre nur auf Vorbestellung entleihbar.

Natürlich sieht Herr Lieske kein Problem, ein notwendiges Magazin zu finden und einzurichten.

Der Verwaltungschef sucht nach Einsparungsmöglichkeiten, „ohne gleich alles platt zu machen“. Die Bücherei solle für Lindow erhalten bleiben, zumal sie auch für den Titel „staatlich anerkannter Erholungsort“ von Vorteil ist.

Die Bibliothek im Moment und ihrem derzeitigen Zustand kostet die überschuldete Stadt 30.000 Euro Zuschuss jährlich. Dies sei aber nach Lieskes Meinung für 30 angemeldete und zahlende Leser nicht gerechtfertig. Für Angelika Schörder, Angestellte dieser Stadt, bleibt nur die Wahl, ja oder nein zu sagen. Auf die Bedürfnisse, einer zielgruppengerechten Bibliothek wird nicht geachtet. Die 59jährige möchte sich momentan nicht öffentlich dazu äußern, denn sie arbeitet in Teilzeit für die städtische Bibliothek. Eine zweite Teilzeitstelle hat sie in der Salusklinik, wo sie die Patientenbibliothek betreut. Außerdem ist sie Ansprechpartnerin für die seit Oktober eingerichtete Schulbibliothek der Lindower Grundschule, welche sie mit Birgit Rose und Cindy Voigt aufgebaut hat. Dort fördert sie dienstags die Lesekompetenz der Kinder und betreut donnerstags die Ausleihe.

Dass eine Bibliothek nicht nur Ausleihe ist, dass dort Ruhe herrschen sollte, dass Bücher nicht nur verwahrt, sondern auch vermittelt werden ist wohl Herrn Lieske entgangen. Sich über fehlende Nutzer zu beschweren, heißt häufig, es wurde zu sehr beim Angebot der Medien gesparrt. Auch die Beratungsangebote im Bereich einer Touristinfo brauchen Zeit und Wissen. Zudem sollten die Gäste der Stadt nicht das Gefühl haben, sie stören oder werden nur dazwischen geschoben. Sicherlich ist die Stadt mit ihrer Überschuldung nicht in einer glücklichen Situation, aber eine falsche Plazierung der Bibliothek, zu kleine Räumlichkeiten, die Rückkehr zur Magazinbibliothek können auch das Angebot einer Bibliothek an sich gefährden. Ich vermute stark, Herr Lieske nutzt die Bibliothek selbst überhaupt nicht und ist daher auch nicht über die Notwendigkeiten (in) einer Bibliothek aus erster Hand informiert.

Muss man da sagen, besser so, als geschlossen?

Quelle:
Kranz, Christian: Sparschwein Stadtbücherei : Lindower Amtsdirektor will Bibliothek und Touristinfo zusammenlegen, Märkische Allgemeine

Schimmelbedrohung für historischen Bibliotheksbestand

Eigentlich ist man dabei das Schlossmuseum zu sanieren, eigentlich, denn wegen Geldmangels stocken die Arbeiten gerade. Die Büros aus dem Nordflügel müssen jedoch verlagert werden, denn die Situation ist ernst.

Der unsanierte Nordflügel des Museums ist von Schwamm und Schimmel betroffen – nichts ungewöhnliches in historischen Gemäuern, aber beeinträchtigt werden auch die Innenräume im Neuen Palais. Dort untergebracht sind die Büro der Mitarbeiter und die Bibliothek.

Wie schlecht es um diese bestellt ist, zeigten Messungen des Zentrums für Bucherhaltung in Leipzig, die eine Schimmelbelastung bestätigten. Bei wenigen Büchern ist der Schimmel bereits sichtbar, aber dennoch wirbeln die Mitarbeiter bei jedem Exemplar, das sie den Regalen entnehmen, erneut Schimmelsporen auf und tragen sie auch in die anderen Räume. Für eine mechanische Reinigung des Bestandes ist Geld eingeplant. Die Reinigung soll durch eine in Arnstadt lebende Restauratorin durchgeführt werden.

Aber mit einer Reinigung allein ist das Thema Schimmel in den Büroräumen nicht erledigt. Betriebsärztliche Untersuchungen der Mitarbeiter ergaben Hinweise auf Sensibilisierungen und allergische Reaktionen auf Schimmelsporen, so dass von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen ist. Jetzt macht auch der Hauptpersonalrat Druck. Es muss etwas getan werden, z.B. im baulich bereits sanierten Südflügel erstmal provisorische Arbeitsplätze einzuricht, wobei provisorisch heißt, dass die Übergangszeit wohl schon acht bis zehn Jahre dauern wird, da die Sanierung vermutlich noch so lange dauern wird.

Ob die Stadt, die eine Fürsorgepflicht trifft, dem zustimmt, ist nicht klar, aber der Umzug der Büros ist zwingend notwendig. Das Schimmelproblem ist der Stadt bekannt (und eigentlich hätte man schon damals aus Interesse an den Mitarbeitern reagieren müssen), aber neu sei, dass nun auch Personen davon betroffen sind. Eine Verlagerung der Büros würde schätzungsweise 20.000 Euro kosten, die von keiner Förderung übernommen werden. Eine Containerlösung wäre denkbar, aber auch das kostet Geld, welches bisher von der Stadt nicht eingeplant worden ist. Dennoch soll bei einem Okay die Vorbereitungen sofort beginnen, auch wenn die Kosten nicht im Haushaltsplan ständen.

Aber das ist ja nicht das einzige Problem. Mit dem Umzug der Büros wird der Bestand auch nicht nutzbarer, wenn er weiterhin in den verschimmelten Räumen bleibt. Neben dem Schimmelproblem gibt es auch einen Platzmangel, so dass man die historische Bibliothek, die 20.000 Bände umfasst, incl. des alten Bestandes der Museumsgesellschaft, Fachbüchern zu Kunsthandwerk und Kunstwerken, Katalogen und Schriften aus und über Arnstadt nicht einfach umziehen lassen kann. Die Bibliothek ganz zu schließen kommt ebenfalls nicht in Frage, da die Bestände sowohl für die tägliche Arbeit im Schlossmuseum als auch von weiteren Interessenten genutzt werden.

Mehr zu Schimmel auf Büchern und Archivalien:
Schimmelpilze auf Büchern und Archivalien, Merkblatt des Sozialministeriums von Meckenlenburg Vorpommern, 1999
Neuheuser, Hanns Peter: Checkliste Staub, Schmutz, Schimmel in Archiven, Bibliotheken und Museen, Bibliotheksdienst, 36 (2010) 10, S. 1228-1242
Haberditzl, Anna: Was tun mit schimmelbefallenen Archivalien und Büchern?, Der Beitrag erschien erstmals in: Bestandserhaltung. Herausforderung und Chancen, hrsg. von Hartmut Weber (Veröff. der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg Bd. 47), Stuttgart 1997, S. 259-281.

Quelle:
Köhler, Antje: Schimmel bedroht historische Bücherei in Arnstadt, Thüringer Allgemeine

Jubiläum in der Biblioblogosphäre

Zehn Jahre gibt es bereits ihn: “Der kurioese Bibliotheksbote worinnen zu finden sind allerley newe Zeitungen”. Zu so einem Jubiläum kann man den BlogautorInnen von Netbib nur gratulieren. Wir hoffen, dass es das Blog und geballte Infos noch weitere 10 Jahre und 10 Jahre und … gibt. ❗

Wir selbst – mal wieder unbemerkt von uns selbst – sind gestern erst vier geworden. Ich möchte mich an dieser Stelle einmal bei meinen BlogkollegInnen für Ihre Mitarbeit hinter den Kulissen und aktiv als Schreibende bedanken. Mal sehen, wie viele Jahre wir noch zusammen bekommen… Erstmal ein Prost aufs angehende fünfte Jahr. :cheesy:

“Kickass Librarian”: Eine Persiflage auf KleinstadtbibliothekarInnen

Das folgende überspitzte Bibliotheksvideo ist eine Persiflage auf die verrückten BibliothekarInnen in Kleinstädten. Besonders witzig finde ich dieses Video nicht, da es wieder einmal mehr in die Klischeekiste greift. Das Motto der Bibliothekarin, gespielt von Tara McDonough, im folgenden Video lautet:

“If knowledge is power, then I’m in charge of an arsenal!”

Retter für die Staats- und Stadtbibliothek?

Vier Monate ist es her, dass wir über die Gefährdung der renommierten Staats- und Stadtbibliothek hier im Blog geschrieben haben. Aus Geldmangel sollte die Bibliothek geschlossen, die Sammlung zerteilt und wertvollste Teile davon an den Freistaat Bayern zurückgegeben werden. Diese Idee hat man nach den zahlreichen Protesten und Beiträgen in Zeitungen, in Blogs und auf Webseiten nun verworfen, aber gerettet ist die Bibliothek noch lange nicht. Zumindest gehen nun Politiker und Experten von Stadt und Freistaat den Problemfall gemeinsam angehen und wollen ihn bis Ende 2011 lösen.

Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, konkrete Vorschläge für die Zukunft und Finanzierung der Stabi zu machen. Sie tagte letzte Woche erstmals im Wissenschaftsministerium in München und es gab bereits zwei Aufgaben. Einerseits soll sie für die Staatsbibliothek mit der Universitätsbibliothek der Stadt einen Kooperationsvertrag vorbereiten. Durch gemeinsame Projekten, z.B. im Bereich Digitalisierung oder einer abgestimmten Anschaffungpolitik sollen Synergien erzielt und Kosten gespart werden.

Kosten sind auch der Kernbereich der zweiten Aufgabe. Es sollen die Kosten ermittelt werden, welche der Stabi in ihrer Funktion als staatliche Bibliothek entstehen. Das Wissenschaftsministerium erwartet erste Ergebnisse bis Mai, um dann bis Jahresende gemeinsame Empfehlungen vorlegen zu können.

Auch ein erster Schritt, um den laufenden Betrieb der Not leidenden Augsburger Bibliothek finanziell zu unterstützen, ist bereits getan worden. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) beantragte im Doppelhaushalt den Zuschuss des Freistaates für die Stabi von jährlich 18 900 Euro auf 55 800 Euro ab 2012 zu erhöhen. Entschieden wird darüber durch den Landtag voraussichtlich im März. Der sehr minimale Beitrag des Freistaates war ein zentraler Streitpunkt aus Sicht der Stadt, der mit zum Schließungsgedanken geführt hat. Die Kostenaufteilung bei der Sanierung ist jedoch die nächste Hürde, welche bisher noch nicht durch die Arbeitsgruppe thematisiert wurde.

Für die Unterstützer der Stabi sind jedoch die ersten Ergebnisse der Arbeitsgruppe zufriedenstellend.

„Die Verlagerung der Stabi aus dem Gebäude an der Schaezlerstraße ist nicht mehr Thema der Diskussion“, freut sich Helmut Zäh von der Initiative Staats- und Stadtbibliothek. Kulturreferent Peter Grab und Finanzreferent Hermann Weber hätten diese Pläne nicht mehr angesprochen. Stattdessen könne die Stadt nun von der Kompetenz deutscher Bibliotheken-Fachleute profitieren, die in der Arbeitsgruppe versammelt sei.

Quelle:
Knab, Eva-Maria: Bibliotheken-Retter treten auf den Plan, Augsburger Allgemeine3.2.2011

Vorstellung der Webseite "Social Justice – International – Libraries, Museums and Archives" und einige Nachbemerkungen

Seit November 2010 gibt es die Webseite “Social Justice and Libraries“: http://socjusticelibraries.spruz.com Sie wurde von Ken Williment aus Kanada und John Vincent aus Großbritannien ins Leben gerufen. Ziel ist es Menschen aus aller Welt zusammenzubringen, die an Fragen zur sozialen Gerechtigkeit im Bereich von Bibliotheken, Museen, Archiven und dem kulturellem Erbe im Allgemeinen interessiert sind. Es geht darum sich einzubringen, wie in Zusammenarbeit zwischen BibliothekarInnen und den “Communities” ein Service entstehen kann, der die Bedürfnisse und Interessen aller widerspiegelt. Diese Internetseite lebt vom Mitmachen. Interessenten können sich auf der Seite einen Account anlegen. Es besteht die Möglichkeit Fotos einstellen, zur Linkliste beitragen, Informationen z.B.  zu “Bibliotheken und soziale Gerechtigkeit” im Wiki einzupflegen oder über das Blog mitdiskutieren. Das Vernetzen mit gleichgesinnten  BibliothekarInnen aus anderen Ländern wir hier erleichtert, da die Internetseite ähnlich wie ein Social Network funktioniert (“Freunde” können “geadded” werden). Sehr häufig geht es um die Frage, was Bibliotheken gegen die soziale Exklusion (z.B. durch Obdachlosigkeit oder Bildungsarmut) unternehmen können, um möglichst viele Menschen an öffentlichen Bibliotheken Partizipationsmöglichkeiten und mehr Teilhabe einzuräumen. Zu diesen Themen wird diskutiert und es wird auf Artikel wie etwa “The Disconnected” von Kathy Degyansky oder die “Poor People Policy” und der “Task Force on Hunger, Homelessness and Poverty of the American Library Association’s Social Responsibilities Round Table” des Amerikanischen Bibliotheksverbandes (ALA) verwiesen.  Vor etwa 9 Tagen wollte ich mit dem Blogeintrag “Die «wärmste Bibliothek aller Zeiten» oder wie die Stadtbibliothek Hangzhou auf Twitter eine hohe Rensonanz erfuhr” das Thema der sozialen Exklusion  durch (öffentliche) Institutionen ein wenig thematisieren.  Wer sich mehr für das Thema soziale Gerechtigkeit und Bibliotheken interessiert, dem sei die Internetseite “The Network” empfohlen:

“This website […] supports libraries, museums, archives, galleries and other cultural and heritage organisations (as well as individuals) who are working to tackle social exclusion.”

Zum Schluss will ich noch einige Fragen der Policy 61 des Amerikanischen Bibliotheksverbands erwähnen, um deutlich zu machen, dass Menschen, die nicht der gesellschaftlichen Mainstream-Konsumkulturnorm entsprechen, dennoch im US-amerikanischen Bibliothekswesen als Zielgruppe wahrgenommen werden und es Möglichkeiten gibt weiterzuhelfen. Eine mögliche “Law-und-Order”-Bibliothekspolitik (oder “The annihilation of space by law” nach Don Mitchell), wie sie des Öfteren an Bahnhöfen oder anderswo täglich zu beobachten ist, stellt meines Erachtens keine Lösung dar:

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Digibuch – Eine Geschichte des Buches

Vor knapp einem Jahr berichtete ich bereits das erste Mal über das Projekt der Erlanger Buchwissenschaft, die eine digitale Buchgeschichte herausbringen wollten. Kurz genannt wird das Projekt heute “Digibuch”.

Das Projekt wird modular aufgebaut. Fachleute schreiben, prüfen und redigieren die Beiträge. In dieser Hinsicht bleibt man sehr konventionell. Auch wenn das Angebot digital angeboten wird, so werden die gleichen Lektoratsprozesse und Korrekturprozesse wie bei jedem gedruckten Buch durchlaufen. Zugänglich ist Digibuch dann webbasiert, mit einem modularen Aufbau, d.h. es wird keine lineare Geschichte zusammengestellt, die man wie im Buch von vorn nach hinten liest.

Die Strukturierung erfolgt dreiminesional. In der ersten Dimension wird die Buchmedienkommunikation systematisch aufgebaut mit den spezifischen Funktionen und Leistungen eines Buches beschrieben, nicht in den üblichen Schritten Produktion, Distribution und Rezeption. Die zweite Ebene ist die zeitliche Dimension vom 15. bis zum 20. Jahrhundert in Jahrhundertschritten. Als dritte Dimension kommt die Beschreibungstiefe hinzu.

Diese Dimension teilt sich in vier Ebenen, die Günther Fetzer an einem Beispiel aus dem 20. Jahrhundert illustrierte.

Auf der ersten Ebene erscheint ein Artikel über das Verlagssystem des Jahrhunderts, wie sich dieses u. a. im Vergleich zum 19. Jahrhundert verändert hat. Historisch gibt es zwei wichtige Neuerungen, nämlich die Etablierung des Taschenbuchs und die Erfindung der Buchgemeinschaften. Auf der zweiten Ebene findet sich dazu ein Artikel über das Taschenbuchsystem und auf der dritten Ebene erst werden einzelne Taschenbuchverlage dargestellt. Auf der vierten Ebene schließlich wird dann Material eingestellt, Verlagsprogramme, Dokumente und und und.

Hauptzielgruppe sind Wissenschaftler, aber auch interessierte Praktiker aus der Branche. Die erste Ebene ist jedoch ein bewusst nicht wissenschaftlich gestalteter Einstieg in die Materie. In den Hauptartikeln wird bewusst auf ausführliche Zitate und Belegstellen verzichtet und auf eine allgemein verständliche Schreibweise geachtet.

Grundlage für die Gestaltung des Projektes war eine Umfrage, die sich an potentielle Interessierte richtete. Mitte August wurden erste Ergebnisse zu dieser Umfrage veröffentlicht. Bestätigt wurde, dass es ein Interesse an einer digitalen Buchgeschichte gab. Die Resonanz viel recht hoch aus mit 517 ausgefüllten Frageböden. Es wurde ein Bedarf an einer digitalen Variante der Buchgeschichte bestätigt und auch die anvisierten Wissenschaftsgruppen (Studierende und Forschende) der Medienwissenschaften, Buchwissenschaften usw. signalisierten ein Interesse.

Auch eine recht konservative Haltung zeichnete sich durch die Umfrage ab.

Bei der Frage, wie vertrauenswürdig digitale Informationen wirken, gaben vor allem die Buchwissenschaftsstudierenden an, dass sie vor allem auf gedruckte Informationen setzen würden.

Sandra Rühr relativiert dieses ein wenig. Den Studierenden wird seitens der Dozenten beigebracht, dass eher gedruckte als digitale Informationen genutzt werden sollten. Statt auf Kompetenzen wird hier seitens der Lehrenden auf Tradition gesetzt und auf Dauer wird dies nicht tragbar sein. Ein Umdenken ist Pflicht.

Die Konzeptionsphase läuft seit knapp zwei Jahren und derzeit werden für zwei Jahrhunderte Musterartikel verfasst. Ab 2012 sollen dann externe Mitarbeiter für das Projekt gewonnen werden. Momentan arbeitet man auch an der technischen Umsetzung. Um eine relevante Textmenge zu erhalten, rechnet Rühr mit zwei bis drei Jahren. So lange wird es wohl noch dauern, bis erste Ergebnisse zugänglich werden.

Bewusst hat man auf die Möglichkeiten des Internets gesetzt. Die Geschichte des Buches soll nicht nur aus Text bestehen. In der zweiten, dritten und vierten Ebene soll auch Bild- und Tonmaterial integriert werden. Die Ergänzung dieser Medien soll passieren, wenn die Texte fertig sind.

Fetzer integriert das Projekt auch in seine Lehrveranstaltungen. In diesem Semester erarbeiten Studierend in einem Hauptseminar die Grundstruktur von Digibuch und schreiben gezielt Artikel für ein bestimmtes Segment, in diesem Fall das 20. Jahrhundert für den Bereich Funktionen und Leistungen der Buchkommunikation.

Und wie nicht anders zu erwarten kommt die folgende Frage:

Angenommen, das ganze Projekt steht dann in ein paar Jahren: Machen Sie dann nicht gedruckte Lexika wie – ich wage mal das “Sachlexikon des Buches” zu zitieren – überflüssig?

Fetzer macht in seiner Antwort deutlich, dass man hier Äpfel und Birnen vergleicht, da man modular und nicht linear schreibt, so dass auch das “Sachlexikon des Buches” weiterhin notwendig bleiben wird. Rühr betont, dass mit ihrer Buchgeschichte auch eine ganz bestimmte und eine völlig andere Zielsetzung als bei den anderen Nachschlagewerken verfolgt wird, da die digitale Buchgeschichte speziell für das Medium Internet konzipiert wurde. Alle Werke zur Buchgeschichte, ob Sachlexikon oder Digibuch ergänzen sich höchstens.

Zwar gibt es auch bereits verschiedene (umfassende) Buchgeschichten, aber die sind entweder veraltet oder benötigen zu viel Zeit bis zur Veröffentlichung.

Die “Geschichte des Deutschen Buchhandels” von Goldfriedrich / Kapp wurde zwischen 1886 und 1923 publiziert, und die “Anschlussbände” für das 19. und 20. Jahrhundert, herausgegeben von der Historischen Kommission des Börsenvereins, sind mit dem vierten Band jetzt, nach rund zehn Jahren, in der Weimarer Republik angekommen.

Ein Problem der gedruckten Lexika ist, dass von Lexika heute, wie z.B. das “Lexikon des gesamten Buchwesens” in der zweiten Auflage, die ersten Bände bereits veraltet sind, bevor das Gesamtwerk abgeschlossen ist. Bei der webbasierten Digibuchgeschichte liegt der Vorteil darin, dass ein überholter Artikel herausgenommen, ergänzt oder überarbeitet werden kann oder dass ein neuer Artikel problemlos eingefügt werden kann. Als Beispiel nennt Fetzer das E-Book:

Natürlich ist im “LGB2” dazu kein Artikel zu finden, denn der entsprechende Band ist 1985 erschienen.

Wenn man die Frage über dem Artikel “Wikipedia für Bücher?” beantworten möchte, ist die Antwort: Nein, eine Wikipedia ist nicht gewollt. Man möchte seine Fachkompetenz gesichert wissen. Fraglich ist, ob man aber so eine hohe und rasche Aktualität der Beiträge halten kann. Zwei Vorteile sichert man sich aber so: Multimedialität und eine leichtere Ergänzbarkeit.

Quelle:
Wikipedia für Bücher?, Die Marginalglosse, 31.01.2011 – Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Sandra Rühr und Günther Fetzer der Erlanger Buchwissenschaft im Gespräch mit Sabrina Kurtz und Hanna Hartberger über Konzeption, Ziele und Erwartungen.

[Kurz] Ein ergänzendes und brandaktuelles CNN-Video zur Situation der “Bibliotheca Alexandrina”

Nach Dörtes Blogeintrag vom 31.01. und mehreren Verweisen auf Internetseiten zur Situation der “Bibliotheca Alexandrina“, will ich dem Ganzen noch ein Video hinzufügen, das heute aktuell auf der Webseite von CNN veröffentlicht wurde. Nic Robertson macht sich darin selbst ein Bild über die Lage der “Bibliotheca Alexandrina“, indem er mit dem Direktor spricht. Bemerkenswert sind  die Amateuraufnahmen, die unmittelbar nach dem Abbrennen der Polizeistation zustande kamen und deutlich machen wie schnell sich eine Zivilgesellschaft von mutigen und engagierten Freiwilligen formierte, um die Bibliothek vor Plünderungen und Chaoten zu schützen.

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