[Bildzitat] Unkommentiert – 30.01.2021
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Bibliothekarisch – die berufliche Tätigkeit eine:r Bibliothekar:in betreffend.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Im Blogbeitrag „Bücher gegen Rassismus für Kinder und Jugendliche“ vom 22.07.2020 wurde kritisch bemerkt, dass die Stiftung Lesen in Ihre Liste mit Empfehlungen zum Thema „Liste für Bücher gegen Rassismus“ keine Schwarzen Autor*innen aus dem deutschsprachigen Raum mit aufführte. Ein Artikel „Schwarze Kinder, weiße Perspektiven“ von Frau Chantal-Fleur Sandjon dem migrationspolitischen Portal der Heinrich-Böll-Stiftung ging nun vor etwa einem Monat der Frage nach wie divers die Kinderbuchbranche ist. Meine Feststellung, dass es kaum eine Förderung von Autor*innen gibt, die zur Gruppe der People of Color zählen, bestätigt sich in dem Artikel. Selbst in einem Land wie Großbritannien, kam eine Studie 2019 zu dem Ergebnis, dass weniger als 2 % der veröffentlichten Kinderbuchautor*innen und -illustrator*innen selbst Brit*innen of Color waren. In Deutschland gibt hierzu keine Zahlen, aber der Prozentanteil wird sicherlich ähnlich niedrig sein. Der Artikel benennt neben brititischen Autor*innen unter anderem auch die deutsch-marokkanische Illustratorin Jasmina El Bouamraoui (EL BOUM), die für das das finnische Goethe-Institut in Helsinki Illustrationen für Kinderliteratur gestaltet. Eine weitere Autorin, die hierzulande bekannt sein müsste, ist Andrea Karimé. Laut der Autorin des Artikels ist Karimé mit einer Ablehnung und einem Unverständnis von Seiten der Verlage konfrontiert.
Karimé kommt bezüglich der mangelnden Diversität in der Kinderbuchbranche zu folgendem Fazit:
„Das Interesse an Kinderbüchern mit Kindern of Color in der Hauptrolle unterliegt starken Wellenbewegungen. Nach Merkels ‚Wir schaffen das!‘ gab es plötzlich viele Bücher über Flucht, die meisten aber von weißen Autor*innen, die sich zuvor wenig mit der Thematik beschäftigt hatten, was den Büchern oft anzumerken ist. Auch jetzt ist die Entwicklung sehr ähnlich – Kinderbücher sollen diverser werden, die Menschen, die sie schreiben, aber nicht unbedingt. Von Forderungen, wie sie #ownvoices (1) stellt, sind wir in der deutschen Kinderbuchbranche noch weit entfernt.“
Die Verlegerin von Habte Books, Fitsame Teferra, bemängelt zudem, dass es kaum billinguale Kinderbücher für unterpräsentierte Sprachen wie etwa Hausa oder Kiswahili gibt. Sie machte selbst die Erfahrung auf Ablehnung gestoßen zu sein bei deutschen Verlagen und gründete 2015 deshalb ihren eigenen Verlag mehrsprachiger Kinderbücher mit und in afrikanischen Sprachen. Die Professorin Maisha Auma forderte deshalb die Anerkennung die Barrieren, …
die „mit Marginalisierung aufgrund von Othering einhergehen, also mit der Platzierung im Verhältnis zur hergestellten Norm und dem Verdrängen an den Rand von Narrativen, Strukturen, Gesellschaften. Hierzu braucht es konkrete Verpflichtungen und einen konkreten Plan, wie diese Barrieren sukzessiv behoben werden können.“
Der Landesfachtag Schulbibliotheken 2020 in Schleswig Holstein findet am 21. November statt und befasst sich mit dem Thema „Interkulturelle Bibliotheksarbeit
in Schulbibliotheken“. Auf dieser Tagung wird unter anderem das Buch „The Hate U Give“ der US-amerikanischen Schriftstellerin Angie Thomas vorgestellt, das 2018 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Dieses Buch macht ebenso deutlich, dass hierzulande kaum Literatur produziert wird, welche sich mit der europäischen, insbesondere der Schwarzen Perspektive im deutschen Raum auseinandersetzt. Es wäre wünschenswert, wenn Autor*innen gefördert würden und Preise erhielten, welche hierzulande Kinderbücher aus der Sicht von People of Color in Europa respektive Deutschland schreiben.
Die Stiftung Lesen stellte vor wenigen Tagen eine Liste für Bücher gegen Rassismus ins Netz. Dabei handelt es sich in aller erster Linie um Bücher für Kinder und Jugendliche. Frau Prof. Wiesenmüller von der HdM Stuttgart wies am 17. Juli auf Twitter völlig zurecht darauf hin, dass die Kritik des Mitherausgebers der FAZ, Herrn Jörg Kaube, völlig wirr und und abgehoben ist:
„Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz – das kennen mitunter (leider) schon die Jüngsten. Bereits ab dem Kita-Alter und später auch in der Schule machen Kinder und Jugendliche Erfahrungen mit Rassismus, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Sprache ausgegrenzt und abgelehnt werden. Bücher können helfen, diese Probleme bewusst zu machen. Sie können uns miteinander ins Gespräch bringen, für das Thema sensibilisieren und bei der Suche nach Lösungsansätzen unterstützen. […] Die Möglichkeiten, die Bücher zur Auseinandersetzung mit Rassismus bieten, sind ebenso vielschichtig wie das Thema selbst. Mit unseren Empfehlungen möchten wir Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Lehrkräfte bei der Auswahl von Geschichten unterstützen. Christine Kranz
Der Liste würde ich noch folgende Bücher hinzufügen, die ebenso Rassismus thematisieren. Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind ebenso Teil von Rassismus. Diese drei Bücher kenne ich aus der Kindheit und Jugend eigener Familienmitglieder:
1.) Papa, was ist ein Fremder? (Gespräche mit meiner Tochter) von Tahar Ben Jelloun. Rowohlt Taschenbuch. ISBN: 978-3499211454. 112 Seiten
2.) Mama, was ist Auschwitz? von Annette Wieviorka. List Taschenbuch. ISBN: 978-3548600888. 92 Seiten
3.) Als Hitler das rosa Kaninchen stahl von Judith Kerr. Ravensburger Verlag GmbH. ISBN: 978-3473584291. 576 Seiten
Natürlich gibt es noch weitere Bücher, mir scheint aber, dass in Frankreich, Großbritannien und den USA mehr Literatur zu diesem Thema für diese Zielgruppe existiert. Die drei Beispiele von mir machen es deutlich, da die drei Autor*innen aus den eben genannten Ländern kommen. Warum ist das so? Falls meine Vermutung richtig ist, dann scheint das zumindest in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur noch wenig thematisiert worden zu sein, vor allem im Hinblick auf Rassismus gegen Schwarze, Geflüchtete und aus Asien stammende Menschen. Ein Blick in die Leseliste der Stiftung Lesen genügt und es wird deutlich, dass von den acht Lesetipps, die auch Bücher für Jugendliche ab 14 Jahren enthalten, die Hälfte aus Übersetzungen englischsprachiger Werke besteht. Auch die Autorin des ersten Werkes, Lisbeth Kaiser, ist eine US-Amerikanerin. Die Thematik Rassismus, wie sie etwa Hans-Jürgen Massaquoi oder Theodor Michael Wonja erlebten, taucht in der Leseliste nicht auf. Gibt es zu wenig Kinder- und Jugendbücher von und über Afrodeutsche oder Afroösterreicher*innen und Afroschweizer*innen? Zumindest vermitteln das die Empfehlungen der Stiftung Lesen. Die beiden genannten afrodeutschen Autoren schrieben ja eher Autobiographien für Erwachsene.
Hätte die Literaturliste der Stiftung Lesen anders, diverser und vielfältiger ausgesehen, wenn interkulturelle Bibliothekar*innen, Community-Bibliotheken wie zum Beispiel die von Each one – Teach One e.V. und Audream aus Berlin mit einbezogen worden wären? Ich bin schon dieser Meinung und dass auch Bibliotheken, aber auch die Stiftung Lesung sich Beratung und Recherche leisten sollten, wenn es um bestimmte Thematiken geht. Die Liste der Stiftung Lesen erzählt viel zu wenig Geschichten über Rassismus in Deutschland. Entweder ist das eine Leerstelle im Bezug auf Kinder- und Jugendliteratur oder man hat explizit eher Bestseller/Klassiker ausgesucht, die zur Hälfte aus dem Ausland stammen und sich dort gut verkauften. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn die Stiftung Lesen Ihre Liste mit Empfehlungen überarbeitet und zum Beispiel mehr Schwarze Autor*innen aus dem deutschsprachigen Raum fördert und solche, die andere Geschichten über Rassismus erzählen und über Rassismus aus eigener Erfahrung aufgrund deren biographischer Herkünfte schreiben.
Im Blogeintrag „Bücher und Leselisten gegen Rassismus?“ vom 13.06.2020, den ich mit einem Fragezeichen versah, war ich zu Beginn des Artikels noch der Auffassung, dass die Wirkung von Leselisten, die durch Bibliotheken oder andere Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, eher wenig Wirkung erzielen wird. Am Ende sah ich dies etwas nüchterner und kam zu dem Entschluss, dass es zumindest einen Versuch wert ist. Dabei bezog ich mich nur auf Erwachsene. Deshalb werde ich demnächst versuchen eine eigene Leseliste für Erwachsene zu erstellen, welche mehr Sachbücher enthält.
Die Kinder der afghanischen Hauptstadt Kabul wachsen im Krieg auf. Das beschränkt die Bildungsmöglichkeiten. Nur drei von zehn Erwachsenen können richtig lesen. Dem möchte die 27 Jahre alte Freshta Karim etwas entgegensetzen.
Quelle: Klicksafe
Am Freitag, den 28.11. wurde die JIM-Studie 2014 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest veröffentlicht und steht zum Download bereit. Dabei ging es vor allem um das Mediennutzung(sverhalten) von Jugendlichen, aber auch um die Einschätzung und Bewertung der Seriosität von Medien durch Jugendliche. Facebook erfreut sich bei Jugendlichen zunehmend geringerer Beliebtheit. 2013 nutzten noch 54 % der Befragten Facebook. Inzwischen sind das 2014 nur noch 34 %. Ebenso ging die Fernsehnutzung bei Jugendlichen zurück, die nur noch bei 57 % liegt. Dagegen erfreut sich WhatsApp einer sehr großen Bliebtheit. 94% der befragten jugendlichen Smartphonebesitzer haben WhatsApp auf ihrem Handy installiert. 1.200 Mädchen und Jungen zwischen 12 bis 19 Jahren wurden unter anderem gefragt, welche technischen Geräte sie besitzen und welche Medien sie nutzen. Von denen Jugendlichen, welche das Internet für glaubwürdig halten, nannten 16 % Spiegel online und Google als vertrauenswürdige Internetseiten. Überregionale Zeitungen wie DIE ZEIT oder die FAZ nutzen nur 8 % der befragten Jugendlichen.
28 % der befragten Jugendlichen lesen noch in ihrer Freizeit und 26 % lesen niemals Bücher.
Die Informationsflut und ständige Erreichbarkeit wurde von den Jugendlichen als problematisch wahrgenommen.
„64 Prozent der zwölf- bis 19-jährigen Smartphone- und Handybesitzer stimmen der Aussage voll und ganz bzw. teilweise zu, dass sie zu viel Zeit mit dem Handy/Smartphone verbringen. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen ist manchmal genervt von der Fülle eingehender Nachrichten. Trotzdem befürchtet jeder Vierte, etwas zu verpassen, wenn das Handy/Smartphone ausgeschaltet ist.“ Pressemitteilungen des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest vom 24. und 28.11.2014.
„Anonymes Lesen scheint noch nicht stigmatisiert zu sein, doch das wird sich ändern, sobald wir dazu übergehen, Bücher bei Amazon oder Barnes & Noble auszuleihen und nicht mehr in öffentlichen Bibliotheken. Diesen würde es nicht im Traum einfallen, unsere Daten weiterzuverkaufen, die anderen würden sich die Chance nicht entgehen lassen. Sie würden uns sogar Einkaufsgutscheine geben, wenn wir erzählen, was wir gerade lesen.“ Evgeny Morozov
Neben Archivalia informierten auch „die Cybrarians“ („Arabic Portal for Librarianship and Information“) über den Brand des Institut d’Egypt mit seinen 200.000 Büchern, der vor etwa zehn Tagen stattfand. Die Ausschreitungen zwischen dem ägyptischen Sicherheitsapparat und den prodemokratischen Anhängern forderten etwa 14 Tote und über 400 Verletzte. Der Zustand der über 213 Jahre alten Karten und Manuskripte wurde als nicht ersetzbar eingestuft. Mme. Danielle Mincio, die aus Lausanne stammende Vorsitzende der IFLA Preservation and Conservation Section (2011-2013), berichtete vor sieben Tagen ausführlich über die Ereignisse im Newsletter Swiss-Lib. So boten der Scheich der Arabischen Emirate und die französische Regierung ihre Hilfe zum Wiederaufbau des Gebäudes an. Das 1798 von Napoleon Bonparte errichtete Gebäude wird auch als „Scientific Center“ bezeichnet. Hat der Brand politische und/oder post-koloniale Gründe, wie es 2005 beim Brand des Goethe-Instituts Togo und dem vollständigen Abrennen seiner Bibliothek wohl der Fall war? Ich bezweifle das diesmal sehr. Wie das Foto aus der Zeitung Al-Masry Al-Youm zeigt, schritten junge Freiwillige zur Tat und sicherten die wertvollen Bücher und Manuskripte vor der weiteren Zerstörung und vor Dieben.
16 vollbeladene LKWs mit nassen Büchern und Manuskripten konnten gerettet werden und wurden zur Nationalbibliothek transportiert. Die wertvolle Ausgabe der „Déscription de l’Egypte“ konnte gesichert werden. Viele der Bände sind außen beschädigt, können aber restauriert werden.
Mohammed al-Sharbouni, der Direktor des Institut d’Egypt drückt sein Bedauern hierzu aus:
„The burning of such a rich building means a large part of Egyptian history has ended.“
Ein weiteres Video zeigt, wie bereits während des Brands Bestände von mutigen jungen Männern gerettet werden konnten. Weiterlesen
Die FAZ schießt gegen Google. Malerisch beschreibt man das Aufbegehren gegen Google als „Rückzugsgefecht versprengter Truppen gegen eine Übermacht“. Es fehlt bei der Einleitung nur das Wort „Größenwahn“ in Bezug auf Googles Politik des Auslotens normativer Grenzen, wenn es darum geht, das Weltwissen verfügbar zu machen.
Dabei geht es nicht nur ums große Geld, sondern auch selten mit ganz legalen Mitteln zu – wie bei großen Eroberungszügen nicht anders zu erwarten.
Alles begann damit, dass Google sich vor erst fünf Jahren an das Riesenprojekt wagte, die Bestände amerikanischer Bibliotheken zu scannen. Neben Public-Domain-Werken, nicht mehr lieferbaren Büchern sind dort aber auch noch urheberrechtlich geschützte und lieferbare Bücher zu finden. Einen Großteil der Masse der Google-Scans betreffen die Books-out-of-Print. Europäische Bibliothekspartner lassen nur gemeinfreie Bücher digitalisieren.
Das dreijährige Mammutverfahren kostete 45 Mio Dollar und häufte eine Million Akten- und Gutachtenseiten an. Oktober letzten Jahres dann wurde der Vergleich „Google Book Settlement“ eingereicht und wird seit dem auch durch eine große Anzeigenkampagne und im Internet in 36 Sprachen bekannt gemacht. Damit sollen die Autoren über die Modalitäten des Settlements aufgeklärt werden.
Der Ton wurde leider nicht sachlicher, nachdem der erste Frust niedergeschrieben war. Sicherlich muss man bemängeln, dass die Übersetzung wohl mit Hilfe von Googles hauseigener Übersetzungsmaschine durchgeführt worden war und keine deutschen Urheberrechtler herangezogen worden.
So wird schon auf der ersten Seite aus einem „Verleger“ ein „Herausgeber“ und aus einem „Autor“ ein „Unterklasse-Autor“.
Damit wird dieser Vertrag rechtlich praktisch unlesbar.
Ein zweites Leider mag vielleicht auch gelten. Um herauszufinden, ob die eigenen Werke digitalisiert wurden, hat auch Schwierigkeiten. Metadatenquelle war der Worldcat, der mit 270 Millionen Büchern aus allen Ländern doch recht unübersichtlich ist.
Der FAZ-Autor macht sich auch hier unreflektiert zum Sprachrohr eines (zumindest vom Sprachstil so wirkenden) aufgebrachten Christian Sprang,seines Zeichens Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Hinzu kommt: Wer das Settlement-Formular ausfülle, gebe schon wieder jede Menge Metadaten von sich preis.
Die Opt-out-Klausel, die es Autoren und Verlagen ermöglicht, Google mitzuteilen, dass sie aus dem Vergleich aussteigen wollen. Dies ist für den Riesen nicht verpflichtend, dass er die Bücher tatsächlich aus dem Netz nehmen muss. Erst mit einer Privatklage in den Vereinigten Staaten kann der Autor/Verlag nachweisen, dass Google amerikanisches Copyright gebrochen hat. Kleine Verlagee und einzelne Autoren können sich dies finanziell nicht leisten. Bis zum Ende der „notification period“ am 5. Mai 2009 müssen sich Autoren bzw. Verlage gemeldet haben.
Die Frage, die sich stellt, ist natürlich, welche Vorteile Autoren davon hätten, dass sie sich dieser größeren Sichtbarkeit entziehen. Muss man auf seinem Recht bestehen, nur um Recht zu behalten? Fast trotzig wirkt hier die Reaktion des deutschen Jusitziars. Welche Nachteile befürchtet man, dass man allen Autoren und Verlagen pauschal dazu rät, Google zu verlassen? Wo gibt es offizielle, sachliche Entscheidungshilfen, die ein Pro & Contra einer solchen Entscheidung klar darstellen oder abwägen?
Am 11. Juni wird das Gerichtin New York dem Vergleich mit hoher Wahrscheinlichkeit zustimmen, da sich hier in den Augen der Richter die Prozessparteien selbständig geeinigt haben.
Sollte trotz von mehreren Seiten angekündigter Einsprüche der Vergleich am 11. Juni bestätigt werden, wird der Tag als Wende in die Geschichte des Urheberrechts eingehen.
Formal gilt dieser Vergeleich nur in den USA, dennoch befürchtet der Börsenverein, dass jetzt das Urheberrecht leichter umgehbar wird. Der Autor sieht dadurch die bisherige Rechtsstaatlichkeit für Verleger und Autoren bedroht.
Google erhält durch diesen Vergleich eine andere Rolle. Die Regelungen des Settlement mit der Authors Guild sehen eine Garantiesumme von 60 Dollar pro unauthorisiert digitalisierten Buch vor. Diese Autoren können mit entscheiden, ob und in welchem Umfang Google das Werk im Zusammenhang mit Werbung nutzen darf. An die Autoren wird außerdem pauschalisiert dreiundsechzig Prozent der Werbeeinnahmen Googles ausgeschüttet.
So wird Google zum Händler und nach 2011 zum Verleger. Denn das gar nicht unrealistische Kalkül der Firma sieht vor, dass höchstens einer von zehn Copyright-Inhabern seine Ansprüche geltend machen wird. Damit fallen die Rechte im Lauf der nächsten Jahre an Google.
Mir ist Unklar, in welcher Form Google hier zum Verleger wird. Wikipedia definiert Verleger:
Früher bezeichnete man mit Verleger den Auftraggeber im Verlagssystem. Heute bezeichnet der Begriff einen Unternehmer, der einen Verlag für Bücher, Noten, Zeitschriften oder Zeitungen betreibt oder leitet. Die Branchenbezeichnung leitet sich von Vorlage ab. Der Verleger geht mit Druck- und Werbungskosten in Vorlage.
In diesem Fall wird Google nicht erst 2011 zum verleger, sondern ist es bereits seit der Verlag Scans erster Bücher der Public Domain angeboten hat.
Die Regelung des Vergleichs sichert Google, dass sollten alle sieben Millionen Rechteinhaber die 60 Dollar pro Buch verlangen, maximal 420 Millionen zahlen muss. Auch diese Rechnung kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es sind etwa 7 Millionen Bücher, die digitalisiert worden, aber etwa 500.000 fallen davon unter die Public Domain. Die muss man wohl abziehen. Google scheint nicht mit einer großen Anzahl von Anträgen zu rechnen, denn man stellt 45 Millionen Dollar, d.h. knapp 11 % der Summe für die Auszahlung bereit.
Schon jetzt darf, die Zustimmung des Gerichts voraussetzend, Google alle Bücher einscannen, die bis zum 5. Januar 2009 erschienen sind. „Das ist das eigentlich Teuflische an diesem Plan“, erklärt Sprang.
Kolidieren hier die Wünsche des größten Menschheitsprojekts mit den Vorstellungen des geistigen Eigentums? Sehr schön, jetzt kommen wir zu den tapferen Männlein, die sich gegen die Übermacht stämmen. Auf dieses Bild habe ich direkt seit Beginn des Feuilletons gewartet.
Der Börsenverein hat sich mit der Verwertungsgesellschaft Wort und mit dem Schriftstellerverband verbündet, die sich normalerweise um das Eintreiben von Kopier- und anderen Vervielfältigungserlösen für Autoren kümmert. Die VG Wort soll nun ihren Wahrnehmungsvertrag gegenüber 380.000 Vertragsnehmern um die elektronischen Rechte erweitern. Per Rechtsgutachten ist diese Vorgehensweise abgesichert, es wäre ein Pfund, mit dem sich wenigstens ein wenig wuchern ließe.
Und jetzt passiert was, wo ich stutzte. Bis eben war Google der Buh-Mann und auf einmal träumen nicht alle Autoren davon, Google zu enteignen? Das ist eine sehr unerwartete Wendung am Ende des Beitrages.
Sicherlich muss man Googles Tätigkeiten besser kanalisieren und den Kopf gottergeben in den Sand zu stecken oder einfach das, was Google macht, unreflektiert zu verteufeln.
So gelähmt wirkt die Branche angesichts der Chuzpe, dass viele klagen, der Kampf sei schon verloren – bevor sie ihn aufgenommen haben. Mit den Urheberrechten gäbe man, so der Schriftsteller Thomas Hettche, auf, wofür man Jahrhunderte gekämpft habe.
Etwas ungläubig las ich dann, dass der Digitalisierungskritikier und Schriftsteller Thomas Hettche sich mit einer für seine Arbeit doch so wichtigen Vereinbarung, die seit Monaten durch die Presse geistert, noch nicht auseinander gesetzt hat. Damit reiht er sich wohl in die Mehrheit der Autoren ein.
Das zeigt einmal mehr das man „dagegen“ ist, ohne das Problem oder die Möglichkeiten zu beleuchten. Autoren, die sich nämlich auch mit den Chancen auseinander setzen, erkennen, dass sie als passive Nutzer nämlich sogar selbst von Google Books profitieren. Das zeigt aber auch das Dilemma in denen Autoren stecken. Einerseits haben sie nicht wirklich Einfluss auf Google, andererseits gewinnen Sie auch durch die bessere Sichtbarkeit ihrer Bücher. Ich persönlich habe schon mehrfach Fachbücher erworben, die ich in der Bibliothek nicht schnell beschaffen konnte und deren Relevanz ich über Google evaluieren konnte. Also, das ist dann wohl Google Books als die perfekte Werbeplattform.
Glücklich ist die Lösung für beide Seiten nicht, da man mit mehr Einigungsbereitschaft von beiden Seiten im vorfeld eine einvernehmlichere Lösung hätte erzielen können.
Unter den Büchern, die Google digitalisieren will, befinden sich nach Angaben es Börsenvereins allein 50.000 deutschsprachige Titel von Random House Deutschland, dem größten deutschen Publikumsverlag. Random House Vorstandsvorsitzender Joerg Pfuhl ist nicht ganz so ablehnend:
„Grundsätzlich ist der Google-Vergleich eine gute Sache. Er könnte Basis für neue Geschäftsideen sein. Und immerhin hat Google die Urheberrechte nun anerkannt.“ Aber auch er räumt ein, Google habe „viel Misstrauen gesät. Die Vorgehensweise ist bekannt: Fakten schaffen, um dann unter Druck Lösungen zu erzwingen.“
Google muss zeigen, dass es auf der finanziellen Seite wenigstens ein verlässlicher Partner ist und das Vertrauen rechtfertigt, dass Autoren in das Unternehmen einbringen.
Eine letzte Schwarzmalerei kann sich der Autor am Ende des Beitrages nicht verkneifen. Er sieht ein Grundsatzproblem, dass dieser Prozess akut werden lässt.
Werden künftig Werke der Wissenschaft, der Literatur geschrieben, wenn sie sogleich Gemeingut im Internet sind? Was, wenn die neuen Geschäftsmodelle es Urhebern nicht mehr ermöglichen, von dieser Arbeit zu leben: Verschwinden dann ganze Berufszweige und machen den Selbstausstellern Platz?
Da will ich mal ein paar genauso grundsätzliche Gegenfragen stellen. Schaffen wir den Zugang zu Wissen für eine Elite, wenn der Zugang zu Informationen immer kostenpflichtig ist? Geht nicht zu viel Wissen verloren, weil es nicht zur rechten Zeit auffindbar ist? Ist der Schaden für die Allgemeinheit nicht höher, wenn wegen fehlendem Wissenszugang die Forschung erlahmt oder es zu Doppel- und Dreifachentwicklungen kommt (mal abgesehen, dass wir damit zur Zeit sowieso schon zu kämpfen haben)?
Natürlich muss man Google im Auge behalten und verhindern, dass aus Google ein neues Elsevir wird. Google darf kein Monopolist bleiben. Und man mag meinen, die Industrie und damit auch die Content-Industrie, wüßte, dass Konkurrenz das Geschäft belebt Ich weiß, das ist ein abgedroschener Allgemeinplatz, doch die Bestrebungen mit Libreka wirken einfach nur ungeschickt. Da klingt es richtiggehend getroffen, was der Autor zum Schluss schreibt:
Früher hätte man nach der Politik gerufen und ihr erklärt, dass Wissen systemwichtig sei. Doch die Politik scheint sich für all das nicht zu interessieren.
Quelle:
Hintermeier, Hannes: Das Teuflische an diesem Plan via FAZ.Net