Das Projekt Deutsche Digitale Bibliothek

Der Startschuss zur Deutschen Digitalen Bibliothek ist gegeben. Online soll die Bibliothek 2011 gehen, bleibt die Frage, ob Deutschland so ein Projekt an finanziell wirklich stemmen kann. Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen hat sich da so seine Gedanken gemacht und ich mir jetzt auch.

Zum Zeitpunkt:
In der Politik sind endlich alle auf Linie gebracht und befürworten den Ausschluss Deutschlands vom größten Digitalisierungsprojekt bisheriger Zeiten. Dass die Buchbranche die Atempause durch das neue Google Book Settlement begrüßt, ist ein Schlag ins Gesicht ihrer wissenschaftlich ausgerichteten Kunden. Das ist ein anderes Thema, denn zumindest glaubt man jetzt, erstmal Atem holen zu können. Die Deutsche Digitale Bibliothek im Rahmen der europäischen Antwort auf Google Books – sprich der Europeana – wird viel Kraft, Ausdauer und rechtliche sowie finanzielle Unterstützung benötigen. Sogleich erklingt das Lied: Wer soll das bezahlen, wer …

Politische Struktur
Wir alle bedauern inzwischen anscheinend die föderale Struktur in Bezug auf Bildung und Kultur. Bis Bund, Länder und Kommunen sich geeinigt haben, können Jahre ins Land gezogen sein und aus ehemals guten Ideen sind nur noch Minimalkonsense geworden, die an sich nur noch scheitern können. Keiner der Beteiligten wird bei den zu erwartenden Kosten zugunsten eines Allgemeininteresses, das von Fachleuten formuliert worden ist, von seinen Wünschen und Vorstellungen zurücktreten.

Finanzielle Struktur
Finanziell steht die DDB auch nicht auf sicheren Beinen. Zwar sind Infrastruktur und Betrieb gesichert, doch sind dies ja nicht die einzigen Kosten, die da auf alle zukommen. Wer finanziert die Digitalisierung, die Lösung von Archivierungsproblemen, den Zugang? Das gesamte Projekt muss zudem in Einzelprojekte zerstückelt werden, um förderwürdig durch die DFG zu werden. Sicherlich wird auch das ein oder andere Bundesland ein wenig durch Sonderprogramme zuschießen, aber die DDB ist ein langwieriges Projekt, das nachhaltig finanziert werden muss und das in Zukunft viele Mitarbeiter benötigen wird, die ihr Können (Langzeitarchivierung, Zugang, technische und fachliche Betreuung, Weiterentwicklung, etc.) beisteuern müssen. Sicherlich kann man hier auch andere Projekte gut verankern, z.B. Nestor, aber das muss dauerhaft passieren. Private Geldgeber sind sicherlich gut für Projektfinanzierungen, z.B. für die Massendigitalisierungen. Ob Google hier einsteigen wird, ist fraglich aus meiner Sicht, aber ob es besser wird mit den Abhängigkeiten, wenn Microsoft, Amazon oder andere vielleicht interessierte Großkonzerne einsteigen, ist wohl eher fraglich.

Struktur “Bibliothek”

Eine Chance ist die DDB für libreka! und die Verlage. Libreka! wäre als Volltextplattform der geeignete Partner, um über lieferbare Titel zu informieren, und die Verlage könn­ten ein Modell zur kommerziellen Nutzung digitaler Buchinhalte entwickeln, das dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit dient.

In der DDB eine Chance für libreka! zu sehen, halte ich derzeit eher für fraglich. Die Volltextplattform muss eher als Vorbild dienen, wie man die ganze Sache möglichst nicht aufzieht. Außerdem ist es aus bibliothekarischer Sicht schwierig, die DDB in eine weitere Verkaufsplattform für Verlage zu verwandeln. Bibliotheken verkaufen nichts. Ihre Aufgabe ist es nach Gisela Ewerts und Walther Umstätters Definition „unter archivarischen, ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzer [zu] sammel[n], ordne[n] und verfügbar [zu] mach[en]“.1. Natürlich spricht nichts dagegen, Libreka! als ein weiteres Informationsmittel in die DDB zu integrieren, aber es muss hier deutlich werden, wo der Schwerpunkt der BIBLIOTHEK liegt.

Für Geschäftsmodelle könnten sich die Verlage ja ein Vorbild an PaperC nehmen, wo kostenlos online lesen auch von Zuhause aus möglich ist und der Druck aus diesen Büchern nur gegen Gebühr erlaubt ist. Doch würde bei PaperC auch niemand von einer Bibliothek sprechen. Ein Einzwängen der DDB in Leseterminals hingegen sollte am besten gleich vergessen werden, denn damit scheitert das Projekt. Um den Informationsbedürfnis der Gesellschaft Rechnung zu tragen, muss man auch die finanziellen Grenzen vieler Mitbürger beachten. Wer Geld verlangt für die Nutzung dieser Bibliothek, ohne soziale Härtefälle zu beachten, verschließt vielen die Tür zu Informationen.

Quelle:
Roesler-Graichen, Michael: Gretchenfrage Finanzierung, Börsenblatt.net

  1. Ewert, Gisela, Umstätter, Walther: Die Definition der Bibliothek, Bibliotheksdienst 33. Jg. (1999), H. 6, S. 966 []

Feiert der Börsenverein da nicht voreilig?

Das umstrittene Google Book Settlement ist zurückgenommen worden, denn die US-Autoren- und Verlegerverbände wollen den Vergleich grundlegend neu aushandeln. Google selbst ist grundsätzlich auch dazu bereit, Änderungen am Book Settlement Agreement vorzunehmen.

„Das ist ein guter Tag für das Urheberrecht“, sagt Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Der Rückzug der verhandelnden Parteien bestätigt unsere Argumentation und Vorgehensweise in diesem Verfahren.“ Gleichzeitig danke der Börsenverein Bundesjustizministerin Brigitte Zypries für ihr Eingreifen. „Den Weitblick und die Unterstützung des Bundesjustizministeriums und des US-Justizministeriums haben die europäischen Rechteinhaber auch von der EU-Kommission erwartet“, so Honnefelder.

Scharf kritisiert wird in diesem meiner Meinung nach an das BMJ anbiedernden Artikel die Vorstellungen, der EU-Kommissare Viviane Reding und Charlie McCreevy, welche eine Abhängigkeit europäischer Autoren und Verlage von einem Suchmaschinenbetreiber billigend in Kauf genommen hätten und somit ein Monopol seitens Google akzeptiert hätten. Ich habe die Mahnung der Kommissare anders verstanden.
Ihre Hauptfrage war:

Ist Europas Urheberrechtsrahmen modern genug, um die Digitalisierung verwaister und vergriffener Werke zu ermöglichen?

Dabei sehen sie deutlich:

Die Digitalisierung von Büchern ist eine Herkules-Aufgabe, bei der der öffentliche Sektor zwar die Federführung übernehmen muss, für die er aber auch die Unterstützung des privaten Sektors braucht .[sic!] Jetzt muss klar sein, dass dank Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Stellen das Potenzial neuer Technologien und privater Investitionen mit den reichen, über Jahrhunderte aufgebauten Sammlungen öffentlicher Einrichtungen kombiniert werden kann. Wenn wir zu langsam in die Digitalisierung einsteigen, könnte Europas Kultur in der Zukunft Schaden nehmen.”

Hier ist jeder Verlag, jedes interessierte Unternehmen gefordert, mitzuwirken. Auch Kleinvieh macht auch Mist, nur anfangen muss man. Mit der geforderten Anpassung des europäischen Urheberrechts wird Google nicht zugespielt. Solche Behauptungen seitens des Börsenvereins zeigen eher ein Desinteresse am Erhalt kultureller Güter durch Digitalisierung. Sich darauf auszuruhen, dass der Staat hier komplett einzuspringen hätte und ihm aber beim Urheberrecht zu einem stark restriktiven Recht zu zwingen durch rein profitorientierte Gründe, zeigt eine gewisse Janusköpfigkeit.

Das US-Justizministerium machte vergangenen Freitag deutlich klar, dass das zuständige Gericht die Vereinbarung zwischen Google und der US-Buchbranche ablehnen sollte. Das Ministerium äußerte unter anderem Urheberrechts- und Wettbewerbsbedenken.

Allerdings stellte sich Washington nicht grundsätzlich gegen die Vereinbarung, die das Einscannen von Millionen von Büchern durch Google regeln soll, sondern rief die Beteiligten auf, die Bedenken möglichst schnell auszuräumen.

Auf Grund der vom US-Justizministerium geäußerten Bedenken sind die US-amerikanischen Autoren- und Verlegerverbände gestern im Einverständnis mit Google an den United States District Court of the Southern District of New York herangetreten und baten, das für den 7. Oktober 2009 angesetzte Fairness-Hearing abzusagen und am 6. November in einer „Status Conference“ einen neuen Terminplan festzulegen. Man reagiert damit auch auf die Bedenken mehrerer US-Bundesstaaten, die einzelne Aspekte der Einigung mit Sorge betrachten.

Da europäische und deutsche Urheberrechtsinteressen mit betroffen sind, fordert der Börsenverein, die europäischen Verlegerverbände in den weitern Verhandlungen zu beteiligen. Ob man dieser Forderung nachkommt? Bereits im Vorfeld der ersten Verhandlungen zwischen den US-amerikanischen Verbänden und Google hatte man eine Beteiligung verlangt.

Eine Einigung zwischen Google und den US-amerikanischen Autoren- und Verlegerverbänden ist zwar wieder ein Stück in die Zukunft gerutscht, aber sie ist nicht ausgeschlossen und ob hier die europäischen Verleger davon profitieren werden, steht in den Sternen. Sicherlich hat Google signalisiert, europäische Interessen zu berücksichtigen, aber ob dazu eine direkte Beteiligung bei den Verhandlungen zählt, ist aus meiner Sicht eher fraglich.

Quellen:
Börsenverein: „Ein guter Tag für das Urheberrecht“ Pressemmitteilung Börsenverein
Books: Google bereit zu Änderungen & Verlage wollen länger Zeit via Googlewatchblog.de
Regierung schreitet ein – Süddeutsche Zeitung
US-Verleger fordern mehr Zeit zum Verhandeln via Spiegel online
„Höchste Zeit für Europa, ein neues Kapitel über digitale Bücher und Urheberrechte aufzuschlagen“ – Gemeinsame Erklärung der EU-Kommissare Reding und McCreevy anlässlich der „Google Books“-Zusammenkünfte diese Woche in Brüssel Presseerklärung auf Europa.eu

Google-Book-Settlement und Europas Digitalisierungs-Urheberrechtsproblematik

Gestern und heute befasste sich die EU-Kommission in einer Anhörung mit der Digitalisierung der Bücher dieser Welt. Es sollte ein Überblick über die Auswirkungen des “Google Book US Settlement Agreement” auf die europäische Verlagswirtschaft, die europäischen Autoren und Konsumenten gewonnen werden sowie auf die europäische Gesellschaft als Ganzes, zumal indirekt auch europäische Autoren und Übersetzer betroffen sind.

Eines machten EU-Medienkommissarin Viviane Reding und Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy zum Thema Google Books schon vorher deutlich:

“Wenn wir zu langsam digital werden, könnte die Kultur Europas in Zukunft darunter leiden”, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung […].1

In der Anhörung konnten sich die Betroffenen zu Wort melden und ihre Beeinträchtigungen sowie Vorteile dieses Google-Book-Settlement benennen. Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden.

1. Scope of the settlement
2. The quantity and status of European works covered by the Settlement
3. The Book Rights Registry
4. The notion of “commercial availability”
5. Consumer issues

Im Interesse der Bibliotheken veröffentlichte der europäische Bibliotheksverband EBLIDA im Vorfeld zu dieser Problematik ein Positionspapier (Deutsche Fassung des DBV).

Geographische Grenzen
Die Urheberrechtsgesetze gelten nur innerhalb der Staatsgrenzen, d.h. das Abkommen hat den Geltungsbereich der Vereinigten Staaten von Amerika. Erweiterte Leistungsangebote, z.B. Zugang zu europäischen verwaisten Werken (d.h. Werken ohne zu ermittelnden Urheber) im Volltext, können europäische NutzerInnen derzeit nicht genießen, da sie sich außerhalb des Regelungsbereiches des Abkommens befinden. Für Europa müsste an dieser Stelle ein Abkommen zwischen Google und den jeweiligen Wahrnehmungsgesellschaften der einzelnen europäischen Länger geschlossen werden. Dafür stimmen aber häufig noch nicht die Grundlagen der Urheberrechtsgesetzgebung, z.B. sind nicht überall die erweiterte kollektive Wahrnehmungsverträge gesetzlich möglich oder es gibt keine Wahrnehmungsgesellschaften/Organisationen mit genügend weitreichender rechtlicher Befugnis für den Abschluss eines solchen Abkommens mit Google.

für Europäer besteht die Gefahr einer erheblichen Ungleichheit hinsichtlich des Zugangs zu (Google-)Büchern in digitalisierter Form. Ohne europäische Google-Vereinbarung werden europäische Universitäten und Bildungseinrichtungen gegenüber Universitäten und Einrichtungen in den USA extrem benachteiligt sein. Hier ist eine schnelle Reformierung der europäischen Urheberrechtsregelungen besonders hinsichtlich verwaister Werke und Bibliotheken notwendig, sonst fehlen auf europäischer Seite Digitalsierungsprojekte mit attraktiven inhaltlichen Angeboten.

Kritik bei Archivalia, 20.11.2008

“Die Europeana verfügt über ein Jahresbudget von gerade einmal 2,5 Millionen Euro, 14 Vollzeitkräfte arbeiten daran, Europas Kulturschätze ins digitale Zeitalter zu heben.”
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,591570,00.html

Und dann so ein Murks!

Europeana ist derzeit nur ein europäischer Furz gegen Google.

Bei der Debatte um mögliche Urheberrechtsverletzungen geht unter, dass ein Großteil der von Google digitalisierten Werke bereits gemeinfrei sind, d.h. in Bezug auf europäische Texhte, sind die Rechteinhaber mehr als 70 Jahre tot und jeder darf inzwischen diese Werke nutzen, da die Urheberrechte erschlossen sind. In der Diskussion wird wohl des öfteren ein generelles Misstrauen gegenüber dem Geschäftsgebaren des Unternehmens mit dem Slogan “Don’t be evil” nach Außen getragen.

In dieser Kritik am Google-Buch-Projekt spiegelt sich auch die urheberrechtliche Problematik europäischer Bibliotheken wieder. Zukunftsorientierung kollidiert erheblich mit dem durch profit-orientierte Lobbyisten gestalteten Urheberrecht. Immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, ist auf Dauer keine Lösung für eine wissenschaftsfreundliches Urheberrecht. Bevor hier wieder jene den Finger heben, die an Belletristik denken – ich spreche hier von Voraussetzungen des Urheberrechts für Werke, die für Forschung, Lehre und lebenslanges Lernen notwendig sind. Für diese Werke muss eine Fristenlösung für die Digitalisierung gefunden werden, die der kommerziellen Verwertung nicht entgegen steht, die aber auch den notwendigen Zugang zu diesen Informationen in digitalisierter Form erlaubt.2 Gerade in Hinblick auf die geographischen Einschränkungen des Google-Abkommens ist es von größter Wichtigkeit, dass rechtliche Hürden für Abkommen dieser Art, aber auch für europäische Digitalisierungsprojekte abgebaut werden.

Für Google-Books aus Sicht der Bibliotheken heißt es:

Es sollte keine Mühe gescheut werden, den nötigen rechtlichen Rahmen zu schaffen und Abkommen in allen Ländern zu schließen, um zu gewährleisten, dass diese in ihrem Ausmaß bisher unbekannte Informationsressource in ganz Europa zugänglich gemacht wird, um gleichberechtigten Zugang zur Förderung von Lernen und menschlicher Entwicklung zu sichern.3

EBLIDA/DBV sehen einige Punkte des Settlements besonders kritisch:
————————— Weiterlesen

  1. Google-Books
    EU-Kommissarin Reding will Google nicht verteufeln
    []
  2. Denkbar wäre beispielsweise eine Beurteilung von Lehrbüchern durch ein außenstehendes Gremium mittels eines Kriterienkatalogs. So könnte für Lehrbücher, die in rascher Auflagenfolge veröffentlich werden, gelten, dass z.B. die 27. Auflage digitalisiert werden darf, wenn derzeit die 29. Auflage die Aktuellste ist und Lehrbücher mit sehr geringer Auflagenfolge nach dem 3., 5. oder siebten Jahr seit Erscheinen immer auch in Abhängigkeit davon, ob es sich um ein Standdardwerk oder ein Ladenhüter handelt. []
  3. EBLIDA-Positionspapier: Information Hearing der Europäischen Kommission zum Thema Google Book US Settlement Agreement in Brüssel, 7. September 2009 []

[Kurz] Eine Million digitaler Seiten

Die Kulturhochburg Bild berichtet in einem Digital-Telegramm:
Herzog August Bibliothek bietet jetzt in ihrer Digitalen Bibliothek mehr als eine Million digitalisierter Seiten an und ist damit eine/r der größten AnbieterInnen digitalisierter Bücher aus der Zeit vor 1800 in Deutschland. Seit 10 Jahren wird der Bestand systematisch digital erfasst, Seite für Seite fotografiert und ins Netz gestellt.

Mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind in den vergangenen zehn Jahren rund 6300 alte Drucke und Handschriften auf diese Weise der Öffentlichkeit frei zugängig gemacht worden.

Damit können über die Wolfenbüttler Digitale Bibliothek der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel unter anderem kostbare mittelalterliche Handschriften wie der berühmte Wolfenbütteler Sachsenspiegel betrachtet werden.

Quelle:
Bibliothek mit einer Million digitaler Seiten via Bild.de

Das Dilemma des Autor-Google-Verhältnisses

Die FAZ schießt gegen Google. Malerisch beschreibt man das Aufbegehren gegen Google als “Rückzugsgefecht versprengter Truppen gegen eine Übermacht”. Es fehlt bei der Einleitung nur das Wort “Größenwahn” in Bezug auf Googles Politik des Auslotens normativer Grenzen, wenn es darum geht, das Weltwissen verfügbar zu machen.

Dabei geht es nicht nur ums große Geld, sondern auch selten mit ganz legalen Mitteln zu – wie bei großen Eroberungszügen nicht anders zu erwarten.

Alles begann damit, dass Google sich vor erst fünf Jahren an das Riesenprojekt wagte, die Bestände amerikanischer Bibliotheken zu scannen. Neben Public-Domain-Werken, nicht mehr lieferbaren Büchern sind dort aber auch noch urheberrechtlich geschützte und lieferbare Bücher zu finden. Einen Großteil der Masse der Google-Scans betreffen die Books-out-of-Print. Europäische Bibliothekspartner lassen nur gemeinfreie Bücher digitalisieren.

Das dreijährige Mammutverfahren kostete 45 Mio Dollar und häufte eine Million Akten- und Gutachtenseiten an. Oktober letzten Jahres dann wurde der Vergleich “Google Book Settlement” eingereicht und wird seit dem auch durch eine große Anzeigenkampagne und im Internet in 36 Sprachen bekannt gemacht. Damit sollen die Autoren über die Modalitäten des Settlements aufgeklärt werden.

Der Ton wurde leider nicht sachlicher, nachdem der erste Frust niedergeschrieben war. Sicherlich muss man bemängeln, dass die Übersetzung wohl mit Hilfe von Googles hauseigener Übersetzungsmaschine durchgeführt worden war und keine deutschen Urheberrechtler herangezogen worden.

So wird schon auf der ersten Seite aus einem „Verleger“ ein „Herausgeber“ und aus einem „Autor“ ein „Unterklasse-Autor“.

Damit wird dieser Vertrag rechtlich praktisch unlesbar.

Ein zweites Leider mag vielleicht auch gelten. Um herauszufinden, ob die eigenen Werke digitalisiert wurden, hat auch Schwierigkeiten. Metadatenquelle war der Worldcat, der mit 270 Millionen Büchern aus allen Ländern doch recht unübersichtlich ist.

Der FAZ-Autor macht sich auch hier unreflektiert zum Sprachrohr eines (zumindest vom Sprachstil so wirkenden) aufgebrachten Christian Sprang,seines Zeichens Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Hinzu kommt: Wer das Settlement-Formular ausfülle, gebe schon wieder jede Menge Metadaten von sich preis.

Die Opt-out-Klausel, die es Autoren und Verlagen ermöglicht, Google mitzuteilen, dass sie aus dem Vergleich aussteigen wollen. Dies ist für den Riesen nicht verpflichtend, dass er die Bücher tatsächlich aus dem Netz nehmen muss. Erst mit einer Privatklage in den Vereinigten Staaten kann der Autor/Verlag nachweisen, dass Google amerikanisches Copyright gebrochen hat. Kleine Verlagee und einzelne Autoren können sich dies finanziell nicht leisten. Bis zum Ende der „notification period“ am 5. Mai 2009 müssen sich Autoren bzw. Verlage gemeldet haben.

Die Frage, die sich stellt, ist natürlich, welche Vorteile Autoren davon hätten, dass sie sich dieser größeren Sichtbarkeit entziehen. Muss man auf seinem Recht bestehen, nur um Recht zu behalten? Fast trotzig wirkt hier die Reaktion des deutschen Jusitziars. Welche Nachteile befürchtet man, dass man allen Autoren und Verlagen pauschal dazu rät, Google zu verlassen? Wo gibt es offizielle, sachliche Entscheidungshilfen, die ein Pro & Contra einer solchen Entscheidung klar darstellen oder abwägen?

Am 11. Juni wird das Gerichtin New York dem Vergleich mit hoher Wahrscheinlichkeit zustimmen, da sich hier in den Augen der Richter die Prozessparteien selbständig geeinigt haben.

Sollte trotz von mehreren Seiten angekündigter Einsprüche der Vergleich am 11. Juni bestätigt werden, wird der Tag als Wende in die Geschichte des Urheberrechts eingehen.

Formal gilt dieser Vergeleich nur in den USA, dennoch befürchtet der Börsenverein, dass jetzt das Urheberrecht leichter umgehbar wird. Der Autor sieht dadurch die bisherige Rechtsstaatlichkeit für Verleger und Autoren bedroht.

Google erhält durch diesen Vergleich eine andere Rolle. Die Regelungen des Settlement mit der Authors Guild sehen eine Garantiesumme von 60 Dollar pro unauthorisiert digitalisierten Buch vor. Diese Autoren können mit entscheiden, ob und in welchem Umfang Google das Werk im Zusammenhang mit Werbung nutzen darf. An die Autoren wird außerdem pauschalisiert dreiundsechzig Prozent der Werbeeinnahmen Googles ausgeschüttet.

So wird Google zum Händler und nach 2011 zum Verleger. Denn das gar nicht unrealistische Kalkül der Firma sieht vor, dass höchstens einer von zehn Copyright-Inhabern seine Ansprüche geltend machen wird. Damit fallen die Rechte im Lauf der nächsten Jahre an Google.

Mir ist Unklar, in welcher Form Google hier zum Verleger wird. Wikipedia definiert Verleger:

Früher bezeichnete man mit Verleger den Auftraggeber im Verlagssystem. Heute bezeichnet der Begriff einen Unternehmer, der einen Verlag für Bücher, Noten, Zeitschriften oder Zeitungen betreibt oder leitet. Die Branchenbezeichnung leitet sich von Vorlage ab. Der Verleger geht mit Druck- und Werbungskosten in Vorlage.

In diesem Fall wird Google nicht erst 2011 zum verleger, sondern ist es bereits seit der Verlag Scans erster Bücher der Public Domain angeboten hat.

Die Regelung des Vergleichs sichert Google, dass sollten alle sieben Millionen Rechteinhaber die 60 Dollar pro Buch verlangen, maximal 420 Millionen zahlen muss. Auch diese Rechnung kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es sind etwa 7 Millionen Bücher, die digitalisiert worden, aber etwa 500.000 fallen davon unter die Public Domain. Die muss man wohl abziehen. Google scheint nicht mit einer großen Anzahl von Anträgen zu rechnen, denn man stellt 45 Millionen Dollar, d.h. knapp 11 % der Summe für die Auszahlung bereit.

Schon jetzt darf, die Zustimmung des Gerichts voraussetzend, Google alle Bücher einscannen, die bis zum 5. Januar 2009 erschienen sind. „Das ist das eigentlich Teuflische an diesem Plan“, erklärt Sprang.

Kolidieren hier die Wünsche des größten Menschheitsprojekts mit den Vorstellungen des geistigen Eigentums? Sehr schön, jetzt kommen wir zu den tapferen Männlein, die sich gegen die Übermacht stämmen. Auf dieses Bild habe ich direkt seit Beginn des Feuilletons gewartet.

Der Börsenverein hat sich mit der Verwertungsgesellschaft Wort und mit dem Schriftstellerverband verbündet, die sich normalerweise um das Eintreiben von Kopier- und anderen Vervielfältigungserlösen für Autoren kümmert. Die VG Wort soll nun ihren Wahrnehmungsvertrag gegenüber 380.000 Vertragsnehmern um die elektronischen Rechte erweitern. Per Rechtsgutachten ist diese Vorgehensweise abgesichert, es wäre ein Pfund, mit dem sich wenigstens ein wenig wuchern ließe.

Und jetzt passiert was, wo ich stutzte. Bis eben war Google der Buh-Mann und auf einmal träumen nicht alle Autoren davon, Google zu enteignen? Das ist eine sehr unerwartete Wendung am Ende des Beitrages.

Sicherlich muss man Googles Tätigkeiten besser kanalisieren und den Kopf gottergeben in den Sand zu stecken oder einfach das, was Google macht, unreflektiert zu verteufeln.

So gelähmt wirkt die Branche angesichts der Chuzpe, dass viele klagen, der Kampf sei schon verloren – bevor sie ihn aufgenommen haben. Mit den Urheberrechten gäbe man, so der Schriftsteller Thomas Hettche, auf, wofür man Jahrhunderte gekämpft habe.

Etwas ungläubig las ich dann, dass der Digitalisierungskritikier und Schriftsteller Thomas Hettche sich mit einer für seine Arbeit doch so wichtigen Vereinbarung, die seit Monaten durch die Presse geistert, noch nicht auseinander gesetzt hat. Damit reiht er sich wohl in die Mehrheit der Autoren ein.

Das zeigt einmal mehr das man “dagegen” ist, ohne das Problem oder die Möglichkeiten zu beleuchten. Autoren, die sich nämlich auch mit den Chancen auseinander setzen, erkennen, dass sie als passive Nutzer nämlich sogar selbst von Google Books profitieren. Das zeigt aber auch das Dilemma in denen Autoren stecken. Einerseits haben sie nicht wirklich Einfluss auf Google, andererseits gewinnen Sie auch durch die bessere Sichtbarkeit ihrer Bücher. Ich persönlich habe schon mehrfach Fachbücher erworben, die ich in der Bibliothek nicht schnell beschaffen konnte und deren Relevanz ich über Google evaluieren konnte. Also, das ist dann wohl Google Books als die perfekte Werbeplattform.

Glücklich ist die Lösung für beide Seiten nicht, da man mit mehr Einigungsbereitschaft von beiden Seiten im vorfeld eine einvernehmlichere Lösung hätte erzielen können.

Unter den Büchern, die Google digitalisieren will, befinden sich nach Angaben es Börsenvereins allein 50.000 deutschsprachige Titel von Random House Deutschland, dem größten deutschen Publikumsverlag. Random House Vorstandsvorsitzender Joerg Pfuhl ist nicht ganz so ablehnend:

„Grundsätzlich ist der Google-Vergleich eine gute Sache. Er könnte Basis für neue Geschäftsideen sein. Und immerhin hat Google die Urheberrechte nun anerkannt.“ Aber auch er räumt ein, Google habe „viel Misstrauen gesät. Die Vorgehensweise ist bekannt: Fakten schaffen, um dann unter Druck Lösungen zu erzwingen.“

Google muss zeigen, dass es auf der finanziellen Seite wenigstens ein verlässlicher Partner ist und das Vertrauen rechtfertigt, dass Autoren in das Unternehmen einbringen.

Eine letzte Schwarzmalerei kann sich der Autor am Ende des Beitrages nicht verkneifen. Er sieht ein Grundsatzproblem, dass dieser Prozess akut werden lässt.

Werden künftig Werke der Wissenschaft, der Literatur geschrieben, wenn sie sogleich Gemeingut im Internet sind? Was, wenn die neuen Geschäftsmodelle es Urhebern nicht mehr ermöglichen, von dieser Arbeit zu leben: Verschwinden dann ganze Berufszweige und machen den Selbstausstellern Platz?

Da will ich mal ein paar genauso grundsätzliche Gegenfragen stellen. Schaffen wir den Zugang zu Wissen für eine Elite, wenn der Zugang zu Informationen immer kostenpflichtig ist? Geht nicht zu viel Wissen verloren, weil es nicht zur rechten Zeit auffindbar ist? Ist der Schaden für die Allgemeinheit nicht höher, wenn wegen fehlendem Wissenszugang die Forschung erlahmt oder es zu Doppel- und Dreifachentwicklungen kommt (mal abgesehen, dass wir damit zur Zeit sowieso schon zu kämpfen haben)?
Natürlich muss man Google im Auge behalten und verhindern, dass aus Google ein neues Elsevir wird. Google darf kein Monopolist bleiben. Und man mag meinen, die Industrie und damit auch die Content-Industrie, wüßte, dass Konkurrenz das Geschäft belebt Ich weiß, das ist ein abgedroschener Allgemeinplatz, doch die Bestrebungen mit Libreka wirken einfach nur ungeschickt. Da klingt es richtiggehend getroffen, was der Autor zum Schluss schreibt:

Früher hätte man nach der Politik gerufen und ihr erklärt, dass Wissen systemwichtig sei. Doch die Politik scheint sich für all das nicht zu interessieren.

Quelle:
Hintermeier, Hannes: Das Teuflische an diesem Plan via FAZ.Net

Der idealistische Bibliothekar des Internets

Für einen Mann allein wohl eine unmöglich zu bewältigende Aufgabe, aber Brewester Brewster Kahle lässt sich davon nicht abschrecken. Mit großem Enthusiasmus geht er dran, eine Alexandrinische Bibliothek 2.0 zu bauen. Man könnte ihn schmunzelnd als Scherzkeks abtun, aber dazu ist er sich seiner Sache zu sicher. Er schafft es Menschen und Technologien so zusammenzubringen, dass auch die schwierigsten Aufgaben gelöst werden. Er ist ein Visionär, der auf die Probleme aus einem anderen Blickwinkel als andere schaut und sich zutraut, Probleme zu lösen, bei denen andere denken, die wären unmöglich zu schaffen.

Millionär Kahle gibt sein Geld nicht für Klamotten aus, sondern hinter dem einfach gekleideten Mann versteckt sich ein geübter Technologe und ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Er hat Firmen wie AOL und Amazon gegründet und sehr erfolgreich verkauft. Jetzt Zur Zeit setzt er seine Energie dafür ein, ein gemeinnütziges digitales Archiv mit freien Inhalten aufzubauen, seien es Bücher, Filme, konzerte usw. – ganz ähnlich der legendären Bibliothek von Alexandria. Dies bringt ihn in Konflikt mit dem Giganten Google, der ein ähnliches, aber doch eher kommerziell ausgelegtes Ziel verfolgt.

Kahle graduierte 1982 am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort studierte er mit dem artificial-intelligence guru Marvin Minsky. Er trat einer Gruppe von MIT Alumni bei, welche die Firma Thinking Machines gründete, die Parallele Supercomputer herstellten. Dort arbeitete er mit Größen wie Richard Feynman (Nobelpreis-Gewinner), Dr. Minsky and Daniel Hillis zusammen.

1989 gründete er seine eigene Firma WAIS Inc und baute dort auf die Suchtechnologie auf, die bei Thinking Machines entwickelt worden war. Zu seinen Kunden zählte das Wall Street Journal, welche die erste News-Site aus Subskriptionsbasis war oder die Zeitschriftenfirma CMP, die ein Pionier der Online-Werbung war. Da Kahle die Bedeutung von Bezahlsystem, Online-Privacy und Nutzer-Ratings begriffen hatte, lag er fast ein ganzes Jahrzehnt vor seinen Mitbewerbern. 1955 wurde seine Firma für wohl 15 Millionen Dollar von AOL erworben.

1996 liefen schon fast ein Dutzend Patente auf den Namen Kahle. In dem Jahr wendete er sich seinem nächsten Projekt zu, dem gemeinnützigen Internet Archive. Außerdem gründete er zusammen mit einem ehemaligen Kollegen eine neue Firma namens Alexa. Diese Firma verfolgt und analysiert die Wege, denen Menschen folgen, wenn sie sich im Web bewegen, um ihnen behilflich sein zu können, ähnliche Informationen zu finden. Alexa wurde 1999 von Amazon für geschätzte 250 Millionen Dollar erworben. Kahle arbeitete dort noch bis 2002, bevor er sich ganz dem Internet Archive widmete.

Der bekannteste Teil des Archivs ist die Wayback Machine. Auf diesem “Online-Dachboden digitaler Erinnerungen” werden Kopien von Internetseiten aufgehoben, so dass man schauen kann, wie eine Website vor einigen Jahren ausgesehen hat. Man könnte auch sagen, das Archive ist das Museum des Internets. Das Internet heute ist für viele das erste Medium der Wahl für kulturelle Erzeugnisse und die Wayback Machine ermöglicht einen Zugang dazu zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Und es gibt an der Stelle mehr als nur wissenschaftliches Interesse, was mehr als 500 Zugriffe pro Sekunde bestätigen.

Zusätzlich zum Archiv von Webseiten gibt es eine Audiobibliothek mit mehr als 300.000 MP3-Dateien, ein Filmarchiv mit mehr als 150.000 Filmen und Videos und ein Livemusikarchiv mit Aufnahmen von mehr als 60.000 Konzerten. All diese Sammlungen sind kostenlos zugänglich.

Das ist ein guter Schritt in Richtung Ziel von Herrn Kahle, der die weltgrößte digitale Bibliothek aufbauen möchte. Dazu hat er auch welltweit 135 Bibliotheken für die openlibrary.org gewonnen. Ziel dieses Projektes ist es, einen Katalog zu jedem jemals erschienenen Buch zu schaffen und da, wo es möglich ist, zum Volltext zu verlinken. Um das zu erreichen, digitalisiert das Internet Archive in Zusammenharbeit für seine Bibliothekspartner täglich mehr als 1000 Bücher. Dafür zahlen die Bibliothek über 30 Dollar. Die digitalisierten Kopien dürfen dabei von beiden Parteien genutzt.

Über 200 Menschen arbeiten für das Internet Archive, welches ein jährliches Budget von 10 – 14 Millionen Dollar benötigt. Anfangs hat Herr Kahle dieses Geld gespendet, doch inzwischen kommen mehr und mehr Spenden von Stiftungen und Bibliotheken, die dafür bezahlen, dass ihre Bücher digitalisiert werden.

It also runs a variety of one-off projects, such as a collaboration with America’s space agency, NASA, to make available photos and films relating to the history of the space programme, and a “print on demand” system to turn digital files into physical books in minutes.

Herr Kahle wirkt mit seinem Stil unbekümmert und lässig, aber der 48-jährige steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden und weiß sich auch gegen starke Gegner zu wehren.

“Come back when you have a warrant,” reads the floor mat underneath his office recliner. It was a gift from the Electronic Frontier Foundation (an activist group on whose board Mr Kahle sits) after Mr Kahle refused to hand over information about one of the Internet Archive’s users to the Federal Bureau of Investigation in 2007.

Dieser Aktivist für Online Privacy ist auch ein überzeugter Befürworter der Offenheit. Er bestand auf einer extra für das Internet Archive entwickelten Open-Source-Suchmaschine (Scribe). Auch die “PetaBox”, die eine Million Gigabyte Daten speichern kann, ist auf Open-Source-Basis entwickelt worden.

“Everything Brewster does is open. He personifies openness,” says John Seely Brown, who sits on Amazon’s board of directors and was previously the chief scientist at Xerox, and the director of its Palo Alto Research Centre. Being open “is the right way to have a thriving industry,” says Mr Kahle. “I have been much more successful when letting people know what I want to do. I get much more help that way.”

Dieser große Enthusiasmus Kahles für eine solche Offenheit enhält implizit auch eine Kritik an dem viel größeren Buchdigitalisierungsprojekt von Google. Auch die Googlegründer haben ein ähnliches Ziel wie Herr Kahle, auch sie wollen das Wissen der Welt organisieren und es allen zugänglich und nutzbar zu machen. Da das meiste Wissen immer noch in Büchern enthalten ist, scannt man sie.
Während für das Internet Archive den Focus auf gemeinfreie Werke legt, um sie im Volltext zugänglich zu machen, so scannt Google mehr als 7 Millionen neuere Werke, von denen die meisten noch urheberrechtlich geschützt sind. Diese werden in kleinen Auszügen zugänglich gemacht.

Auch wenn Google bisher behauptete, man würde nicht das ganze Werk zugänglich machen und damit weder eine Copyrightverletzung begehen noch die Erlaubnis der Verlegerbenötigen, zwangen die Verleger den Suchmaschinengiganten zu einer Vereinbarung Oktober 2008. Eine endgültige gerichtliche Entscheidung wird Juni dieses Jahres erwartet.

Under the terms of the settlement, Google will put copyrighted works online only with the permission of publishers, who can also decide whether to make a preview available or not. Google will also be allowed to sell access to entire books online, sharing the proceeds with publishers. It has, in other words, struck a deal that will allow it to go on scanning books and make money providing access to them online.

Die Herangehensweise von Herrn Kahle, die Anzahl der verfügbaren Bücher zu erweitern, ist anders. Wenig erfoglreich verklagte er die die amerikanische Regierung (Kahle vs. Gonzales), übermäßig restriktive Copyyrightregelungen rückgängig zu machen. Eine Verkürzung des Schutzzeitraumes hätte die Zahl der gemeinfreien Werke dramatisch gesteigert und die Zahl der digitalisierbaren und damit frei zugänglichen Online-Werke erheblich erhöht. Davon hätte jeder profitiert.

Googles rechtliche Einigung hat eine Kontroverse verursacht. Die Einigung bedeutet, dass Google jetzt die einzige große Firma ist, die eine bedeutende digitale Sammlung copyrightgeschützter Bücher ist. Einige Bibliothekare befürchten, dass dies der Internetfirma riesige Macht gibt. Nicht umsonst heißt es “Wissen ist Macht” und nicht umsonst wird viel Geld für Informationen bezahlt.

“This is a more powerful monopoly than we’ve ever seen for access to 20th-century material,” says Ms Moore of the University of Toronto. “We do not have a good track record in negotiating good prices with monopolies.” Similar concerns led Harvard University to reduce its participation in Google’s project.

Die Meinung ist nicht eindeutig. Andere Bibliothekare begrüßen das Google Settlement als einen guten Kompromiss, aber nichts ist perfekt und betrifft nicht die Kritikpunkte, die Herr Kahle und andere Internetanbieter am Copyright-Gesetz äußerten. Herr Kahle möchte alles frei haben. Darin wird er auch von Bibliothekaren unterstützt, aber Bibliotheken müssen große Abstriche machen bei dem was sie sammeln und archivieren und dem, was sie zugänglich machen können.

Obwohl beide Projekte sehr verschiedene Ansätze wählen – eines einen idealistischen, das andere einen pragmatischen – kann es sein, dass sich beide eigentlich gut ergänzen. Bibliotheken können mit beiden Projekten zusammen arbeiten. Und falls die Dinge bei Google schief laufen, können Bibliotheken immer noch woanders hingehen. Wenn die Preise bei Google zu hoch werden, können und werden sich andere Mitspieler finden, die die Werke erneut scannen. Es gibt noch genug Originalquellen. Auch den Nutzern ist es freigetellt, ihren Service zu wählen, um Zugang zu erhalten, wie das bei den gemeinfreien Büchern nachvollziehbar ist.

It may be that a lack of library funds, rather than Google, poses the biggest short-term threat to Mr Kahle’s dream. Google covers the cost of scanning libraries’ books. But to get into Mr Kahle’s archive, libraries must either do their own scanning or pay the archive to do it. And, like everyone else, libraries are feeling the financial squeeze at the moment.

Herr Kahle ist sehr vorausschauend. Universeller Online-Zugang zu allem Wissen ist ein Ziel, dass wohl während unser Lebensdauer nicht erreicht wird, aber wenn man ein solches weitentferntes Ziel wählt, kann man viele Leute darauf einschwören. Kahle will kein Imperium aufbauen, seine Idee ist es, die Zukunft zu schaffen.

Quelle:
The internet’s librarian :engl: in The Economist, 05.03.2009

Aufmerksam geworden über:
Robes, Jochen: The internet’s librarian :engl: bei Weiterbildungsblog

Errata als Kommentar 2

Google Books ist auf der Suche

Die us-amerikanische Anwaltskanzelei Boni & Zack LLC:engl: ruft Rechteinhaber weltweit auf, ihre Ansprüche gegenber Google anzumelden.

Die Aufforderung beruht auf dem Google-Abkommen1 vom Okober mit den Verlagen. Die us-amerikanischen Rechteinhaber und Google einigten sich darüber, dass die ersteren für die Nutzung der Bücher durch Google finanziell beteiligt werden. Google hingegen darf die Bücher einscannen, in den USA online auch mit Werbeeinblendungen verfügbarmachen und gegen Geld zugänglich machen oder Abonnements mit akademischen und öffentlichen Institutionen abschließen.

“The settlement is a tremendous win for authors,” says Michael J. Boni.
[…]
“This historic agreement will breathe new commercial life into out-of-print books and provide other significant benefits to authors,” says Joanne Zack.

Boni & Zack, die maßgeblich am Zustandekommen dieser Einigung beteiligt waren schreiben dazu auf ihrer Website:engl: :

Holders worldwide of U.S. copyrights can register their works with the Book Rights Registry and receive compensation from institutional subscriptions, book sales, ad revenues and other possible revenue models, as well as a cash payment if their works have already been digitized.

Diese Möglichkeit sollten die Autoren wahrnehmen, deren urheberrechtlich geschützte Werken vor dem 06.01.2009 veröffentlicht wurden. Auch die Verleger von Büchern und Zeitschriften können ihre Rechte geltend machen.

Die Rechtsansprüche müssen bis zum 5. Januar 2010 gemeldet werden, entweder per Brief oder über die dafür eingerichtete Website Googlesettlement.com2. Wichtig zu beachten ist die Widerspruchsfrist. Bis zum 05.05.09 muss der Widerspruch gegen die Onlinenutzung ihrer Werke eingereicht werden.

Auf die in diesem Register verzeichneten Autoren und Verleger werden 63 Prozent der von Google aus der Onlinenutzung ihrer Werke erzielten Einnahmen pauschal verteilt. Google nutzt dies auch als Werbung für Google Books. Nach Meinung des Unternehmens werden vor allem Autoren von vergriffenen Büchern durch das Onlineprogramm profitieren. Google Books biete ihnen die Möglichkeit, mit ihren Inhalten noch einmal Geld zu verdienen.

Diese Vereinbarung gilt so nur in den USA und wird erst am 11. Juni 2009 rechtskräftig. In Deutschland gibt es heftige Kritik an diesem Abkommen.

Quelle:
US-Kanzlei sucht nach Rechteinhabern für Google Books via golem.de

  1. Kurzfassung des Abkommens auf Deutsch []
  2. Die Seite wird in Deutscher Übersetzung angeboten. []

FAZ, Google, VG Wort und irgendwo auch Bibliotheken

Wieviel Selbstbetrug ist dabei, wenn man dem “liebenswerten” Riesen Google traut? Bunt und lässig wirkt die schnelle Suchmaschine und ihr Motto “Don’t be evil” ist geradezu sympatisch. Das Versprechen, nicht mehr in Büchern blättern zu müssen, ist eine Verheißung, die Google mit “Google Books” glaubhaft werde lässt.

Aus ehemaligen Gegnern dieses Projektes, den Autoren und Verlegerverbänden, wurden in den letzten drei Monaten nach der bahnbrechenden Einigung am 28. Oktober 2008:engl: „Branchenpartner“. Damit ist man bei der Sache also schon beim “Wir” angekommen.

Eng wollen die Suchmaschinisten mit ihnen zusammenarbeiten, „um noch mehr Bücher dieser Welt online verfügbar zu machen“. Das utopisch Vermessene steckt in der Wendung „dieser Welt“, welche Google erneut zu erobern ausgezogen ist – und wie wohl niemand zuvor in der Geschichte über alle Kulturen, Sprachen und Religionen hinweg tatsächlich in den Griff zu bekommen scheint.
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Anders ist da der Auftritt deutscher Streiter wie der VG Wort, die nun gegen das Projekt Google Books vorgehen möchten, für das Google in den USA “trotz bisheriger Rechtsunsicherheit schon sieben Millionen Bücher digitalisiert” hat.

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Ein Trend zum E-Book

Archivalia und das IBI-Weblog berichten bereits darüber. Auch der Deutschlandfunk hat es schon von den Dächern gepfiffen: In Würzburg an der Universitätsbibliothek gibt es demnächst – finanziert aus Studienmitteln – mehr E-Books für die Studenten.

Heutzutage zu studieren, geht ins Geld. […] Rechtzeitig zum Weihnachtsfest macht die Universität Würzburg ihren Studenten daher ein “Geschenk”: 500 Lehrbücher, die statistisch am häufigsten ausgeliehen werden, gibt es bis zu den Feiertagen in elektronischer Form.

Die Universitätsbibliothek scannt die statistisch am häufigsten entliehenen Bücher ein und stellt sie den Studierenden elektronisch zur Verfügung. 💡
Dazu nutzt man den § 52b UrhG.

Dieser Paragraph erlaubt es zum ersten Mal innerhalb einer wissenschaftlichen Einrichtung elektronisch Gedrucktes bereitzustellen. Die Universitätsbibliothek sieht darin einen Freibrief fürs Digitalisieren. Wer allerdings hofft, jetzt aus dem Internet darauf zugreifen zu dürfen, muss sich enttäuschen lassen. Diese nachträglich zu E-Books umgewandelten Werke dürfen laut der Regelung des Paragraphen nur in den engen Räumlichkeiten an PCs vor Ort genutzt werden. Und mit rund 70.000 € aus Studienmitteln ist das auch kein billiges Weihnachtsgeschenk, dass hier den Studenten gemacht wird.

Ach ja, apropos Urheberrecht. Sich das Werk einfach herunterladen oder komplett ausdrucken – zweite Variante beim Palandt eine zeitaufwendige, teure und unnütze Lösung – funktioniert nicht.

Der Leiter des Projekts, Hans-Günther Schmidt dazu:

“Sie können ausdrucken, sie können Teile davon herunterladen. Der ganze Text – das wird wohl nicht gelingen. Wir haben verschiedene technische Sicherungen drin, so dass das ganze Buch, wie es das Urheberrecht auch vorsieht, nicht heruntergeladen werden kann…”

Ach ja, da war ja was. Das hört sich doch glatt nach DRM an. Wo bleiben die entrüsteten Schreie derjenigen, die Digital Rights Managment verteufeln? Es ist okay, denn das Projekt an sich bietet noch einige Risiken und auch den Wünschen der Verlage muss man Rechnung tragen.

Ich finde es auf den ersten Blick jedoch eine gute Sache, ein guter Anfang, wenn auch einige Einschränkungen, die durch §52 b UrhG gegeben sind und diesen Fortschritt erheblich eindämmen. Hoffen wir mal, dass die so angefertigten Scans die Bibliothek in den Köpfen oder auf Papier verlassen und nicht hinein in die bunte digitale Welt des Internets gelangen, damit sich Aufwand, Mut und dieser kleine Fortschritt auch lohnen.

Europeana testet neue Hardware – Erneut Beta-Status

Europeana is testing newly configured hardware. The site is therefore open for you to use but the user experience may not be optimal in this test phase e.g.: the number of users will be limited in peak times.

Mit der erneuten Beta-Phase öffnet sich Europeana wieder den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit und man entgeht so geschickt den Vorwürfen, sollte das Portal unter dem Ansturm einmal mehr zusammenbrechen oder sollte es zu Problemen kommen. Ausprobieren ist jetzt wieder erwünscht. 🙂

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