Aachener Erklärung der AGMB zu E-Books
Im Rahmen ihrer Jahrestagung hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Medizinbibliotheken (AGMB) in Aachen auf “Sechs Thesen zum Erwerb von elektronischen Büchern” geeinigt und hat diese am 26.09.2012 auf ihrer Homepage veröffentlicht. In der Aachener Erklärung der AGMB sind einerseits Empfehlungen für die Mitglieder der AGMB und ihre Bibliotheken, andererseits Wünsche und Forderungen an Verlage und Entscheidungsträger formuliert.
In der ersten Forderung geht es um Nutzungseinschränkungen und Digital Rights Management (DRM).
Die AGMB möchte für die zu erwerbenden elektronischen Lehrbücher keine Nutzungseinschränkungen durch proprietäre u.a. flash-basierte Programme, da diese Technologien den Studierenden einen freien, ungehinderten, flexiblen Zugang erschweren. Besonders kritisch sieht die Arbeitsgemeinschaft DRM-Mechanismen bei Campuslizenzen.
Die AGMB empfiehlt ihren Mitgliedern mit allem Nachdruck, bei Verträgen auf den Kauf/Lizenzierung von DRM-freien Medien zu bestehen.
Die AGMB hebt als positives Beispiel den Springer-Verlag hervor, der einen DRM-freien Zugang gewährt. Kritisch zu sehen ist allerdings, dass die AGMB im Brückenformat PDF kein Problem sieht.
Gut, wohl aber nicht unbedingt durchsetzbar sind die weiteren Forderungen. Eine Forderung ist die Möglichkeit des Downloads auf Kapitelebene bzw. des ganzen Buches. Des sollten in Form nicht gesicherter Dateien möglich sein, die zudem Anmerkungen/Veränderungen seitens der Studierenden zulassen sollten und welche mit anderen Nutzern getauscht werden dürfen. Zudem sollten die Dateien unbegrenzt ausdruckbarsein. Wichtiger ist meiner Meinung nach die Forderung, dass kein weiterer Registrierungszwang für eine Nutzung besteht. Hervorzuheben ist die Forderung nach erweiterterten Lizenzmodelle, die nicht nur für die Offline-Nutzung erlaubt, Dateien unbegrenzt lokal abzuspeichern, sondern die es auch erlaubt, diese z.B. auch auf mobilen Endgeräten zu speichern, die dann entliehen werden dürfen. Wichtig ist, dass keine speziellen Anforderungen an die technische Infrastruktur (wie z.B. spezielle Browser, Java, Flash, Plugins usw.) bestehen.
Aus bibliothekarischer Sicht ist es notwendig, dass die Verlage ihnen eine Einzeltitelauswahl ermöglichen und die Metadaten als MARC-Daten geliefert werden. Für eine bessere Arbeit mit den Büchern, wäre eine Volltext-Indexierung mit einer übergreifenden Suche über alle zur Verfügung stehenden E-Books erforderlich. Zudem sollten persistente URLs mindestens auf Buchebene eine bessere Adressierung und somit bessere Zitation ermöglichen. Auch Compliance und Text Mining sind Punkte, die in diesem Forderungskatalog der AGMB auftauchen.
Die zweite Forderung stellt Open Access (OA) und Open Educational Resources (OER) in den Mittelpunkt. Die AGMB sieht hier eine zunehmende Form der Informationsangebote voraus und empfiehlt in diesem Sinne den Hochschulen, Wissenschaftsministerien der Länder sowie den Einrichtungen anderer Träger auch für einen freien Zugang zu digitalen Lehrbüchern einzutreten. Als Beispiel wurde die COERC-Initiative genannt.
In der dritten Forderung ging es um die Preisgestaltung. Die Bibliotheken sollten die Relation von Preis und Leistung für die E-Books sehr genau prüfen. Leistungsindikatoren sind u.a. PDF oder nur HTML, Offline oder nur Online-Nutzung, IP-Authentifizierung oder Registrierung, unlimitierter Zugriff oder DRM, mobile Nutzung oder nur via spezieller Endgeräte, Archivierungsrecht oder fehlendes Archivierungsrecht usw. sowie der Nutzung (Preis pro Seitenaufruf). Im Zweifelsfall sollte bei überzogenen Preisen auf den Erwerb verzichtet werden, trotz ggf. der Forderungen von übergeordneten Fakultäten bzw. Institutionen. Eine eklatante Unwirtschaftlichkeit auf Dauer könnte zu Problemen bei Überprüfungen durch Hochschulverwaltungen und Landesrechnungshöfen werden.
Hierzu möchte die AGMB anmerken, dass die zunehmende Konkurrenz durch Eigenpublikationen von Hochschuldozenten via Amazon, Apple oder Open Educational Resources sich auf die marktüblichen Lehrbuchpreise deutlich auswirken wird. Es ist also erfreulicherweise in Zukunft mit mehr Konkurrenz und fallenden Preisen zu rechnen.
Eine dringliche 4. Forderung der AGMB betrifft die Nutzungsstatistiken, die durch die beteiligten Verlage den Bibliotheken sofort und unverzüglich (noch für 2012) in standardisierter, einheitlicher Form zur Verfügung gestellt werden soll. COUNTER wird dabei als nicht ausreichend angesehen. Die Nutzungsstatistiken sollten in einem gängigen Dateiformat angeboten werden, um eine einfache und vergleichende Auswertung für die Bibliotheken zu ermöglichen.
In der 5. Forderung der AGMB geht es um die Möglichkeit der Weiternutzung, z.B. in Online-Semesterapparate und/oder zur Veröffentlichung in E-Learning-Plattformen für definierte Nutzergruppen. Dies erfordert eine rechtliche Klarheit, z.B. durch Aufnahme in Verträge und/oder Erwerb dieser Zweitverwertungs-Rechte.
Die Privatsphäre ist Inhalt der 6. Forderung. Die AGMB sieht als eines der größten Kulturgüter und Errungenschaften der Neuzeit den freien Zugang zur Information an. Voraussetzung dafür ist im Wesentlichen die Möglichkeit des anonymen Lesens, das die Bibliotheken für ihre Nutzer erkämpft haben. Durch neue Techniken, z.B. Hiptype und andere moderne Nachverfolgungsmethoden sowie obligate Registrierungen1 können individuelle Nutzungs- und Leseverhalten von PDFs erfassen.
Hierzu stellt die AGMB fest, dass solche und ähnliche Praktiken entweder illegal sind oder es sein sollten und unerwünscht sind. Die AGMB wird genauestens beobachten, welche Verlage versuchen eine solche Überwachung aufzubauen und welche Verlage eine solche Erfassung von vorhinein in ihren Nutzungsverträgen ausschließen.
Nicht alle Punkte dieses Forderungskataloges werden durchsetzbar sein und einige Punkte werden nicht allein durch die Bibliotheken der AGMB erreicht werden können. Hier sind auch alle anderen Wissenschaftlichen Bibliotheken aufgefordert, gleiche oder ähnliche Forderungen zu formulieren und diese Interessen zu verfolgen.
Quelle:
Schulz, Manuela: Aachener Erklärung der AGMB zu Elektronischen Büchern vom 26.09.12, Medinfo
- Vgl. hierzu Buchkonsum wird transparent, News @ ORF.at, 07.09.2012
Alter, Alexandra: Your E-Book Is Reading You, The Wallstreet Journal, 19.07.2012 [↩]